Gründe:
I. Die Antragstellerin ist am geboren. Ihr Herkunftsland ist Algerien. Sie kam 1990 ins Bundesgebiet und beantragte ihre Anerkennung
als Asylberechtigte. Sie erhielt nach der Verwaltungsvorschrift zur Unterbringung von Asylbewerbern im Freistaat Sachsen vom
31.07.1991 (Sächs. Amtsblatt Nr. 24 vom 22.08.1991) Unterkunft in einer Gemeinschaftsunterkunft, volle Verpflegung, Bekleidung
und monatlich 60,- DM "Aufstockungsbetrag".
Am 7.05.1991 stellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe mit der Bezeichnung:
"Taschengeld HLU für Asylbewerber im WH". Für die Zeit vom 6.01.1992 bis zum 30.04.1992 hatte die Antragstellerin eine Arbeitserlaubnis
als Reinigungskraft.
Am 8.12.1992 (Eingangsdatum) stellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt
gemäß § 21 Abs. 3
BSHG. Die Antragstellerin sei in einem Heim im Sinne des § 21 Abs. 3
BSHG untergebracht.
Am 7.12.1992 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Dresden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegenüber
der Antragsgegnerin, der Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten. Der Antrag sei erforderlich, da nicht mit einer
raschen Entscheidung über den von der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag zu rechnen sei. Durch den
Aufstockungsbetrag von 60,- DM monatlich werde der Regelbedarf nicht in voller Höhe abgedeckt.
Abgesehen davon sei die Antragstellerin in einem Heim im Sinne des § 21 Abs. 3
BSHG untergebracht. Die Antragstellerin nahm Bezug auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12.09.1990
- 12 CE 90.1602 -. Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts, die am 28.12.1992 versandt wurde, antwortete die Antragstellerin
mit Schriftsatz vom 5.05.1993.
Mit Schriftsatz vom 10.02.1993 beantragte die Antragsgegnerin die Ablehnung des Antrags.
Mit Beschluß vom 11.03.1993, der Antragstellerin zugestellt am 17.05.1993, lehnte das Verwaltungsgericht Dresden den Antrag
ab. Es legte den Antrag so aus, daß er die vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Form eines Barbetrages von
30 % des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand zum Gegenstand hat. Das Verwaltungsgericht hielt den Antrag mangels eines
Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig und hielt abgesehen davon keinen Anordnungsanspruch für gegeben.
Am 28.05.1993 legte die Antragstellerin hiergegen Beschwerde ein.
Mit Bescheid vom 11.06.1993 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von zusätzlicher laufender Hilfe zum Lebensunterhalt
ab und verwies auf die Verwaltungsvorschrift vom 31.07.1991, die sie als für die Antragsgegnerin verbindliche Regelung ansah.
Die Antragstellerin legte dagegen fristgemäß Widerspruch ein.
Mit Schriftsatz vom 27.07.1993 beantragte die Antragsgegnerin die Zurückweisung der Beschwerde.
Einer Bitte des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts um Stellungnahme kam die Antragstellerin nicht nach.
II. Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Der vom Verwaltungsgericht abgelehnte Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung nach §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO ist zulässig und hinsichtlich eines Betrags von monatlich 20,00 DM als zusätzlichem Aufstockungsbetrag für die Zeit nach
dem 1.08.1993 begründet.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antrag nach §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO zulässig.
Für den Antrag nach §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragstellerin ihr besonderes Anliegen (Erhöhung des Aufstockungsbetrages)
nicht vorher bei der zuständigen Behörde vorgetragen hat, sondern erst einen Tag nach Eingang ihres Antrags beim Verwaltungsgericht
Dresden. Es war nämlich unwahrscheinlich, daß der Antrag von der Antragsgegnerin positiv erledigt worden wäre, so daß die
Möglichkeit, im Verwaltungswege vorzugehen und damit Erfolg zu haben, faktisch nicht bestand.
