Rechtstellung des Trägers von Sozialleistungen hinsichtlich eines Unterhaltstitels
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer vollstreckbaren Teilausfertigung eines Vollstreckungstitels aufgrund Rechtsnachfolge.
Mit Versäumnisbeschluss vom 11.04.2014 hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg - Familiengericht -, Aktenzeichen 982 F 47/14, in einem von dem Antragsteller im Wege der Prozessstandschaft geführten Verfahren den Antragsgegner ab dem 01.04.2014 zur
Zahlung von Kindesunterhalt für das Kind (B. D...) in Höhe von monatlich 273,00 Euro und Trennungsunterhalt für die Kindesmutter
(E. D...) in Höhe von monatlich 519,00 Euro, beides zu zahlen monatlich im Voraus an die Kindesmutter, verpflichtet (Ziffer
2 des Beschlusses). Das Familiengericht hat dem Antragsteller eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisbeschlusses erteilt.
Der Antragsgegner hat in der Zeit von April 2014 bis November 2014 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 225,00 Euro geleistet
und sodann keine Zahlungen mehr erbracht. Für die Zeit von Dezember 2014 bis Dezember 2015 sind Unterhaltsvorschussleistungen
zunächst in Höhe von 133,00 Euro und seit Juli 2015 in Höhe von 144,00 Euro gewährt worden. Trennungsunterhalt hat der Antragsgegner
im Zeitraum April 2014 bis November 2015 nicht geleistet.
Der Antragsteller hat für die Kindesmutter und das Kind im Zeitraum April 2014 bis Dezember 2015 Leistungen nach dem SGB II erbracht, für das Kind in Höhe von insgesamt 5.599,01 Euro und für die Kindesmutter in Höhe von insgesamt 2.478,11 Euro.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Ansprüche aus dem Beschluss des Familiengerichts vom 11.04.2014 gemäß § 33 SGB II insoweit kraft Gesetzes auf ihn als zuständige Behörde für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II übergegangen seien, als er der unterhaltsberechtigten Kindesmutter und dem Kind Leistungen bis zur Höhe ihres ihnen gegenüber
dem Antragsgegner titulierten Unterhaltsanspruchs erbracht habe. Für die Zeit von April 2014 bis Dezember 2015 sei der Kindesunterhaltsanspruch
gegenüber dem Kindesvater daher in Höhe von 2.138,00 Euro (geschuldeter Unterhalt abzüglich gezahltem Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss)
auf den Antragsteller übergegangen und der Trennungsunterhaltsanspruch in Höhe von 2.076,00 Euro (geschuldeter Unterhalt).
Mit Schreiben vom 30.11.2015 hat der Antragsteller beantragt,
für den Antragsteller als Rechtsnachfolger der im Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 11.04.2014 genannten Gläubigerinnen
(Frau (E. D...) und (B. D...)) eine vollstreckbare Teilausfertigung für einen im Zeitraum April 2014 bis Dezember 2015 aufgelaufenen
Unterhaltsrückstand in Höhe von 4.214,00 zu erteilen.
Mit Beschluss vom 22.12.2015, dem Antragsteller zugestellt am 08.01.2016, hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg - Familiengericht
-, Az. 982 F 47/14, den Antrag unter Hinweis, dass dem Antragsteller als Titelgläubiger bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden
sei, zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerdeschrift vom 21.01.2015, bei Gericht eingegangen am selben
Tag.
Der Antragsgegner beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Antragsteller könne keine weitere vollstreckbare Ausfertigung erhalten, nur weil er den ihm bereits
erteilten Titel offensichtlich "verschlampt" habe.
Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 28.01.2016 nicht abgeholfen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten samt Anlagen sowie die
Beschlüsse vom 11.04.2014, 22.12.2015 und 28.01.2016, verwiesen.
II.
