Krankenversicherung
Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung
Recht eines Beteiligten auf Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen
Verletzung rechtlichen Gehörs
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Die klagende Trägerin eines nach §
108 SGB V zugelassenen Krankenhauses behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesene, 1915 geborene, im Mai
2009 verstorbene L. A. (im Folgenden: Versicherte) stationär vom 21.1. bis 9.2.2009 wegen der Folgen eines Hirninfarkts bei
Multimorbidität. Sie berechnete hierfür die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2009 - DRG) B44B (Geriatrische frührehabilitative
Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems mit schwerer motorischer Funktionseinschränkung, ohne neurologische
Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls; 6051,43 Euro) und kodierte OPS - Operationen- und Prozedurenschlüssel 2009 - 8-550.1
(Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten). Die Beklagte
beglich zunächst die Rechnung, veranlasste Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) auf Grundlage
von Auszügen aus den Behandlungsunterlagen, forderte vergeblich 2716,41 Euro zurück und kürzte in dieser Höhe unstreitige
Rechnungen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter. Maßgeblich sei DRG B63Z (Demenz und andere chronische Störungen
der Hirnfunktion). Die Klägerin hätte OPS 8-550.1 nicht kodieren dürfen. Es fehle ua schon an einer ausreichenden Dokumentation
der wöchentlichen Teambesprechung. Die Klägerin hat Klage auf Zahlung von 2716,41 Euro nebst Zinsen erhoben, dem SG die Behandlungsunterlagen überlassen und erklärt, sie sei nicht damit einverstanden, dass das Gericht der Beklagten hierein
Einsicht gewähre. Das SG hat diese lediglich dem als sachverständigen Zeugen gehörten Dr. Z. (im Folgenden: Zeuge) zur Verfügung gestellt und die
Beklagte zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 24.7.2014). Das LSG hat auch dem MDK die vollständigen Behandlungsunterlagen überlassen,
nicht aber der Beklagten. Es hat deren Berufung zurückgewiesen: Die Voraussetzungen der DRG B44B seien erfüllt. Die Klägerin
habe zu Recht OPS 8-550.1 kodiert. Sie habe die dort genannten Leistungen erbracht und hinreichend dokumentiert. Die Beklagte
habe auch im Gerichtsverfahren keinen Anspruch darauf, selbst die Behandlungsunterlagen einzusehen. Hierzu müsse sie sich
des MDK bedienen (Urteil vom 14.12.2016).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Art
19 Abs
4, Art
103 Abs
1 GG, §§
62,
120,
128 SGG, §
39 Abs 1, §
109 Abs
4 S 3
SGB V, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), Anlage 1 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 (Fallpauschalenvereinbarung
2009 - FPV 2009) iVm OPS 8-550.1. Die Vorinstanzen hätten ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihr den
Einblick in die vollständigen Behandlungsunterlagen der Versicherten verweigert hätten. Die Klägerin habe OPS 8-550.1 nicht
ausreichend dokumentiert.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2016 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juli
2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2016 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision der beklagten KK ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht deren Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. LSG- und SG-Urteil verletzen revisibles Recht. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis
zulässig (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), jedoch unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte
auf Vergütung von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter (dazu 1.) erlosch dadurch in Höhe von 2716,41 Euro, dass die
Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten
aufrechnete (dazu 2.). Das LSG hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Die angefochtene Entscheidung
beruht auch auf dieser Verletzung. Der erkennende Senat ist aufgrund der durchgreifenden Verfahrensrüge der Beklagten gehindert,
die vom LSG getroffenen Feststellungen zu dem nach OPS 8-550.1 anspruchsbegründenden Umstand von mindestens 20 Therapieeinheiten
von durchschnittlich 30 Minuten seiner Entscheidung zugrunde zu legen (dazu 3.). Der Senat kann den Rechtsstreit dennoch selbst
entscheiden (§
170 Abs
2 S 1
SGG). Der Klägerin stand nach den übrigen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG neben den von der Beklagten gezahlten und
nicht zurückgeforderten 3335,02 Euro kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber hinaus gezahlten 2716,41 Euro
und damit auch kein Zinsanspruch zu. Die Klägerin erfüllte nicht die von OPS 8-550.1 geforderte wochenbezogene Dokumentation
bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele aufgrund wöchentlicher Teambesprechung unter Beteiligung aller
Berufsgruppen (dazu 4.).
1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter
der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 2716,41 Euro hatte; eine nähere Prüfung des erkennenden
Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 8 mwN).
2. Dieser andere Vergütungsanspruch erlosch dadurch (§
389 BGB), dass die Beklagte wirksam nach §§
387 f
BGB mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten
die Aufrechnung erklärte (zur Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auf überzahlte Krankenhausvergütung
vgl zB BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN, stRspr). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete
öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar (vgl zur Aufrechnung BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16; BSG SozR 4-5562 § 11 Nr 2; BSG SozR 4-7610 § 366 Nr 1). Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs der Beklagten aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 2716,41 Euro
waren erfüllt. Die Beklagte zahlte der Klägerin 2716,41 Euro Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund, weil der Klägerin für
die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen kein Vergütungsanspruch zustand (dazu 4.).