Zudem durfte die Antragstellerin die Stellung des Antrags nach §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO als unaufschiebbar ansehen (vgl. dazu im einzelnen Sächs OVG, Beschl. v. 18.08.1993 - 2 S 146/93 -, der der Antragsgegnerin und dem Bevollmächtigten der Antragstellerin bereits bekannt ist).
Der Antrag nach §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO ist auch teilweise begründet, nämlich in Höhe von monatlich 20,- DM als zusätzlichem Aufstockungsbetrag für die Zeit nach
dem 1.08.1993; insoweit sind ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Zum einen liegt die Voraussetzung hier vor, daß der Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit, um wesentliche Nachteile vom
der Antragstellerin abzuwenden, für die Zeit nach dem 1.08.1993 glaubhaft gemacht ist (§§
123 Abs.
1 Satz 2, Abs.
3
VwGO,
920 Abs.
2
ZPO).
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung eines glaubhaft gemachten Anordnungsgrundes ist im Beschwerdeverfahren der Zeitpunkt
der Entscheidung des Beschwerdegerichts jedenfalls dann, wenn - wie hier geschehen - das Erstgericht den Antrag auf Erlaß
einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat (SächsOVG, Beschl. v. 18.08.1993, - 2 S 146/93-, m. w. N.).
Die Antragstellerin hat für ihr gegenwärtig (ab dem 1.08.1993) und künftig zustehende Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt
einen Anordnungsgrund, also die Dringlichkeit einer Eilentscheidung, glaubhaft gemacht. Diese Dringlichkeit entfällt in Streitigkeiten
wegen laufender Hilfe zum Lebensunterhalt in aller Regel nicht dadurch, daß ein Antragsteller das für den Lebensunterhalt
Unerläßliche vom Sozialhilfeträger erhält; es sind vielmehr die Leistungen vorläufig zuzusprechen, die das Bundessozialhilfegesetz als Regelbedarf vorsieht, bei laufender Hilfe zum Lebensunterhalt also die nach ungekürzten Regelsätzen (vgl. zuletzt VGH BaWü, Beschl. v. 3.11.1992, 6 S 2356/92, VBlBW 1993, 306, 308; ferner BayVGH, Beschl. v. 12.09.1990, 12 CE 90.1602, S. 20 des Entscheidungsabdrucks; BSHG, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl. 1991, Anhang Verfahren, Rn. 125; anderer Ansicht OVG Münster, Beschluß vom 1.06.1988,
8 B 1057/88, NVWZ 1989, 1085 f; anderer Ansicht auch Rotter, NWZ 1983, 727, 729 f). Die Dringlichkeit ist deshalb zu bejahen, weil die
Regelsätze ohnehin auf das Notwendige begrenzt sind (§ 12
BSHG) und nur einen Lebensstandard an der untersten Grenze des Normalbedarfs sichern (VGH BaWü, VBlBW 1993, 306, 308). Der Antragstellerin kann es nicht zugemutet werden, bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache ohne die
monatlich zusätzlichen 20,00 DM auszukommen.
Es ist hier zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen, daß ihr nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des beschließenden
Senats nur der von der Antragsgegnerin gewährte Aufstockungsbetrag und ansonsten kein Geld zur Verfügung steht, so daß sie
auf jede Mark angewiesen ist. Würden ihr die 20,00 DM nicht durch einstweilige Anordnung zugesprochen, so müßte sie bis zu
einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren möglicherweise jahrelang ohne diesen Betrag leben, ohne durch eigene Kraft hieran
etwas ändern zu können (BayVGH, aaO.). Im übrigen ist ein Anordnungsgrund auch deshalb zu bejahen, weil die Antragstellerin
nicht mehr in den Genuß der ihr zustehenden Sozialhilfeleistungen kommt, wenn sie freiwillig oder aufgrund des Ausländerrechts
das Bundesgebiet verläßt (Bay VGH, aaO.). Anders könnte dann entschieden werden, wenn die Antragstellerin rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hätte,
sich durch Arbeit Geld zu verdienen oder Vermögensbestandteile zu verwerten. Hierfür bestehen aber nach den Darlegungen der
Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 27.07.1993 keine Anhaltspunkte. Die Antragsgegnerin hat sich hierzu trotz ausdrücklicher
Anfrage des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht geäußert.
