Erstattung von Kosten der Behandlung durch einen in Italien zugelassenen Zahnarzt im Inland
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit steht die Erstattung von Kosten der Behandlung des Klägers durch einen in Italien zugelassenen Zahnarzt im Inland.
Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger reichte bei der KK am 19.4.2016 einen Heil- und Kostenplan der
Zahnärztin O ein. Die KK erklärte sich bereit, den Festzuschuss zu übernehmen. Der Kläger ließ die Behandlung dann aber nicht
von der Zahnärztin O, sondern von K durchführen, einem in M (Italien) niedergelassenen Zahnarzt. Die Behandlung erfolgte in
F. Zuvor hatte der Kläger der KK eine Information zugeschickt, in der eine solche Behandlung durch einen namentlich nicht
näher genannten Zahnarzt in F und eine anschließende Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung beschrieben
war, woraufhin die KK dem Kläger mitgeteilt hatte, ein solches Verfahren nicht zu akzeptieren. Mit seinem Begehren auf Zahlung
des Festzuschusses ist der Kläger bei der KK und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner
Entscheidung ausgeführt, K sei kein in Deutschland zugelassener Leistungserbringer. Auch Europarecht gebiete keine Einbeziehung
des ausländischen Zahnarztes für eine Behandlung im Inland (Urteil vom 15.7.2021).
Mit seiner Beschwerde wendet sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht schlüssig dargelegt. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig
und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 -
1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Der Kläger formuliert folgende Rechtsfrage:
"1. Bedarf ein Zahnarzt mit anerkannter Berufsqualifikation, der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union
niedergelassen ist und sich zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung seines Berufes ohne Begründung einer Niederlassung
als Dienstleister gemäß Artikel 56 ff. AEUV in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 und 2, Artikel 6, 1. Satz sowie Artikel 6 Absatz 1a) des Titel II ("DIENSTLEISTUNGSFREIHEIT") der Richtlinie 2005/36/EG vom 7. September 2005 in die Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat begibt und, nachdem er eine Meldung nach
Artikel 7 dieser Richtlinie vorgenommen hat, zugunsten von Sozialversicherten tätig wird, in Deutschland
(1) einer Eintragung in ein Zahnarztregister (§ 3 Zahnärzte-ZV) oder einer weiteren Antragstellung, Zulassung oder Ermächtigung durch einen nationalen Zulassungsausschuss gemäß §
95 Absatz
3 und
4 SGB V in Verbindung mit § 31 Absatz 5 und 6 Zahnärzte-ZV (i. V. m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2, 7 Abs, 1 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte, BMV-Z) oder ist er hiervon nach dieser EU-Richtlinie befreit?
(2) Hat ein solcher Zahnarzt nach Artikel 6 Absatz 1b) der Richtlinie 2005/36/EG für bei einem Sozialversicherten erbrachte zahnärztliche Leistungen einen direkten Vergütungsanspruch gegenüber einem Versicherer
(gesetzliche Krankenversicherung) oder ist für ihn §
85 (1)
SGB V anzuwenden?"
2. Der Kläger zeigt jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht auf. Er legt insbesondere nicht schlüssig dar, warum
Zweifel an der Europarechtskonformität der Regelungen in § 31 Abs 5 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) und § 7 BMV-Z bestehen sollten, die - in Umsetzung der von ihm genannten Richtlinie 2005/36/EG - eine Ermächtigung von Zahnärzten aus Mitgliedstaaten der EU zur Erbringung von Dienstleistungen ohne Niederlassung in der
Bundesrepublik Deutschland und ohne Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung (und damit auch ohne Mitgliedschaft in der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, vgl §
95 Abs
3 SGB V) vorsehen. Der Kläger setzt sich weder mit den Voraussetzungen einer solchen Ermächtigung noch mit den diesbezüglichen europarechtlichen
Vorgaben näher auseinander (vgl insbesondere Art 6 Abs 1 Buchst a und Art 7 der Richtlinie 2005/36/EG; vgl dazu auch Bogan in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.9.2022, § 8 BMV-Ä RdNr 1 ff). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, der Zulassungsausschuss verlange für die Erteilung einer Ermächtigung
eine Antragsgebühr und den Nachweis eines festen Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland, legt er nicht dar, inwiefern
diese Anforderungen von § 7 BMV-Z gedeckt sein sollten.