3. Zu Recht rügt die Beklagte, das LSG habe mit der Feststellung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung
im Umfang von 14 Behandlungstagen und 20 Therapieeinheiten von durchschnittlich 30 Minuten ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt. Diese getroffene tatsächliche Feststellung des LSG ist für den erkennenden Senat nicht bindend (§
163 SGG). Das LSG hat wie das SG der Beklagten die Einsicht in die vollständigen Behandlungsunterlagen verwehrt, jedoch diese zum Gegenstand des Rechtsstreits
gemacht und seine Entscheidung ua hierauf gestützt (dazu a). Das LSG hat den Gehörsverstoß nicht dadurch beseitigt, dass es
dem MDK Einsicht in die Unterlagen gewährt hat. Die Beklagte muss sich nicht die Kenntnis des MDK zurechnen lassen (dazu b).
Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist weder kraft Gesetzes noch durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
der Versicherten ausgeschlossen (dazu c). Das LSG hätte die Behandlungsunterlagen nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits machen
dürfen, weil die Klägerin die Weitergabe der Behandlungsunterlagen an die Beklagte untersagt hat. Es hätte eine Beweislastentscheidung
zu Lasten der Klägerin fällen und die Klage abweisen können (dazu d). Der erkennende Senat ist nicht gehalten, der Beklagten
im Revisionsverfahren Einsicht in die von der Klägerin in Kopie vorgelegten Behandlungsunterlagen zu gewähren (dazu e).
a) Das LSG hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihr Einsicht in die Behandlungsunterlagen
der Versicherten verweigert hat (vgl §
62 und §
128 Abs
2 SGG, Art
103 Abs
1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK). Es hat die Beklagte daran gehindert, die Angaben des Zeugen und des MDK selbst umfassend anhand der diesen gerichtlich
zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen zu überprüfen. Der Beklagten standen nur die Auszüge zur Verfügung, die die
Klägerin den Schriftsätzen als Anlagen beigefügt hat.
Nach §
128 Abs
2 SGG darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die
Regelung konkretisiert den grundrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl BSG SozR 4-3250 §
69 Nr
16 RdNr
42). §
128 Abs
2 SGG beschränkt sich hierbei gegenüber dem inhaltlich weiteren §
62 SGG auf die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung (vgl BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 §
163 Nr 7, RdNr 23; Hauck in Zeihe/Hauck,
SGG, Stand August 2017, § 128 Anm 10a). Das
GG sichert rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren durch das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG). Es ist als objektivrechtliches Verfahrensprinzip für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des
GG schlechthin konstitutiv (vgl BVerfGE 55, 1, 6). Rechtliches Gehör sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass
sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (vgl BVerfG [Plenum] BVerfGE 107, 395, 409 = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 29). Einer gerichtlichen Entscheidung dürfen daher grundsätzlich nur solche Tatsachen
zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (vgl BVerfGE 89, 381, 392; stRspr). Zu Tatsachen und Beweismitteln, die das Gericht von Amts wegen in den Prozess einführt und die es bei seiner
Entscheidung berücksichtigen will, hat es die Beteiligten zu hören (vgl BVerfGE 70, 180, 189; BVerfGE 101, 106, 129). Das Recht auf rechtliches Gehör umfasst ua die Möglichkeit für die Beteiligten, in die Unterlagen Einsicht zu nehmen,
die das Gericht in den Prozess eingeführt hat und auf die es sich stützen will.
Hierzu gehören auch die den Beweisergebnissen zugrunde liegenden tatsächlichen Grundlagen wie die vollständigen Behandlungsunterlagen,
wenn das Gericht sie verwertet. In diesem Sinne hat sich das LSG für seine Feststellung auf die "von der Klägerin vorgelegten
Informationsquellen" einschließlich der Behandlungsunterlagen gestützt, um die Aussage des Zeugen und deren Bewertung durch
den MDK zu würdigen, die ihrerseits Einblick in die gesamte Behandlungsakte genommen haben. Die Beklagte konnte sich dagegen
nicht dazu äußern, dass die ihr nicht zugänglich gemachten Teile der Behandlungsunterlagen Hinweise enthalten, die gegen die
Beweiswürdigung des LSG sprechen.
