Tatbestand:
Die vom Beklagten getrenntlebende Klägerin macht gegen ihn in Prozeßstandschaft Unterhalt für die gemeinsamen Kinder geltend.
Aus der im Juli 1989 geschlossenen Ehe der Parteien sind die Tochter Marie-Christine, geboren am 4. Dezember 1990, und der
Sohn Maximilian, geboren am 28. Dezember 1993, hervorgegangen. Die Kinder leben seit der Trennung der Eltern Ende Juni 1998
bei der Klägerin, die sie betreut und die das staatliche Kindergeld erhält. An seinen nicht aus der Ehe stammenden Sohn Leon
Sebastian, geboren am 6. April 1998, zahlt der Beklagte monatlich 300 DM Unterhalt.
Der Beklagte arbeitet als Verwaltungsbeamter in S.. Sein monatliches Nettoeinkommen betrug 1998, bereinigt um Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge, rund 4.700 DM. Die Klägerin ist Lehrerin und verdient monatlich netto ebenfalls rund 4.700 DM.
Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer eines mit Krediten belasteten Anwesens, in dem die Klägerin mit den gemeinsamen
Kindern verblieben ist. Sie trägt den überwiegenden Teil dieser Kreditverbindlichkeiten. Der Beklagte macht für sich weitere
monatliche Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 1.425 DM geltend. Außerdem zahlt er für einen im März 1998 geleasten Pkw, auf
den er eine Sonderleistung von 10.000 DM erbracht hat, monatliche Raten von rund 672 DM. Mit dem Pkw fährt er arbeitstäglich
von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstelle rund 110 Kilometer.
Die Klägerin bezieht seit Dezember 1998 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz für Marie-Christine in Höhe von monatlich
299 DM und für Maximilian von 224 DM. Der Beklagte hat nach der Trennung an die Klägerin im Jahre 1998 für beide Kinder einen
einmaligen Unterhaltsbetrag von insgesamt 500 DM und von Januar bis November 1999 monatlich 299 DM für Marie-Christine und
244 DM für Maximilian an die Verwaltungsbehörde gezahlt. Diese hat die auf sie übergegangenen Unterhaltsansprüche der Kinder
auf die Klägerin zurückübertragen.
Das Amtsgericht hat den Beklagten unter Abweisung des weitergehenden Begehrens verurteilt, an die Klägerin rückständigen Unterhalt
für beide Kinder für Juli und August 1998 in Höhe von insgesamt 1.142 DM zu zahlen, ferner für die Zeit vom 1. September 1998
bis 31. Dezember 1998 jeweils monatlich 460 DM für Marie-Christine und 361 DM für Maximilian, sowie ab 1. Januar 1999 jeweils
monatlich 418 DM für Marie-Christine und 322 DM für Maximilian.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er schulde wegen seiner anderweitigen Verbindlichkeiten und der anfallenden Fahrtkosten
von monatlich 583 DM nur den Unterhalt nach der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle abzüglich hälftigen Kindergeldes,
für die Zeit ab Januar 1999 somit für Marie-Christine monatlich 299 DM und für Maximilian 224 DM.
Die Klägerin hat mit der Berufung die Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils dahingehend begehrt, daß für die Zeit vom 1.
Juli 1998 bis 31. Dezember 1998 restlicher Unterhalt von insgesamt 5.547 DM für beide Kinder sowie ab 1. Januar 1999 für Marie-Christine
monatlich 595 DM abzüglich bis einschließlich November 1999 monatlich gezahlter 299 DM und für Maximilian monatlich 469 DM
abzüglich bis einschließlich November 1999 monatlich gezahlter 224 DM an sie zu zahlen seien.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung des
amtsgerichtlichen Urteils den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 30. November 1999 rückständigen
Unterhalt für Marie-Christine in Höhe von 3.702 DM und für Maximilian in Höhe von 2.890 DM sowie ab 1. Dezember 1999 für beide
Kinder monatlich je 427 DM zu zahlen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein zweitinstanzliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
A. I. Das Oberlandesgericht, dessen Urteil in FamRZ 2000, 765 f. veröffentlicht ist, hat den Bedarf für die Kinder der Parteien nach der Düsseldorfer Tabelle, Einkommensgruppe 5 ermittelt.
Dies ergab für die am 4. Dezember 1990 geborene Marie-Christine in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 monatlich 543
DM (Düss. Tab., Stand 1. Juli 1998, Altersstufe 2) und ab 1. Juli 1999 monatlich 552 DM (Düss.Tab., Stand 1. Juli 1999, Altersstufe
2). Für den am 28. Dezember 1993 geborenen Maximilian hat es den Bedarf entsprechend für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 30.
Juni 1999 mit 447 DM (Düss. Tab., Stand 1. Juli 1998, Altersstufe 1), für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 30. November 1999
mit monatlich 455 DM (Düss. Tab., Stand 1. Juli 1999, Altersstufe 1) und ab 1. Dezember 1999 mit 552 DM (Düss. Tab., Stand
1. Juli 1999, Altersstufe 2) angenommen.
Für die Bedarfsbemessung ist das Oberlandesgericht dabei zunächst richtig und von der Revision nicht beanstandet von einem
durchschnittlichen, um Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verminderten Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von monatlich
rund 4.700 DM für das Jahr 1998 und in Höhe von rund 4.450 DM für das Jahr 1999 ausgegangen. Von diesem Einkommen hat es -
unter Berücksichtigung der Fahrten des Beklagten zur Arbeitsstelle - eine Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen
abgezogen, so daß es zu einem bereinigten Nettoeinkommen von monatlich rund 4.466 DM für das Jahr 1998 und von 4.228 DM für
das Jahr 1999 gelangt ist. Die Berücksichtigung der monatlichen Leasingraten für den Pkw des Beklagten in Höhe von rund 672
DM hat es abgelehnt, da diese Verpflichtung in keiner Weise der finanziellen Gesamtsituation entspreche und auch nicht berufsbedingt
notwendig sei.
