Prozesskostenhilfe bei Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs
Gründe:
Die Antragstellerin hat beantragt, ihr Prozesskostenhilfe für eine Klage auf nachehelichen Unterhalt gegen ihren geschiedenen
Ehemann zu bewilligen mit folgendem Antrag:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine monatlich im voraus zu entrichtende Unterhaltsrente, beginnend ab dem
01.06.1993, in Höhe von DM 1.200,-- nebst 4 % Zinsen seit Klagerhebung zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, einen Unterhaltsrückstand für die Monate Juni, Juli, September, Oktober, November und Dezember
1992, sowie Januar bis Mai 1993 in Höhe von 13.200,-- DM nebst 6 % Zinsen seit Klagerhebung zu bezahlen.
Sie hat dazu vorgebracht, ihr geschiedener Ehemann habe sich durch Prozessvergleich vom 05.12.1990 verpflichtet, einen Trennungsunterhalt
in Höhe von 1.200,-- DM zu bezahlen und mit Schreiben vom 01.04.1992 mitgeteilt, er sei bereit, einen nachehelichen Unterhalt
in gleicher Höhe zu leisten. Tatsächlich habe er im Umfang des Klagantrags keine Unterhaltszahlungen erbracht.
Die Antragstellerin bezieht Sozialhilfe in einer den Unterhaltsanspruch Übersteigenden Höhe. Mit Überleitungsanzeige vom 21.01.1990
wurde der titulierte Unterhaltsanspruch sowie der laufende Unterhalt ab 01.02.1991 auf das Sozialamt der Stadt ... übergeleitet.
Gemäß Abtretungserklärung vom 04.10.1990 hat die Antragstellerin ihren Unterhaltsanspruch gegen ihren getrennt lebenden Ehegatten
bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe an das Sozialamt der Stadt ... abgetreten. Durch Erklärung des Sozialamts der Stadt
... vom 22.07.1993 Übertrug das Sozialamt den für die Antragstellerin übergeleiteten Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit
als auch für die Zukunft an sie zur treuhänderischen, prozessualen Durchsetzung des Anspruchs.
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin durch den angegriffenen Beschluss Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, weil
ein Fall der gewillkürten Prozessstandschaft vorliege komme es nicht allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin
sondern auch diejenigen des tatsächlichen Rechtsinhabers an. Die Stadt ... sei aber unzweifelhaft in der Lage, die Prozesskosten
aufzubringen. Die bedürftige Antragstellerin könne daher nicht zur Geltendmachung des abgetretenen Rechts vorgeschoben werden.
Die gem. §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
a) Grundsätzlich kommt es auch im Fall der Abtretung auf die Vermögenslage des Antragstellers an (BGH, NJW 1967, 1566). Wenn die Abtretung jedoch nur erfolgt ist, um im Prozess eine bedürftige Partei vorzuschieben und dadurch Prozesskostenhilfe
zu erhalten, kann die Abtretung sittenwidrig und damit nichtig sein (Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe,
Rdn. 37) zumindest aber sind unter solchen Umständen nach herrschender Ansicht die wirtschaftlichen Verhältnisse des tatsächlichen
Rechtsinhabers für die Beurteilung maßgebend, ob der prozessführenden Partei Prozesskostenhilfe gem. §
114
ZPO bewilligt werden kann (BGH, VersR 1992, 594). Da es Zweck der Prozesskostenhilfe ist, der unvermögenden Partei die Verfolgung ihrer Rechte zu ermöglichen, kann danach
bei Geltendmachung eines fremden Rechts das Interesse den Rechtsinhabers an der Führung des Rechtsstreits auch auf dem Gebiet
der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht unberücksichtigt bleiben (BGH, aaO., unter Hinweis auf §
116 Satz 1
ZPO). Für den Fall der Rückübertragung von Unterhaltsansprüchen auf den Bedürftigen nach vorangegangenem Übergang oder Überleitung
der Unterhaltsansprüche gemäß § 90
BSHG wird daher die Auffassung vertreten, die Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe durch den ursprünglichen Unterhaltsgläubiger,
der nunmehr Rechte des Sozialhilfeträgers im Prozesswege durchsetzen wolle, sei rechtsmissbräuchlich (MünchKomm/Wax, §
114 Rdn. 37; Zöller/Schneider,
ZPO, 16. Aufl., §
114 Rdn. 6; Baumbach/Hartmann,
ZPO, 51. Aufl., §
114 Rdn. 55). Auch die Sozialbehörde dürfe nicht den Hilfsbedürftigen vorschieben, um sich auf diese Weise von Prozesskosten
zu entlasten. Bei einem solchen Umgehungsverfahren fehle es dem Hilfsbedürftigen für den Prozesskostenhilfeantrag am Rechtsschutzbedürfnis;
er sei als unzulässig abzuweisen.
b) Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Von dem Grundsatz, dass sich die Vermögensprüfung allein auf die Person
des Antragstellers bezieht, sind Ausnahmen nur in engen Grenzen zu machen. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn eine bedürftige
Partei nur vorgeschoben wird, um den wirtschaftlichen Erfolg den Rechtsstreits einem Dritten, der die Voraussetzungen für
die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erfüllt, zukommen zu lassen, sofern darin ein Missbrauch des Instituts der Prozesskostenhilfe
gesehen werden muss (OLG Karlsruhe, OLGZ 1990, 231; OLG Hamm, NJW 1990, 153 - zur Prozesskostenhilfeversagung für Zedenten bei Forderungsabtretung an eine Bank). Es kann dagegen nicht allgemein Rechtsmissbrauch
unterstellt werden, wenn ein Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch nicht nach § 90
BSHG überleitet und der Rechtsinhaber ihn selbst geltend machen will (OLG Karlsruhe, aaO.). Insoweit wird darauf verwiesen, dem
bedürftigen Rechtsinhaber dürfe einerseits nicht die Möglichkeit genommen werden, über die Verfolgung seiner Rechte frei entscheiden
zu können, andererseits darauf, dass § 90
BSHG eine Eingriffsnorm sei, deren Anwendung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde stehe, wobei für die unterlassene Überleitung
durchaus sachliche Gründe bestehen können. Dies es Eingriffsermessen dürfe durch die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht
auf Null reduziert werden.
