Wichtiger Grund für Fachrichtungswechsel eines Studenten nach dem zweiten Semester und Ausbildungsförderung
Gründe:
A.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen beim Fachrichtungswechsel eines Studenten
nach dem zweiten Semester ein wichtiger Grund nach § 7 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes anzuerkennen ist.
I.
1. Mit dem
Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (
Bundesausbildungsförderungsgesetz -
BAföG -) vom 26. August 1971 (BGBl. I S. 1409) wandte sich der Gesetzgeber von seiner früheren Konzeption einer rein institutionellen
Ausbildungsförderung ab und schuf ein neues System individueller Bildungshilfen: Die Mittel für die Ausbildungsförderung werden
aus allgemeinen Steuereinnahmen aufgebracht, die Leistungen fließen solchen Auszubildenden zu, die zur Durchführung ihrer
Ausbildung darauf angewiesen sind.
Das
Bundesausbildungsförderungsgesetz ist am 9. April 1976 (BGBl. I S. 989) neu gefaßt, nach zahlreichen Änderungen in seiner Neufassung vom 6. Juni 1983 (BGBl.
I S. 645) bekanntgemacht und zuletzt durch das Neunte Änderungsgesetz vom 26. Juni 1985 (BGBl. I S. 1243) geändert worden.
Unverändert geblieben ist die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzes:
§ 1
Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch
nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel
anderweitig nicht zur Verfügung stehen.
2. Die Leistungen der Ausbildungsförderung sollen in der Regel bis zum Erreichen eines berufsqualifizierenden Abschlusses
gewährt werden, wobei allerdings eine bestimmte Förderungshöchstdauer nicht oder nur in Ausnahmefällen überschritten werden
darf. Die jeweils maßgebliche Förderungshöchstdauer wurde gemäß §
15 Abs.
4 BAföG 1976 durch Rechtsverordnung von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der
Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für die einzelnen Ausbildungsstellen festgelegt.
Ausbildungsförderung steht einem Auszubildenden bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes grundsätzlich nur für eine erste
Ausbildung zu. Darüber hinaus wird Ausbildungsförderung für eine weitere Ausbildung ausnahmsweise geleistet, wenn bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sind oder die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel,
dies erfordern. Bei einem Fachrichtungswechsel kann eine andere Ausbildung ebenfalls nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen
gefördert werden:
§ 7
(1) und (2) ...
(3) Hat der Auszubildende aus wichtigem Grund die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, so wird Ausbildungsförderung
für eine andere Ausbildung geleistet.
Ausbildungsförderung wird für die andere Ausbildung geleistet, wenn ein wichtiger Grund zu dem Wechsel veranlaßt. Als wichtig
ist dabei jeder Grund anzusehen, der einen auch auf wirtschaftlichen Erfolg seiner Berufstätigkeit zielenden Auszubildenden
bei verständiger Würdigung der Bedeutung des Berufs zu einem Ausbildungswechsel veranlaßt.
II.
1. Der Beschwerdeführer wurde im Anschluß an das 1976 bestandene Abitur zum zivilen Ersatzdienst einberufen. Während dieser
Zeit war er insbesondere mit der Betreuung von alten Menschen und Ausländern befaßt.
Im Wintersemester 1978/79 nahm der Beschwerdeführer an einer Fachhochschule ein Studium mit dem Ziel Diplom-Dolmetscher auf.
Er erhielt für die Zeit vom 1. Oktober 1978 bis zum 30. September 1979 Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz. Im März 1979 bewarb sich der Beschwerdeführer bei einer katholischen Fachhochschule um einen Studienplatz im Fachbereich
Sozialarbeit; im Juni 1979 wurde ihm ein Studienplatz für das Wintersemester 1979/80 zugewiesen. Im Oktober 1979 nahm der
Beschwerdeführer sein neues Studium auf; dieses hat er inzwischen erfolgreich abgeschlossen.
2. Im Oktober 1979 beantragte der Beschwerdeführer bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens die Weitergewährung von Ausbildungsförderung.