1. Insoweit ist nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht für die Fahrten zur Arbeitsstelle nur die Pauschale von 5
% und nicht die geltend gemachten konkreten Fahrtkosten von monatlich 583 DM vom Nettoeinkommen abgezogen hat. Da es sich
bei Unterhaltsfällen um Massenerscheinungen handelt, ist aus Vereinfachungsgründen eine pauschalierende Berechnungsmethode
notwendig (Senatsurteil vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 807). Dies schließt zwar die Berücksichtigung konkreter Aufwendungen nicht aus, soweit diese notwendig und angemessen sind.
Es hält sich aber im Rahmen der revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Bewertung, wenn das Oberlandesgericht
es für zumutbar gehalten hat, daß der Beklagte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeitsstelle gelangt oder den Wohnsitz
an den Dienstort verlegt. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht aufgezeigt. Die Bemessung
der Aufwendungen mit 5 % hält sich ebenfalls im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens (Senatsurteil vom 19. Juli 2000 - XII ZR 161/98 - FamRZ 2000, 1492, 1493).
2. Entgegen der Revision kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, von seinem Einkommen seien weitere Verbindlichkeiten
in Höhe von 672 DM Leasingraten abzuziehen.
Minderjährige Kinder ohne Einkünfte besitzen keine eigene unterhaltsrechtlich relevante Lebensstellung im Sinne des §
1610 Abs.
2
BGB. Sie leiten ihre Lebensstellung vielmehr von derjenigen ihrer unterhaltspflichtigen Eltern ab. Wird das Kind von einem Elternteil
versorgt und betreut und leistet der andere Teil Barunterhalt, so bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich
nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Da der für die Unterhaltsbemessung
maßgebliche Lebensstandard im wesentlichen durch tatsächlich vorhandene Mittel geprägt ist, richtet sich auch die abgeleitete
Lebensstellung des Kindes nach diesen Verhältnissen. Deshalb sind unterhaltsrechtlich relevante Verbindlichkeiten zu berücksichtigen
(Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 247/94 - FamRZ 1996, 160, 161). Ob die Verbindlichkeiten unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähig sind, ist unter umfassender Interessenabwägung
zu beurteilen, wobei es insbesondere auf den Zweck der Verbindlichkeit, den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis
von der Unterhaltsschuld und auf andere Umstände ankommt (Senatsurteile vom 7. November 1990 - XII ZR 123/89 - FamRZ 1991, 182, 184 und vom 25. Oktober 1995 aaO. S. 161).
Im Rahmen dieser in erster Linie dem Tatrichter obliegenden Interessenabwägung ist das Oberlandesgericht - bei der Prüfung
der Leistungsfähigkeit - zu dem Ergebnis gelangt, daß die monatlichen Leasingraten von 672 DM zum einen der finanziellen Gesamtsituation
nicht entsprächen und zum anderen nicht berufsbedingt notwendig seien. Der Beklagte könne diese Raten bei Nutzung eines preiswerten
Gebrauchtwagens oder öffentlicher Verkehrsmittel in zumutbarer Weise vermeiden, so daß seine Kinder sich diese Verpflichtung
nicht entgegenhalten lassen müßten. Dies läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision zeigt solche auch nicht auf.
II. Zu Recht rügt jedoch die Revision, das Oberlandesgericht habe den Bedarf der Kinder nicht unabhängig von der wirtschaftlichen
Situation des Beklagten mit dem Existenzminimum gleichsetzen und ihn darauf verweisen dürfen, die ehebedingten Verbindlichkeiten
in Höhe von 120.000 DM, die er mit monatlich 1.425 DM zurückführe, zu strecken.
1. Das Oberlandesgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Verbindlichkeiten - wie der Beklagte unter Beweisantritt
behauptet hat - als ehebedingt anzusehen sind oder aber zur Wahrnehmung persönlicher Bedürfnisse des Beklagten aufgenommen
wurden. Dies ist für die Frage ihrer Berücksichtigung von Bedeutung (Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 1/91 - FamRZ 1992, 797, 798). In der Revisionsinstanz ist daher zugunsten des Beklagten zu unterstellen, daß es sich um ehebedingte Schulden handelt.
Werden die monatlichen Kreditraten von 1.425 DM in voller Höhe berücksichtigt, würde sich das bereinigte Nettoeinkommen des
Beklagten im Jahre 1998 von 4.466 DM auf 3.041 DM und im Jahre 1999 von 4.228 DM auf 2.803 DM vermindern, was der Einkommensgruppe
3 der Düsseldorfer Tabelle und einem Unterhaltsbedarf von 484 DM (ab 1. Juli 1999 492 DM) in der Altersstufe 2 und von 398
DM (ab 1. Juli 1999 405 DM) in der Altersstufe 1 entspräche. Damit hätte der Beklagte zwar mehr als den Regelbetrag, aber
weniger als den vom Oberlandesgericht angenommenen "Mindestbedarf" zu zahlen.
Das Oberlandesgericht hat dazu ausgeführt, den ehegemeinschaftlichen Kindern stehe wenigstens ein Mindestbedarf im Sinne des
zur Sicherung des Existenzminimums erforderlichen Unterhaltsbetrages zu. Die Lebensstellung eines minderjährigen Kindes leite
sich vom barunterhaltspflichtigen Elternteil ab. Der Unterhaltsanspruch genieße grundsätzlich keinen Bestandsschutz hinsichtlich
der tatsächlichen Lebensverhältnisse. Das Kind müsse deshalb hinnehmen, wenn nur noch ein geringerer - den Mindestbedarf allerdings
nicht unterschreitender - Unterhaltsbetrag geschuldet werde.
