Wahlberechtigung von Beschäftigten in einer Arbeitsgelegenheit nach § 19 Abs. 1
BSHG bei der Wahl des Betriebsrats
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten über die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl.
Der zu 1) beteiligte Arbeitgeber ist ein Bildungswerk in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Sein satzungsmäßiger
Zweck ist die Durchführung von Bildungsveranstaltungen, die Unterstützung der Volkshochschularbeit sowie von Initiativen und
Programmprojekten des Landesverbandes der Volkshochschulen. Zu den Bildungseinrichtungen des Arbeitgebers gehört auch die
Aus- und Weiterbildungsstätte ., deren Betriebsrat der Beteiligte zu 2) ist. In diesem Betrieb werden Auszubildende im Bereich
der überbetrieblichen Erstausbildung ausgebildet und Umschüler weiterqualifiziert. Ende 1997 waren dort insgesamt 16 Arbeitnehmer
als Ausbilder, Lehrer, Verwaltungsmitarbeiter, Hausmeister und Reinigungskraft tätig. Außerdem wurden 21 Personen in einer
Arbeitsgelegenheit nach § 19 Abs. 1
BSHG aufgrund von Arbeitsverträgen befristet für ein Jahr beschäftigt. Es handelte sich um Personen, die trotz einer weitgehend
vorhandenen beruflichen Qualifikation aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Aussiedlung bzw. Anerkennung als Asylberechtigte
keine Arbeit gefunden und Sozialhilfe bezogen hatten. Sie wurden gemeinsam vom Landkreis . als örtlichen Träger der Sozialhilfe
und dem Arbeitgeber für die Teilnahme an der Maßnahme nach § 19 Abs. 1
BSHG ausgewählt. Ihre Beschäftigung wurde vom Sozialhilfeträger finanziert. Der Arbeitgeber wies die BSHG-Beschäftigten in Praktikumsplätze, überwiegend bei einer vom Landkreis . gegründeten Beschäftigungsgesellschaft, ein. Die
BSHG-Beschäftigten wurden bei ihrer Tätigkeit von einem beim Arbeitgeber beschäftigten Meister begleitet, der berechtigt war,
ihnen Arbeitsanweisungen zu erteilen.
Am 3. Dezember 1997 wurde in der Aus- und Weiterbildungsstätte . ein aus drei Personen bestehender Betriebsrat gewählt. An
der Wahl beteiligten sich 29 Beschäftigte. Das Wahlergebnis wurde am 10. Dezember 1997 bekannt gegeben.
Mit seinem am 23. Dezember 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl
geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die BSHG-Beschäftigten seien nicht wahlberechtigt. Sie seien nicht im Rahmen der arbeitstechnischen Zwecksetzung seines Betriebs tätig.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 3. Dezember 1997 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, durch die Übernahme der BSHG-Beschäftigten sei der Betriebszweck des Betriebs . erweitert worden. Die BSHG-Beschäftigten bildeten eine eigene innerbetriebliche Abteilung. Es handle sich um eine Form gemeinnütziger Arbeit, die von
den übrigen Beschäftigten des Arbeitgebers organisiert werde. Im übrigen sei bei der Beurteilung der Wahlberechtigung nicht
ausschließlich auf den Betriebszweck, sondern auch darauf abzustellen, ob die BSHG-Beschäftigten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig seien.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht
zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrags. Der Arbeitgeber
beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Vorinstanzen haben die Wahl zur Recht als anfechtbar angesehen. Sie war für unwirksam zu erklären.
I. Die formellen Voraussetzungen der Wahlanfechtung sind erfüllt. Der nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigte Arbeitgeber hat die am 3. Dezember 1997 durchgeführte Betriebsratswahl, deren Ergebnis am 10. Dezember
1997 bekannt gegeben wurde, am 23. Dezember 1997 und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten.
II. Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, daß die 21 Beschäftigten, mit denen der Beteiligte zu 1) auf der Grundlage
einer nach § 19 Abs. 1
BSHG geschaffenen Arbeitsgelegenheit Verträge abgeschlossen hatte, nicht wahlberechtigt waren.
1. Nach § 7
BetrVG sind alle Arbeitnehmer mit Vollendung des 18. Lebensjahres wahlberechtigt. Arbeitnehmer sind Arbeiter und Angestellte einschließlich
der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 5 Abs. 1
BetrVG), die nicht nach § 5 Abs. 2 bis Abs. 4
BetrVG vom Wahlrecht ausgenommen sind.