b) Die Beklagte muss sich die Kenntnis des MDK von den Behandlungsunterlagen nicht zurechnen lassen. Weder sind MDK-Ärzte
Beistände noch gar (Prozess-)Bevollmächtigte der Beklagten gewesen (vgl §
73 Abs
7 S 5
SGG, §
73 Abs
6 S 7
SGG iVm §
85 ZPO, §
166 BGB) noch müssen sich KKn generell Verhalten oder Wissen des MDK zurechnen lassen.
Die Regelungen über die Zusammenarbeit zwischen KKn und MDK sehen grundsätzlich keine Wissenszurechnung des MDK zu KKn vor
(vgl §
276 SGB V; anders im Fall der Prüfanzeige nach §
275 Abs
1c S 2
SGB V; vgl BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 §
109 Nr 24, RdNr 29; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 25). Nach dem Grundmodell der Datenübermittlung ist die KK verpflichtet, in allen Fällen -
nicht nur in denen der Prüfungen und Stellungnahmen nach §
275 Abs
1 bis
3 SGB V - dem MDK die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen, die bei ihnen vorhanden sind, vorzulegen und Auskünfte
zu erteilen (§
276 Abs
1 S 1
SGB V). Um eine zügige Bearbeitung der von der KK veranlassten gutachtlichen Stellungnahmen und Prüfungen zu befördern und dem
MDK zu ermöglichen, seinen "zusätzlichen Informationsbedarf" schnell decken zu können, ohne die KKn bei der Beschaffung der
Unterlagen einschalten zu müssen, erhielt der MDK das Recht auf unmittelbare Übermittlung von Sozialdaten (vgl §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V idF des Art 3 Nr
7 Buchst b Doppelb aa Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs über den Schutz der Sozialdaten sowie zur
Änderung anderer Vorschriften [Zweites Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs - 2. SGBÄndG] vom 13.6.1994, BGBl I 1229;
vgl auch Begründung des 2. SGBÄndG-Entwurfs der BReg, BT-Drucks 12/5187 S 32). Teilweise soll die Unmittelbarkeit der Datenübermittlung
vom Leistungserbringer an den MDK verhindern, dass die KK tatsächlich Zugriffsmöglichkeiten auf Sozialdaten der Versicherten
erhält (vgl §
276 Abs
2 S 2
SGB V idF durch Art 6 Nr
23 Buchst a Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung [Krankenhausstrukturgesetz - KHSG] vom 10.12.2015, BGBl
I 2229 und Begründung des KHSG-Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 18/5372 S 98). Das Regelungssystem schützt
hiermit die Beziehung zwischen versichertem Patienten und Behandler (vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 32, 34). Der MDK muss der KK lediglich das Ergebnis der Begutachtung und die erforderlichen
Angaben über den Befund mitteilen (§
277 Abs
1 S 1
SGB V), also das zur Begründung des MDK-Ergebnisses Erforderliche (vgl Strack in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016, §
277 RdNr 8).
c) Weder Gesetz noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten schließen den Anspruch der Beklagten
auf rechtliches Gehör aus. Legt das Krankenhaus im Vergütungsrechtsstreit dem Gericht zu Beweiszwecken die Behandlungsunterlagen
vor, hat die KK Recht auf Einsicht hierein, soweit das Krankenhaus dieses nicht ausschließt (§
120 Abs
1 SGG; ab 1.1.2018: §
120 Abs
1 S 1
SGG; §
202 S 1
SGG iVm §
142 ZPO, vgl BSGE 105, 210 = SozR 4-2700 § 33 Nr 1, RdNr 32; BSG SozR 4-1500 §
120 Nr 2 RdNr 19; zu den Folgen des Ausschlusses vgl unten d). Das
SGB V (dazu aa), sonstiges Datenschutzrecht (dazu bb) und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten
(dazu cc) schließen das Einsichtsrecht nicht aus.
aa) Das
SGB V sieht vor, unter welchen Voraussetzungen durch wen Sozialdaten im Zusammenhang mit der Vergütung von Krankenhausbehandlung
außerhalb von Gerichtsverfahren zu erheben, zu speichern, zu übermitteln und zu verarbeiten sind. Dabei regelt es insbesondere
die Abläufe bei der Übermittlung der Sozialdaten von den Leistungserbringern und KKn hin zum MDK und von dort zurück zu den
KKn und den Leistungserbringern (vgl II. 3. b). Es unterscheidet zwischen der hier betroffenen sachlich-rechnerischen Prüfung
der Krankenhausrechnung - die dafür erforderliche Übermittlung von Sozialdaten ist allein Gegenstand des §
276 Abs
1 SGB V - und der Auffälligkeitsprüfung (vgl umfassend dazu BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 7, auch für BSGE vorgesehen, dort RdNr
