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BAG, Urteil vom 27.02.2020 - 2 AZR 390/19
Zulässige Überschreitung der Kündigungserklärungsfrist bei der außerordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten Anwendung der Legaldefinition des § 121 BGB für "unverzüglich" auch im Rahmen von § 91 Abs. 5 SGB IX i.d.F. bis 31.12.2017 Erteilung der Zustimmung des Integrationsamts zu einer außerordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten Rechtzeitigkeit der Antragstellung beim Integrationsamt
Orientierungssätze:
1. Nach § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) kann eine außerordentliche Kündigung auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wird. Der Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist Anwendungsvoraussetzung von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) (Rn. 24).
2. Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet "unverzüglich" auch im Rahmen von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) "ohne schuldhaftes Zögern". Schuldhaft ist ein Zögern, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Da "unverzüglich" weder "sofort" bedeutet noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden ist, kommt es auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an. Nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich keine Unverzüglichkeit mehr gegeben (Rn. 17).
3. Die Zustimmung ist "erteilt" iSv. § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF), sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF) getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF) nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gem. § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nF) als erteilt (Rn. 18).
4. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung beim Integrationsamt bestimmt sich nach § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF). Die Einhaltung der Frist ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erteilung der Zustimmung. Sie ist allein vom Integrationsamt bzw. im Falle der Anfechtung der Entscheidung von den Verwaltungsgerichten zu prüfen. An eine nicht nichtige Zustimmung zur Kündigung sind die Arbeitsgerichte gebunden, solange sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist (Rn. 28).
Fundstellen: AP SGB IX 2018 § 174 Nr. 1, AuR 2020, 335, BB 2020, 1267, EzA SGB IX § 91 Nr. 7, EzA-SD 2020, 14, MDR 2020, 999, NJW 2020, 1835, NZA 2020, 717
Normenkette:
BGB § 121 Abs. 1
,
SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) § 91 Abs. 2
,
SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) § 91 Abs. 3
,
SGB IX (in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung) § 174 Abs. 2
,
SGB IX (in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung) § 174 Abs. 3
,
SGB IX (in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung) § 174 Abs. 5
Vorinstanzen: LAG Berlin-Brandenburg 21.02.2019 18 Sa 1073/18 , ArbG Berlin 16.05.2018 21 Ca 11385/17
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Februar 2019 - 18 Sa 1073/18 - insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Mai 2018 - 21 Ca 11385/17 - insoweit zurückgewiesen hat, wie dieses festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. April 2016 nicht beendet wird.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!

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