Vergütung des Betreuers bei Mittelosigkeit - maßgebender Zeitpunkt - einzusetzendes Vermögen - nicht verbrauchte Versorgungsbezüge
nach Opferentschädigungsgesetz
Gründe
I.
Für den Betroffenen ist ein Berufsbetreuer bestellt.
Diesem bewilligte das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.10.2000 für die vom 1.10.1998 bis 31.5.2000 geleistete Tätigkeit eine
aus dem Vermögen des Betroffenen zu bezahlende Vergütung in Höhe von 3176,08 DM.
Hiergegen legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein. Zu Unrecht habe ihm das Vormundschaftsgericht lediglich ein Schonvermögen
von 4500 DM zugestanden. Im Hinblick darauf, dass er im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz
in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz erhalte, stehe ihm ein Freibetrag von 9564,40 DM zu.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde gemäß Beschluss vom 31.7.2001 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde, verbunden mit dem Antrag, ihm für dieses Rechtsmittelverfahren
unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren.
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG), hat jedoch keinen Erfolg.
a) Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Für die dem Betreuer bewilligte Vergütung habe der Betroffene aufzukommen. Sein Sparvermögen belaufe sich auf 8531,35 DM,
sein Guthaben auf dem Girokonto betrage 299,57 DM. Hierbei handle es sich um verwertbares Vermögen, das die gemäß §
1836c Nr.2
BGB i.V.m. § 88 Abs. 2 Nr.8 BSHG und der hierzu erlassenen Durchführungsverordnung maßgebliche Schongrenze von 4500 DM deutlich übersteige. Ein höherer Schonbetrag
komme auch für die Vergütung der vom 1.10. bis 31.12.1.998 geleisteten Betreuertätigkeit nicht in Betracht, da der Betroffene
nicht schwerstpflegebedürftig sei. Andere Schongrenzen, z.B. nach dem Bundesversorgungsgesetz, seien nicht anzuwenden. Schließlich könne der Betroffene auch nicht mit Erfolg einwenden, sein Vermögen dürfe für die Vergütung
des Betreuers nicht herangezogen werden, soweit es aus angespartem, nicht dem Einsatz unterliegenden Einkommen resultiere.
Dieser Umstand begründe insbesondere keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3
BSHG.
b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1
FGG).
aa) Der Berufsbetreuer hat Anspruch auf Ersatz der zum Zwecke der Führung der Betreuung gemachten Aufwendungen (§ 19d8i Abs.
1 Satz 1,
1835 Abs.
1 Satz 1
BGB) sowie auf Vergütung seiner Amtsführung (§
1836 Abs..1 Satz 2, Abs.
2 Satz 1
BGB). Der Anspruch richtet sich gegen den Betreuten, ist jedoch aus der Staatskasse zu befriedigen, wenn der Betreute mittellos
ist (§
1835 Abs.
4 Satz 1, § 1836a
BGB).
bb) Die Frage der Mittellosigkeit ist für den gesamten Abrechnungszeitraum einheitlich (vgl. OLG Frankfurt a. Main FamRZ 2001,
1098) und grundsätzlich gemäß den zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz geltenden materiell-rechtlichen
Bestimmungen (vgl. LG Koblenz BtPrax 1999, 113; HK-BUR/Deinert §
1836d
BGB Rn. 1; Jürgens BtPrax 1999, 99) und den zu diesem Zeitpunkt gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (vgl. BayObLGZ 1995, 395/396; BayObLG FamRZ
2000, 558/559; OLG-Frankfurt a. Main FamRZ 2001, 1098; KG FamRZ 1998, 188/189) zu beurteilen.