15 und 25 auch zur zulässigen Datenverarbeitung des MDK nach §
276 Abs
2 SGB V).
Für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gibt das Gesetz dem Krankenhaus auf, die erforderlichen Sozialdaten
der KK zu übermitteln (vgl §
301 SGB V). Die KK darf die Sozialdaten erheben und speichern (§
284 Abs
1 S 1 Nr
7 und
8 SGB V). Die von den Krankenhäusern den KKn zu übermittelnden Daten (§
301 SGB V) sind zwingende Erstangaben. Sie dienen der standardisierten Abrechnung von Krankenhausvergütung als Massenphänomen (2016:
19 532 779 vollstationär behandelte Patienten - nicht nur, aber doch ganz überwiegend gesetzlich Versicherte - mit bereinigten
Gesamtkosten von 87,8 Mrd Euro, durchschnittliche Kosten je Behandlungsfall 4497 Euro, Quelle destatis Pressemitteilung Nr
399 vom 10.11.2017). Das Gesetz geht von dem Regelfall aus, dass die in der Abrechnung und Datenübermittlung enthaltenen Angaben
zutreffend und vollständig sind. Denn §
301 SGB V gebietet, wahre Angaben zum Behandlungsgeschehen zu machen, die Fehlvorstellungen der KK über das konkrete, abrechnungsrelevante
Geschehen ausschließen (vgl BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 7 RdNr 25, auch für BSGE vorgesehen). Das Gesetz zielt hiermit darauf ab, bestehende Ungleichgewichte zwischen KK und
Krankenhaus durch Informationsgebote auszugleichen: Das Informationsgefälle zwischen dem rundum informierten Krankenhaus und
der nur spärlich informierten KK. Eine Vermutung für die Richtigkeit der Krankenhausabrechnung ist dem Gesetz fremd (vgl BSG GS, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 27 ff).
Das Krankenhaus, das die erforderlichen Behandlungsdaten nicht unmittelbar der KK nach §
301 SGB V zur Verfügung stellt, darf sich in entsprechender Anwendung des §
276 Abs
2 SGB V wie bei Auffälligkeitsprüfungen (vgl §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V) zur Erfüllung dieser Verpflichtungen des MDK bedienen. Denn es ist datenschutzrechtlich unerheblich, ob das Krankenhaus
die - vollständigen - Daten nach §
301 SGB V an die KK weiterleitet, die ihrerseits verpflichtet ist, dem MDK "die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen"
zur Verfügung zu stellen (§
276 Abs
1 S 1
SGB V) oder ob das Krankenhaus im Einverständnis mit der KK die Daten direkt dem MDK zur Verfügung stellt. Das Krankenhaus ist
nicht etwa aus datenschutzrechtlichen Gründen zur irreführenden Falschabrechnung gezwungen (vgl BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 7 RdNr 25, auch für BSGE vorgesehen) noch ist sie ihm deshalb erlaubt.
Das
SGB V sieht bei Streit über Krankenhausvergütung vorprozessual kein Verwaltungsverfahren mit Amtsermittlung vor. Erst der vom Amtsermittlungsgrundsatz
(§
103 SGG) geprägte Rechtsschutz des
SGG ermöglicht als folgerichtige Ergänzung eine umfassende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts. Er eröffnet die nach den
Grundsätzen der objektiven Beweislast eintretenden Folgen, wenn Beteiligte sich weigern, an der Aufklärung des Sachverhalts
mitzuwirken. Die damit verbundenen rechtsstaatlichen Garantien, namentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör, stehen weder
zur Disposition des Gerichts noch eines Beteiligten, hier der Klägerin (vgl bereits II. 3. a).
Die Aufgabenzuweisung an den MDK im Allgemeinen und durch §
276 Abs
2 SGB V im Besonderen schließt die KKn nicht prozessual von der Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen aus (so aber LSG Baden-Württemberg
Urteil vom 11.4.2014 - L 4 KR 3980/12 - Juris RdNr 38 = KHE 2014/30; Gerlach in Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2014, §
39 SGB V RdNr 123; Heberlein, GesR 2012, 9, 10 ff, insbesondere S 14). Eine dem MDK eine besondere Prozessrolle zuweisende Regelung
oder auch nur eine Inbezugnahme des §
276 SGB V sieht das
SGG nicht vor. Ein allgemeiner auf das Prozessrecht zu übertragender, die Auslegung des §
120 Abs
1 SGG und des §
202 S 1
SGG iVm §
142 ZPO bestimmender Rechtsgedanke wohnt dem
SGB V nicht inne.
bb) Auch sonstiges einfachgesetzliches Datenschutzrecht schließt die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung über die rechtmäßige
Krankenhausvergütung nicht aus.
SGB I, SGB X und
SGB V regeln den Schutz von Sozialdaten grundsätzlich gleichrangig vorbehaltlich ausdrücklich davon abweichender spezialgesetzlicher
Kollisionsregeln (vgl BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 15). Eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ist nur unter den Voraussetzungen
des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§
35 Abs
2 SGB I). Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des
SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch in §
35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich
ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Die anzuwendenden Datenschutzregelungen des SGB (§
35 SGB I; §§ 67 ff SGB X iVm §§
276,
284,
301 SGB V) gehen den Regelungen des
Bundesdatenschutzgesetzes (
BDSG) vor. Sie sind bereichsspezifisches Datenschutzrecht bezogen auf den Geltungsbereich des SGB iS von §
1 Abs
3 S 1
BDSG. Die Vorschriften des
BDSG sind dagegen nur nachrangig und subsidiär heranzuziehen, soweit das SGB nicht hierauf verweist (vgl BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1, RdNr 15 f). Das bereichsspezifische Datenschutzrecht steht - wie dargelegt - einer Einsichtnahme
in die Behandlungsunterlagen durch die KKn grundsätzlich nicht entgegen. Nichts Abweichendes folgt aus der Verordnung (EU)
2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener
Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Abl L 119/1; Datenschutz-Grundverordnung). Sie tritt mWv 25.5.2018 unmittelbar in Kraft (vgl Bieresborn, NZS 2017, 887 und 888). Sie gilt nach ihrem Erwägungsgrund 27 nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener (vgl auch §
35 Abs
2 S 1
SGB I idF durch Art 19 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.7.2017, BGBl I 2541, mWv 25.5.2018 und dazu Bieresborn, aaO, S 891).
