Elterngeld für eine mexikanische Staatsangehörige
Bindungswirkung von Steuerbescheiden
Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für ihre im Dezember 2010 geborene Tochter.
Die Klägerin ist mexikanische Staatsangehörige und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Aufenthaltsgesetz. In den zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat ihrer Tochter arbeitete sie als Ortskraft im mexikanischen Generalkonsulat in
Frankfurt am Main für ein monatliches Bruttogehalt von 2125,95 Euro.
Der Beklagte gewährte der Klägerin auf ihren Antrag lediglich Mindestelterngeld, weil sie aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens
zwischen Deutschland und Mexiko nur steuerfreies Gehalt bezogen habe (Bescheid vom 30.3.2011, Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011).
Im von ihr angestrengten Klageverfahren teilte die Klägerin mit, ihre Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit seien nicht
versteuert worden. Sie seien auch in ihrer Steuererklärung als steuerfreie Einkünfte deklariert und vom Finanzamt als solche
anerkannt worden. Das SG hat die Klage abgewiesen. Nach der ab 1.1.2011 anwendbaren Gesetzesfassung seien nur im Inland zu versteuernde Einkünfte
beim Elterngeld zu berücksichtigen (Gerichtsbescheid vom 14.4.2015).
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte
aus ihrer nichtselbstständigen Tätigkeit beim mexikanischen Generalkonsulat zu gewähren. Tatsächlich hätten die Einkünfte
der Klägerin versteuert werden müssen, wie sich aus dem maßgeblichen materiellen Einkommensteuerrecht ergebe. Entscheidend
sei die materielle Steuerpflicht, nicht die Handhabung des Steuerrechts durch die Steuerbehörden (Urteil vom 19.6.2017).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 25.10.2016
- B 10 ÜG 24/16 B - Juris RdNr 7 mwN).
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die
Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz
ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext
und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (Senatsbeschluss
vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - Juris RdNr 8 mwN).
Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerde.
Sie hält die Frage für klärungsbedürftig,
ob bei der Anwendung des § 2 Abs 1 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der bis 31.12.2010 und ab 1.1.2011 geltenden Fassung sowie des § 2 Abs 1 S 3 BEEG in der Fassung des Gesetzes vom 10.9.2012 (BGBl I 2012, 1878) für die Frage des Vorliegens von zu versteuernden Einkünften im Sinne dieser Vorschriften nicht die tatsächliche Behandlung
durch die Finanzbehörde im Einkommensteuerbescheid, sondern allein die materielle Rechtslage im Einkommensteuerrecht maßgeblich
ist.
Die Beschwerdebegründung legt indes den Klärungsbedarf nicht hinreichend dar. Sie verweist zwar zutreffend auf die unterschiedlichen
Gesetzesfassungen zu § 2 BEEG und darauf, dass der hier maßgeblichen Fassung zu den "im Inland zu versteuernden Einkünften" durch das Haushaltsbegleitgesetz
2011 lediglich klarstellende Funktion zukommt (vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 2/14 R - RdNr 18). Sie zeigt aber weder anhand der zur Berücksichtigung steuerfreier Einkünfte insgesamt ergangenen Senatsrechtsprechung
noch anhand der von der Vorinstanz zitierten Entscheidung vom 20.5.2014 (B 10 EG 9/13 R - BSGE 116, 54 = SozR 4-7837 § 2 Nr 28) auf, ob und inwieweit sich daraus nicht bereits hinreichend verlässliche Kriterien zur Entscheidung
der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben bzw weiterer Klärungsbedarf verblieben ist. Dies gilt vornehmlich mit Blick auf die
dargestellte Entstehungsgeschichte des BEEG und die in diesem Zusammenhang hervorgehobene Bindungswirkung von Steuerbescheiden (Senatsurteil, aaO, RdNr 21). Es gilt
erst recht mit Blick auf die von der Beschwerdebegründung zitierte weitere Senatsrechtsprechung zur Bindungswirkung von Lohnsteueranmeldungen
(Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 2). Zwar geht die Beschwerde auf den in der Beschwerdebegründungsfrist allein verfügbaren Terminbericht
zu diesem Urteil ein (Terminbericht Nr 61/17 vom 14.12.2017). Die Beschwerde legt insoweit zutreffend dar, nach der neueren
Senatsrechtsprechung könne eine Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers Bindungswirkung für die Elterngeldbehörden entfalten
(vgl Senatsurteil aaO RdNr 35 f mwN). Sie führt auch weiter nachvollziehbar aus, wenn bereits eine Lohnsteueranmeldung des
Arbeitgebers Bindungswirkung für nachgelagerte Behördenentscheidungen habe, so könne dies einer originären Behördenentscheidung
wie dem Steuerbescheid der Finanzverwaltung, dem noch dazu eine materiell-rechtliche Prüfung vorausgegangen sei, nicht abgesprochen
werden. Angesichts dessen versäumt die Beschwerde aber die Darlegung, warum sich auf der Grundlage des von ihr zutreffend
wiedergegebenen Kernsatzes des Senatsurteils zur möglichen Bindungswirkung der Inhalte einer Lohnsteueranmeldung nicht erst
recht die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage zum Einkommenssteuerbescheid beantworten lässt. Letztlich geht die Beschwerdebegründung
auch nicht von einem Klärungsbedarf aus, sondern verweist auf die von der Entscheidung vom 20.5.2014 (B 10 EG 9/13 R - aaO) abweichende Rechtsanwendung durch das LSG (Beschwerdebegründung S 6). Auf eine ihm innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist
mögliche Divergenzrüge (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) hat der Beklagte seine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt. Die Voraussetzungen für eine erleichterte Divergenzulassung
liegen nicht vor (vgl BSG Beschluss vom 15.12.1976 - 4 BJ 1/76 - SozR 1500 § 160 Nr 25 Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 34/15 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 28 RdNr 4).
Ob das LSG richtig entschieden hat, spielt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Rolle. Ihr Gegenstand ist nicht
die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall (Senatsbeschluss vom 30.8.2017 - B 9 SB 31/17 B - Juris RdNr 10 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und trägt dem vollständigen Unterliegen des Beklagten Rechnung.