Rechtsweg für Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Rückgewähr ohne Rechtsgrund geleisteter Sozialhilfe
Tatbestand:
Die klagende Stadt verlangt vom Beklagten Rückzahlung von Sozialhilfe, die seiner am 24. Februar 1981 verstorbenen Tante Anna
St gewährt wurde. Diese Tante war zu 3/8 Miteigentümerin eines Einfamilienhauses in der klagenden Stadt; sie bewohnte es zusammen
mit ihrer Schwester, deren Ehemann und dem Beklagten. Die Schwester und ihr Ehemann wohnen noch heute in dem Haus.
Am 16. März 1977 wurde die Tante des Beklagten in ein Städtisches Altersheim eingewiesen. Von diesem Zeitpunkt ab bezog sie
Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz in Form von Pflegekosten, Bekleidungsbeihilfe, Weihnachtsbeihilfe und Taschengeld. Diese Leistungen wurden nur zum Teil durch
ein von der Klägerin auf sich übergeleitetes Altersruhegeld der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gedeckt.
Am 14. Dezember 1978 schloß die Klägerin mit dem der Tante zur Regelung ihrer Vermögensangelegenheiten bestellten Pfleger
einen Vertrag, nach dem sie der Tante monatlich 938,50 DM Hilfe zur Pflege gemäß § 89
BSHG darlehensweise gewährte. Dieser Darlehensvertrag wurde nicht durch das Vormundschaftsgericht genehmigt.
Die Klägerin hat den Beklagten zunächst auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 45.694,09 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, der Darlehensvertrag sei mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung unwirksam; er hat
hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch aufgerechnet, den er aus dem Verhalten des in den Diensten der Klägerin stehenden
Vermögenspflegers herleitet.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung
stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die
klagende Stadt ihr Klagebegehren in Höhe von 24.512,72 DM nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin führt zur Teilaufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Verweisung der Sache an das zuständige
Verwaltungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 21.181,37 DM deshalb abgewiesen, weil die Klägerin insoweit
bereits vor dem Abschluß des Darlehensvertrages geleistete Sozialhilfe zurückfordere, die nicht in einem Zusammenhang mit
dem geschlossenen Vertrag stehe. Im übrigen sei der Darlehensvertrag mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung unwirksam.
Ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung stehe der Klägerin nicht zu, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß
die Leistungen der Klägerin "auch nach dem 14.12.1978 nach wie vor nach dem BSHG als rechtlichen Grund erfolgten, weil lediglich eine Umwandlung in eine Darlehensgewährung beabsichtigt war, die mangels
vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung des Vertrages fehlgeschlagen ist".
Diese Entscheidung hält in der Frage des beschrittenen Rechtsweges revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. Die Klage ist unzulässig. Für den geltend gemachten Anspruch ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben.
1. Ohne rechtlichen Grund gezahlte Sozialhilfe rechtfertigt im Regelfall einen öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch,
über dessen Bestehen im Streitfall nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben.
Wird die Sozialhilfe nach § 89
BSHG als Darlehen gewährt, so hängen die Rechtsnatur des Rückzahlungsanspruchs und der Rechtsweg für Streitigkeiten über sein
Bestehen und seine Höhe von der Form ab, in der das Darlehen gewährt worden ist (vgl. OVG Bremen, Beschluß vom 11. September
1985 - 2 B 89/85 = FEVS 35, 56, 57 f.). Dafür kommen drei Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht (Oestreicher, BSHG, Stand: 1986, § 15 b Rn. 6):
- Über die Gewährung der Sozialhilfe und ihre Höhe wird durch Verwaltungsakt entschieden, über die Durchführung aber ein privatrechtrechtlicher
Vertrag geschlossen; in diesem Fall haben über die Erfüllung der Vertragspflichten die Zivilgerichte zu entscheiden (vgl.
auch Oestreicher § 89 Rn. 4; § 30 Rn. 6).
- Die Darlehensbedingungen werden nach § 32
SGB X als Nebenbestimmungen zu dem gewährenden Verwaltungsakt festgelegt; in diesem Fall sind die Vertragspflichten im Wege der
Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen und über den Rechtsschutz entscheiden die Verwaltungsgerichte.
- Sozialhilfeträger und Hilfebedürftige schließen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Auch über dessen Abwicklung wird im
Verwaltungsrechtsweg entschieden.
In der Literatur wird allerdings auch die Auffassung vertreten, die inzwischen in Rechtsprechung und Literatur eingetretene
Entwicklung lasse den Schluß zu, daß ein Vertrag über die Gewährung von Sozialhilfe in Form eines Darlehens insgesamt dem
öffentlichen Rechtszug zuzuordnen sei (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 12. Aufl.1985, § 30 Rn. 10) und daß dementsprechend für Streitigkeiten über den Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens die Verwaltungsgerichte
zuständig seien (aaO. Rn. 11).
