Befristeter Arbeitsvertrag als Sozialhilfemaßnahmen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 14. Dezember 1996.
Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Sie bewarb sich 1993 im Bezirksamt Schöneberg des beklagten Landes
auf eine ausgeschriebene Teilzeitstelle mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Als sich im Vorstellungsgespräch
herausstellte, daß die Klägerin zu dieser Zeit ergänzende Sozialhilfe bezog, sah das beklagte Land die Möglichkeit, sie in
der Abteilung Sozialwesen des Bezirksamts im ihr zugedachten Aufgabengebiet an 30 Wochenstunden zu beschäftigen. Der dementsprechende
Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 1993 für die Zeit vom 15. Dezember 1993 bis zum 14. Dezember 1994 wurde durch Arbeitsvertrag
vom 15. Dezember 1994 für die Zeit vom 15. Dezember 1994 bis zum 31. Dezember 1995 verlängert. Nach dem sich anschließenden
letzten Arbeitsvertrag vom 2. Januar 1996 war die Klägerin als vollbeschäftigte Angestellte für die Zeit vom 1. Januar 1996
bis zum 14. Dezember 1996 tätig.
In allen drei Arbeitsverträgen heißt es, die Klägerin werde aufgrund des § 19 Abs. 2, 1. Alternative des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für zusätzliche und gemeinnützige Arbeiten eingestellt. Die Klägerin wurde von Anfang an beim Bezirksamt Schönefeld im Verwaltungsbereich
der Obdachlosenbetreuung beschäftigt und nach Darstellung des beklagten Landes mit folgenden Aufgaben betraut:
- Mitarbeit bei der Organisation der Unterbringung Obdachloser (Auswahl der Unterkunft, telefonische Reservierungen) 49 %
- Vorbereitung der Kostenübernahmeerklärungen 5 %
- Mitarbeit bei der Zuständigkeitsprüfung 15 %
- Koordination der Überwachung der Einrichtungen im Bezirk durch Wohnungs- und Gewerbeamt 10 %
- Unterstützung der Begehungen von Beherbergungsbetrieben (bei unzumutbaren Zuständen Warnmeldungen an alle Bezirksämter)
5 %
- Erstellung und laufende Aktualisierung einer Bettenplatzanbieterkartei 3 %
- Statistische Sondererhebung der sozialen Wohnhilfe 3 %
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Befristung ihres Arbeitsvertrages sei rechtsunwirksam, da es an einem Befristungsgrund
gefehlt habe. Die Befristung könne nicht auf § 19 Abs. 2
BSHG gestützt werden, da sie im Gegensatz zur Angabe in den Arbeitsverträgen nicht zur Leistung gemeinnütziger und zusätzlicher
Arbeit eingestellt worden sei. Nach zweimonatiger Einarbeitungszeit habe sie vollwertige Sachbearbeitertätigkeit verrichtet.
Mit ihrer am 26. November 1996 eingereichten Klage hat die Klägerin beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf mit dem 14. Dezember 1996
enden wird, sondern darüber hinaus mit dem bisherigen Inhalt fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Befristung für zulässig gehalten, weil die Klägerin auf
der Grundlage des BSHG eingestellt worden sei. Gemäß Nr. 5 Abs. 5 der Ausführungsvorschriften zu den §§ 19 und 20
BSHG (Amtsblatt für Berlin vom 8. März 1991, S. 482) dürfe dort eine Beschäftigung auf der Grundlage des BSHG 36 Monate nicht überschreiten. Die Klägerin sei zunächst eingestellt worden, um ihr eine etwaige Berufserfahrung zu ermöglichen.
Die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 1995 sei erfolgt, um das Vertrauen der Klägerin in ihre Fähigkeiten
zu festigen und ihr eine Fortbildung zu ermöglichen. Mit der letzten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 14. Dezember
1996 habe sichergestellt werden sollen, daß die Klägerin nicht wieder zur Sozialhilfeempfängerin werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage
abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils. Das beklagte Land beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des der Klage
stattgebenden Ersturteils. Denn die Befristung des hier allein der Befristungskontrolle unterliegenden letzten Arbeitsvertrags
vom 2. Januar 1996 ist wegen Fehlens eines sachlichen Grundes unwirksam.
I. Die vorliegende Befristung kann nicht darauf gestützt werden, daß die Klägerin, wie es im Arbeitsvertrag vom 2. Januar
1996 heißt, aufgrund des § 19 Abs. 2 1. Alternative BSHG "für zusätzliche und gemeinnützige Arbeiten" eingestellt wurde.