Einen Anordnungsgrund hinsichtlich ihrer Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt für die Vergangenheit (vor dem 1.08.1993)
hat die Antragstellerin dagegen nicht glaubhaft gemacht. Wenn und soweit für die Vergangenheit rechtswidrig nicht gezahlte
Hilfe zum Lebensunterhalt im Verfahren nach s 123
VwGO nachgefordert wird, dann muß der Anordnungsgrund sich auch hierauf beziehen und sozusagen "Nachholbedarf" glaubhaft gemacht
werden (Schultz, Urteilsanmerkung, DÖV 1981, 302, 303). Wenn ein Hilfesuchender zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren
Tilgung unmittelbar bevorsteht, könnte dies der Fall sein (OVG Münster, Beschluß v. 6.05.1980, 8 B 1376/79, DÖV 1981, 302; Rotter, NVWZ 1983, 727, 729). Es ist auch denkbar, daß vorangegangene Einsparungen nachwirken.
Jedoch muß ein solcher Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (OVG Hamburg, Beschluß vom 4.04.1990, Bs IV 8/90, NVwZ 1990, 975; Rotter, NVWZ 1983, 727, 730; Philipp, NvwZ 1984, 498, 499). Diese Einschränkung ist hier insbesondere deshalb notwendig,
weil die dem Hilfesuchenden im Verfahren nach §
123
VwGO gewährte Hilfe Elemente einer Vorwegnahme der Hauptsache enthält, die im Verfahren nach §
123
VwGO nach Möglichkeit unterbleiben soll (Kopp,
VwGO, 9. Auflage 1992, Rn. 13 zu §
123
VwGO, mit zahlreichen Nachweisen; Rotter, NVWZ 1983, 727, 729). Zu bedenken ist zwar auch, daß es unzumutbar sein könnte, daß
der Hilfesuchende durch ihm nicht zurechenbare Umstände (Überlastung der Verwaltungsgerichte) längere Einschränkungen im Bereich
des Existenzminimums hinnehmen muß und ein Ausgleich hierfür erst Jahre später im Hauptsacheverfahren stattfindet. Anders
liegt es aber dann, wenn der Hilfesuchende selbst zur Verfahrensverzögerung beigetragen hat. Der Anordnungsgrund ist im Verfahren
nach §
123
VwGO, hinsichtlich von Ansprüchen auf Hilfe zum Lebensunterhalt für die Vergangenheit jedenfalls dann nicht glaubhaft gemacht,
wenn der Antragsteller das Verfahren zögerlich betrieben hat (vgl. zur Bedeutung dieses Umstands auch Finkelnburg/Jank, Vorläufiger
Rechtsschutz, 3. Aufl., Rn. 130; Teplitzky, Arrest und einstweilige Verfügung, Jus 1981, 122, 123). Ein solcher Fall ist hier
gegeben. Im vorliegenden Fall ist der Antragstellerin entgegenzuhalten, daß sie die Anfrage des VG Dresden vom 7.12.1992,
abgesandt am 28.12.1992, erst mit Schriftsatz vom 5.05.1993 beantwortet hat und sich auch im Beschwerdeverfahren zum Schriftsatz
der Antragsgegnerin trotz einer Bitte des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht geäußert hat. Es ist auch zu berücksichtigen,
daß die Antragstellerin kaum dabei mitgewirkt hat, den Umfang der in ihrem Fall nicht durch Sachleistungen gedeckten persönlichen
Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 12
BSHG) festzustellen und den zu deren Dekkung erforderlichen Geldbetrag zu ermitteln.
Ein Anordnungsanspruch ist für den hier fraglichen Zeitraum ab dem 1.08.1993 dem Grunde nach glaubhaft gemacht, (§§
123 Abs.
3
VwGO,
920 Abs.
2
ZPO), weil der Antragstellerin ein ungekürzter Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt zusteht.
