Sozialhilferecht: Laufende Leistungen für die Fußpflege als Hilfe zur Pflege
Gründe:
Die Klägerin hat Anspruch auf den begehrten Betrag von 30,-- DM monatlich für ihre Fußpflege nicht als Krankenhilfe gemäß
§ 37 BSHG. Das war zwischen den Beteiligten ursprünglich unstrittig. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte aber einen solchen Anspruch
im Hinblick auf die körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin erwogen und dabei gleichzeitig betont, dass jedenfalls etwaige
Leistungen der Krankenkasse vorrangig wären. Die von der Klägerin darauf angeschriebene (gesetzliche) Krankenkasse (DAK) hat
mit Schreiben vom 22. September 1998 mitgeteilt, dass eine medizinische Fußpflege nach den anzuwendenden Richtlinien nicht
zu der kassenärztlichen Versorgung zähle. Im vorliegenden Fall scheitert ein Anspruch der Klägerin auch auf Krankenhilfe gemäß
§ 37 Abs. 1 BSHG jedenfalls daran, dass die Klägerin zwar behindert, aber nicht krank ist. Denn Krankheit im Sinne des § 37 BSHG ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung zur Folge hat (Birk,
in: LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, § 37 Rdnr.3 m. w. N.). Daran fehlt es hier, weil die körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin, deretwegen sie Hilfe bei ihrer
Fußpflege benötigt, eine ärztliche Heilbehandlung nicht notwendig machen. Die Klägerin ist vielmehr infolge einer Narbenhernie
(Narbenbruch) nicht mehr in der Lage, sich so weit nach vorne zu beugen, wie es nötig wäre, um die notwendige Fußpflege selbst
durchzuführen. Wegen der Hernie muss sie eine Leibbinde tragen, die ihre Beweglichkeit zusätzlich einschränkt.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Klägerin die Übernahme der ihr (laufend) entstehenden Kosten für ihre Fußpflege
als Hilfe zum Lebensunterhalt verlangen kann. Zwar zählt zum notwendigen Lebensunterhalt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG auch die Körperpflege und umfassen die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO als laufende Leistung zum Lebensunterhalt gewährten Regelsätze auch (laufende) Leistungen für Körperpflege.
Soweit die Besonderheiten des Einzelfalles es gebieten, sind die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG abweichend von den Regelsätzen zu bemessen; da die Klägerin ihre Fußpflege nicht - wie die meisten Menschen - selbst ausführen
kann, kommt deshalb die Übernahme der aus diesem Grunde entstehenden besonderen Kosten in Betracht. Dies bedarf aber keiner
Vertiefung, weil die Klägerin die Übernahme der ihr für ihre Fußpflege (regelmäßig) entstehenden Kosten jedenfalls als Hilfe
zur Pflege beanspruchen kann.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und
regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate,
in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu gewähren. Dass die Klägerin pflegebedürftig in diesem
Sinne ist, folgt gemäß § 68 a BSHG aus der Entscheidung der Pflegekasse zu ihrer Pflegebedürftigkeit nach dem 11. Buch SGB. Die Klägerin bezieht - unstreitig
- Pflegegeld nach dem
SGB XI. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 BSHG ist Hilfe zur Pflege - außer für die in § 68 Abs. 5 BSHG genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen (zu denen die Fußpflege nicht zählt; dazu im Folgenden)
- für "andere Verrichtungen" zu gewähren. Dagegen, dass die Fußpflege (im Falle der Klägerin: vor allem das Schneiden der
Fußnägel) zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des § 68 Abs. 5 BSHG gehört, spricht schon, dass in § 68 Abs. 5 Nr. 1 - Bereich der Körperpflege - nur (fast) täglich notwendige Verrichtungen der Körperpflege genannt sind, nicht aber das Schneiden
der Fußnägel (oder auch das Haareschneiden), also Verrichtungen, die nur ein(-ige) Mal(e) im Monat notwendig sind. Dagegen
spricht es weiter, dass in den dem Senat bekannten von den Pflegekassen mit den Pflegediensten gem. §
89 SGB XI geschlossenen Vergütungsvereinbarungen bei der Beschreibung der vergütungsfähigen Leistungen (vgl. §
89 Abs.
3 iVm §
36 und §
14 SGB XI; §
14 Abs.
4 SGB XI ist wortgleich mit § 68 Abs. 5 BSHG) die Fußpflege (oder das Nägelschneiden) nicht aufgenommen ist. Das (regelmäßige) Schneiden der Fußnägel, zu dem die Klägerin
infolge ihrer Behinderungen nicht mehr (selbst) in der Lage ist, ist aber zu den "anderen Verrichtungen" im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 BSHG zu rechnen, für die Kranken und Behinderten ebenfalls Hilfe zur Pflege zu gewähren ist. Denn das Schneiden der Nägel ist
als (andere) Verrichtung zu qualifizieren, weil es - wie die übrigen in § 68 Abs. 5 Nr. 1-3 BSHG genannten Verrichtungen der Grundpflege - unmittelbar an der Person des Pflegebedürftigen auszuführen ist.
Der Hilfebedarf der Klägerin ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht durch andere ihr zufließende Leistungen
gedeckt. Soweit der Klägerin im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt Regelsatzleistungen zufließen, dienen diese - wie dargelegt
- nicht zur Fußpflege, weil diese normalerweise von den Hilfeempfängern selbst erledigt werden kann. Der Mehrbedarfszuschlag
nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG für Erwerbsunfähige, den der Beklagte bei der Ermittlung des übersteigenden Einkommens der Klägerin gemäß § 21 Abs. 2 BSHG für einmalige Leistungen berücksichtigt, dient der Deckung der vermehrten Bedürfnisse, die ältere und/oder erwerbsunfähige
(seit dem 1. August 1996: und gehbehinderte) Personen infolge geringerer Mobilität haben, weil sie nicht mehr so gut günstige
Einkaufsmöglichkeiten sowie Informations- und Kontaktmöglichkeiten ausnutzen können (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 23 Rdnr. 9; LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, § 23 Rdnr. 6 zur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts am 1.August 1996 geltenden Rechtslage). Diese
für den Regelfall anzunehmenden Bedürfnisse sind im (besonderen) Fall der Klägerin nicht geringer und sind deshalb neben der
notwendigen Fußpflege zu berücksichtigen. Das Pflegegeld nach §
37 SGB XI soll die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sicherstellen (vgl. §§
14 Abs.
1 und Abs.
4,
37 Abs.
1 SGB XI), wozu - wie dargelegt - die Fußpflege nicht zu rechnen ist.