Die Festlegung des Mindestbedarfs sei mit dem Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes aufgrund der Aufhebung der Verweisung
in §
1610 Abs.
3
BGB a.F. aufgegeben worden. Der Regelbetrag nach der Regelbetrag-Verordnung (= Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle) liege
unter dem Existenzminimum und solle nicht bedarfsdeckend sein, sondern diene primär als Bemessungsgröße für das vereinfachte
Verfahren. Ihm sei daher ein Mangelfall immanent, weshalb er nicht mehr dem Mindestbedarf entspreche. Nach den verfassungsrechtlichen
Vorgaben sei für den Mindestbedarf auf das nach dem Sozialhilfebedarf ermittelte Existenzminimum abzustellen. Dieses betrage
bei einer Verteilung auf die drei Altersstufen ab 1996 431 DM, 510 DM und 631 DM, ab 1999 461 DM, 544 DM und 670 DM. Die genannten
Beträge seien nicht genau in die Unterhaltstabelle einzupassen, da sie zwischen den Einkommensgruppen 4 bis 6 der Tabelle
lägen. Deshalb sei es angemessen, den Mindestbedarf unter Zuordnung zur Einkommensgruppe 5 zu bemessen. Dieser Mindestbedarf
stehe den Kindern in jedem Falle zu. Da der Beklagte drei Kindern unterhaltspflichtig sei, sei eine Höherstufung nicht angezeigt.
2. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, daß es seit dem am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen
Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998 (KindUG-BGBl. I, 666) keine gesetzliche Bestimmung des Mindestbedarfs minderjähriger Kinder im Unterhaltsrecht mehr gibt (so auch
Schumacher/Grün FamRZ 1998, 778, 779; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 2 Rdn. 127 a f.).
Bis zum 30. Juni 1998 definierte § 1615 f Abs. 1 Satz 2
BGB a.F. den Regelunterhalt als den Betrag (Regelbedarf), der zum Unterhalt eines nichtehelichen Kindes, das sich in der Pflege
seiner Mutter befindet, bei einfacher Lebenshaltung im Regelfall erforderlich sei. Verlangte ein eheliches Kind Barunterhalt,
so galt als Bedarf mindestens der für ein nichteheliches Kind der entsprechenden Altersstufe festgesetzte Regelbedarf, §
1610 Abs.
3
BGB a.F..
Durch Art. 1 Nr. 8, 16, Art. 6
KindUG wurden §
1610 Abs. 3
BGB und die Vorschriften über den Regelunterhalt nichtehelicher Kinder aufgehoben. §
1610 Abs.
3
BGB war nicht mehr erforderlich, da in §
1612 a Abs.
1
BGB für alle Kinder die Möglichkeit geschaffen wurde, die Regelbeträge geltend zu machen. Damit war die Definition des Mindestbedarfs
im Unterhaltsrecht entfallen. Die Regelbeträge sollten als Basiswerte der Unterhaltstabellen und als Bezugsgrößen für die
Unterhaltsanpassung dienen (Regierungsentwurf - im folgenden: RegE -, BT-Drucks. 13/7338, S. 22; Stellungnahme des Rechtsausschusses
- im folgenden: RA -, BT-Drucks. 13/9596, S. 36). In Höhe der Regelbeträge (im RegE noch Regelunterhalt genannt) sollte das
Kind von der Darlegungs- und Beweislast für seinen Bedarf sowie für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten befreit
sein (RegE aaO. S. 19). Die Festlegung eines Mindestbedarfs erfolgte bewußt nicht (Bericht des RA aaO. S. 31 f.). Die Empfehlung
des Bundesrats, den im Regierungsentwurf verwendeten Begriff "Regelunterhalt" durch den Begriff "Mindestunterhalt" zu ersetzen,
und die Forderung, der Mindestunterhalt der Kinder müsse sich an deren Bedarf orientieren und mindestens deren Existenzminimum
abdecken (Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 13/7338, S. 56), sind nicht Gesetz geworden. In ihrer Gegenäußerung hat
die Bundesregierung darauf hingewiesen, daß nicht der Eindruck erweckt werden solle, ein Mindestunterhalt sei unabhängig von
der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten geschuldet (BT-Drucks. 13/7338, S. 59). Insbesondere im Hinblick auf das Ziel des
Entwurfs, die verfahrensrechtlich erleichterte Durchsetzung der Regelbeträge zu ermöglichen, wurde auf eine dem § 1615 f Abs. 1
BGB a.F. entsprechende Definition der Regelbeträge verzichtet. Es war bekannt, daß eine erhebliche Erhöhung der Regelbeträge
voraussichtlich dazu führen würde, daß die gesetzlich vorgesehenen Beträge für die Mehrzahl der Berechtigten wegen der eingeschränkten
Leistungsfähigkeit der Verpflichteten nicht erreichbar wären. Außerdem sollten Mehrkosten für gesteigerte Leistungen nach
dem Unterhaltsvorschußgesetz und eine erhebliche Mehrbelastung der Justiz durch die Geltendmachung von Unterhaltsbeträgen,
die nicht der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen entsprechen, vermieden werden (Gegenäußerung der Bundesregierung, aaO. S.
60; Bericht des RA aaO. S. 31). Die wesentliche Bedeutung des Regelbetrages sollte daher nicht in der Festlegung eines Mindestunterhalts,
sondern darin liegen, daß mit ihm eine Bezugsgröße für den Zugang zum vereinfachten Verfahren und für die im Zweijahresrhythmus
erfolgende Anpassung der Unterhaltsansprüche geschaffen werden sollte (vgl. § 645
ZPO). Daß die Beträge hinter dem Existenzminimum zurückblieben, sei unschädlich, da das vereinfachte Verfahren auch für Unterhaltsbeträge
in Höhe des Existenzminimums und sogar darüber hinaus eröffnet sei (Bericht des RA aaO. S. 31, 36, vgl. auch Wendl/Scholz
aaO.).
