Beteiligtenfähigkeit einer auf der Grundlage des § 44b SGB II errichteten ARGE im Grundbuchverfahren
Gründe
1.
Die Beteiligte zu 1) ist eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne des § 44b SGB II und wurde durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 53 ff. SGB X zwischen der Agentur für Arbeit Aachen und dem Kreis Heinsberg errichtet (Bl. 67 ff. d.GA.). In § 1 Abs. 2 dieses Vertrages
ist bestimmt, dass die Zusammenarbeit der Vertragspartner in Zukunft auch in einer anderen Rechtsform erfolgen kann und diese
beabsichtigen, die Arbeitsgemeinschaft künftig in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts auszugestalten. Die
Errichtung einer solchen Anstalt des öffentlichen Rechts ist bisher nicht erfolgt.
Der Beteiligte zu 2) ist Eigentümer des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes. Dieser bewilligte am 20. Januar 2009 zur
Sicherung eines ihm von der Beteiligten zu 1) auf der Grundlage des § 23 SGB II gewährten Darlehens die Eintragung einer Höchstbetragssicherungshypothek
über einen Betrag von 5.000,00 € (Bl. 59 d.GA.).
Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 (Bl. 58 d.GA.) hat die Beteiligte zu 1) beim Grundbuchamt Heinsberg – nicht Aachen, wie
es in dem landgerichtlichen Beschluss heißt - die Eintragung der Höchstbetragssicherungshypothek ins Grundbuch beantragt.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 6. März 2009 den Eintragungsantrag zurückgewiesen (Bl. 60 f. d.GA.). Zur Begründung
hat es ausgeführt, eine Eintragung komme mangels Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1) nicht in Betracht. Die hiergegen von
der Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 19. März 2009 eingelegte Beschwerde (Bl. 65 f. d.GA.) hat das Landgericht mit Beschluss
vom 17. April 2009 zurückgewiesen (Bl. 81 ff. d.GA.). Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der am 29. Mai 2009 erhobenen
weiteren Beschwerde von diesem Tage (Bl. 188 d.GA.).
2.
a)
Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17. April 2009 ist statthaft (§ 78 Satz 1 GBO in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung; Art. 111 Abs. 1 FGG-RG) und in rechter Form (§ 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GBO a.F.) eingelegt. Die Beteiligte zu 1) ist – unabhängig von der hier im Rahmen der Begründetheit des Rechtsmittels zu prüfenden
Frage ihrer Rechtsfähigkeit - zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, weil ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist
(vgl. BGH, NJW 1994, 1158; BayObLG FGPrax 2003, 59; OLG Hamm, FGPrax 1996, 210; Demharter, GBO, 26. Auflage 2008, § 78 Rn. 2; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage 2003, § 27 Rn. 10).
b)
Die weitere Beschwerde ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Die angefochtene Entscheidung
des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 78 S. 1 und 2 GBO a.F., 545
ZPO).
Das Grundbuchamt und ihm folgend das Landgericht durften den Antrag auf Eintragung einer Höchstbetragssicherungshypothek nicht
mit der Begründung zurückweisen, der Antragstellerin fehle die erforderliche Rechtsfähigkeit und damit die Grundbuchfähigkeit.
Das Landgericht hat insoweit ausgeführt: Die Beschwerdeführerin sei nicht rechtsfähig und könne daher nicht in das Grundbuch
als Berechtigte eingetragen werden. Diese sei nicht, wie von § 3 AG-SGB II NRW ermöglicht, als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen
Rechts errichtet worden. Eine ARGE, die durch öffentlich-rechtlichen Vertrag errichtet wurde, ohne Anstalt des öffentlichen
Rechts zu sein, sei nicht rechtsfähig. Diese sei als öffentlich-rechtliche Organisationsform sui generis ohne Rechtsfähigkeit
anzusehen. Da schon sozialrechtlich nicht von der Rechtsfähigkeit einer entsprechenden ARGE auszugehen sei, bestehe kein Grund,
eine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit einer solchen ARGE anzunehmen. Aus ihrer Beteiligtenfähigkeit im sozialgerichtlichen
Verfahren könne ebenfalls ihre zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nicht abgeleitet werden. Die Beteiligtenfähigkeit im sozialgerichtlichen
Prozess sei nicht in jedem Fall von der Rechtsfähigkeit einer Partei abhängig. Bei der Beschwerdeführerin handele es sich
auch nicht um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, da diese durch öffentlich-rechtlichen Vertrag errichtet worden sei. Daher
bedürfe es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob eine GbR ins Grundbuch eingetragen werden könne.
Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Zutreffend geht
das Landgericht davon aus, aus der Beteiligtenfähigkeit einer auf der Grundlage des § 44b SGB II errichteten ARGE im sozialgerichtlichen Verfahren nach §
70 SGG könne noch nicht ihre Rechtsfähigkeit hergeleitet werden. Denn an sozialgerichtlichen Streitigkeiten kann nach §
70 Nr. 2
SGG auch eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung beteiligt sein; §
70 SGG ist insoweit weiter gefasst als §
50 ZPO (vgl. BGH, VersR 2010, 346).
Die Beteiligte zu 1) besitzt in Anlehnung an die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Rechts- und Parteifähigkeit
der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze (BGHZ 146, 341 [343 ff.] = NJW 2001, 1056; BGHZ 154, 88 [94] = NJW 2003, 1445; BGHZ 172, 169 [172] = NJW 2007, 2490) zumindest eine (Teil-)Rechtsfähigkeit (so auch BGH, VersR 2010, 346; LG Saarbrücken, Beschluss vom 26. November 2007, 5 T 395/07; jeweils für in vergleichbarer Form errichtete Arbeitsgemeinschaften). Die nach Maßgabe von § 44b SGB II durch öffentlich-rechtlichen
Vertrag zwischen der Agentur für Arbeit Aachen und dem Kreis Heinsberg errichtete Beteiligte zu 1) ist berechtigt, zur Erfüllung
der ihr übertragenen Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide gemäß § 44b SGB II zu erlassen (§ 1 Abs. 3 des Vertrages).
Ihre Organe sind die Trägerversammlung (§ 5 des Vertrages) sowie Geschäftsführung (§ 6 des Vertrages). Letztere besteht aus
dem von der Trägerversammlung bestellten (§ 5 Abs. 12) Geschäftsführer, der die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt
(§ 6 Abs. 1 des Vertrages), sowie dem stellvertretenden Geschäftsführer. Damit ist die Beteiligte zu 1) rechtlich und organisatorisch
verselbstständigt sowie eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten. Ihre Struktur ist der einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts zumindest ebenbürtig, so dass damit die für die Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaft aufgestellten Grundsätze auch für
die nach § 44b SGB II gegründeten Arbeitsgemeinschaften gelten (BGH, Vers 2010, 346; siehe auch die Antwort der Bundesregierung
auf eine kleine Anfrage [BT-Drucks. 15/4709, S. 2], wonach § 44b SGB II voraussetzt, dass die Arbeitsgemeinschaft als solche
rechtserheblich handeln, klagen und verklagt werden kann, somit rechts- und prozessfähig zu sein hat, ohne dass es darauf
ankäme, sie als juristische Person der öffentlichen Rechts zu qualifizieren; im Ergebnis auch: OLG Zweibrücken, NJW 2007,
2779; LG Saarbrücken, Beschluss vom 26. November 2007, 5 T 395/07; offen gelassen: KG, OLGR 2009, 261).
Gegen eine Annahme der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1) spricht auch nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
20. Dezember 2007 (BVerfGE 119, 331, [361 ff.]). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II dem Grundsatz
eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden und Gemeindeverbände widersprechen und diese Vorschrift deshalb
Art.
28 Abs.
2 GG i.V.m. Art.
83 GG verletzt. Ungeachtet der Unvereinbarkeit von § 44b SGB II mit dem
Grundgesetz ist diese Vorschrift derzeit noch anwendbar. Das Bundesverfassungsgericht hat sich darauf beschränkt, die Unvereinbarkeit
der beanstandeten gesetzlichen Regelung mit der Verfassung festzustellen. Um zu verhindern, dass durch die Nichtigerklärung
der angegriffenen Regelung bei den betroffenen Behörden und Rechtsunterworfenen Unsicherheit über die Rechtslage besteht,
und um eine wirkungsvolle, durch das Sozialstaatsprinzip gebotene Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen, wurde die weitere Anwendung
der beanstandeten Regelung bis zum 31. Dezember 2010 ausdrücklich zugelassen (BGH, VersR 2010, 346; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Dezember 2008, 8 UF 155/08, NJOZ 2010, 1550).
Aufgrund ihrer (Teil-)Rechtsfähigkeit kann die Beteiligte zu 1) auch als Inhaberin einer Höchstbetragssicherungshypothek im
Grundbuch eingetragen werden. Ihre Grundbuchfähigkeit ist eine notwendige Folge ihrer Rechtsfähigkeit (BGH, DNotZ 2009, 115; LG Saarbrücken, Beschluss vom 26. November 2007, 5 T 395/07; vgl. auch OLG München, Beschluss vom 30. Oktober 2009, 34 Wx 56/09, für die Grundbuchfähigkeit einer altrechtlichen (fränkischen) Waldkorporation). Da die Organisationsform für die Eintragung
im Grundbuch ohne Bedeutung ist, kann es vorliegend dahinstehen, ob es sich bei einer ARGE um eine Gesellschaft des öffentlichen
Rechts (z.B. Strobel, NVwZ 2004, 1195 [1198 f.]) oder um eine öffentlich-rechtliche Organisation bzw. Einrichtung sui generis (z.B. SG Hannover, NVwZ 2005, 976; vgl. auch Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 44b Rn. 3 f.) handelt.
c)
Mit der Zurückverweisung der Sache an das Grundbuchamt zur erneuten Bescheidung des Eintragungsantrages obliegt diesem auch
die Prüfung, ob die weiteren Voraussetzungen für die Eintragung der Beteiligten zu 1) in grundbuchmäßiger Form (§ 29 GBO) nachgewiesen sind (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 30. Oktober 2009, 34 Wx 56/09; LG Saarbrücken, Beschluss vom 26. November 2007, 5 T 395/07).
d)
Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG ist nicht veranlasst. Die Entscheidung des Senats weicht weder von einer auf einer weiteren Beschwerde ergangenen Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichts noch von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab. Vielmehr teilt der Senat die von
dem Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 22. Oktober 2009 (VersR 2010, 346) vertretene Auffassung der (Teil-) Rechtsfähigkeit einer ARGE.
2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Beteiligte mit widerstreitenden Interessen an dem (weiteren) Beschwerdeverfahren
nicht beteiligt sind.