1. Die gemäß §§
11 Abs.
1 RPflG, 120 Abs. 1 FamFG,
567 Abs.
1 Ziffer 1, 569 Abs.
1 und
2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antragsteller ist gemäß §§ 120 Abs. 1 FamFG,
727 ZPO berechtigt, eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisbeschlusses vom 11.04.2014 zu erhalten, die ihn in Höhe der von
ihm geltend gemachten Forderung als Rechtsnachfolger der im Titel genannten Gläubigerinnen ausweist (vgl. Seibel in Zöller,
ZPO, 32. Auflage 2018, § 727 Rn. 8; Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 33 SGB II Rn. 31, zitiert nach juris; (Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 33 Rn. 111, zitiert nach juris). Nach §§ 113 Abs.1 FamFG,
727 ZPO kann eine vollstreckbare Ausfertigung für den Rechtsnachfolger des in dem Beschluss bezeichneten Gläubigers erteilt werden,
sofern die Rechtsnachfolge bei Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen
wird.
Der Zweck der gemäß § 120 Abs. 1 FamFG auch für die Vollstreckung in Ehe- und Familienstreitsachen anwendbaren Vorschrift des §
727 ZPO besteht darin, die zur Vollstreckung notwendige Anpassung eines bestehenden Vollstreckungstitels an nachträgliche Veränderungen
der materiellen Berechtigung bzw. Verpflichtung zu ermöglichen. Nach §
750 Abs.
1 Satz 1
ZPO ist zur Vollstreckung grundsätzlich nur die in dem Vollstreckungstitel bezeichnete Person berechtigt. Ändert sich die materielle
Berechtigung durch Rechtsnachfolge, könnte die im Titel bezeichnete Person die Vollstreckung betreiben, ohne selbst materiell
Berechtigte zu sein. Dagegen wäre dem Rechtsnachfolger, obwohl sein Anspruch bereits tituliert ist, eine Zwangsvollstreckung
nicht möglich, weil er formal in dem Vollstreckungstitel nicht als Gläubiger ausgewiesen ist. Um zu vermeiden, dass der Rechtsnachfolger
in einem solchen Fall ein weiteres Verfahren anstrengen muss, um zu einem eigenen Vollstreckungstitel zu gelangen, schafft
das Gesetz mit der Regelung in §
727 ZPO eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit, den existierenden Titel der materiellen Rechtslage anzupassen, wenn
die Rechtsnachfolge bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen
werden kann. Rechtsnachfolger des Gläubigers im Sinne des §
727 ZPO ist dabei grundsätzlich derjenige, der an Stelle des im Titel genannten Gläubigers den nach dem Titel zu vollstreckenden
Anspruch selbst oder jedenfalls die Berechtigung erworben hat, den Anspruch geltend zu machen (BGH, Beschluss vom 23.09.2015,
XII ZB 62/14).
Der Antragsteller ist hinsichtlich einer Forderung in Höhe von insgesamt 4.214,00 Euro Rechtsnachfolger der ursprünglichen,
im Beschluss bezeichneten Unterhaltsgläubigerinnen. Ursprüngliche Unterhaltsgläubigerinnen waren laut dem Unterhaltstitel
hinsichtlich des Kindesunterhalts das Kind (B. D...) und hinsichtlich des Trennungsunterhalts die Kindesmutter (E. D...).
Mit Ziffer 2. des Versäumnisbeschlusses vom 11.04.2014 wurde der Antragsgegner verpflichtet, ab April 2014 laufenden Kindesunterhalt
für seine Tochter (B. D...) und Trennungsunterhalt für die Kindesmutter (E. D...) an die Kindesmutter zu zahlen. Der zu Gunsten
des Kindes und der Kindesmutter titulierte Unterhaltsanspruch ist im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II teilweise, nämlich in Höhe der beantragten 4.214,00 Euro, auf den Antragsteller übergegangen. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach dem SGB II über, wenn Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht
werden, einen Anspruch gegen einen anderen haben, der nicht Leistungsträger ist, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Der Antragsteller hat in der Zeit von April 2014
bis Dezember 2015 für das Kind Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 5.599,01 Euro und für die Kindesmutter in Höhe von insgesamt 2.478,11 Euro erbracht. Ausweislich der
von dem Antragsteller mit Schreiben vom 30.11.2015 vorgelegten Zahlungsübersicht hat der Antragsteller Zahlungen an die Kindesmutter
und das Kind geleistet, die er hinsichtlich des Kindes in Höhe von 2.138,00 Euro (geschuldeter Unterhalt abzüglich gezahltem
Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss) und hinsichtlich der Kindesmutter in Höhe von 2.076,00 Euro (geschuldeter Unterhalt) nicht
erbracht hätte, wenn der Antragsgegner seinen Unterhaltsverpflichtungen aus dem Versäumnisbeschluss vollständig nachgekommen
wäre.