2. Beschäftigte, die aufgrund einer vom Sozialhilfeträger geschaffenen Arbeitsgelegenheit nach § 19
BSHG in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt werden (vgl. BAG 7. Juli 1999 - 7 AZR 661/97 - und vom 22. März 2000 - 7 AZR 824/98 - beide zur Veröffentlichung vorgesehen) sind nicht bereits nach § 5 Abs. 2 Nr. 4
BetrVG von der Wahl eines Betriebsrats ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gelten nicht als Arbeitnehmer diejenigen Personen,
die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden. Das betrifft
einen Personenkreis, bei dem die Beschäftigung als Mittel zur Behebung individueller, personenbezogener Schwierigkeiten eingesetzt
wird und vorwiegend der Rehabilitation bzw. der Resozialisierung dient (BAG 25. Oktober 1989 - 7 ABR 1/88 - BAGE 63, 188, 199 = AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 40, zu II 1 der Gründe). Die nach § 19 Abs. 1
BSHG aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses Beschäftigten werden im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses nicht zu ihrer
Wiedereingewöhnung mit dem Ziel der Rehabilitation oder Resozialisierung tätig, sondern um eine Wiedereingliederung in den
normalen Arbeitsmarkt nach einer längeren Zeit der Beschäftigungslosigkeit erreichen zu können.
3. Zu Recht sind die Vorinstanzen jedoch davon ausgegangen, daß nach § 7
BetrVG iVm. § 5 Abs. 1
BetrVG nur diejenigen Arbeitnehmer wahlberechtigt sind, die in einem Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsinhaber stehen und innerhalb
seiner Betriebsorganisation abhängige Arbeit erbringen (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 21/88 - BAGE 61, 7 ff. = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 1, zu B II 1 b der Gründe; BAG 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - BAGE 69, 286 = AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1, zu B III 1 a der Gründe, zuletzt BAG 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 a aa der Gründe). Das Wahlrecht setzt demnach nicht nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
zu dem jeweiligen Betriebsinhaber voraus, sondern auch die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die jeweilige Betriebsorganisation.
Für die Eingliederung ist entscheidend, ob der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck seines
Betriebs verfolgt. Ob eine solche Tätigkeit innerhalb der Betriebsorganisation oder außerhalb der Betriebsstätte verrichtet
wird, ist unerheblich (BAG 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - BAGE 69, 286, 296 = AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1, zu III 1 a bb der Gründe).
a) Im Streitfall mag es fraglich sein, ob die BSHG-Beschäftigten mit dem Arbeitgeber überhaupt einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Denn nach dem im Verfahren vorgelegten
Vertrag werden die Betroffenen als Teilnehmer in der Maßnahme "Integrationsseminar für Sozialhilfeempfänger" beschäftigt.
Sie sind gehalten, die durch die Maßnahme gebotene Chance zur Qualifizierung und zur Eingliederung in ein sozialversicherungspflichtiges
Arbeitsverhältnis aktiv zu nutzen. Der Vertrag beschränkt sich im weiteren auf Regelungen zur Arbeitszeit und zum Entgelt,
ohne wechselseitige Hauptpflichten zu beschreiben, wie sie für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend sind.
b) Unabhängig davon fehlt es bei den nach dem BSHG Beschäftigten aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung ihrer Tätigkeit an dem Merkmal der betrieblichen Eingliederung. Die
betriebliche Eingliederung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, daß der Arbeitnehmer
zur Erfüllung der jeweiligen arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebes tätig wird (BAG 20. März 1996 - 7 ABR 34/95 - AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 60, zu B II 2 und 3 der Gründe; 12. September 1996 - 7 ABR 61/95 - AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 61, zu B III 1 und 2 a der Gründe jeweils mwN). Daran fehlt es, weil die BSHG-Beschäftigten nach der konkreten Ausgestaltung ihrer Tätigkeit nicht dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs dienen, sondern
selbst Gegenstand des Betriebszwecks sind.
aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist arbeitstechnischer Zweck des . Betriebs die Durchführung von Bildungsmaßnahmen.