cc) Auch das Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung (Art
2 Abs
1 iVm Art
1 Abs
1 GG; grundlegend dazu BVerfGE 65, 1) steht dem Gebot nicht entgegen, im Abrechnungsstreit bei gerichtlicher Ermittlung des tatsächlichen Geschehens das rechtliche
Gehör der KK zu wahren. Der subjektiv-rechtliche Gehalt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist für die Reichweite
des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Vergütungsrechtsstreit zwischen KK und Krankenhaus als objektiv-rechtliche Dimension
maßgeblich, auch wenn Versicherte nicht Beteiligte sind (vgl auch BVerfGK 1, 45, 48 wonach von strafprozessualen Maßnahmen
betroffene Banken nicht in Prozessstandschaft das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Bankkunden geltend machen
können).
Das Gebot, die KKn zutreffend über das der Abrechnung zugrunde liegende Geschehen zu informieren und prozessual bei Amtsermittlung
ihr rechtliches Gehör zu wahren, schränkt das Grundrecht Versicherter auf informationelle Selbstbestimmung verfassungskonform
ein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht
im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über "seine" Daten. Grundsätzlich muss der Einzelne Einschränkungen
seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (BVerfGE 65, 1, 43 f). Die Regelungen des
SGB V und des
SGG tragen dem gesetzlich, transparent und verhältnismäßig mit ihrem abgestuften Schutzkonzept Rechnung. Die rechtmäßige Vergütung
der KKn für Leistungen der Krankenhäuser an ihre Versicherten setzt voraus, dass die vergütungsrelevanten Sozialdaten der
Versicherten von den Krankenhäusern erhoben, den KKn übermittelt, von diesen gespeichert und für die Zwecke der Abrechnungsprüfung
verwendet werden dürfen. Die gerichtliche Amtsermittlung dient dem öffentlichen Interesse an zutreffender, die Beitragszahler
nicht zu Unrecht belastender Abrechnung, letztlich damit der finanziellen Stabilität der GKV, einem überragend wichtigem Gemeinschaftsgut
(vgl zB BVerfG [Kammer] Beschluss vom 7.5.2014 - 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13 - NZS 2014, 661, RdNr 34 mwN). Zugleich sichert sie mit der stationären Versorgung den Schutz der Gesundheit der GKV-Versicherten als einem
wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit, einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl nur BVerfG [Kammer] Beschluss vom
8.9.2017 - 1 BvR 1657/17 - Juris RdNr 13 mwN = GesR 2017, 739, 740). Mittelbar schützt dies zugleich das Individualinteresse der Versicherten an der
Datenwahrheit. Deswegen müssen die Versicherten es hinnehmen, dass all ihre Sozialdaten bei der Abrechnung und im Rechtsstreit
den KKn zur Kenntnis gelangen, die für die ordnungsgemäße Abrechnung der erbrachten Leistung erforderlich sind (vgl auch Knispel,
GesR 2011, 518, 525).
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten findet mit der Ausgestaltung der Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts
im
SGG im Widerstreit mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG) zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes (vgl BVerfGE 81, 123, 129) einen verhältnismäßigen Ausgleich iS einer gerechtfertigten Einschränkung des rechtlichen Gehörs durch sachliche Gründe
(vgl BVerfGE 101, 106, 129 = Juris RdNr 91; allgemein zur Einschränkbarkeit des Gehörs vgl BVerfGE 81, 123, 129; BVerwG Beschluss vom 21.1.2014 - 6 B 43/13 - NVwZ 2014, 790, 792 f). Danach kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung
oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken. Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht
kann das Gericht angerufen werden; es entscheidet endgültig (vgl §
120 Abs
3 SGG).
Bei Konkretisierung der besonderen Gründe, die Akteneinsicht zu beschränken, geht es vor allem um Sozialdaten, die keinen
Bezug zum Vergütungsrechtsstreit haben. Bei der Sachverhaltsermittlung anhand der Behandlungsunterlagen geht es idR um vergütungsrelevante
Umstände, die aus Sicht der Versicherten nur technische Detailfragen betreffen. Die gesundheitsbezogenen Sozialdaten sind
den KKn schon aufgrund der Mitteilungen der Krankenhäuser (§
301 SGB V) und der aufgrund Einsicht in die Behandlungsunterlagen der Krankenhäuser erfolgten vorprozessualen Stellungnahmen des MDK
(vgl §
277 Abs
1 S 1
SGB V) weitgehend bekannt (zutreffend Harks, NZS 2013, 247, 251). Schutzwürdige Sozialdaten in den Behandlungsunterlagen ohne Bezug zur Vergütung können zB nicht zu kodierende psychische
Erkrankungen aus der Vorgeschichte, Hinweise in der Anamnese auf begangene oder erlittene Straftaten, persönliche Konflikte
oder die sexuelle Orientierung sein. Das
SGG ermöglicht, die entsprechenden Passagen von der Einsichtnahme auszuschließen oder durch Schwärzen der entsprechenden Stellen
im Kopierexemplar unkenntlich zu machen. Derartige Ausnahmegründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
d) LSG und SG haben verfahrensfehlerhaft die Behandlungsunterlagen zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht. Das Gericht ist bei einem
Beteiligten, der keine Behörde ist und die Einsicht in von ihm dem Gericht zur Verfügung gestellte Unterlagen hinsichtlich
anderer Beteiligter untersagt, nicht aufgrund von §
153 Abs
1, §
120 SGG berechtigt, den anderen Beteiligten Akteneinsicht zu gewähren. Diese Unterlagen sind dann nicht in das Verfahren einzubeziehen
(zutreffend Harks, NZS 2013, 247, 252). Der untersagende Beteiligte - hier die Klägerin -, der der KK die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen seiner
Versicherten verweigert, hat den prozessualen Nachteil zu tragen, der sich aus der von ihm veranlassten Beschränkung der Sachverhaltsermittlung
ergibt. Es muss nach rechtlichem Hinweis (vgl dazu BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 25) nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zur Versagung des Vergütungsanspruchs
führen, wenn - wie regelmäßig - dessen Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde oder der Höhe nach im Streit sind (vgl zur objektiven
Beweislast BSGE 117, 82 = SozR 4-2500 § 109 Nr 40, RdNr 18 mwN). Das hat das LSG verkannt.
e) Soweit die Klägerin meint, der erkennende Senat hätte der Beklagen die ihm vorliegenden Behandlungsunterlagen zur Einsichtnahme
überlassen können (§
165 Abs
1, §
153 Abs
1, §
120 SGG), jedenfalls aber hätte die Beklagte einen dahingehenden Antrag stellen können und müssen, um ihrer vermeintlichen Beschwer
selbst abzuhelfen, lässt sie Folgendes außer Acht: Die Klägerin hat die Behandlungsunterlagen nicht zur Einsichtnahme freigegeben
mit der Rechtsfolge, dass sie - wie oben aufgezeigt - schon deswegen im Revisionsverfahren nicht in den Prozess eingeführt
werden können. Zudem kann selbst im Falle einer Freigabeerklärung ein Gehörsverstoß, der sich auf die Tatsachenfeststellung
des LSG auswirkt, nicht im Revisionsverfahren durch Einsichtnahme in die Behandlungsakten geheilt werden. Ein hierauf gestütztes
weiteres Vorbringen der Beklagten wäre unbeachtlich. Das Revisionsgericht darf - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen
- keine eigenen Tatsachenfeststellungen treffen. Es könnte den Rechtsstreit, wenn es über ihn nicht aus anderen Gründen in
der Sache entscheiden kann, nur zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht zurückverweisen (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Dafür ist ein weiteres tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren idR ohne rechtliche Relevanz (vgl Hauck in Zeihe/Hauck,
SGG, Stand August 2017, §
163 Anm 4d und 5c mwN).
4. Der erkennende Senat kann trotz der durchgreifenden Verfahrensrüge abschließend über den Rechtsstreit entscheiden. Nach
den übrigen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen für die
Kodierung von OPS 8-550.1 jedenfalls wegen der unzureichenden Dokumentation nicht. Die Klägerin durfte sachlichrechnerisch
korrekt jedenfalls nicht mehr als 3335,02 Euro abrechnen. Sie hatte dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung (dazu a). Sie durfte
jedoch keine höhere Vergütung als nach DRG B63Z abrechnen, weil sie die Voraussetzungen der DRG B44B oder einer anderen höher
als die DRG B63Z vergüteten Fallpauschale nicht erfüllte (dazu b).
a) Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung
durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird
und iS von §
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 26; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13 mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der insoweit unangegriffenen,
den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) erfüllt.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist §
109 Abs
4 S 3
SGB V iVm § 7 S 1 Nr
1 KHEntgG (idF durch Art 5 Fallpauschalengesetz) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge,
FPVen) und von der InEK GmbH zertifizierte Groupierungsprogramme (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2009) konkretisiert (wegen der weiteren,
auch gerade das Jahr 2009 betreffenden Einzelheiten vgl BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 5 RdNr 13 f; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff; s ferner zur InEK GmbH BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13).
