Abgrenzung der Schenkung unter Lebenden von der Schenkung von Todes wegen
Tatbestand:
Die am 20. Oktober 1973 verstorbene Maria B. (Erblasserin) wurde von ihren Geschwistern Otto B. und Hedwig H. allein beerbt.
Alleinerben des am 14. August 1977 nachverstorbenen Otto B. sind dessen Kinder, die Kläger.
Die Erblasserin war Eigentümerin eines 10,6970 ha großen landwirtschaftlichen Anwesens; sie hatte keine eigenen Kinder, behandelte
aber die beiden Beklagten als ihre Pflegesöhne. Bereits aufgrund notariellen Übergabevertrages vom 25. April 1967 übertrug
die Erblasserin das Anwesen auf den Beklagten zu 1). Am 4. Februar 1972 unterschrieb sie eine Erklärung, die ihr der Beklagte
zu 1) vorgelegt hatte und in der es heißt:
"Ich bestätige meinem Pflegesohn ... (Beklagter zu 1) im Falle meines Ablebens, daß er nach meinem Tod über meine Sparkassen-
und Bankkonten, sowie Guthaben in Lagerhäusern und Milchhof frei verfügen kann."
Die Erblasserin unterhielt Sparkonten bei der Kreissparkasse A. und bei der Volksbank V. die bei ihrem Tod Guthaben von 59.298,80
DM und 56.954,61 DM aufwiesen. Der Beklagte zu 1) ließ diese nach dem Tode der Erblasserin aufgrund der Vollmacht auf seinen
Namen umschreiben. Er trat den Gesamtbetrag schriftlich am 14. Februar 1974 in Höhe von 84.000,- DM und nach Erhebung der
Klage gegen den Beklagten zu 1) am 7. Oktober 1976 in Höhe von 35.000,- DM nebst Zinsen and den Beklagten zu 2) ab. Otto B.
hatte die Vollmacht der Erblasserin am 4. Februar 1972 durch Anwaltsschreiben vom 16. März 1976 widerrufen lassen.
Die Erben der am 24. September 1976 nachverstorbenen Hedwig H. haben auf ihre Anteile an dem Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits
zugunsten der Kläger "verzichtet".
Mit der Klage verlangen die Kläger noch samtverbindliche Zahlung von 116.253,41 DM nebst Zinsen an sich, hilfsweise Hinterlegung
zugunsten der Erbengemeinschaft nach Maria B. Das Landgericht hat dem Hauptantrag im wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung
der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und - unter Klageabweisung im übrigen - den
Beklagten zu 1) zur Zahlung von 32.253,41 DM nebst Zinsen und den Beklagten zu 2) zur Zahlung von 84.000,- DM nebst Zinsen
an die Kläger verurteilt. Mit ihren Revisionen erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten zu 1) hat keinen Erfolg. Diejenige des Beklagten zu 2) führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu seinem Nachteil erkannt ist.
I. 1. Das Berufungsgericht hält die Kläger für berechtigt, Zahlung des umstrittenen Betrages an sich zu verlangen, obwohl
sie nicht die einzigen Mitglieder der Erbengemeinschaft sind. Diese Auffassung läßt sich nicht auf die vom Berufungsgericht
angeführte Vorschrift des §
2039
BGB stützen; nach dieser Vorschrift kann zwar jeder Miterbe die zum Nachlaß gehörenden Ansprüche allein geltend machen, er kann
aber grundsätzlich nicht Leistung an sich, sondern nur an alle Erben fordern. Indessen will das Berufungsgericht dem Urteil
des Landgerichts folgen. In diesem ist rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Erbengemeinschaft in Bezug auf die Klageansprüche
auseinandergesetzt ist und daß diese Ansprüche an die Kläger abgetreten sind.
2. Der Beklagte zu 2) hat von der Erblasserin vor den Arbeitsgerichten Vergütung für seine langjährige Mitarbeit auf dem Hof
verlangt. Er hat diese Klage schließlich im Jahre 1971 zurückgenommen. Die Behauptung der Beklagten, sie hätten sich seinerzeit
mit der Erblasserin dahin geeinigt, der Beklagte zu 2) solle die Guthaben der Erblasserin ("gerade") als Ausgleich für die
von ihm aufgegebenen Lohnansprüche erhalten, hält das Berufungsgericht für widerlegt. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge
hat der Senat geprüft, aber für unbegründet befunden. Von einer Begründung wird gemäß § 565a
ZPO abgesehen.
3. Das Berufungsgericht hält es für möglich, daß die Erblasserin dem Beklagten zu 2) eine entsprechende Schenkung versprochen
habe, damit er gegenüber seinem Bruder, dem Beklagten zu 1), nicht benachteiligt sei. Dabei läßt es offen, ob es sich um eine
(auf den Tod der Erblasserin befristete) Schenkung unter Lebenden (§
518
BGB) oder um eine solche von Todes wegen, also unter Lebensbedingung (§
2301
BGB), habe handeln sollen. Eine nähere Aufklärung hält das Berufungsgericht nicht für erforderlich, offenbar deshalb, weil das
Schenkungsversprechen formnichtig sei. Eine Schenkung an den Beklagten zu 1) schließt das Berufungsgericht aufgrund rechtsfehlerfreier
Feststellungen aus.