Die gegenteilige Auffassung, der Regelbetrag sei auch nach Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes entsprechend dem früheren
Regelunterhalt dem Mindestbedarf gleichzusetzen, widerspricht daher dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers
(so aber: KG FamRZ 1999, 405 f.; OLG München FamRZ 1999, 884; OLG Bamberg FamRZ 2000, 307,308; OLG Koblenz FamRZ 2000, 313; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1432, 1433; Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozeß, 2. Aufl., Rdn. 3025).
b) Die Auffassung, ein Mindestbedarf sei in Höhe des Eineinhalbfachen des Regelbetrages festzulegen, weil dieser Betrag nach
§ 645
ZPO im vereinfachten Verfahren ohne weitere Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse geltend gemacht werden könne (so Johannsen/Henrich/Graba,
Eherecht, 3. Aufl., § 1610 Rdn. 17 und § 1612 a Rdn. 12), wird vom Oberlandesgericht zutreffend abgelehnt. Die erweiterte
Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens für Beträge in Höhe von 150 % des Regelbetrages ist auf Vorschlag des Rechtsausschusses
in das Gesetz aufgenommen worden, während der Regierungsentwurf in § 645
ZPO nur die Geltendmachung des Regelbetrages vorsah (Bericht des RA aaO. S. 11). Dabei hat der Rechtsausschuß aber den Unterschied
zwischen dem nicht festgesetzten materiell-rechtlichen Mindestunterhaltsanspruch und der Verbesserung der prozessualen Situation
der Kinder betont (Bericht des RA aaO. S. 31). Angesichts des auch im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willens des Gesetzgebers
kann daher aus § 645
ZPO kein Mindestbedarf in entsprechender Höhe hergeleitet werden. Soweit in der Literatur gelegentlich befürwortet wird (Johannsen/Henrich/Graba
aaO. § 1610 Rdn. 17 und § 1612 a Rdn. 12; Graba NJW 2001, 249, 253), die Regelung des vereinfachten Verfahrens aus Gründen des Gleichklangs ins Klageverfahren zu übernehmen, vermag der
Senat dem nicht zu folgen. Ein vorausgegangenes vereinfachtes Verfahren kann weder Wirkungen für den materiellen Unterhaltsbedarf
und -anspruch noch für die Darlegungs- und Beweislast im streitigen Prozeß begründen.
c) Der Senat folgt andererseits auch nicht der vom Oberlandesgericht und Teilen der Rechtsprechung und Literatur (OLG Hamburg
FamRZ 2000, 1431; OLG Stuttgart (18. ZS) FamRZ 2000, 376; abweichend davon OLG Stuttgart (16. ZS), Urteil vom 6. September 2001 - 16 UF 146/01; Göppinger/Wax/Strohal, Unterhaltsrecht, 7. Aufl. Rdn. 362; Kleinle ZfJ 1998, 225; Lipp/Wagenitz, Das neue Kindschaftsrecht § 1612 a Rdn. 13; Luthin FF 1999, 105, 107 mit eingehender Darstellung des Streitstandes und Nachweisen; ders. FamRZ 2001, 334, 335; Rühl/Greßmann, Kindesunterhaltsgesetz Rdn. 58 ff.; vgl. weiter den Überblick bei Miesen, Neuere Entwicklung im Familienrecht bis Herbst 2001, FF Sonderheft, S.
4 f.) vertretenen Auffassung, daß es geboten sei, anstelle des im Unterhaltsrecht seit 1. Juli 1998 nicht mehr definierten
Mindestbedarfs nunmehr auf das von der Bundesregierung auf der Grundlage des Sozialhilfebedarfs ermittelte, steuerfrei zu
stellende rechtliche Existenzminimum eines Kindes abzustellen (für das Jahr 1996: 524 DM (BT-Drucks. 13/381, S. 4); für das
Jahr 1999: 558 DM (BT-Drucks. 13/9561, S. 4); für das Jahr 2001: 564 DM (BT-Drucks. 14/1926, S. 5)). Aus dem für alle Kinder
bis 18 Jahre unterschiedslos ermittelten Existenzminimum sollten gestaffelte Werte für die drei Altersstufen nach §
1612 a Abs.
3
BGB errechnet werden (vgl. die Berechung bei Rühl/Greßmann aaO. Rdn. 58 ff.). Die gewonnenen Ergebnisse entsprächen allerdings
nicht den Beträgen der Düsseldorfer Tabelle, sondern lägen je nach Altersstufe im Bereich der Einkommensgruppen 4 bis 6. Deshalb
sollte im Wege der Interpolation der Mindestbedarf einheitlich nach der Einkommensgruppe 5 festgesetzt werden, wie es hier
auch das Oberlandesgericht vorgeschlagen hat.
aa) Für diese Auffassung wird teilweise angeführt, der Rechtsausschuß habe die aus dem Bericht der Bundesregierung vom 2.
Februar 1995 ersichtlichen durchschnittlichen Sozialhilfebeträge ausdrücklich als Existenzminimum von Kindern bezeichnet.
Deshalb seien in einem Nicht-Mangelfall mindestens diese Sätze geschuldet (Kleinle ZfJ 1998 aaO. S. 226). Diese Ansicht widerspricht
den bereits dargelegten Beratungen des Ausschusses, der bewußt von der Festsetzung eines Mindestunterhalts in Höhe des Existenzminimums
abgesehen hat (Gegenäußerung der Bundesregierung aaO. S. 59; Bericht des RA aaO. S. 31).
bb) Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerrechtlichen Freistellung des Existenzminimums und zum
Familienleistungsausgleich (vgl. nur BVerfG FamRZ 1999, 285 ff. und 291 ff.) zwingt nicht zur Annahme eines entsprechenden Mindestbedarfs. Danach müsse dem Steuerpflichtigen von seinem
Einkommen so viel verbleiben, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts bedürfe (Existenzminimum). Verfassungsrechtlicher
Prüfungsmaßstab sei der sich aus Art.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1
GG ergebende Grundsatz, daß der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen müsse, als es zur Schaffung
der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt werde (BVerfGE 82, 60, 85, BVerfG FamRZ 1999 aaO. S. 292). Der existenznotwendige Bedarf bilde von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff
durch die Einkommensteuer (BVerfGE 87, 153, 169; FamRZ 1999 aaO. S. 292). Art.