1. Zutreffend sind die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, daß die Parteien einen Arbeitsvertrag
i.S.d. Arbeitsrechts abgeschlossen haben, auch wenn das beklagte Land als Sozialhilfeträger damit der Klägerin zugleich eine
Arbeitsgelegenheit i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1, 1. Alternative BSHG geschaffen hat (BAG Urteil vom 9. Mai 1995 - 9 AZR 269/94 - zu I 1 der Gründe, n.v.; BAG Urteil vom 4. Februar 1993 - 2 AZR 416/92 - AP Nr. 2 zu § 21
SchwbG 1986, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.).
2. Arbeitsverträge nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 1. Alternative BSHG können befristet werden. Denn Sozialhilfe in der Form der Hilfe zur Arbeit (§§ 18 ff. BSHG) soll der Wiedereingliederung des Hilfsbedürftigen in den normalen Arbeitsmarkt dienen und ist deshalb in aller Regel nicht
auf Dauer zu leisten. In § 19 Abs. 1 Satz 3 BSHG heißt es ausdrücklich, daß die für den Hilfesuchenden zu schaffenden Arbeitsgelegenheiten in der Regel von vorübergehender
Natur sein sollen. Auch das Schrifttum geht übereinstimmend davon aus, daß die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach
§ 19 Abs. 2
BSHG grundsätzlich zulässig ist (vgl. z.B. KR-Lipke, 5. Aufl., §
620
BGB Rz 150).
3. Indessen liegt die Voraussetzung des § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG, daß für den Hilfesuchenden Gelegenheit zu (gemeinnütziger und) zusätzlicher Arbeit geschaffen wird, nicht vor. Auch ist
nicht ersichtlich, daß das beklagte Land gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BSHG von dem Erfordernis der Zusätzlichkeit im vorliegenden Einzelfall abgesehen hätte. Denn es hat die Klägerin nach Maßgabe
des abgeschlossenen Arbeitsvertrags ausdrücklich zur Leistung zusätzlicher Arbeiten eingestellt und beruft sich auch im vorliegenden
Rechtsstreit ausschließlich darauf, die Arbeit der Klägerin sei zusätzlicher Natur gewesen.
a) Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz BSHG kann dem Hilfesuchenden, wenn für ihn Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geschaffen wird, entweder das
übliche Arbeitsentgelt (1. Alternative) oder Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen
(2. Alternative) gewährt werden. Es entspricht allgemeiner Meinung (vgl. z.B. Östreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand August 1998, § 19 Rz 13; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 19 Rz 14), daß im Falle der 1. Alternative ein Arbeitsverhältnis mit allen rechtlichen Folgerungen begründet wird. Dies ergibt
sich auch aus § 19 Abs. 3
BSHG: Nach dieser Vorschrift wird kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne
der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung begründet, wenn im Falle des Absatzes 2 des § 19
BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird, also die 2. Alternative gewählt wurde.
b) Nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz BSHG ist zusätzlich nur eine Arbeit, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden
würde. Diese Voraussetzungen erfüllen die Tätigkeiten der Klägerin bereits auf der Grundlage des Sachvortrags des beklagten
Landes nicht. Das beklagte Land hat selbst im einzelnen vorgetragen, daß die Klägerin vom Beginn ihrer Beschäftigung an Tätigkeiten
verrichtete, die zu den normalen und unaufschiebbaren Pflichtaufgaben ihrer Dienststelle gehörten. Lediglich bei den beiden
letzten Posten "Erstellung und laufende Aktualisierung einer Bettenplatzanbieterkartei" bzw. "Statistische Sondererhebung
der sozialen Wohnhilfe", die jeweils 3 % der Tätigkeit der Klägerin ausmachten, kann davon gesprochen werden, daß sie auch
zu einem späteren Zeitpunkt hätten verrichtet werden können. Damit hat die Klägerin zumindest ganz überwiegend Aufgaben eines
normalen Sachbearbeiters wahrgenommen, die das beklagte Land sonst von einem anderen Bediensteten hätte verrichten lassen
müssen.
4. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht gemeint, die Klägerin könne sich auf ein Fehlen der Zusätzlichkeit ihrer Arbeitsleistung
nicht berufen, weil die Verschaffung einer Arbeitsgelegenheit nach § 19 Abs. 2
BSHG ein Verwaltungsakt sei und die Klägerin diesen im Verwaltungsrechtsweg mit der Begründung hätte angreifen müssen, der Verwaltungsakt
sei wegen Nichtvorliegens seiner gesetzlichen Voraussetzungen fehlerhaft. Dieser das Berufungsurteil tragenden Erwägung kann
nicht gefolgt werden.