Hinsichtlich der Frage, gegen wen sich der Vergütungsanspruch des von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machenden Zahnarztes
richtet, fehlt es zudem an einer Auseinandersetzung mit den Regelungen in § 7 Abs 2 und § 22 BMV-Z.
3. Außerdem zeigt der Kläger auch die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der von ihm aufgeworfenen Fragen nicht
auf. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen.
Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit
Bindungswirkung für das BSG (§
163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN). Dem wird der Kläger nicht gerecht.
Der Kläger legt nicht dar, warum sich der Senat mit der aufgeworfenen Frage überhaupt befassen müsste.
a) Der Kläger macht einen Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 SGB V geltend. Ein solcher Anspruch setzt nach der ständigen Rspr des BSG eine Kostenbelastung voraus (vgl zB BSG vom 26.2.2019 - B 1 KR 33/17 R - RdNr 45 mwN; BSG vom 26.9.2017 - B 1 KR 6/17 R - RdNr 28; BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 ff). Erforderlich ist insofern, dass der Kläger aufgrund von Behandlungsverträgen mit dem behandelnden Zahnarzt rechtswirksam
Vergütung in der geltend gemachten Höhe schuldete. Dies hängt davon ab, ob diese als zahnärztliche Leistungen dem Anwendungsbereich
der Gebührenordnung für Zahnärzte - GOZ (§ 1 Abs 1 GOZ) unterfallen, etwa weil sie ambulant erbracht wurden oder bei einer stationären Behandlung ein totaler Krankenhausvertrag
mit Arztzusatzvertrag oder ein gespaltener Arzt-Krankenhaus-Vertrag geschlossen wurde (vgl zur Gebührenordnung für Ärzte BSG vom 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 29 sowie BGH vom 14.1.2016 - III ZR 107/15 - NJW 2016, 3027 RdNr 22 ff). Zudem begründeten in diesem Fall die Rechnungen die Fälligkeit der Vergütung nur dann, wenn sie - ggf durch Bezugnahme auf
die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschläge - die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 10 Abs 2 bis 4 GOZ erfüllten (vgl BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 mwN; BSG vom 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 29; BGH vom 21.12.2006 - III ZR 117/06 - BGHZ 170, 252, 257). Der Kläger setzt sich damit nicht auseinander. Er legt insbesondere nicht dar, dass diese Voraussetzungen nach den Feststellungen
des LSG vorliegen. Hierzu hätte indes schon deswegen Veranlassung bestanden, weil erhebliche Zweifel bestehen, dass die vom
Kläger zu den Akten gereichte Rechnung vom 6.6.2016 die formalen Anforderungen nach § 10 Abs 2 bis 4 GOZ erfüllt.
b) An Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen fehlt es auch insofern, als der Kläger selbst geltend macht,
der ihn behandelnde Zahnarzt sei aufgrund der Dienstleistungsfreiheit "zur direkten Abrechnung mit den Versicherern von Sozialversicherten"
berechtigt. Woraus sich vor diesem Hintergrund die Berechtigung des K ergeben sollte, den Festzuschuss unmittelbar gegenüber
dem Kläger abzurechnen, legt der Kläger nicht dar (vgl §
87 Abs
1a Satz 7
SGB V iVm §
7 Abs
2 und §
22 BMV-Z sowie §
55 Abs
5 SGB V).
c) Der Kläger legt schließlich auch nicht dar, dass nach den Feststellungen des LSG in Bezug auf den von K eingegliederten
Zahnersatz ein genehmigter Heil- und Kostenplan vorlag (vgl zum Erfordernis auch bei Behandlungen im EU-Ausland BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 19/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 21 RdNr 21). Näherer Darlegungen hierzu hätte es aber schon deswegen bedurft, weil ausweislich des bei den Verwaltungsakten der Beklagten
befindlichen Heil- und Kostenplans der Zahnärztin O vom 19.4.2016 Zahnersatz der Firma "I" (wohl I GmbH in E) eingegliedert
werden sollte, der Kläger aber eine Rechnung der Firma M mit Sitz in Mallorca vorgelegt hat (zur Erforderlichkeit von Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes im Heil- und Kostenplan vgl §
87 Abs
1a Satz 3
SGB V).
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.