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale
Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören
die Fallpauschalen selbst, neben den Kodierrichtlinien und der deutschen Fassung der Internationalen Klassifikation der Krankheiten
(ICD-10-GM) zudem die Klassifikation des vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im
Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen OPS (hier in der Version 2009 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 28.10.2008, BAnz Nr 170 vom 7.11.2008, S 4016, in Kraft getreten am 1.1.2009). Die Verbindlichkeit
der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten
Grouper einbezogen sind (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der
prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen
Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen einschließlich der hierzu vereinbarten Anwendungsregeln
sind gleichwohl wegen ihrer Funktion, die zahlreichen Behandlungsfälle routinemäßig abzuwickeln, im Gefüge der Ermittlung
des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch
systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr; vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 15; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 18).
b) Die Klägerin durfte unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe die Prozedur OPS 8-550.1 nicht kodieren, die zusammen mit der kodierten
Hauptdiagnose ICD-10-GM I67.88 (Sonstige näher bezeichnete zerebrovaskuläre Krankheiten) und der kodierten Nebendiagnose ICD-10-GM
U50.50 (Sehr schwere motorische Funktionseinschränkung - Barthel-Index: 0-15 Punkte) die Fallpauschale DRG B44B ansteuert.
Die Klägerin dokumentierte das Erforderliche (dazu aa) über die Behandlung der Versicherten nicht hinreichend (dazu bb).
aa) Die Kodierung von OPS 8-550.1 setzt eine "Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung" voraus, die nach dem vor
die Klammer gezogenen vierstelligen Kode 8-550 die Erfüllung ua folgender "Mindestmerkmale" erfordert:
- Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung
im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich)
- Standardisiertes geriatrisches Assessment zu Beginn der Behandlung in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit,
Kognition, Emotion) und vor der Entlassung in mindestens 2 Bereichen (Selbstständigkeit, Mobilität)
- Soziales Assessment zum bisherigen Status in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche
Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen)
- Wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse
und weiterer Behandlungsziele
- Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal
- Teamintegrierter Einsatz von mindestens 2 der folgenden 4 Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie,
Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie
Zu dokumentieren sind konkret wochenbezogen jeweils Behandlungsergebnisse und eigenständige Behandlungsziele je Therapiebereich
aufgrund der wöchentlich stattfindenden gemeinsamen Teambesprechung einschließlich der personenbezogenen Benennung aller teilnehmenden
Berufsgruppen nach ihren Vertretern und der fachärztlichen Behandlungsleitung. Dies erfordert nach allgemeinem Sprachgebrauch
eine planvolle, geordnete zielgerichtete Zusammenfassung. Es geht um die konzentrierte Darstellung eines strukturierten Dialogs
(der wöchentlichen Teambesprechung) nach fachärztlicher Behandlungsleitung, teilnehmenden Berufsgruppen, Ausgangspunkt (bisherige
Behandlungsergebnisse) und Ergebnis der Besprechung (weitere Behandlungsziele). Inhalte haben alle Berufsgruppen (ärztliche
Behandlung, die vier benannten Therapiebereiche, Pflege, Sozialdienst), nicht nur die bislang tätig gewordenen Therapiebereiche
beizusteuern. Die Therapiebereiche, die in der vergangenen Woche seit der letzten Teambesprechung den jeweiligen Versicherten
behandelt haben, haben erreichte und damit zugleich ggf (noch) nicht erreichte, aber schon angestrebte konkrete Behandlungsergebnisse
mitzuteilen. Dies schließt mit ein, dass die bislang nicht tätig gewordenen Berufsgruppen ihrerseits ihren Sachverstand mit
einbringen, Vorschläge für ihren Bereich unterbreiten und sich an der Festlegung der Behandlungsziele für die jeweils nächste
Woche diskursiv beteiligen. Die Behandlungsziele sind angesichts des im Wortlaut mehrfach hervorgehobenen Teamgedankens das
Ergebnis der gemeinsamen Beratung von Vertretern aller Berufsgruppen unter dokumentiert fachärztlicher Behandlungsleitung.
Dem zu bezeichnenden Facharzt mit Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" kommt dabei
die Moderation und Gesamtverantwortung zu. Die Wochenbezogenheit und der organisatorische Rahmen für die Einbindung des gesamten
Teams in die Umsetzung der Behandlungsziele, auch wenn nicht alle Teammitglieder an der wöchentlichen Teambesprechung teilnehmen
(können), erfordern eine möglichst konkrete, für alle Teammitglieder nachvollziehbare Beschreibung des IstZustandes und der
weiteren Behandlungsmaßnahmen. Dies entspricht auch dem Gedanken der Komplexbehandlung, der namensgebend für OPS 8-550 und
einige andere OPS-Kodes der OPS-Gruppen 8-55 bis 8-60 sowie 8-97 und 8-98 ist. Sie geht über den Bedarf eines Patienten in
einem "geriatrischen" Alter hinaus, der nur in einzelnen in OPS 8-550 angesprochenen Bereichen auf Therapie und/oder Pflege
durch besonders geschultes Personal, angewiesen ist. Er muss zur erforderlichen Frührehabilitation einer spezifischen, konkreten,
mehrstimmigen, aber konzertierten Therapieantwort des aus verschiedenen Berufsgruppen bestehenden Teams bedürfen. Hierzu zählen
die Ärzte, die vier Therapiebereiche und jedenfalls auch das Pflegepersonal und der Sozialdienst. Insbesondere muss erkennbar
sein, welcher jeweils eigenständige Beitrag von jedem der vier genannten Therapiebereiche (Physiotherapie/Physikalische Therapie,
Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie) für den einzelnen Patienten in Abstimmung mit den
anderen Therapiebereichen zur Erreichung des Therapieziels im Rahmen des teamintegrierten Einsatzes erbracht werden kann und
noch zu erbringen ist. Vertreter aller Berufsgruppen müssen dokumentiert bei der wöchentlichen Teambesprechung anwesend sein.