Den Fachrichtungswechsel begründete er im wesentlichen wie folgt:
Vor Aufnahme des Sprachstudiums sei er über Ausbildungsinhalte, Berufsaussichten und -ausübung nur wenig informiert gewesen.
So habe er von der Ausbildung eine intensive Fortführung des schulischen Sprachunterrichts erwartet, um bei späterer Berufsausübung
fremdsprachige Menschen betreuen zu können. Während des ersten Semesters habe er aber erkannt, daß die Sprachausbildung stark
auf das Berufsbild eines Dolmetschers/ Übersetzers in den Fachbereichen Wirtschaft, Technik und Recht ausgerichtet gewesen
sei und nicht seinen Interessen und Neigungen entsprochen habe. Er habe sich daher gegen Ende des ersten Semesters entschlossen,
das für ihn besser geeignete Fach Sozialarbeit zu studieren. Der Zeitpunkt seines Entschlusses habe indessen nach dem maßgeblichen
Anmeldetermin bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen gelegen, so daß er erst zum Wintersemester 1979/80
am Vergabeverfahren habe teilnehmen und im Oktober 1979 mit dem Studium der Sozialarbeit habe beginnen können.
Der Beklagte des Ausgangsverfahrens lehnte mit im Widerspruchsverfahren bestätigtem Bescheid vom 5. Dezember 1979 den Antrag
des Beschwerdeführers auf Weitergewährung von Ausbildungsförderung mit der Begründung ab, er habe den Fachrichtungswechsel
nicht unverzüglich vorgenommen, nachdem ihm sein als wichtiger Grund zu wertender Neigungswechsel bekannt und in seiner Bedeutung
bewußt geworden sei.
3. a) Das Verwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Klage des Beschwerdeführers ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
sei zwar ein ernsthafter Wandel der Neigung als wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel anerkannt. Jedoch sei bei der
Auslegung des Begriffs "wichtiger Grund" in §
7 Abs.
3 BAföG das Gesamtinteresse an einer sparsamen und zweckentsprechenden Verwendung der öffentlichen Förderungsmittel gleichrangig
mit den Interessen des Förderungsbewerbers zu berücksichtigen. Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung liege
deshalb ein wichtiger Grund zum Fachrichtungswechsel nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des Auszubildenden, das bisherige
Studium nicht zu Ende zu führen, verständlich erscheine, sondern erst, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen
Ausbildung unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erheblichen Umstände und der beiderseitigen,
die Förderung berührenden Interessen nicht mehr zugemutet werden könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, ob es dem Auszubildenden
nach Ausbildungsstand und Erkenntnisvermögen zuzumuten gewesen wäre, die einer Fortsetzung seines bisherigen Studiums entgegenstehenden
Gründe rechtzeitig zu erkennen und, statt subjektiv genährten - falschen - Vorstellungen weiter nachzuhängen, die notwendigen
Folgerungen daraus zu ziehen.
Der Beschwerdeführer habe Grund gehabt, sich bereits vor der Aufnahme des Sprachstudiums genügend darüber zu informieren,
ob das Diplom-Dolmetscher-Studium zur Verwirklichung des angestrebten Berufsziels führen könne. Angesichts seines Ausbildungsstandes
und Erkenntnisvermögens sei es ihm jedenfalls möglich gewesen, bis zum Ende des ersten Semesters die einer Fortsetzung des
bisherigen Studiums entgegenstehenden Gründe zu erkennen und dementsprechend das Sprachstudium aufzugeben. Daß er dies nicht
getan habe, sei ihm zuzurechnen; der Fachrichtungswechsel sei daher nicht mehr als solcher aus wichtigem Grund im Sinne von
§
7 Abs.
3 BAföG anzusehen.
b) Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanz habe in zutreffender Anwendung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung
dargelegt, daß es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen sei, die gegen die zuerst gewählte Ausbildung vorgebrachten
Gründe bis spätestens zum Ende des Wintersemesters 1978/79 zu erkennen und ihnen zu begegnen. Daher könne der geltend gemachte
Neigungswandel nicht als wichtiger Grund Anerkennung finden.
c) Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die angegriffenen
Entscheidungen der Vorinstanzen ständen im Einklang mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sobald sich der
Auszubildende Gewißheit über die fehlende Neigung für das bisher gewählte Fach verschafft habe, müsse er unverzüglich die
erforderlichen Konsequenzen ziehen. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß der Auszubildende grundsätzlich gehalten sei, seine
Ausbildung umsichtig und sorgfältig zu planen sowie zielstrebig durchzuführen. Zur Planung eines Studiums gehöre es auch,
daß sich der Auszubildende vor der Aufnahme der Ausbildung darüber informiere, ob die gewählte Fachrichtung eine Ausbildung
ermögliche, die mit seinen Vorstellungen über den angestrebten Beruf in Einklang stehe. Dies sei von ihm insbesondere dann
zu erwarten, wenn er - wie im vorliegenden Falle - eine Hochschulausbildung nicht unmittelbar nach dem Abitur, sondern nach
vorangegangenem Zivildienst erst zwei Jahre später beginne.
4. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art.
12 Abs.
1 und Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
1 GG).
Das Ausbildungsförderungsrecht sei unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip
und der Garantie der Berufsfreiheit auszulegen. Dies hätten die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit verkannt; ihre Rechtsprechung
bewirke eine unsachgemäße Differenzierung, da sie an Unterschiede anknüpfe, die nicht herangezogen werden dürften. Eine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung sei sowohl gegenüber Studierenden, die an ihrem Studiengang festhielten, als auch gegenüber solchen gegeben,
die ihren ersten Studienversuch schon im Eingangssemester abbrächen, dann ein Semester abwarteten und sich anschließend zu
einem zweiten Studienversuch immatrikulierten. In der Rechtsprechung werde zur Rechtfertigung dieser differenzierenden Betrachtungsweise
insbesondere auf das Prinzip der Sparsamkeit in der Verwendung staatlicher Mittel verwiesen; die Berücksichtigung von Haushaltsinteressen
sei indessen nicht Sache der Gerichte. Zudem könne dem öffentlichen Interesse an einer Begrenzung des Förderungsanspruchs
schon durch die Regelung über die Förderungshöchstdauer hinreichend Rechnung getragen werden. Dem stehe indessen die verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung entgegen, weil sie das Ziel sparsamer Mittelverwendung allein dadurch zu verwirklichen suche, daß jede Verzögerung
beim Abbruch eines ersten Studiums - unverhältnismäßig - zum völligen Förderungsverlust führe.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft namens der Bundesregierung, der für
das Ausbildungsförderungsrecht zuständige 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts sowie der Beklagte des Ausgangsverfahrens
geäußert.
1. Der Bundesminister ist der Auffassung, daß es sich im vorliegenden Falle um die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts
handele. Das Bundesverfassungsgericht könne erst bei der Feststellung einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht eingreifen.
Die hier streitige Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "wichtiger Grund" in §
7 Abs.
3 BAföG sei aber mit der Verfassung vereinbar.
Die von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgenommene Auslegung des §
7 Abs.
3 BAföG verstoße nicht gegen Art.
12 Abs.
1 GG, da sich dieser Verfassungsnorm ein soziales Grundrecht auf finanzielle Ausbildungsförderung nicht entnehmen lasse. Darüber
hinaus liege auch kein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vor. Unter Berücksichtigung der nur in beschränktem Umfang zur Verfügung stehenden
öffentlichen Mittel und des Interesses der Allgemeinheit an einer sparsamen und effektiven sowie im Verhältnis zu anderen
öffentlichen Aufgaben ausgewogenen Verwendung der Steuermittel sei es sachlich gerechtfertigt, eine andere - weitere - Ausbildung
dann auszuschließen, wenn ein planvoll und zielstrebig durchgeführter Fachrichtungswechsel nicht vorliege. In einem solchen
Fall würden mit der Weiterführung des nicht auf einen berufsqualifizierenden Abschluß hinführenden Studiums Ausbildungsförderung
entgegen der gesetzlichen Zielrichtung gewährt und zugleich die beschränkten Ausbildungskapazitäten der Hochschulen nutzlos
in Anspruch genommen.
2. Der für das Ausbildungsförderungsrecht zuständige 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts erläutert die Entwicklung sowie
den heutigen Stand der Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs "wichtiger Grund" in §
7 Abs.
3 BAföG. Er weist darauf hin, daß die Leistungen zur Ausbildungsförderung nicht mehr im Bereich allgemeiner und unbedingt notwendiger
Fürsorge lägen. Es stehe daher allein in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob und in welchem Umfang er Sozialleistungen
für die Ausbildungsförderung gewähre. Es komme lediglich darauf an, ob die einfachgesetzliche Regelung zur Gewährung von Förderleistungen
und die im Falle eines Fachrichtungswechsels nach §
7 Abs.
3 BAföG geltenden Grundsätze im Einklang mit dem Verfassungsrecht eine sachgerechte Leistungsgewährung sicherstellten und die gebotene
Chancengleichheit der Auszubildenden wahrten. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art.
3 Abs.
1 GG sei nicht verletzt, da die vom Beschwerdeführer miteinander verglichenen Sachverhalte in wesentlichen Punkten verschieden
seien und eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten; auch ein Verstoß gegen Art.
12 Abs.
1 GG scheide vorliegend aus, da das
Bundesausbildungsförderungsgesetz weder das Recht der Berufswahl noch den Zugang zu den Ausbildungsstätten regele.
3. Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens verneint eine Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen und führt
dazu ergänzend aus, daß im Falle des Fachrichtungswechsels eine Kontrolle von Neigung und Eignung des Auszubildenden aufgrund
des §
7 Abs.
3 BAföG geschehe. Der hiernach maßgebliche unbestimmte Rechtsbegriff "wichtiger Grund" sei im Laufe der Rechtsprechung durch das
Bundesverwaltungsgericht so differenziert worden, daß nicht nur das Gesetz selbst, sondern auch dessen Anwendung durch die
Fachgerichte allen Erfordernissen des Art.
3 Abs.
1 GG standhalte.
IV.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Beteiligten eine vergleichsweise Regelung nahegelegt, weil eine verfassungsgerichtliche
Entscheidung im Hinblick auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Auslegung des §
7 Abs.
3 BAföG von geringem Nutzen sein würde, andererseits aber die Gefahr mit sich brächte, Praxis und künftige Rechtsprechung in einer
angesichts des atypischen Einzelfalles nicht wünschenswerten Weise zu beeinflussen. Die angeregte vergleichsweise Regelung
ist indessen nicht zustandegekommen.
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.
§
7 Abs.
3 BAföG schließt bei einem Fachrichtungswechsel ohne "wichtigen Grund" jede weitere Ausbildungsförderung aus. Damit ist auch keine
nach Dauer oder Höhe verkürzte Ausbildungsförderung, etwa unter Anrechnung schon für das Erststudium erhaltener Leistungen,
möglich. Dies ist bei Berücksichtigung des Zieles des Bundesausbildungsförderungsgesetzes von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden,
weil der unbestimmte Rechtsbegriff des "wichtigen Grundes" in §
7 Abs.
3 BAföG Differenzierungen zuläßt, die eine verfassungskonforme Anwendung der Norm ermöglichen.
II.
Indessen verletzen die angegriffenen Entscheidungen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.
3 Abs.
1 GG.
1. Zwar ist die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall allein Sache der Fachgerichte und
der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Jedoch kann das Bundesverfassungsgericht bei einer Verletzung
von Verfassungsrecht durch die Gerichte eingreifen, die dann gegeben ist, wenn der gerügte Fehler gerade in der Nichtbeachtung
von Grundrechten liegt (vgl. BVerfGE 18, 85 (92 f.); st. Rspr.). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht
vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung
rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 64, 229 (239); 65, 104 (112 f.); 66, 234 (242); 67, 231 (236)). Eine solche Grundrechtsverletzung liegt nicht nur dann
vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne hinreichenden sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls
dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung
gelangen (BVerfGE 58, 369 (374)).
2. Die angegriffenen Entscheidungen führen zu einer in diesem Sinne ungerechtfertigten Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers
im Vergleich zu anderen Personen.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs erkennen trotz des Neigungswandels des Beschwerdeführers,
der ihn zum Fachrichtungswechsel veranlaßte, einen "wichtigen Grund" im Sinne des §
7 Abs.
3 BAföG nicht an. Zur Begründung wird entscheidend darauf abgestellt, daß der Beschwerdeführer schon zum Ende des ersten Semesters
die Gründe erkannt habe, die einer Fortsetzung des Sprachstudiums entgegenstanden, ohne daraus sofort die Konsequenz zu ziehen,
das Erststudium ungeachtet der noch nicht erfolgten Zulassung zum neuen Studium aufzugeben. Beide Entscheidungen lassen aber
auch erkennen, daß sie einen "wichtigen Grund" zum Studienwechsel wohl anerkannt hätten, wenn der Beschwerdeführer gleich
nach dem erkannten Neigungswandel - also noch vor Beginn des zweiten Semesters - seinen bisherigen Studiengang abgebrochen
hätte. Damit machen die Gerichte in der Beurteilung des unbestimmten Rechtsbegriffs "wichtiger Grund" im Sinne des §
7 Abs.
3 BAföG und als Folge hinsichtlich der Frage, ob weitere Ausbildungsförderung gewährt werden kann, einen Unterschied zwischen solchen
Studenten, die unmittelbar nach dem Erkennen des Neigungswandels ihr Studium aufgeben, und solchen, die daraus erst zu einem
späteren Zeitpunkt die Fachrichtung wechseln.
Dieser Unterschied ist jedenfalls in Fällen, in denen ein Student bei einem Neigungswandel sein Studium nach dem ersten Semester
nicht sofort abbricht, sondern diesen Abbruch um einige Monate verzögert, um abzuwarten, ob er eine Zulassung zu dem von ihm
gewünschten Studium erhält, nicht von solcher Art und solchem Gewicht, daß er eine Ungleichbehandlung von derartigem Ausmaß
zu rechtfertigen vermag. Nach der Interpretation des §
7 Abs.
3 BAföG in den angegriffenen Entscheidungen kann ein Student, der in gleicher Situation alsbald sein Studium abbricht, grundsätzlich
ohne Einschränkungen weiter in seiner Ausbildung gefördert werden, während ein anderer, der den Abbruch nur geringfügig verzögert,
um die Zulassung zum Wunschstudium abzuwarten, von jeder weiteren Förderung abgeschnitten wird. Angesichts dieses unverhältnismäßigen
Ergebnisses, das auf dem Fehlen einer gesetzlichen Zwischenlösung beruht, ist der Richter gehalten, den Anforderungen des
allgemeinen Gleichheitssatzes durch eine weitergehende Differenzierung in der Auslegung des "wichtigen Grundes" in §
7 Abs.
3 BAföG zu genügen.
3. Nicht entschieden ist damit, ob und inwieweit Verfassungsrecht der Auslegung des §
7 Abs.
3 BAföG durch die Rechtsprechung auch dann entgegenstehen würde, wenn Auszubildende, die in höheren Semestern als der Beschwerdeführer
studieren, bei einem für sie erkennbaren Neigungswandel nicht alsbald ihr Studium abbrechen oder den ihnen möglichen Fachrichtungswechsel
nicht sofort vollziehen. Genausowenig war darüber zu entscheiden, ob die Gerichte ohne Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG einen "wichtigen Grund" im Sinne des §
7 Abs.
3 BAföG in Fällen verneinen können, in denen Auszubildende erst nach einer längeren Überlegungsfrist, als sie hier in Rede steht,
oder ohne erkennbaren Anlaß den Fachrichtungswechsel hinauszögern.
III.
Da die angegriffenen Entscheidungen beider Tatsacheninstanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf dem gleichen Verfassungsverstoß
beruhen, mußten beide Entscheidungen aufgehoben werden. Die Sache war zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht
zurückzuverweisen. Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde,
ist gegenstandslos.
Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG.