Rückforderung des Geschenks wegen Notbedarfs nach dem Tode des Schenkers; Überleitung des Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe
Tatbestand:
Der Beklagte und seine Mutter waren in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer des Hausgrundstücks S., H.straße 49. Durch
notariellen Vertrag vom 9. Dezember 1973 "übertrug" die Mutter des Beklagten diesem "im Wege der Teilerbauseinandersetzung"
und "im Wege vorweggenommener Erbfolge schenkweise den ihr zustehenden Miteigentumsanteil an den Grundstücken ...", was der
Sohn "dankend" annahm. Er räumte der Mutter ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem gesamten Grundbesitz
ein; sie stellte ihn von der Inanspruchnahme aus dinglichen Belastungen frei.
Mitte Januar 1982 wurde die inzwischen pflegebedürftige Mutter des Beklagten in einem Altenheim aufgenommen. Der Kläger als
Sozialhilfeträger gewährte ihr ab 20. Januar 1982 Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Aufenthaltskosten von täglich 89,25
DM und leitete ihren Rentenanspruch in Höhe von 317,60 DM monatlich auf sich über. Mit Bescheid vom 24. Februar 1983 an den
Beklagten leitete der Kläger weiter nach § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) den Rückforderungsanspruch der Mutter gegen den Beklagten nach §
528
BGB auf sich über mit dem Hinweis, daß er berechtigt sei, "die gesamten Sozialhilfeaufwendungen ab Heimaufnahme zu fordern".
Widerspruch und Anfechtungsklage des Beklagten blieben erfolglos.
Der Beklagte meldete seine Mutter, die sich seit 15. November 1982 im Krankenhaus befand, ab 16. Februar 1983 bei dem Träger
des Altenheimes ab. Am 17. März 1983 verstarb die Mutter.
Der Kläger verlangt mit der Klage Zahlung restlicher Unterbringungskosten in Höhe von 16 697,64 DM vom Beklagten.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.
Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger einen auf ihn übergegangenen Anspruch nur unter denselben Voraussetzungen
geltend machen wie der Hilfeempfänger. Ob der Schenker bedürftig sei, bestimme sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung. Es komme nicht darauf an, ob bei der Schenkerin in der Vergangenheit Notbedarf vorgelegen
habe, der durch den Kläger befriedigt worden sei. Entscheidend sei, daß mit ihrem Tode ihr Bedarf - und damit die maßgebliche
Voraussetzung für den Herausgabeanspruch nach §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB - entfallen sei. Dieses Ergebnis sei sachgerecht; das Rückforderungsrecht solle den Schenker in die Lage versetzen, seinen
Unterhalt zu bestreiten. Diese Zweckbestimmung entfalle, wenn der Schenker sterbe, bevor der Anspruch durchgesetzt sei. Das
Ergebnis decke sich damit, daß auch der Rentenanspruch des §
528 Abs.
1 Satz 2
BGB mit dem Tode des Schenkers, mit Ausnahme der Nachforderung fälliger Ansprüche, erlösche (§§
528 Abs.
1 Satz 3 i.V.m. 1615 Abs.
1
BGB). Der Beklagte könne zudem sein Wahlrecht, die Herausgabe des Geschenkes durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen
Geldbetrages abzuwenden, nach dem Tode seiner Mutter nicht mehr ausüben. Es würde der inneren Sachgerechtigkeit entbehren,
wenn der Beschenkte, der nach dem Tode des Schenkers Unterhalt nicht mehr zu leisten brauche, verpflichtet bliebe, den Herausgabeanspruch
zu erfüllen.
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand:
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger mit der für die ordentlichen Gerichte bindenden Überleitung
des Anspruchs gegen den Beklagten in die etwaigen Rechte des Hilfeempfängers eingetreten ist, so, wie sie im Zeitpunkt der
Überleitung bestanden haben (BGHZ 94, 141, 142 m.N.).
2. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob dem Beklagten hier schenkweise ein Vermögenswert zugewendet worden ist. Davon
ist infolgedessen zugunsten des Klägers für die Revisionsinstanz auszugehen.
Rechtsgründe stehen dem nicht entgegen:
a) Die Zuwendung an den Beklagten durch den notariellen Vertrag vom 9. Dezember 1973 erfolgte zwar "im Wege der Teilerbauseinandersetzung"
und es steht den Miterben frei, die Art und Weise der Auseinandersetzung zu bestimmen, insbesondere einen der Miterben bei
der Verteilung der Nachlaßgegenstände, gemessen an seinem Anteil, zu bevorzugen. Allein der Umstand, daß die anderen Miterben
auf eine ihren Erbteilen entsprechende Berücksichtigung bei der Aufteilung des Nachlasses verzichten, rechtfertigt daher noch
nicht die Annahme einer Schenkung. Sie kann aber vorliegen, wenn die Miterben im Auseinandersetzungsvertrag eine Vereinbarung
über den Schenkungscharakter einer "Mehrzuwendung" treffen (vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht 2. Aufl. § 46 III 3 S. 783 f).
b) Der Unentgeltlichkeit der Zuwendung steht auch nicht entgegen, daß mit der Übertragung des Alleineigentums auf den Beklagten
gleichzeitig die Erbfolge nach der Miterbin Else N., der Mutter des Beklagten, vorweggenommen werden sollte (
BGB-RGRK/Mezger 12. Aufl. §
516 Rdn. 2).
3. a) Sachliche Voraussetzung für das Entstehen des Rückforderungsanspruchs nach §§
528 Abs.
1 Satz 1,
812
BGB ist das Unvermögen des Schenkers, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten (vgl. Staudinger/Reuss,
BGB 12. Aufl. §
528 Rdn. 3). Konnte die pflegebedürftige Schenkerin, was das Berufungsgericht offengelassen hat und was demgemäß für die Revisionsinstanz
ebenfalls zu unterstellen ist, die notwendigen Kosten der Heimunterbringung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten, so ist ein
Rückforderungsanspruch entstanden.
b) Der Anspruch ist auf Herausgabe des Geschenkes gerichtet, "soweit" der Schenker außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt
zu bestreiten. Ist der "geschenkte Gegenstand" nicht teilbar, wovon das Berufungsgericht hier ausgeht, richtet sich der Anspruch
aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB von vornherein auf Zahlung in Höhe des der Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertteiles des Geschenks (allgemeine
Meinung: vgl. Senat BGHZ 94, 141, 144 m.N.).
4. Der danach gemäß §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB als Zahlungsanspruch der Mutter des Beklagten entstandene Herausgabeanspruch gegen den Beklagten ist entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts nicht mit dem Tode der Mutter untergegangen.
a) Richtig ist, daß der Herausgabeanspruch aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB den Schenker in die Lage versetzen soll, seinen Unterhalt selbst zu bestreiten (vgl. Prot. II 22 f). Ob der Anspruch deswegen
immer Bedürftigkeit des Schenkers bei Schluß der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz voraussetzt (vgl. dazu RG
WarnRspr 1938 Nr. 117 und daran anschließend
BGB-RGRK/Mezger §
528 Rdn. 2; Erman/Seiler,
BGB 7. Aufl. §
528 Rdn. 2; MünchKomm/Kollhosser §
528 Rdn. 4; Soergel/Mühl,
BGB 11. Aufl. §
528 Rdn. 3; OLG Augsburg SeuffArch 65 Nr. 6), kann offenbleiben. Keinesfalls folgt daraus, daß der Anspruch in der Hand des Sozialhilfeträgers,
der ihn wegen der dem Schenker gewährten Hilfe auf sich übergeleitet hat, durch den Tod des Schenkers erlischt.
b) Auch wenn das Geschenk erst nach dem Tode des Schenkers und Sozialhilfeempfängers an den Träger der Sozialhilfe zurückgewährt
wird, bleibt der Zweck des Anspruchs aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB, das verschenkte Vermögen des bedürftig gewordenen Schenkers für dessen Unterhalt zu verwerten, gewahrt. Die Verwertung eines
solchen Anspruchs zur Befriedigung des Unterhaltsbedürfnisses des Schenkers ist gegenüber der Sozialhilfe grundsätzlich vorrangig.
Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst, etwa durch Einsatz seines Vermögens, helfen kann (§ 2 Abs. 1, vgl. auch §§ 11, 28
BSHG). Verpflichtungen anderer gegenüber dem Hilfeempfänger werden durch die Sozialhilfe nicht berührt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Der Sozialhilfeträger kann im Umfang der gewährten Hilfe die Ansprüche des Sozialhilfeempfängers gegen andere nach § 90
BSHG auf sich überleiten. Der so zu bewirkende Anspruchsübergang ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Anspruch nicht übertragen,
verpfändet oder gepfändet werden kann (§ 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG). Dies bedeutet, daß der Sozialhilfeträger, der Hilfe gewährt, obwohl dem Hilfeempfänger ein Anspruch gegen einen Dritten
zusteht, damit für diesen Dritten nur in Vorlage getreten ist. Dadurch, daß er den durch die Hilfeleistung nicht berührten
Anspruch gegen den Dritten auf sich überleitet und durchsetzt, erlangt er die Erstattung seiner Hilfeleistung.
Mit dieser Nachrangigkeit der Sozialhilfe, insbesondere auch mit der Zweckbestimmung des § 90
BSHG, ist die Annahme unvereinbar, der hier auf den Kläger übergeleitete Herausgabeanspruch nach §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB erlösche trotz der Überleitung mit dem Tode des Hilfeempfängers, des Schenkers (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 887, 889 unter 8 b bb). Die öffentliche Hand müßte dann Aufwendungen endgültig tragen, die sie nicht hätte erbringen müssen,
wenn der Schuldner des Hilfeempfängers seiner Verpflichtung rechtzeitig nachgekommen wäre. Der Schuldner hätte die Möglichkeit,
sich seiner Verpflichtung dadurch, daß er ihre Erfüllung lange genug verzögert, endgültig zu entziehen.
c) Ein solches Ergebnis läßt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen,
daß der Beschenkte nach dem Tode des Schenkers seine Befugnis, die Herausgabe des Geschenks durch Zahlung einer Unterhaltsrente
abzuwenden, nicht mehr ausüben könne,.und daß ein Rentenanspruch mit Ausnahme fälliger Ansprüche erlösche (§
528 Abs.
1 Satz 1 und
2, §§
760,. 1615 Abs.
1
BGB). Für die Ersetzungsbefugnis des §
528 Abs.
1 Satz 2
BGB ist kein Raum, wenn der Anspruch wie hier von vornherein auf Zahlung für einen abgeschlossenen Zeitraum der Unterhaltsbedürftigkeit
gerichtet ist (BGHZ 94, 141, 144). Davon abgesehen ist aus der differenzierenden, einen Rentenanspruch betreffenden Regelung des §
528 Abs.
1 Satz 2 und
3 i.V.m. §
1615 Abs.
1
BGB nichts für den auf eine einmalige Zahlung gerichteten Anspruch aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB herzuleiten. Es kann auch schwerlich rechtens sein, daß der Beschenkte die Erfüllung des Herausgabeanspruchs (§
528 Abs.
1 Satz 1
BGB) verweigert, seine Entscheidung über die Ausübung einer Ersetzungsbefugnis nach §
528 Abs.
1 Satz 2
BGB und damit die Begründung einer Rentenzahlungspflicht solange wie möglich hinauszögert, und so seine Zahlungspflicht möglichst
gering hält.
III. Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehenbleiben. Für eine abschließende Entscheidung des Senats ist die Sache
wegen der Notwendigkeit weiterer tatsächlicher Feststellungen noch nicht reif. Der Rechtsstreit ist deswegen an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.