cc) Ein Betreuter gilt als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz bzw. die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen
oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§
1836d Nr.1
BGB). Welches Einkommen oder Vermögen der Betreute aufzuwenden hat, bestimmt sich nach §
1836c
BGB. Danach hat er Vermögen nach Maßgabe des § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) einzusetzen (§
1836c Nr.2
BGB), mithin grundsätzlich sein gesamtes, verwertbares Vermögen, soweit keiner der Verschonungstatbestände des § 88 Abs. 2
BSHG vorliegt (vgl. BT-Drucks.13/7158 S.31) und der Einsatz bzw. die Verwertung für ihn und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen
keine Härte bedeuten würde (§ 88 Abs. 3
BSHG) "Schonvermögen" in diesem Sinne sind unter anderem kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte bis zu 4500 DM (§ 88 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4
BSHG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr.8 des Bundessozialhilfegesetzes; vgl. BayObLGZ 2001, 158; BGH B.v. 24.10.2001 - XII ZB 142/01), bzw. ab 1.1.2002 bis zu 2301 Euro (Art.17 Nr.1 a bb, Art.68 Abs. 10 des 4.Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 - BGBl.
I S.1983/2008). In anderen gesetzlichen Vorschriften anderweitig festgesetzte Schongrenzen sind im Bereich der Betreuervergütung
ohne Belang. Dies gilt insbesondere auch, soweit die Hauptfürsorgestelle der Regierung von Oberbayern in dem an den Betreuer
gerichteten Schreiben vom 1.3.2001 dem Betroffenen im Rahmen der ihm gemäß dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit
dem Bundesversorgungsgesetz gewährten Hilfe in besonderen Lebenslagen wegen des "Aufeinandertreffens mehrerer Situationen" einen gegenüber § 25 f Abs. 2 Nr. 2
BVG erhöhten Schonbetrag von 12500 DM zugebilligt hat. Nach der mit dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz am 1.1.1999 in Kraft
getretenen klaren und eindeutigen Bestimmung des §
1836c Nr.2
BGB ist für das im Betreuervergütungsrecht einzusetzende Vermögen ausschließlich § 88
BSHG und damit auch die zu 88 Abs. 2 Nr.8 BSHG erlassene Durchführungsverordnung maßgebend (vgl. OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 264).
Die Schongrenze von 4500 DM bzw. 2301 Euro ist angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine "besondere Notlage" des Betreuten
besteht (§ 88 Abs. 2 Nr.8 2.Halbsatz BSHG; § 2 Abs. 1 Satz 1 der genannten Verordnung) oder soweit ein Freibetrag von lediglich 4500 DM bzw. 2301 Euro für den Betroffenen eine
"Härte" bedeuten würde (§ 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG). Die Schongrenze erhöht sich auf 8000 DM bzw. 4091 Euro bei blinden und bei schwerstbehinderten Betreuten (§ 67 bzw. § 69a Abs. 3
BSHG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 b der genannten Verordnung).
Eine "besondere Notlage" ist in der Regel insbesondere dann gegeben, wenn der Betreute besonderen Belastungen ausgesetzt ist
(vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 der genannten Verordnung), die es als unzumutbar erscheinen lassen, das Schonvermögen auf 4500 DM
bzw. 2301, Euro zu beschränken. Von Bedeutung ist insoweit unter anderem die Art der Entstehung der Notlage, ihre (voraussichtliche)
Dauer und das Ausmaß der zu ihrer Behebung oder Milderung notwendigen Aufwendungen (vgl. BayObLGZ 2001, 158/160).
Die Begrenzung des Schonvermögens auf 4500 DM bzw. 2301 Euro bedeutet für den Betreuten in der Regel eine "Härte", soweit
dies zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2
BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen, hierdurch insbesondere eine angemessene Lebensführung des Betreuten oder die Aufrechterhaltung
einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde (§ 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG; vgl. BayObLGZ 2001, 158/160 f.).
dd) Die Beurteilung, ob eine besondere Notlage des Betreuten besteht oder ein Freibetrag von lediglich 4500 DM bzw. 2301 Euro
für ihn eine Härte bedeuten würde, obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der den Einzelfall
prägenden Umstände. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Beurteilung des Tatrichters nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG; vgl. BayObLGZ 2001, 158/161).