a) Dem Landesarbeitsgericht mag darin zuzustimmen sein, daß es sich bei der Heranziehung zu gemeinnütziger und zusätzlicher
Arbeit um einen Verwaltungsakt handelt. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 68, 97, 99) zu einem Fall des § 19 Abs. 2, 1. Alternative BSHG für die hier in Betracht kommende 2. Alternative dieser Vorschrift nicht zwingend. Denn das Bundesverwaltungsgericht nimmt
einen Verwaltungsakt nur deshalb an, um dem Hilfsbedürftigen bereits Rechtsschutz gegen die (von ihm nicht gewollte) Zuweisung
von Arbeit zu gewähren und ihn nicht darauf zu verweisen, erst gegen die im Falle der Verweigerung der Arbeit erfolgende Kürzung
der Sozialhilfe (§ 25
BSHG) vorzugehen.
b) Selbst wenn mit dem Landesarbeitsgericht auch im vorliegenden Fall davon ausgegangen wird, daß neben dem Abschluß eines
Arbeitsvertrages in der (gedanklich vorausgehenden) Verschaffung einer Arbeitsgelegenheit für die Klägerin ein Verwaltungsakt
liegt, den die Klägerin hätte anfechten können, ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund diese Rechtsschutzmöglichkeit
es ausschließen sollte, den Inhalt des daneben abgeschlossenen Arbeitsvertrags der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle
zu unterwerfen. Die Tatbestandswirkung des bestandskräftigen Verwaltungsakts kann allenfalls die Verpflichtung der Klägerin
bewirken, mit dem beklagten Land einen Arbeitsvertrag zu schließen. Dessen Befristung unterläge selbst dann, wenn ihn die
Klägerin ohne rechtliche Verpflichtung freiwillig abgeschlossen hätte, der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Überdies
gibt es keinen allgemeinen Rechtssatz, daß eine dem Bürger zur Verfügung stehende Rechtsschutzmöglichkeit andere Möglichkeiten
der Rechtsverfolgung ausschließt (zu den Rechtsschutzmöglichkeiten einer nachträglichen Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
vgl. BAG Urteil vom 8. Juli 1998 - 7 AZR 245/97 - AP Nr. 201 zu §
620
BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
II. Ein sachlicher Grund, der die streitgegenständliche Befristung rechtfertigen könnte, ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen
Bestimmungen über die Hilfe zur Arbeit (§§ 18 und 19 Abs. 1
BSHG).
1. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG sollen für Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Die gemeinnützige zusätzliche
Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 2
BSHG ist nur eine der möglichen Formen der Schaffung von Arbeitsgelegenheit (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand August 1998, § 19 Rz 7). Der Senat geht zugunsten des beklagten Landes davon aus, daß auch die dabei begründeten Arbeitsverhältnisse angesichts
der vorübergehenden Natur der Hilfe zur Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BSHG) jedenfalls dann, wenn der Sozialhilfeträger hierfür gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BSHG Kosten übernimmt oder den Hilfesuchenden selbst einstellt, grundsätzlich befristet werden können.
2. Voraussetzung für diese Befristungsmöglichkeit ist jedoch, daß der Sozialhilfeträger Arbeitsverhältnisse, die er in Vollzug
der §§ 18 ff. BSHG als Sozialhilfemaßnahmen begründet, gegenüber solchen Arbeitsverhältnissen abgrenzt, die er in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber
des ersten Arbeitsmarkts zur Erledigung seiner Verwaltungsaufgaben begründet. Die Doppelnatur des Sozialhilfeträgers als behördlicher
Arbeitgeber einerseits und Leistungsgewährender andererseits führt nicht zu seiner befristungsrechtlichen Privilegierung,
soweit es sich um die Beschäftigung von Arbeitnehmern zur Wahrnehmung der Aufgaben der Verwaltungsbehörde handelt. Dabei läßt
der Senat im Rahmen der Befristungskontrolle dahingestellt, ob diese Trennung auch deshalb geboten ist, weil der Sozialhilfeträger
bei seinen Ausgaben selbst zwischen seinem Personaletat und den Aufwendungen für Sozialhilfemaßnahmen unterscheiden muß (vgl.
hierzu z.B. Schellhorn/Jirisek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 19 Rz 11).
3. Im vorliegenden Falle folgt bereits aus der unstreitigen Vorgeschichte der Einstellung, daß das beklagte Land in seiner
Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber tätig wurde und eine Sozialhilfemaßnahme lediglich zur Rechtfertigung der Befristung
vorgeschoben wurde. Die Klägerin hatte sich auf eine Teilzeitstelle beworben, die das beklagte Land auf dem freien Arbeitsmarkt
ausgeschrieben hatte. Erst die Eigenschaft der Klägerin als Hilfesuchende ermöglichte es, die an sich vorgesehene 20-stündige
Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden auszuweiten, wie es dem bei der Behörde bestehenden Beschäftigungsbedarf entsprach. Bei dieser
Sachlage hätte es eingehender Darlegungen des beklagten Landes bedurft, um die Beschäftigung der Klägerin noch als Sozialhilfemaßnahme
einordnen zu können.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §
91
ZPO.