Der Antragsteller hat die Rechtsnachfolge durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen. Er hat eine beglaubigte Aufstellung
über die gezahlten Sozialleistungen vorgelegt. Eine beglaubigte Aufstellung über die gezahlten Leistungen genügt den Anforderungen
an eine öffentlich beglaubigte Urkunde (vgl. Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 33 SGB II Rn. 31, zitiert nach juris; Seibel in Zöller,
ZPO, 32. Auflage 2018, §
727 Rn. 22).
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden, dass ihm bereits eine vollstreckbare
Ausfertigung des Versäumnisbeschlusses vom 11.04.2014 erteilt worden sei. Aus der ihm bereits erteilten Ausfertigung des Versäumnisbeschlusses
kann der Antragsteller die Vollstreckung nur hinsichtlich der Ziffer 1. des Versäumnisbeschlusses betreiben, da er nur diesbezüglich
Gläubiger des Vollstreckungstitels ist. Hinsichtlich des rückständigen in Ziffer 1 des Versäumnisbeschlusses titulierten Unterhalts
ist insofern aufgrund der bereits erbrachten Leistungen des Antragstellers an die Kindesmutter und das Kind bereits vor Antragstellung
ein Anspruchsübergang eingetreten. Der Antragsteller hat in dem Verfahren hinsichtlich des rückständigen Unterhalts eigene
Rechte geltend gemacht, während er hinsichtlich des laufenden Unterhalts im Wege der Prozessstandschaft für die Kindesmutter
und das Kind tätig geworden ist. Dies entspricht dem aus dem gesetzlichen Forderungsübergang resultierenden System, dass fremde
Rechte in dem Moment, in dem der Leistungsträger an den Anspruchsinhaber leistet, zu eigenen Rechten des Leistungsträgers
werden: Der Leistungsträger kann die erst nach Rechtshängigkeit übergehenden Ansprüche daher - zunächst - nur als fremdes
Recht geltend machen. Er muss, wie hier geschehen, für diese künftig übergehenden Ansprüche Leistung an den Leistungsempfänger
beantragen, für die bereits übergegangenen Ansprüche Leistung an sich (Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, § 33 SGB II Rn. 147, zitiert nach juris). Wenn und soweit nach der gerichtlichen Titulierung des Anspruchs weitere Ansprüche nach § 33
auf den Leistungsträger übergehen - weil der Dritte trotz Verurteilung weiterhin nicht leistet -, kann der Leistungsträger
für die Vollstreckung den Titel nach §
727 ZPO bezüglich der nach Titulierung übergegangenen Ansprüche auf sich umschreiben lassen (Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17,
§ 33 SGB II Rn. 148, zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 120 Abs. 1 FamFG,
91 Abs.
1 ZPO. Der Antragsteller genießt Kostenfreiheit gem. § 64 Abs.2 SGB X.
Der Gegenstandswert des Verfahrens richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers und ist daher mit dem
Wert des zu vollstreckenden Anspruchs festzusetzen (BGH, Beschluss vom 29.06.2011, VII ZB 89/10; Herget in Zöller,
ZPO, 32. Auflage 2018, §
3 Rn. 16 "Vollstreckbare Ausfertigung").
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§
574 ff.
ZPO) sind nicht gegeben.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.