Sofern es sich um eine Versprechensschenkung im Sinne von §
518
BGB handelt, zu der das Berufungsgericht anscheinend neigt, wäre eine solche im Hinblick auf §
518 Abs.
1,
125 Satz 1
BGB, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, in der Tat zunächst formnichtig gewesen. Das Berufungsgericht hat aber, wie
die Revision mit Recht rügt, nicht hinreichend geprüft, ob der Mangel der Form nicht gemäß §
518 Abs.
2
BGB durch Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt worden ist. Die Prüfung des Berufungsgerichts, ob die Voraussetzungen
des §
518 Abs.
2
BGB erfüllt sind, stehen in engem Zusammenhang mit seiner Prüfung der Voraussetzungen des §
2301 Abs.
2
BGB. Dabei ist verkannt, daß sich die Voraussetzungen beider Vorschriften nicht völlig decken (vgl. z.B. Senatsurteile vom 17.9.1986
- IVa ZR 13/85 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; vom 5.3.1986 - IVa ZR 141/84 = NJW 1986, 2107, 2108; vom 11.1.1984 - IVa ZR 30/82 = FamRZ
1985, 693). Nach dieser Rechtsprechung kann es - anders als bei §
2301
BGB - für eine Heilung gemäß §
518 Abs.
2
BGB ausreichen, wenn der Versprechensempfänger selbst die Leistung an sich mit Hilfe einer Vollmacht des Erblassers noch nach
dessen Tod bewirkt. Erst recht muß die Leistung durch einen dritten Bevollmächtigten (hier: den Beklagten zu 1) an den Versprechensempfänger
(hier: den Beklagten zu 2) die Heilung herbeiführen können. Der Grund für die unterschiedliche Behandlung der Fälle des §
2301
BGB einerseits und des §
518
BGB andererseits liegt darin, daß das Gesetz nur die Schenkung unter Überlebensbedingung (Schenkung von Todes wegen) nach Maßgabe
des §
2301
BGB den Vorschriften des Erbrechts unterwirft, nicht aber die Schenkungen unter Lebenden; deren Vollzug regelt sich ausschließlich
nach den für sie geltenden Regeln. Für sie bewirkt der Tod des Schenkers keine prinzipielle Zäsur, und zwar selbst dann nicht,
wenn die Schenkung auf den Tod des Schenkers befristet ist. Daher kann eine vom Schenker formlos versprochene Leistung mit
den Folgen des §
518 Abs.
2
BGB auch noch nach seinem Tod von seinen Erben oder - aufgrund postmortaler Vollmacht - von einem Vertreter für diese bewirkt
werden. Auch insoweit rücken die Erben durch die Universalsukzession in die Rechtsposition des Erblassers ein.
Allerdings setzt die Heilung einer formnichtigen Versprechensschenkung (unter Lebenden) der Erblasserin an den Beklagten zu
2) gemäß §
518 Abs.
2
BGB voraus, daß die (formnichtige) Einigung über die versprochene Schenkung bei der Bewirkung der Leistung noch fortbestand,
also nicht etwa von den Erben widerrufen war. Da ist hier nicht anders als in den Fällen der Heilung gemäß §
313 Satz 2
BGB (vgl. BGHZ 82, 398, 405 und ständig).
4. Ob es sich allerdings überhaupt um eine Schenkung unter Lebenden handelt, wird das Berufungsgericht noch besonders zu prüfen
haben.
Bei der Prüfung der Frage, ob es sich nicht um eine Schenkung von Todes wegen handelt, wird der Tatrichter allerdings nicht
engherzig verfahren dürfen. Vielmehr wird zu beachten sein, daß eine Schenkung von Todes wegen erfahrungsgemäß vielfach auch
dann gewollt ist, wenn der Erblasser nicht ausdrücklich eine Überlebensbedingung im Sinne von §
2301 Abs.
1
BGB erklärt. So wird es nicht selten sein, wenn der Erblasser einer bestimmten Person für die Zeit nach seinem Tode eine Zuwendung
verspricht und dafür besondere Gründe gerade in der Person des Versprechensempfängers hat. In diesem Zusammenhang muß auch
bedacht werden, daß die Anwendung der Vorschriften über die Verfügung von Todes wegen vom Tatrichter nicht zu weit zurückgedrängt
werden dürfen.
II. Dagegen hat die Revision des Beklagten zu 1) keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hält den Beklagten zu 1) gemäß §§
812 Abs.
1,
818 Abs.
4,
819 Abs.
1
BGB für verpflichtet, 32.253,41 DM nebst Zinsen an die Kläger zurückzuzahlen. Dabei geht es rechtsfehlerfrei davon aus, daß es
im Verhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beklagten zu 1) weder zu einer Schenkung noch zu einem Auftrag gekommen ist.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Wie das Berufungsgericht zutreffend anerkannt hat, kann der Beklagte zu 1) sich
schon deshalb nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil der Herausgabeanspruch im Zeitpunkt der Abtretung vom 7.
Oktober 1976 bereits rechtshängig war. Außerdem hatte Otto B. die Vollmacht der Erblasserin bereits mit Schreiben vom 16.
März 1976 widerrufen lassen; dem haben die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft spätestens mit der Abtretung der Klageforderung
an die Kläger zugestimmt.