BSG, Beschluss vom 19.12.2017 - 1 KR 38/17 B
Krankenversicherung Selbst verschaffte nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Verfahrensrüge Verletzung rechtlichen Gehörs Nichtmitteilung eines Verhandlungstermins Übergehen eines Antrags auf Bewilligung einer Reiseentschädigung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung
1. Das Übergehen des Antrags auf Bewilligung einer Reiseentschädigung zur - anders nicht möglichen - Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt bei einem mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger eine Versagung rechtlichen Gehörs dar.
2. Nach § 124 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht - soweit nichts anderes bestimmt ist - aufgrund mündlicher Verhandlung; der Mündlichkeitsgrundsatz gewährt den Beteiligten grundsätzlich das Recht, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden.
3. Die mündliche Verhandlung, aufgrund der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig entscheiden, ist gleichsam das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens.
4. Sie dient dem Zweck, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen und mit ihnen den Streitstoff erschöpfend zu erörtern.
5. Wird einem Beteiligten ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen.
Normenkette:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
,
SGG § 62
,
GG Art. 103 Abs. 1
,
SGG § 124 Abs. 1
Vorinstanzen: LSG Hessen 09.02.2017 L 1 KR 107/16 ZVW , SG Gießen 09.07.2014 S 9 KR 55/13
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Entscheidungstext anzeigen: