Vorläufige Gewährung eines Wohngruppenzuschlags
Beauftragung von den Mitgliedern einer Wohngemeinschaft
Gründe:
Die am 10. November 2016 (Eingangsdatum) erhobene Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 13. Oktober 2016 zugegangenen
Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 5. Oktober 2016 ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis
zu Recht den Antrag auf Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung eines "Wohngruppenzuschlags" nach §
38a Abs.
1 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) abgelehnt.
Nach §
86b Abs.
2 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 S. 2
SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den
so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft
macht (§
86 b Abs.
2 S. 4
SGG, §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975; Anschluss Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02. November 2006, 3 M 185/06 - zitiert nach juris).
Im Beschwerdeverfahren sind nur Leistungen für die Zeit ab September 2016 im Streit, dem Monat, in dem der Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz beim Sozialgericht Cottbus eingegangen ist.
Für den Zeitraum bis zur Entscheidung des erkennenden Senates ist allerdings schon ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt
werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die
sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils
erforderlich ist. Hierzu sind Tatsachen jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Darüber hinaus ist für den Folgezeitraum auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zu Recht hat das Sozialgericht
den sinngemäßen Antrag der Antragstellerin, "der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aufzugeben, ihr
(ab März 2016) monatlich 205,00 EUR Wohngruppenzuschuss zu gewähren", abgelehnt.
Gemäß §
38a Abs.
1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 205 Euro monatlich, wenn
1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen
Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen
pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind oder eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a bei ihnen festgestellt
wurde,
2. sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45b oder § 123 beziehen,
3. eine Person von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen
Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten
oder hauswirtschaftliche Unterstützung zu leisten, und
4. keine Versorgungsform vorliegt, in der der Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet
oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang
weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die
Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten in der Wohngruppe
nicht erbracht wird, sondern die Versorgung auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfeldes
sichergestellt werden kann.
Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin bereits Leistungen erhält, deren Umfang weitgehend demjenigen entspricht, der
im maßgebenden Rahmenvertrag für die stationäre Pflege vereinbart ist (vgl. §
38a Abs.
1 Nr.
4 SGB XI). Jedenfalls ist bereits nicht glaubhaft gemacht, dass von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft eine Person im Sinne von
§
38a Abs.
1 Nr.
3 SGB XI mit der Wahrnehmung der dort benannten Aufgaben gemeinschaftlich beauftragt worden ist.
Eine derartige Beauftragung muss schon nach dem Wortlaut des Gesetzes gemeinschaftlich durch alle Bewohner bzw. deren rechtliche
Betreuer im Sinne einer sogenannten Arbeitgebergemeinschaft erfolgen, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung
(vgl. auch Bundessozialgericht (BSB), Urteil vom 18. Februar 2016, B 3 P 5/14 R, zitiert nach juris). Bei Neueinzug eines Bewohners hat eine erneute gemeinschaftliche Beauftragung stattzufinden. Des Weiteren
müssen konkret zu verrichtende Aufgaben festgehalten werden und diese sind der Pflegekasse auch auf Aufforderung zur Verfügung
zu stellen (vgl. BT-Drucksache 18/2909, S. 42). Aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift ergibt sich, dass mit dem
Wohngruppenzuschlag jene Aufwendungen zweckgebunden abgegolten werden sollen, die der Wohngruppe durch die gemeinschaftliche
Beauftragung der Präsenzkraft entstehen. Damit soll dem besonderen Aufwand Rechnung getragen werden, die Folge der neu organisierten
pflegerischen Versorgung der Wohnform ist. Die Leistung wird pauschal zur eigenverantwortlichen Verwendung für die Organisation
sowie Sicherstellung der Pflege in der Wohngemeinschaft gewährt (vgl. BT-Drucks. 17/9369, S. 40 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 18. Februar 2016, a.a.O.).
Eine gemeinschaftliche Beauftragung der Wohngruppe der für sie tätigen Person ist bisher nicht vorgelegt worden. Soweit in
dem "Antrag auf zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen" vom 10. März 2016 Frau Gabriele
Noack benannt ist und als "vereinbart(e)" Aufgaben der "beauftragten Person" "Körperpflege, Zubereitung der Mahlzeit, "Betreuung",
Einkauf, Reinigung", aufgeführt sind, stehen diese zwar im Zusammenhang mit der individuellen pflegerischen Versorgung durch
die Pflegeperson, gehen aber nicht über die üblichen Leistungen in der Pflege hinaus. Die Aufgaben müssen auf die Förderung
des gemeinschaftlichen Wohnens ausgerichtet sein, wie allgemein organisatorische, verwaltende, aber auch betreuende Aufgaben,
die der Wohngemeinschaft zugutekommen oder die das Gemeinschaftsleben ausdrücklich fördern (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2016, a.a.O.). Der Aufgabenkreis der von den Mitgliedern der Wohngruppe gemeinsam beauftragten Präsenzkraft,
die die gemeinschaftlich organisierte pflegerische Versorgung sicherstellt, muss mithin im o.g. Sinne klar bestimmt sein und
sich hinreichend deutlich von Hilfestellungen der individuellen pflegerischen Versorgung abgrenzen. Das ist im zugrundeliegenden
einstweiligen Rechtsschutzverfahren in keiner Weise glaubhaft gemacht; daher auch nicht glaubhaft gemacht, ob der durch den
Wohngruppenzuschlag geförderte Wohnzweck überhaupt vorliegt, oder ob andere Wohnzwecke im Vordergrund stehen. Das beigebrachte
Schreiben des Landesamtes für Soziales und Versorgung vom 10. Dezember 2013 gibt hierzu keine weitergehende Aufklärung. Die
Prüfung, ob die Wohngruppenmitglieder in einer Wohnung "zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung"
leben, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).