2. Wie die Gewährung von Sozialhilfe an die Tante des Beklagten in diesem Rahmen rechtlich zu beurteilen ist, bedarf jedoch
keiner Entscheidung; denn die Klägerin stützt den von ihr geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht auf Darlehensgewährung.
Beide Parteien stimmen nunmehr darin überein, daß der zwischen der Klägerin und dem Pfleger der Tante des Beklagten geschlossene
Darlehensvertrag mangels vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung nicht wirksam geworden ist. Unter diesen Umständen ist der
von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr ohne Rechtsgrund gewährter Sozialhilfe aber in jedem Falle öffentlich-rechtlicher
Natur und vor den Verwaltungsgerichten einzufordern.
Dieser Rückgewähranspruch setzt nämlich - wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch (zu ihm insoweit BGH, Urteil vom 3.
Juni 1958 - VIII 51/57 = LM
BGB §
812 Nr. 33) - nicht nur voraus, daß der Rechtsgrund nicht bestand, den der Leistende sich vorgestellt hat. Vielmehr führt die
Unwirksamkeit des Darlehensvertrages - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - auch dann nicht zu einem Rückgewähranspruch
der Klägerin, wenn ihre zur Vertragserfüllung erbrachten Leistungen ihren rechtfertigenden Grund unabhängig von dem Darlehensvertrag
in den gesetzlichen Bestimmungen des BSHG fanden. Denn eine ungerechtfertigte Bereicherung ist nur gegeben, wenn für eine Leistung objektiv kein rechtfertigender Grund
vorliegt. Einen solchen rechtfertigenden Grund können aber auch die gesetzlichen Leistungsvorschriften des BSHG bilden.
Setzt der Anspruch auf Rückgewähr im Rahmen des BSHG gewährter Leistungen somit immer voraus, daß kein Leistungsanspruch nach dem BSHG bestand, so handelt es sich dabei stets um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Inwieweit er durch Leistungsbescheid
oder durch Klage geltend zu machen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Zuständig sind in jedem Falle die Verwaltungsgerichte.
Dies ist auch sachgerecht; denn es geht hier nicht um die Abwicklung eines möglicherweise zivilrechtlichen Vertrages; im Mittelpunkt
der Prüfung steht vielmehr die - auch sonst in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fallende - Frage, ob die Voraussetzungen
eines Leistungsanspruchs nach dem BSHG gegeben sind. Dieser überwiegende Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs nötigt dazu, den Verwaltungsrechtsweg jedenfalls dann
zu bejahen, wenn der Problemkreis der ungerechtfertigten Bereicherung - wie hier - mit dem der öffentlich-rechtlichen Ansprüche
auf Gewährung von Sozialhilfe derart verbunden ist, daß eine getrennte Betrachtung dem Streitverhältnis nicht gerecht werden
würde (so für den - umgekehrten - Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen aus Amtshaftung und - öffentlich-rechtlicher -
culpa in contrahendo Senatsurteil BGHZ 43, 34, 40 f.).
Für dieses Ergebnis spricht überdies der Gesichtspunkt, daß auch für den Streit über eine Verpflichtung des Sozialhilfeträgers,
(nur oder jedenfalls) ein Darlehen zu gewähren, die Verwaltungsgerichte zuständig sind, weil bei dieser Frage der Sozialhilfeträger
zunächst durch Verwaltungsakt entscheidet (vgl. Oestreicher, aaO. § 15 b Rn. 6).
Der Gesichtspunkt, daß sich mitunter erst im Lauf eines Prozesses herausstellt, daß der geschlossene Darlehensvertrag unwirksam
ist, und deshalb zu prüfen ist, ob die zu seiner Erfüllung geleisteten Zahlungen unmittelbar in den Vorschriften des Sozialhilfegesetzes
ihren Rechtsgrund finden, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Es ist auch in anderen Zusammenhängen denkbar und kommt
vor, daß eine Partei oder beide erst im Lauf eines Prozesses feststellen, daß im falschen Rechtsweg geklagt worden ist.
Mit dem Verhältnis von Ansprüchen aus Amtshaftung und culpa in contrahendo bei Anbahnung oder Abschluß eines öffentlich-rechtlichen
Vertrages, für die der Senat bei engem Zusammenhang die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges angenommen hat (zuletzt
Senatsurteil vom 3. Oktober 1985 - III ZR 60/84 = DVBl 1986, 409), läßt das Verhältnis zwischen Vertragsanspruch und Bereicherungsanspruch sich nicht vergleichen. Umgekehrt ist hier das
Verhältnis eher vergleichbar demjenigen zwischen Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichem Vertrag und aus culpa in contrahendo,
für die der Senat die Zulässigkeit einmal des Verwaltungsrechtsweges und im anderen Fall des ordentlichen Rechtsweges bejaht
hat (Senatsurteil BGHZ 43, 34, 40 f.).