Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Barabgeltung von Hausbrand für das Kohlejahr 1992/1993.
Der 1949 geborene Kläger war bis zum 31. August 1978 bei der Beklagten unter Tage beschäftigt. Aufgrund einer Untersuchung
durch den Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft am 26. September 1978 wurde ihm unter dem 8. März 1979 der Bergmannsversorgungsschein
erteilt. Bis zum Bezugsjahr 1991/1992 leistete die Beklagte Hausbrand/Energiebeihilfe. Mit Schreiben vom 22. März 1993 und
24. Juni 1993 forderte sie den Kläger auf, sich beim betriebsärztlichen Dienst untersuchen zu lassen und ihr das Gesundheitszeugnis
zuzuschicken. Der Kläger kam dem nicht nach.
Die von der Beklagten eingeschaltete Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein teilte ihr mit Schreiben vom 14. September
1993 mit, sie sehe sich zu keiner Prüfung veranlaßt, ob dem Kläger der Bergmannsversorgungsschein abzuerkennen sei. Die Aufforderung,
nicht weiter unter Tage zu arbeiten, könne nur von dem Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft zurückgenommen werden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.228,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der von dem Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision. Der Kläger bittet um deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Barabgeltung von Hausbrand für das Jahr 1992/1993.
I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW, § 54 Manteltarifvertrag (MTV) für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus vom 14. November 1989 i. d. F. vom 25. März 1993 in
Verb. mit Nr. I. 1. Ziff. 3, 12 der Anl. 7 zu dem MTV erhält der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins unter den dort näher geregelten Voraussetzungen vom bisherigen Bergbau-Arbeitgeber
Hausbrandkohle oder Barabgeltung. Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt und damit den Anspruch auf Barabgeltung für
das Bezugsjahr 1. Juli 1992/30. Juni 1993 erworben. Das steht nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
(§
561 Abs.
2
ZPO) fest. Die Revision erhebt hiergegen keine Rügen.
II. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die geschuldete Leistung wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers an einer betriebsärztlichen
Untersuchung zu verweigern. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden.
1. Ein Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich nicht aus § 15
BVSG NW in Verb. mit §§
62 ff.
SGB I.
a) Nach § 15
BVSG NW gelten für den Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins die Vorschriften der §§ 60 bis 67 des Sozialgesetzbuches - allgemeiner Teil - vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015) (
SGB I) entsprechend. Nach §
62
SGB I soll sich der Empfänger von Sozialleistungen auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen Untersuchungsmaßnahmen
unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. Kommt der Leistungsempfänger seiner Mitwirkungspflicht
ohne rechtfertigenden Grund nicht nach, ist der Leistungsträger nach §
66 Abs.
1
SGB I berechtigt, ohne weitere Ermittlung die Leistung ganz oder teilweise zu entziehen.
b) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Das
Sozialgesetzbuch I ist auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
aa) Eine unmittelbare Anwendung scheidet bereits deshalb aus, weil die Beklagte nicht Trägerin einer Sozialleistung des Sozialgesetzbuches
ist. Nach §
11
SGB I sind Gegenstand der in §
2
SGB I genannten sozialen Rechte die in dem Sozialgesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Hierzu gehört die Energiebeihilfe
nicht. Der Anspruch des Klägers beruht vielmehr auf dem landesrechtlichen Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein.
bb) Eine entsprechende Heranziehung des
SGB I kommt ebenfalls nicht in Betracht. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Beklagte dem Wortlaut
des § 15
BVSG NW eine Bedeutung beimißt, die ihm nicht zukommt. Danach gelten für die Mitwirkung des Inhabers des Bergmannsversorgungsscheins
die §§
60 bis
67
SGB I "entsprechend". Mitwirkungspflichten nach §§
60 ff.
SGB I bestehen aber lediglich gegenüber dem Leistungsträger. Leistungsträger im Sinne des
SGB I ist nicht der ehemalige Bergbau-Arbeitgeber, sondern die nach § 16
BVSG NW für die Durchführung des Gesetzes zuständige Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein. Nach § 17 Abs. 2
BVSG NW gelten die Vorschriften des
SGB I nur für die Zentralstelle entsprechend, nicht aber für den Bergbau-Arbeitgeber.
cc) Die Leistung darf nach §
66 Abs.
3
SGB I wegen fehlender Mitwirkung überdies nur entzogen werden, wenn der Leistungsempfänger auf diese Folge schriftlich hingewiesen
worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Daß die
Beklagte dem entsprochen hat, ist ihrem Sachvortrag nicht zu entnehmen. Ihre in dem Rechtsstreit vorgelegten Schreiben enthalten
jedenfalls keinen schriftlichen Hinweis auf ihre Absicht, die Energiebeihilfe nicht mehr zu leisten, falls sich der Kläger
der verlangten ärztlichen Untersuchung nicht unterzieht.
dd) Die Beklagte übersieht ferner, daß eine Sozialleistung nach §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I nur entzogen werden darf, soweit ihre Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind. Zwischen der fehlenden Aufklärung des Sachverhalts
und den nicht nachgewiesenen Leistungsvoraussetzungen muß damit ein Zusammenhang bestehen. Daran fehlt es auch dann, wenn
die Energiebeihilfe als Sozialleistung im Sinne von §
66
SGB I beurteilt wird. Denn der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen für ihren Bezug Die Zuerkennung des Bergmannsversorgungsscheins
ist nicht nach § 14
BVSG NW aufgehoben.
2. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ergibt sich nicht aus §
273
BGB. Danach kann der Schuldner einer Leistung diese zurückhalten, wenn er aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine
Verpflichtung beruht, einen fälligen Gegenanspruch gegen den Gläubiger hat.
Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger, sich von einem Betriebsarzt der Zeche untersuchen zu lassen. Eine gesetzliche
oder tarifliche Grundlage besteht hierfür nicht. Entgegen der Revision ergibt sich der Anspruch auch nicht aus einer nachvertraglichen
Treuepflicht des Klägers. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien hinsichtlich des Anspruchs auf Hausbrandkohle werden
abschließend durch § 9 BSVG NW bestimmt.
III. Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, §
97
ZPO.