Dazu gehört auch das Ziel, den vom örtlichen Träger der Sozialhilfe zugewiesenen Personen die Möglichkeit zu geben, ihre berufliche
und persönliche Qualifizierung zu verbessern. Das folgt aus § 2 der Satzung des Arbeitgebers. Dieser Betriebszweck wird durch
eine Beschäftigung der Maßnahmeteilnehmer in anderen Praktikumsbetrieben nicht gefördert. Anders als die sozialpädagogischen
Betreuer und die sonstigen Arbeitnehmer im . Betrieb tragen die BSHG-Beschäftigten nicht zur Erfüllung des Betriebszwecks bei, sondern unterstützen allenfalls den arbeitstechnischen Zweck der
Praktikumsbetriebe, in denen sie eingesetzt werden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht deshalb ihre betriebsverfassungsrechtliche
Stellung ebenso wie die von beruflichen Rehabilitanten oder der zur Berufsausbildung Beschäftigten in reinen Ausbildungsbetrieben
beurteilt. Auch diese sind nach der Senatsrechtsprechung in ihrem Ausbildungsbetrieb nicht wahlberechtigt, da sie nicht ausgebildet
werden, um zum Betriebszweck beizutragen, sondern selbst Gegenstand des auf die Durchführung von Ausbildung gerichteten Betriebszwecks
sind (vgl. BAG 20. März 1996 - 7 ABR 34/95 - AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 60, zu II der Gründe; 12. September 1996 - 7 ABR 61/95 - AP BetrVG 1972 § 5 Ausbildung Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 61, zu I der Gründe).
bb) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, daß der konkrete Einsatz der BSHG-Beschäftigten bei anderen Arbeitgebern kein eigenständiger Betriebszweck im Betrieb des Arbeitgebers ist. Nach den vom Beschwerdegericht
getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht gerügten Feststellungen ist der Betrieb des Arbeitgebers neben der Förderung
der beruflichen Fähigkeiten der Maßnahmeteilnehmer nicht auch noch auf die Vermittlung oder Überlassung von Arbeitskräften
gerichtet. Das stünde im Widerspruch zu dem satzungsgemäßen Zweck und folgt auch nicht aus einer tatsächlichen Handhabung.
Die Satzung des Arbeitgebers sieht ausschließlich Bildungszwecke vor. § 3 Abs. 3 Satz 1 der Satzung hindert zudem eine faktische
Erweiterung des Tätigkeitsfeldes durch eine finanzielle Schranke. Danach dürfen die Mittel des Vereins nur für satzungsgemäße
Zwecke verwendet werden. Im übrigen erfolgt die Finanzierung der Maßnahme durch den Landkreis als örtlichen Träger der Sozialhilfe
nach Maßgabe des BSHG. Damit ist vorgegeben, daß die Maßnahme insgesamt nicht einen etwa vorhandenen Bedarf der örtlichen Betriebe an Praktikanten
abdeckt. Vielmehr wählen umgekehrt der Arbeitgeber und das Sozialamt die Maßnahmeteilnehmer aus und versuchen, diese in geeignete
Praktikumsbetriebe zu vermitteln. Die Tätigkeit des Arbeitgebers zielt also nicht darauf ab, den Praktikumsbetrieben eine
Arbeitskraft zu verschaffen, sondern darauf, die BSHG-Beschäftigten zur Verbesserung ihrer Qualifikation dort unterzubringen. Das macht das Vermitteln dieser Personengruppe in
Praktikumsplätze nicht zu einem weiteren arbeitstechnischen Zweck.
cc) Die in den Praktikumsbetrieben verfolgten arbeitstechnischen Zwecksetzungen werden vom Arbeitgeber auch nicht als eigene
arbeitstechnische Zwecksetzungen verfolgt. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats werden sie nicht dadurch zu eigenen Zwecken,
daß ein beim Arbeitgeber beschäftigter Meister die BSHG-Beschäftigten begleitet und in dem Betrieb anleitet. Der Einsatz der zur Betreuung eingesetzten Arbeitnehmer erfolgt nicht
mit dem Ziel, ein Arbeitsergebnis zu erstellen oder zu verbessern, sondern um die Weiterbildung der BSHG-Beschäftigten zu fördern. Ein damit einhergehender Beitrag zum arbeitstechnischen Zweck des Praktikumsbetriebs ist nicht
Zweck ihres Einsatzes, sondern positive Folge.