6 Abs.
1
GG gebiete darüber hinaus, daß bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei
bleiben müsse (BVerfG FamRZ 1999 aaO. S. 287; FamRZ 1999 aaO., S. 292 jew. m.N.). Dabei müßten die von Verfassungs wegen zu
berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen nach dem tatsächlichen Bedarf - realitätsgerecht - bemessen werden (BVerfGE
91, 93, 111; BVerfG FamRZ 1999 aaO. S. 292 m.N.). Dessen Untergrenze sei durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das
im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollten, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten
Lebensverhältnissen angepaßt werden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen
Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle, müsse er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen
(BVerfGE 87 aaO. S. 171; 91, aaO. S. 111; FamRZ 1999 aaO. S. 292). Letzteres gelte sinngemäß für die Ermittlung des sächlichen
Existenzminimums von Kindern (BVerfGE 82, 60, 93 f.), bei denen allerdings nach der neueren Rechtsprechung zusätzlich ab 1. Januar 2000 ein Betreuungsbedarf und ab 1.
Januar 2002 auch der Erziehungsbedarf im Rahmen des steuerlichen Existenzminimums der Kinder zu berücksichtigen sei (BVerfGE
99, 216, 233 f., 240 f., 242).
Diese Grundsätze werden bei der Festlegung eines Mindestbedarfs teilweise auf das Unterhaltsrecht übertragen (OLG Stuttgart
FamRZ 2000, 376; OLG Hamburg FamRZ 2000, 1431; Göppinger/Wax/Strohal aaO. Rdn. 362; Kleinle ZfJ 1998, 225; Lipp/Wagenitz aaO. § 1612 a Rdn. 13; Luthin FF 1999, 105, 107 m.N.; ders. FamRZ 2001, aaO. 335; Rühl/Greßmann aaO. Rdn. 58 ff.; Miesen, aaO. S. 4 f.), vereinzelt unter Hinweis auf
die der Sozialhilfe vorrangige Verwandtenunterhaltspflicht (Graba NJW 2001 aaO. S. 251 f.). Dabei werden jedoch die unterschiedliche
Struktur und Funktion des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts auf der einen Seite sowie des Einkommensteuer- und Sozialhilferechts
auf der anderen Seite nicht ausreichend beachtet.
Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum und zum Familienleistungsausgleich betreffen das Verhältnis
des Staates zu seinen Bürgern. Das Bundesverfassungsgericht fordert, daß der verminderten Leistungsfähigkeit der Bürger, die
Kindern unterhaltspflichtig sind, durch eine entsprechende steuerliche Entlastung im Vergleich zu kinderlosen Steuerzahlern
Rechnung getragen wird. Der sozialhilferechtlich anerkannte Bedarf als dafür entscheidende Bemessungsgröße ist naheliegend,
da diese pauschalierenden Sätze nach dem Verständnis des Sozialstaates und dem Sozialrecht das Existenzminimum zur Sicherung
eines menschenwürdigen Daseins sichern. Aus den Entscheidungen ergeben sich also in erster Linie Pflichten des Staates, während
sich zivilrechtliche Unterhaltsansprüche nach wie vor nach den Regelungen im Verwandtenunterhaltsrecht richten (Wendl/Scholz
aaO. § 2 Rdn. 127 b).
cc) Anders als der im Steuerrecht für alle gleichmäßig festzusetzende, gegenüber dem Zugriff des Staates geschützte Grenzbetrag
geht das Unterhaltsrecht von einem individuell zu bemessenden Unterhaltsanspruch aus. Im Verwandtenunterhalt bestimmt sich
das Maß des zu gewährenden angemessenen Unterhalts grundsätzlich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§
1610 Abs.
1
BGB). Jedoch wird Unterhalt nicht geschuldet, soweit der Unterhaltspflichtige bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen
ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zur Zahlung außerstande ist (§
1603 Abs.
1
BGB). Das Recht des Kindesunterhalts ist dadurch gekennzeichnet, daß minderjährige Kinder ohne Einkünfte keine eigene unterhaltsrechtlich
relevante Lebensstellung im Sinne des §
1610 Abs.
2
BGB besitzen. Sie leiten ihre Lebensstellung vielmehr von derjenigen ihrer unterhaltspflichtigen Eltern ab. Wird das Kind von
einem Elternteil versorgt und betreut und leistet der andere Teil Barunterhalt, so bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes
grundsätzlich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des bar-unterhaltspflichtigen Elternteils. An dieser individuellen
Bemessung des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung
des Existenzminimum nichts geändert. Ist nach diesen unterhaltsrechtlichen, dem §
1610 Abs.
1
BGB zu entnehmenden Grundsätzen der Unterhaltspflichtige (und auch ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter) nicht in der
Lage, das sozialhilferechtlich ermittelte Existenzminimum sicherzustellen, so hat insoweit der Staat im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip
die notwendigen Leistungen zu erbringen. Soweit dagegen der Unterhaltspflichtige den Unterhalt selbst sicherstellen kann,
ist die Sozialhilfe subsidiär.
Im übrigen zeigt die gerichtliche Praxis, daß das sozialhilferechtliche Existenzminimum, das als Bedarf nach der Einkommensgruppe
5 (um berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes Nettoeinkommen 1998 bis Juni 2001 mindestens 3.500 DM, ab Juli 2001 mindestens
3720 DM) angesetzt wird, von der Mehrzahl der Barunterhaltspflichtigen nicht geleistet werden kann. Dies wußte auch der Gesetzgeber,
als er auf die Festsetzung eines entsprechenden Mindestbedarfs verzichtete (Gegenäußerung der Bundesregierung aaO. S. 60).
dd) Die Rechtsprechung hat zwar an den früher kodifizierten Mindestbedarf eine Reihe von Folgen geknüpft. So konnte etwa im
Wege der einstweiligen Verfügung nur der Mindestbedarf als Notunterhalt verlangt werden. Diese Funktion hat jedoch nach dem
Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes an Bedeutung verloren (so auch Luthin FamRZ 2001 aaO. S. 336). Denn nach § 644
ZPO kann nunmehr im Unterhaltsprozeß und weiterhin während eines Scheidungsverfahrens nach § 620
ZPO Unterhalt im Wege einstweiliger Anordnung und damit ohne die zeitlichen und betragsmäßigen Beschränkungen der einstweiligen
Verfügung geltend gemacht werden (OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 662).
Auch soweit die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung bisher den gesetzlich festgelegten Mindestbedarf im Mangelfall als Einsatzbetrag
herangezogen hat (vgl. nur Düsseldorfer Tabelle - Stand 1. Januar 1996 - FamRZ 1995, 1323, 1324 unter C.), nötigt dies nicht zu einer Festschreibung des Existenzminimums als Mindestbedarf. Die Ermittlung des zu
leistenden Unterhalts mit Hilfe von Einsatzbeträgen, z.B. der Unterhaltsbedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle, beruht nicht
auf einer mathematisch exakten Rechenoperation, die das Gesetz auch in §
1610 Abs.
2, §
1603 Abs.
1
BGB nicht vorsieht. Vielmehr sind die Werte nur Hilfsmittel für die Unterhaltsbemessung. Deshalb ist das mit ihrer Hilfe gewonnene
Ergebnis nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles stets auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen,
und zwar gleichgültig, ob es sich um einen Mangelfall handelt oder nicht (Senatsurteil vom 19. Juli 2000, aaO. 1493). Die
Vorgehensweise für die Berechnung der Unterhaltsansprüche im Mangelfall ist daher von der Festsetzung eines Mindestbedarfs
nicht abhängig.
Von maßgeblicher Bedeutung war der gesetzliche Mindestbedarf gemäß §
1610 Abs.
3
BGB a.F. allerdings für die Darlegungs- und Beweislast. Da der Regelunterhalt als Mindestbedarf "galt", war eine weitere Darlegung
der Bedarfshöhe nicht erforderlich (st.Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 278/95 - FamRZ 1998, 357, 359). Nach Aufhebung dieser Vorschrift könnte die allgemeine Darlegungs- und Beweislast für Unterhaltsansprüche eingreifen.
Das minderjährige Kind wäre für die bedarfsprägenden Lebensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils und dessen
Leistungsfähigkeit in vollem Umfange darlegungs- und beweispflichtig (so Klinkhardt DAVorm 1998, 655). Dies würde eine Verschlechterung der unterhaltsrechtlichen Position minderjähriger Kinder bedeuten, die der Intention des
Gesetzgebers zuwider liefe, der mit dem Kindesunterhaltsgesetz die rechtliche Situation unterhaltsbedürftiger Kinder verbessern wollte. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird ausdrücklich
darauf hingewiesen, daß in Höhe des Regelunterhalts das Kind von der Darlegungs- und Beweislast für seinen Bedarf sowie für
die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten befreit sein solle (BT-Drucks. 13/7338, S. 19). Dieses Ziel ist auch mit
der im Regierungsentwurf noch vorgesehenen Formulierung des §
1612 a Abs.
1 Satz 1
BGB-E "Ein minderjähriges Kind kann ... den Regelunterhalt verlangen." (RegE aaO. S. 5) zum Ausdruck gekommen. Als in den Beratungen
des Rechtsausschusses auf den Anspruch auf Regelunterhalt verzichtet wurde, hat man dessen Funktion für die Darlegungs- und
Beweislast übersehen. Der Rechtsausschuß hat ausgeführt, ein materiell rechtlicher Anspruch auf einen das Existenzminimum
nicht abdeckenden und nur unter den Gesichtspunkten der Leistungsfähigkeit zu rechtfertigenden Regelunterhalt erscheine zur
Verwirklichung der Reformziele nicht erforderlich (Bericht des RA aaO. S. 31). Daraus läßt sich nur herleiten, daß der Gesetzgeber
jedenfalls nicht zu Lasten des Kindes von der bisherigen Rechtslage abweichen und ihm die Beweiserleichterung im Rahmen des
Regelbetrages nehmen wollte. Es kann aber nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber das Kind bis zur Höhe des Existenzminimums
vollständig von der Darlegungs- und Beweislast freistellen wollte (im Ergebnis ebenso Eschenbruch/Wohlgemuth aaO. Rdn. 3025).
Soweit der bisherige Mindestbedarf als "relative Grenze" für die Berücksichtigung von Drittverbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners
herangezogen wurde, rechtfertigt und erfordert dies ebenfalls keine Festsetzung eines Mindestbedarfs. Aus §
1603 Abs.
1
BGB ergibt sich, daß es nicht schlechthin ausgeschlossen ist, Verbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners bei der Bemessung des
Unterhalts zu berücksichtigen. Dies galt vor dem 1. Juli 1998 auch dann, wenn der Mindestunterhalt nach §
1610 Abs.
3
BGB a.F. nicht gewahrt werden konnte (st.Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 74/82 - FamRZ 1984, 657, 659 und vom 11. Dezember 1985 - IVb ZR 80/84 - FamRZ 1986, 254, 257). Allerdings war in diesen Fällen die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten nur in Ausnahmefällen möglich, insbesondere
deshalb, weil den Kindern, denen der Verpflichtete nach §
1603 Abs.
2 Satz 1
BGB verschärft unterhaltspflichtig ist, jegliche Möglichkeit fehlt, durch eigene Anstrengungen zur Deckung des notwendigen Unterhaltsbedarfs
beizutragen (Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 1/91 - FamRZ 1992, 797, 798).