Es ist davon auszugehen, daß dieser Anspruch durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.06.1993, gegen den die Antragstellerin
rechtzeitig Widerspruch eingelegt hat, nicht rechtmäßig gekürzt werden kann. Von dem Grundsatz, daß nach § 120 Abs. 2 Satz 1 BSHG asylsuchende Ausländer einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben, stellt die Einschränkungsmöglichkeit nach § 120 Abs 2 Satz 4 BSHG eine Ausnahmeregelung dar (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.1991, 5 C 61.88, Buchholz 436.0, Nr. 13 zu § 120
BSHG). Der Ermessensvorschrift des § 120 Abs. 2 Satz 4 BSHG werden nur Erwägungen gerecht, die dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis von voller Hilfe zum Lebensunterhalt zu gekürzter Hilfe
zum Lebensunterhalt nicht umkehren. Regelrichtlinien, die das Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis umkehren, sind unzulässig. Ermessenserwägungen,
die allein an die Eigenschaft als Asylbewerber oder an Kriterien anknüpfen, die asylsuchende Ausländer typischerweise erfüllen,
genügen nicht (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 436.0, Nr. 13 zu § 120
BSHG). Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.06.1993 enthält aber lediglich derartige Erwägungen und ist damit als rechtswidrig
anzusehen.
Ein von der Antragsgegnerin noch nicht erfüllter Anordnungsanspruch für die Zeit ab dem 1.08.1993 in Höhe von 30 % des Regelsatzes
eines Haushaltsvorstandes entsprechend § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG ist jedoch nicht glaubhaft gemacht. § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG ist im vorliegenden Fall nämlich nicht anwendbar; seiner Anwendung steht § 120 Abs. 2 Satz 3 BSHG entgegen. Danach soll asylsuchenden Ausländern eine Hilfe soweit wie möglich als Sachleistung gewährt werden. Wegen dieses
Vorrangs der Sachleistung kann aus der Pflicht zur Leistung eines Barbetrags in Höhe von mindestens 30 % des Regelsatzes eines
Haushaltsvorstands an Hilfeempfänger in Heimen nach § 21 Abs. 3 Satz 2 BSHG keine entsprechende Geldleistungspflicht im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 120 Abs. 2
BSHG abgeleitet werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.1991, 5 C 49.87, Buchholz 436.0, Nr. 12 zu § 120
BSHG). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des beschließenden Senats ist ein Anspruch auf einen zusätzlichen Aufstockungsbetrag
lediglich in Höhe von 20,00 DM monatlich glaubhaft gemacht. Werden asylsuchenden Ausländern nämlich nach § 120 Abs. 3
BSHG Sachleistungen gewährt, sind laufende Geldleistungen nach Regelsätzen ausgeschlossen. Soweit für Bedarfsgruppen oder -gegenstände
Sachleistungen gewährt werden, sind Geldleistungen für den nicht durch Sachleistungen gedeckten restlichen Bedarf insoweit
abweichend von den Regelsätzen zu bemessen (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 436.0, Nr. 12 zu § 120
BSHG). Soweit die von der Antragsgegnerin angebotenen Sachleistungen den sozialhilferechtlichen Bedarf (§ 12
BSHG) der Antragstellerin in geeignetem Umfang decken, kommen Geldleistungen nicht in Betracht. Soweit dies nicht der Fall ist,
können Geldleistungen verlangt werden.
Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 27.07.1993 kann davon ausgegangen werden, daß außer dem
Unterkunfts- und Heizungsbedarf der Bedarf für Ernährung sowie der hauswirtschaftliche Bedarf durch die Gemeinschaftsunterbringung
und -verpflegung in vollem Umfang gedeckt sind. Durch Sachleistungen gedeckt sind ferner alle Bedürfnisse, die mit der Bekleidung
und deren Reinigung zusammenhängen, sowie die die Gesundheits- und Körperpflege (Hygiene) betreffenden Bedürfnisse. Weder
die Antragstellerin noch die Antragsgegnerin haben dem beschließenden Senat nähere Aufschlüsse darüber vermittelt, welche
persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 12
BSHG) der Antragstellerin nicht durch Sachleistungen gedeckt werden und welcher Geldbedarf zu deren Deckung - unter Berücksichtigung
der Lebenshaltungskosten in den neuen Bundesländern - erforderlich wäre. Im Verfahren nach §
123 Abs.1 Satz 2
VwGO ist eine weitere Sachaufklärung auch nicht möglich. In erster Linie werden als durch Sachleistungen nicht gedeckte persönliche
Bedürfnisse des täglichen Lebens anzusetzen sein: die Teilnahme am öffentlichen Personennahverkehr, (Fahrtkosten), die Nachrichtenübermittlung
(Porti, Telefon) und die Teilnahme am kulturellen Leben (Bücher, Zeitungen, Kino, Sport). Ein monatlicher Aufstockungsbetrag
von 60,00 DM für Personen über 18 Jahre ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend zur Deckung dieser nicht
durch Sachleistungen gedeckten persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens der Antragstellerin. Legt man die Angaben im
BSHG-Lehr- und-Praxiskommentar (3. Aufl. 1991, Rn. 61 zu § 12
BSHG) zugrunde, so mußten 1990 in den alten Bundesländern unter dem Gesichtspunkt "persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens"
für Verkehrsleistungen ca. 20,00 DM monatlich, für Nachrichtenübermittlung ca. 34,00 DM monatlich und für die Teilnahme am
kulturellen Leben ca. 30,00 DM angesetzt werden, insgesamt für diese Positionen also 84,00 DM. Dieser Betrag kann allerdings
nicht unbesehen übernommen werden, weil einerseits die Inflation und andererseits die unterschiedlichen Lebensverhältnisse
in den neuen Bundesländern zu bedenken sind. Für einen Aufstockungsbetrag von deutlich mehr als 60,00 DM monatlich spricht
ferner, daß dem bereits erwähnten Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12.09.1990 die Annahme zugrunde liegt,
daß zur Deckung der nicht durch Sachleistungen gedeckten persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens der asylsuchenden Ausländer
ein Geldbetrag in Höhe von 22,8 % des maßgeblichen Regelsatzes erforderlich ist. Dieser Prozentzahl liegen allerdings die
Lebensverhältnisse im Regierungsbezirk Oberbayern zugrunde, so daß sie im vorliegenden Fall nicht unbesehen angewandt werden
kann. Gerade bei den hier in Betracht kommenden Gütern (öffentlicher Personennahverkehr, Eintrittskarten ins Hallenbad und
ähnliches) dürften die Preise in den neuen Bundesländern erheblich günstiger sein als in den alten Bundesländern. Auch unter
Berücksichtigung dieser Zweifel kann im vorliegenden Fall von einem Mindestaufstockungsbetrag in Höhe von 80,00 DM monatlich
ausgegangen werden (20,00 DM mehr, als die Antragstellerin bisher erhielt). Dieser Betrag kann der Festsetzung in Art. 1 §
3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30.06.1993 (Bundesgesetzblatt I Nr.
33 vom 1.07.1993) entnommen werden, das nach seinem Art. 3 zum 1.11.1993 in Kraft treten soll. Diese Regelung bietet auch
derzeit schon einen brauchbaren Anhaltspunkt für den Geldbetrag, der für nicht durch Sachleistungen gedeckte persönliche Bedürfnisse
des täglichen Lebens (§ 12
BSHG) mindestens erforderlich ist.
Die hier zu erlassende einstweilige Anordnung ist bis zum Ablauf des 31.10.1993 zu befristen; dann tritt nämlIA-ch das erwähnte
Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber einschließlich der Neufassung des § 120
BSHG in Kraft.
Die zuständigen Behörden werden dann über die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz zu entscheiden haben. Dem dürfen
die Verwaltungsgerichte nicht vorgreifen.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§
152 Abs.
1
VwGO).