Blindengeld als Einkommen i. S. der PKH
1. Auch wenn das Blindengeld nach dem Thüringer Gesetz über das Blindengeld (ThürBliGG), das insoweit die Blindenhilfe nach
§ 67 BSHG verdrängt, eine Sozialhilfeleistung darstellt, ergibt sich daraus jedoch nicht zwangsläufig, dass es bei der Feststellung
des auf die Prozesskosten einzusetzenden Einkommens, §
115 Abs.
1 ZPO, außer Betracht zu lassen ist. Da sich in §§
114 ff.
ZPO kein Verweis auf § 76 Abs. 1 BSHG und die Anwendung dieser Bestimmung findet, stellt im Rahmen der Prozesskostenhilfe das Blindengeld vielmehr Einkommen dar,
von dem die weiteren in §
115 Abs.
1 Satz 3 Nr.
2 bis
4 ZPO genannten Abzüge vorzunehmen sind.
2. Die Blindenhilfe nach dem Thüringer Gesetz über das Blindengeld stellt nach § 1 Abs. 1 ThürBliGG einen Ausgleich der durch
die Blindheit bedingten Mehraufwendungen dar, so dass sie letztlich doch vom Einkommen abzuziehen sind, weil nach §§
115 Abs.
1 Satz 2 Nr.
4 ZPO,
1610a BGB zu vermuten ist, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistung.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers, die sich darauf stützt, daß das an ihn gezahlte Blindengeld nicht in die Berechnung der
Prozeßkostenhilferaten einzubeziehen sei, ist gemäß §
127 Abs.
2
ZPO zulässig und führt in der Sache zum Erfolg.
Zwar stellt das Blindengeld nach dem Thüringer Gesetz über das Blindengeld (ThürBliGG), das insoweit die Blindenhilfe nach
§ 67
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) verdrängt, eine Sozialhilfeleistung dar, jedoch ergibt sich allein daraus nicht zwangsläufig, es bei der Feststellung des
auf die Prozeßkosten einzusetzenden Einkommens (§
115 Abs.
1
ZPO) außer Betracht zu lassen.
Der Gesetzgeber geht - trotz bereits geführten Meinungsstreits in Rechtsprechung und Literatur - auch nach dem Prozeßkostenhilfeänderungsgesetz
vom 10.10.1994 von unterschiedlichen Einkommensbegriffen im Prozeßkostenhilferecht (§
115 Abs.
1 Satz 2
ZPO) und im Sozialhilferecht (§ 76 Abs. 1
BSHG) aus.
Entgegen dem sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff sind bei der Berechnung des für die Prozeßkostenhilfe relevanten Einkommens
gemäß §
115 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1
ZPO zunächst nur Abzüge im Rahmen des § 76 Abs. 2, 2 a
BSHG vorzunehmen. Ein Verweis auf § 76 Abs. 1
BSHG und die Anwendung dieser Bestimmung findet sich in den §§
114 ff
ZPO nicht.
Damit kann das Blindengeld nicht von vornherein unberücksichtigt gelassen werden, wie der Antragsteller meint. Es stellt vielmehr
Einkommen dar, von dem die weiteren in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr.
2 bis
4
ZPO genannten Abzüge vorzunehmen sind.
Gleichwohl kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
Abgesehen davon, daß das Familiengericht bei der Berechnung der Ratenhöhe von den im Schriftsatz des Antragstellers vom 08.05.1998
genannten Belastungen ausgegangen ist, ohne daß entsprechende Belege (§
117 Abs.
2
ZPO) vorlagen, hat es die Bestimmung des §
115 Abs.
1 Satz 3 Nr.
4, 2. Halbsatz
ZPO nicht beachtet, wonach für weitere Belastungen §
1610 a
BGB entsprechend gilt.
Blindenhilfe stellt nach § 1 Abs. 1 ThürBliGG - auch wenn sie ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen gezahlt wird - einen
Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen dar, so daß sie letztlich doch vom Einkommen abzuziehen ist,
weil gemäß §
1610 a
BGB zu vermuten ist, daß die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistung.
Zumindest zuungunsten der Partei, die Prozeßkostenhilfe begehrt, kann daher im Rahmen der Entscheidung über die Ratenhöhe
- entsprechend dem Willen des Gesetzgebers - eine Feststellung der Höhe tatsächlicher Mehraufwendungen nicht erfolgen.
Insoweit hat auch der Beschluß des OLG Saarbrücken vom 06.06.1988 - 6 WF 45/88 - (FamRZ 1988, 1183), in dem der Gedanke des § 76 Abs. 1
BSHG herangezogen und eine Schätzung des Mehrbadarfs eines Blinden vorgenommen wurde, nach dem Prozeßkostenhilfeänderungsgesetz
keine ausschlaggebende Bedeutung mehr.
Letztlich war dem Antragsteller ratenfreie Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, da ihm nach Abzug des Freibetrages (§
115 Abs.
1 Satz 3 Nr.
2
ZPO), des Blindengeldes und der weiteren nachgewiesenen Belastungen kein Einkommen verbleibt, das er nach §
115 Abs.
1 Satz 4
ZPO auf die Prozeßkosten einzusetzen hätte.