Hierzu sind alle Teilnehmer individuell und nach ihrer Berufsgruppen zu bezeichnen. Denn OPS 8-550 unterscheidet sich von
den anderen Prozeduren mit Dokumentationspflicht dadurch, dass sie als einziger vierstelliger OPS-Kode ausdrücklich die Beteiligung
aller Berufsgruppen anordnet. Die Team-Abstimmung muss aus der Dokumentation als qualifizierter konkreter Handlungsanleitung
klar ersichtlich hervorgehen. Allgemeine Formulierungen, die Bezeichnung bloßer Globalziele (zB Steigerung der Selbstständigkeit,
Mobilität) genügen nicht. Dementsprechend fordert der OPS bei etlichen Komplexbehandlungen nach seinem Regelungssystem eine
wochenbezogene Dokumentation, wenn sich die Komplexität (auch) aus der Unterschiedlichkeit der Therapiebereiche ergibt und
deswegen ein erhöhter Abstimmungsbedarf besteht (vgl neben OPS 8-550 zB: OPS 8-552, 8-559, 8-563, 8-972, 8-975 - dort sogar
zweimal in der Woche Besprechung -, 8-97d, 8-982, 8-984, 8-986). In den Fällen anderer Komplexbehandlungen ohne ausdrücklich
vorgesehene Beteiligung unterschiedlicher Therapiebereiche wird weder eine wochenbezogene noch überhaupt eine besondere Dokumentation
vom jeweiligen OPS-Kode verlangt (keine besondere Dokumentationspflicht zB: OPS 8-973, 8-976, 8-978, 8-979, 8-97a, 8-97b,
8-97c, 8-97e, 8-980, 8-987, 8-988, 8-989, 8-98c). Die Dokumentation kann orientiert an dem professionellen Horizont der Therapeuten
adressatengerecht knapp und abgekürzt erfolgen. Auch schließt der Wortlaut des OPS 8-550 Bezugnahmen auf ausführliche Darstellungen
an anderer Stelle nicht aus.
bb) Diese von OPS 8-550 an die wochenbezogene Dokumentation gestellten Anforderungen erfüllt die vom LSG festgestellte wochenbezogene
Dokumentation der Klägerin (klägerisches Formular: "Geriatrische Komplexbehandlung Doku wöchentliche Teambesprechung") in
mehrfacher Hinsicht nicht. Insgesamt geht aus der Dokumentation weder hervor, dass eine den Anforderungen entsprechende wöchentliche
Teambesprechung stattfand, noch, dass die Versicherte wochenbezogen eine "Komplexbehandlung" erhielt. Es mangelt an Angaben
dazu, wer jeweils an der wöchentlichen Teambesprechung teilnahm und dass jemand und ggf wer sie leitete. Zudem werden nicht
alle Berufsgruppen aufgeführt. Es fehlt durchgängig der Therapiebereich "Psychologie/Neuropsychologie". Auch werden die Therapiebereiche
nicht entsprechend den Vorgaben von OPS 8-550 auseinandergehalten. Die Dokumentation fasst "Ergotherapie/Logopädie" zusammen,
obwohl OPS 8-550 klar zwischen Ergotherapie einerseits und Logopädie/fazioorale Therapie andererseits unterscheidet. Teilweise
werden wochenbezogene Behandlungsziele in der im Formular der Klägerin vorgesehenen Rubrik überhaupt nicht genannt, zum Teil
sind sie allgemein gehalten ("Mobilisation"). Teilweise geht aus den sonstigen Angaben nicht hervor, dass es sich um bereits
durchgeführte oder nur beabsichtigte Therapieansätze und -erfolge handelt (vgl die Spalten "Physio-/Physikalische Th." und
"Ergotherapie/Logopädie"). Der erkennende Senat weist nur ergänzend auf Zweifel hin, dass die Klägerin die Voraussetzung von
mindestens 20 Therapieeinheiten von durchschnittlich 30 Minuten erfüllte, soweit Physiotherapeuten und Ergotherapeuten die
Versicherte in erheblichem Umfang auch simultan behandelt haben. OPS 8-550 sieht - anders als OPS 8-552 - nicht vor, dass
bei simultanem Einsatz von zwei oder mehr Mitarbeitern die Mitarbeiterminuten aufsummiert werden dürfen.
5. Die Kostentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.