Auch nach Wegfall des Mindestbedarfs hat eine umfassende Interessenabwägung zu erfolgen. Dabei bleiben die in der Rechtsprechung
herausgearbeiteten Gesichtspunkte unabhängig vom nicht mehr bestimmten Mindestbedarf von Bedeutung.
3. Auch nach dem 1. Januar 2001 ist ein Mindestbedarf für das Kind gesetzlich nicht festgelegt (so auch OLG Hamm, Urteil vom
9. November 2001 - 12 UF 43/01 -; Heger FamRZ 2001, 1409, 1412; Soyka FamRZ 2001, 740; Wendl/Scholz aaO. Nachtrag zu § 2 zu Rdn. 2/127 b; ders. FamRZ 2000, 1541, 1545). Zu diesem Zeitpunkt ist das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts
vom 2. November 2000 (BGBl. I 1479) hinsichtlich der unterhaltsrechtlichen Bestimmungen in Kraft getreten. Dadurch wurde §
1612 b Abs.
5
BGB insoweit geändert, als eine Anrechnung des Kindergeldes bereits dann unterbleibt, wenn der Unterhaltspflichtige außerstande
ist, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Daraus wird in Rechtsprechung
und Literatur überwiegend gefolgert, daß nunmehr der gesetzliche Mindestbedarf bei 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung
liege (OLG München FamRZ 2002, 52; OLG Stuttgart, 16. Zivilsenat, Urteil vom 6. September 2001 - 16 UF 146/01 -; Gerhardt FamRZ 2001, 73; Graba NJW 2001, aaO. 252, 253; Luthin FamRZ 2001, 334, 336; Miesen FF Sonderheft 2001, S. 4 m.N.; Vossenkämper FamRZ 2000, 1547, 1551; Wohlgemuth FamRZ 2001, 742, 744).
a) Den Vertretern dieser Auffassung ist einzuräumen, daß der Gesetzgeber mit der Änderung des §
1612 b Abs.
5
BGB beabsichtigt hat, das Barexistenzminimum des Kindes zu sichern (Bericht des RA BT-Drucks. 14/3781, S. 8). Dies war allerdings
nicht der Ausgangspunkt für die erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetzentwurf zur Ächtung der Gewalt in der
Erziehung vorgenommene Änderung (Bericht des RA aaO. S. 6). Vielmehr wurde auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 10. November 1998 (FamRZ 1999, 285 ff.) Bezug genommen, in der es - unabhängig von der Art der Betreuung - den Betreuungsbedarf der Kinder stets als Bestandteil
des Existenzminimums angesehen hat (BVerfG FamRZ 1999 aaO. S. 288). Ein entsprechender Steuerfreibetrag wurde zum 1. Januar
2000 durch das Familienförderungsgesetz eingeführt. In Ergänzung dazu sollten die Alleinerziehenden nun auch unterhaltsrechtlich
entlastet werden. Nur durch eine unterhaltsrechtliche Neuregelung könne sichergestellt werden, daß das Existenzminimum des
Kindes nicht nur steuerrechtlich freigestellt, sondern auch Anknüpfungspunkt für die Verteilung bzw. Verwendung des Kindergeldes
werde (Bericht des RA aaO. S. 7). Eine Regelung, die das hälftige Kindergeld beim Barunterhaltspflichtigen belasse, selbst
wenn dieser das Existenzminimum des Kindes noch nicht sichergestellt habe, sei kaum mehr zu rechtfertigen. Um die Unterhaltsberechnung
nicht noch weiter zu erschweren, seien 135 % des Regelbetrages als Grenze anzusetzen. Mit diesem Prozentsatz werde an den
Barunterhalt in Höhe des Existenzminimums in allen Altersstufen angeknüpft und eine bruchlose Umsetzung der Anwendung der
Düsseldorfer Tabelle gewährleistet (Bericht des RA aaO. S. 8).
b) Dieser Ausgangspunkt des Gesetzgebers verdeutlicht die bereits im Gesetz angelegte Systematik. §
1612 b
BGB regelt allein die Anrechnung staatlicher kindbezogener Leistungen auf den Kindesunterhalt.
Bereits vor Einführung des §
1612 b
BGB betraf der Ausgleich des Kindergeldes nach der Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, nur das Verhältnis der
Ehegatten zueinander und hatte für die Berechnung des Unterhaltsbedarfs des Kindes keine Bedeutung (Senatsurteil vom 16. April
1997, aaO. S. 808). Staatliches Kindergeld wird gewährt, um die Unterhaltslast der Eltern gegenüber ihren Kindern zu erleichtern.
Diese öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung als eine entlastende Leistung darf nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehrt werden,
daß sie - im Wege einer Zurechnung zum Einkommen des Unterhaltspflichtigen - zu einer Erhöhung des Unterhaltsbedarfs führt
(Senatsurteil BGHZ 70, 151, 153). Beim Ausgleichsanspruch eines Ehegatten gegen den anderen handelt es sich um einen Unterfall des von der Rechtsprechung
entwickelten besonderen familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs (Senatsurteil vom 16. April 1997, aaO. S. 809), der nunmehr
in §
1612 b
BGB kodifiziert ist.
Der Ausgleich vollzieht sich aus Vereinfachungsgründen zwar meist über die Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen
Elternteils für das Kind. Das ändert jedoch nichts daran, daß es um ein eigenes Recht des jeweiligen Elternteils geht, der
den anderen daher auch unmittelbar auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes in Anspruch nehmen kann (Senatsurteile vom 24.
Februar 1988 - IVb ZR 29/87 - FamRZ 1988, 607, 609, und vom 11. Mai 1988 - IVb ZR 89/87 - FamRZ 1988, 834, m.N.). Grundsätzlich ordnet §
1612 b Abs.
1 und
2
BGB den hälftigen Ausgleich des Kindergeldes an, der im Wege der Anrechnung auf den Barunterhaltsanspruch erfolgt. Bereits §
1612 b Abs.
5
BGB in der Fassung des Kindesunterhaltsgesetzes sah eine Beschränkung der Anrechnungsmöglichkeit vor, wenn der barunterhaltspflichtige
Elternteil nicht den vollen Regelbetrag als Unterhalt leisten konnte. Im Ergebnis wurde der bar-unterhaltspflichtige Elternteil
dadurch so gestellt, als habe er das Kindergeld in Höhe des nicht angerechneten Teils erhalten und für den Kindesunterhalt
verwenden müssen (RegE zum KindUG aaO. S. 30).
c) In Kenntnis dieser Rechtsprechung und der Gesetzesgeschichte des Kindesunterhaltsgesetzes hat der Gesetzgeber nur den Ausgleichsanspruch
zwischen den Ehegatten geändert. Er hat - wie sich aus der Begründung ergibt - mit der Bezugnahme auf das verfassungsrechtliche
Existenzminimum das rechtspolitische Anliegen verfolgt, unterhaltsrechtlich den betreuenden Elternteil zu entlasten (Graba
NJW 2001 aaO. S. 251). Es ging dem Gesetzgeber nicht um die Festlegung eines Mindestunterhalts der Kinder, auch wenn deren
Existenzminimum möglichst gesichert werden soll. Vielmehr hat er eine Frage der Familienleistungsförderung geregelt, indem
dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zugemutet wird, notfalls seinen Kindergeldanteil zur Unterhaltssicherung einzusetzen.
Das Kindergeld soll der Entlastung für tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen und nicht der Unterstützung weniger zahlungsfähiger
Elternteile dienen (Heger aaO. S. 1413). Eine Leistung des Staates wird daher in diesen Fällen dem Leistungsempfänger indirekt
wieder entzogen. Mit dem zivilrechtlichen Anspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil hat dies unmittelbar
nichts zu tun (so auch Heger aaO. S. 1412; Soyka aaO. 740; Scholz aaO. S. 1545). Es kann dahinstehen, ob § 1612 b Abs. 5 verfassungsgemäß
ist (vgl. zur Problematik nur Vorlagebeschluß des AG Kamenz FamRZ 2001, 1090 ff.; Scholz aaO. 1543 f.; weitere Nachweise bei Heger aaO. 1409). Das Anliegen des Gesetzgebers, den Barunterhalt des Kindes
in Höhe des Existenzminimums möglichst sicherzustellen (vgl. auch BVerfG FamRZ 2001, 541), kann der Anrechnungsbestimmung entnommen werden. Der Festlegung eines entsprechenden Mindestunterhalts bedarf es dazu nicht.
§
1612 b Abs.
5
BGB wäre dazu auch systematisch nicht der richtige Ort. Vielmehr würde eine solche Regelung - wie vor Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes
- in den §
1610
BGB gehören. Die Anrechnungsvorschrift des §
1612 b Abs.
5
BGB spiegelt dagegen nur die verfassungsrechtlich gebotene, auf einheitlichen Pauschalbeträgen beruhende Entlastung der unterhaltspflichtigen
Eltern wider und regelt den zivilrechtlichen Ausgleich dieses Vorteils zwischen ihnen. In einem Spannungsverhältnis dazu steht
der nach §
1610 Abs.
1
BGB am individuellen Einkommen der Eltern ausgerichtete Unterhaltsanspruch des Kindes. Durch das Unterbleiben der Anrechung wird
eine Brücke zwischen diesen Polen geschlagen, aber nicht der Individualanspruch zugunsten eines allgemeinen Pauschalbetrages
aufgegeben (Heger, aaO. S. 1412).
Danach durfte das Oberlandesgericht nicht unabhängig vom Einkommen des Beklagten und dessen Verbindlichkeiten ohne weiteres
von einem Unterhaltsbedarf der Kinder nach der Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle ausgehen, sondern hätte den Bedarf
nach dem unterhaltsrelevanten Einkommen ermitteln müssen. Bei vollständiger Berücksichtigung der - für die Revision als ehebedingt
unterstellten - Verbindlichkeiten des Beklagten ergäbe sich ein Unterhaltsbedarf der Kinder nach der Einkommensgruppe 3 der
Düsseldorfer Tabelle.
B. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden.
Verbindlichkeiten können aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung von Zweck, Art und Umfang der
Verbindlichkeit sowie Zeitpunkt und Umstände ihrer Entstehung, teilweise oder vollständig bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs
zu berücksichtigen sein. Auf Seiten der Klägerin ist zu bedenken, daß minderjährige Kinder keine Möglichkeit haben, durch
eigene Anstrengungen zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs beizutragen (Senatsurteil vom 25. Oktober 1995, aaO. S. 161). Es
hat ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Unterhaltsgläubigers, des Unterhaltsschuldners und der Drittgläubiger
zu erfolgen, gegebenenfalls auch durch eine Streckung der Tilgung (Senatsurteil vom 11. Dezember 1985, aaO. S. 257). Da für
die Interessenabwägung von entscheidender Bedeutung ist, ob die Verbindlichkeiten ehebedingt sind oder - wie die Klägerin
behauptet - allein der Befriedigung der persönlichen Bedürfnissen des Beklagten dienten, hat das Oberlandesgericht zunächst
diese Feststellungen zu treffen und sodann die erforderliche Abwägung vorzunehmen.
Sollte sich dabei ergeben, daß der Beklagte zur Unterhaltsleistung in einer Höhe verpflichtet ist, die es nicht erlaubt, den
angemessenen Selbstbehalt zu wahren, wird bei der Beurteilung, ob die Klägerin anteiligen Barunterhalt zu leisten hat, zu
berücksichtigen sein, daß sie unstreitig überwiegend die Finanzierung des Hauses sicherstellt und damit bereits zur Deckung
des Wohnbedarfs der Kinder beiträgt.
Bei der neuen Entscheidung wird das Gericht auch das zum 1. Januar 2000 auf monatlich 270 DM erhöhte staatliche Kindergeld
zu berücksichtigen haben.