Auch im Falle der Rückübertragung der Unterhaltsansprüche zum Zwecke der prozessualen Durchsetzung durch den ursprünglichen
Rechtsinhaber ist in der Regel nicht von einem Missbrauch des Rechtsinstituts auszugehen. Weder kann die Rückabtretung als
sittenwidrig angesehen werden, noch ist die Prozessführung durch den Bedürftigen rechtsmissbräuchlich (Kalthoener/Büttner,
aaO., Rdn. 38).
Die Prozesskostenhilfe stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine
Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des sozialen
Rechtsstaates und im allgemeinen Gleichheitssatz findet (BGHZ 109, 168; BVerfG, NJW 1992, 889). Prozesskostenhilfe wird daher als Sozialhilfe im Bereich des Prozessrechts im Sinne einer Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen
bewertet (Zöller/Philippi, aaO., § 115 Rdn. 14; MünchKomm/Wax, § 114 Rdn. 5). Gemäß § 2 Abs. 1 und 2
BSHG gehen die Regelungen der Prozesskostenhilfe den im BSHG getroffenen Regelungen vor und regeln die Kostentragung im Prozessfalle bei Bedürftigkeit abschließend (Schellhorn, Komm.
zum BSHG, 14. Aufl., § 27 Anm. 17; Baumbach/Hartmann, aaO., Übersicht § 114 Anm. 2). Die Verpflichtungen der Träger anderer Sozialleistungen werden ausdrücklich durch das BSHG nicht berührt. Dementsprechend kann aus Mitteln der Sozialhilfe eine Beihilfe zu den Kosten eines Zivilprozesses auch dann
nicht verlangt werden, wenn der Hilfeempfänger den Prozess im Interesse den Trägers der Sozialhilfe führt, weil er nach Überleitung
seiner Unterhaltsansprüche diese mit Ermächtigung den Trägers der Sozialhilfe gegen den Unterhaltspflichtigen geltend macht.
Auch insoweit bilden die Vorschriften der Prozesskostenhilfe eine abschließende Regelung (OVG Hamburg, FamRZ 1988, 529; MünchKomm/Wax, aaO., § 114 Rdn. 5). Kann daher Prozesskostenhilfe wegen missbräuchlicher Prozessführung weder versagt werden
im Falle unterlassener Überleitung von Unterhaltsansprüchen noch Sozialhilfe in Form der Prozesskostenübernahme bewilligt
werden im Falle der Prozessführung des Hilfsbedürftigen im Interesse des Sozialhilfeträgers, weil den Regelungen den Prozesskostenhilferechts
in der
ZPO als Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen gem. § 2
BSHG Vorrang zukommt, kann auch im Fall der Rückübertragung von Unterhaltsansprüchen auf den ursprünglich materiell Unterhaltsberechtigten
zu deren Geltendmachung im Rechtsstreit kein Rechtsmissbrauch gesehen werden, der die Versagung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen
könnte. Das Interesse des Bedürftigen an der Durchsetzung der ursprünglich ihm zustehenden Unterhaltsansprüche ist durch die
Überleitung. nach Hilfegewährung schon deshalb nicht weggefallen, weil der Verpflichtet ihn nicht auf die Inanspruchnahme
subsidiärer staatlicher Hilfe verweisen kann. Das Gesetz ermöglicht die Überleitung lediglich zur Sicherung der Durchsetzung
der Ersatzansprüche, verpflichtet aber Sozialhilfeträger nicht zur Überleitung (Kalthoener/Büttner, aaO., Rdn. 38.). Es verpflichtet
daher auch nicht den Sozialhilfeträger, übergeleitete, Unterhaltsansprüche bei eigenem Kostenrisiko selbst im Prozesswege
durchzusetzen.
c) Soweit die Antragstellerin mit der beabsichtigten Klage einen Anspruch auf Zahlung in Zukunft zu leistender Unterhaltsbeträge
geltend machen will, ist sie davon im übrigen weder durch die Überleitung noch durch die Abtretung gehindert, da abgetreten
und übergeleitet wurde nur bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen den Trägers der Sozialhilfe. Solange Sozialhilfe noch
nicht gewährt ist, stehen trotz Überleitung Sachlegitimation und Prozessführungsbefugnis dem Unterhaltsberechtigten zu (BGH,
FamRZ 1982, 23, 25). Das Recht des Sozialhilfeträgern auch künftig fällig werdenden Unterhalt gerichtlich geltend zu machen (BGH, NJW 1992,
1624, 1625) lässt diese Rechtsposition vor Klagerhebung unberührt.
d) Da die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und ihr nach ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Aufbringung der Prozesskosten nicht möglich ist, ist ihr Prozesskostenhilfe
zu bewilligen.