ee) Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei festgestellt. Das Schonvermögen hat
es zutreffend auf 4500 DM bemessen. Das von der Beschwerdekammer auf 8830,92 DM bezifferte Kapitalvermögen des Betroffenen
übersteigt diesen Freibetrag deutlich und ermöglicht es ohne weiteres, die dem Betreuer geschuldete Vergütung hieraus in vollem
Umfang zu begleichen (§
1836d
BGB). Die Voraussetzungen des § 67
BSHG oder des § 69a Abs. 3
BSHG sind ebenso wenig gegeben wie eine "besondere Notlage" des Betroffenen.
Die Inanspruchnahme des die Schongrenze von 4500 DM übersteigenden Vermögens für die Vergütung des Betreuers bedeutet für
den Betroffenen schließlich auch keine unzumutbare Härte. Hierzu reicht insbesondere nicht aus, dass der Betroffene Leistungen
nach dem Bundesversorgungsgesetz i.V.m. dem Opferentschädigungsgesetz erhält (vgl. Senatsbeschluss vom 3.1.2002 - 3Z BR 300/01; OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 264/265; a.A. HK-BUR/Winhold-Schött/Deinert §
1836c
BGB Rn. 28). Ebenso wenig kommt es entgegen der Ansicht des getroffenen darauf an, inwieweit die Ersparnisse aus der von ihm
im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts bezogenen Grundrente herrühren. Für die Anwendung des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG ist die Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich (vgl. Schellhorn/Jirasek/ Seipp BSHG 15. Aufl. § 88 Rn.70). Insbesondere können sozialrechtliche Leistungsnormen, die ausdrücklich nur die Einsatzfreiheit einer Sozialleistung
als Einkommen anordnen (vgl. § 76 Abs. 1
BSHG), grundsätzlich nicht entsprechend für eine Einsatzfreiheit der Sozialleistung als Vermögen herangezogen werden (vgl. BVerwGE
45 135/136; BVerwG NJW 1998, 397). Von dem genannten Grundsatz eine Ausnahme zu machen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Zwar kann der gesetzgeberische
Grund für die Nichtberücksichtigung einer Zahlung als Einkommen im Einzelfall auch im Rahmen des Vermögenseinsatzes durchgreifen,
wenn der als Einkommen zugeflossene Wert, sofern er in das Vermögen eingegangen ist, den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt
ist wie als, Einkommen (BVerwGE 45, 135; BVerwG NJW 1995, 3001 und 1998, 397). Das ist jedoch bei der hier in Frage stehenden Grundrente nicht der Fall (vgl. BayVGH FEVS 44 (1994), 69/72
f. unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.3.1985 - 5 B 120.84). Sie dient der Deckung schädigungsbedingten Mehraufwands (BT-Drucks. 7/2506 S.11). Dabei ist, weil die Rente eine wiederkehrende
Leistung ist, an den wiederkehrenden schädigungsbedingten Mehraufwand gedacht (BVerw G FEVS 24 (1974), 345/346). Fällt dieser
Mehraufwand in dem Zeitraum, für den die Rente gewährt wird, nicht an, hat er sich erledigt. Wird die Rente dann dem Vermögen
zugeführt, ist es dem Betroffenen grundsätzlich zuzumuten, auch das so Ersparte für die Kosten der Betreuung zu verwenden,
zumal wenn auch diese wie hier eine Folge der Schädigung ist, die mit ihr verbundenen Kosten also schädigungsbedingten Mehraufwand
darstellen. Nach den von ihm festgestellten und den aus den Akten ersichtlichen Umständen musste das Landgericht auch nicht
annehmen, dass hier die die Lebensverhältnisse des Betroffenen prägenden individuellen Gesichtspunkte eine andere Würdigung
gebieten.
2. Wegen der von Anfang an fehlenden Erfolgsaussicht der sofortigen weiteren Beschwerde konnte dem Betroffenen die von ihm
insoweit beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (§ 14
FGG, §
114
ZPO).