Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung zur Vereitelung schuldrechlicher Rechte Dritter
Tatbestand:
Der Kläger und der Kaufmann Sch. waren im Verhältnis 1 : 3 Kommanditisten der "U. -Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG", die
ihrerseits die Kommanditanteile an der "T. I. E. -Warenhandelsgesellschaft mbH & Co." hielt, sowie zu gleichen Anteilen geschäftsführende
Gesellschafter der jeweils zugehörigen Komplementärgesellschaften "Verwaltungsgesellschaft I. E. -Warenhandel mbH" bzw. "Verwaltungsgesellschaft
U. mbH" (im folgenden U./T. -Gruppe genannt). Geschäftsverluste dieser Firmengruppe deckten sie durch die Leistung von Kapitaleinlagen
ab, die der Kaufmann Sch. mit einem durch eine Ausfallbürgschaft des Klägers bis zu 4, 2 Mio. DM abgesicherten Darlehen finanzierte.
Um den drohenden Konkurs der Gruppe abzuwenden, wurden unter Mitwirkung der Gläubigerbanken Übernahmeverhandlungen mit der
Beklagten zu 1 und der St. GmbH aufgenommen (im folgenden St. Gruppe genannt). Diese führten nach einer im Mai 1984 erzielten
Grundsatzeinigung zu der Vereinbarung vom 8. Juni 1984, nach der sich die "U./T. -Gruppe" und die "St. -Gruppe" u.a. zur Gründung
der in Form einer Kommanditgesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft als Komplementärin zu betreibenden Dachgesellschaft
mit einem Kapital von 8 Mio. DM verpflichteten, in welche die Beklagte zu 1 zum Werte von 4 Mio. DM bei Bareinlagen der "St.
Gruppe" und des Kaufmannes Sch. von je 2 Mio. DM einzubringen war. Die "U./T. -Gruppe" hatte die Kommanditanteile zum Gegenwert
von je 1 DM und die übrigen Gesellschaftsanteile zum Buchwert einzubringen. Die Gläubigerbanken gewährten gewisse finanzielle
Erleichterungen durch Verzicht auf Forderungen und die Bereitstellung eines bestimmten Kreditvolumens.
Im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Vertrag trafen der Kaufmann Sch. und der Geschäftsführer der Beklagten am 7. Juni 1984
eine vor den Gläubigerbanken geheimgehaltene Vereinbarung, in der es u.a. wie folgt heißt:
"Bei Zustandekommen des vorgesehenen Firmenzusammenschlusses T./U./H. werden die Kapitalkonten der bisherigen T./U. Gesellschafter
saldiert 0 DM betragen. Zusätzlich vergütet Herr Schl. Herrn Sch. in noch im Detail festzulegender Weise
a) 2 Mio. DM zur Einzahlung seiner Kommanditeinlage von 2 Mio. DM bei der gemeinsam als AG & Co. zu führenden Obergesellschaft,
b) weitere 2 Mio. DM in bar, davon 1 Mio. bis 30.9.84, 1 Mio. bis 30.12.84.
Vorstehende Verpflichtung geht Herr Schl. sowohl für sich persönlich wie als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer
der H. -Elektronik GmbH für diese als Gesamtschuldner ein.
..."
Durch Vereinbarung vom 25. Oktober 1984 trat der Kaufmann Schröder seinen Anspruch auf Zahlung des Betrages von 2 Mio. DM
in bar an den Kläger ab. Diesem ist ein Teilbetrag von 1 Mio. DM im Dezember 1984 gezahlt worden.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Zahlung der zweiten Rate von 1 Mio. DM. Die Beklagten halten die Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit
für nichtig. Sie haben im übrigen hilfsweise die Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen erklärt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten zu 2,
mit der er sich auch gegen die Aberkennung der Aufrechnung mit einer Forderung von 1, 775 Mio. DM wendet, hat der Senat nicht
angenommen. Die Beklagte zu 1 erstrebt mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, die Wiederherstellung
des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten zu 1 führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages von 1 Mio. DM aus der zwischen dem Kaufmann Sch.
und der Beklagten zu 1 geschlossenen Vereinbarung vom 7. Juni 1984 gegen die Beklagte zu 1 nicht zu, weil diese nach §
138 Abs.
1
BGB nichtig ist. Der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Das Berufungsgericht hat zwar
die Geheimhaltung der Vereinbarung durch die Parteien gegenüber den an dem Vertrag vom 8. Juni 1984 beteiligten Gläubigerbanken
als sittenwidrig angesehen. Es meint jedoch, die Banken hätten den Vertrag gemäß §
123 Abs.
1
BGB anfechten und damit der Vereinbarung vom 7. Juni 1984 die Grundlage entziehen können. Unter diesen Umständen schließe die
Vorschrift über die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung diejenige über die Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit als lex spezialis
aus. Da die Gläubigerbanken von ihrem Anfechtungsrecht jedoch keinen Gebrauch gemacht hätten, bleibe die Vereinbarung der
Parteien wirksam. Die Revision greift diese Ausführungen mit Erfolg an.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein zweiseitiges Rechtsgeschäft auch dann sittenwidrig im Sinne des §
138 Abs.
1
BGB ist, wenn die Beteiligten mit ihm den Zweck verfolgen, in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche Rechte Dritter
zu vereiteln (vgl. BGHZ 60, 102, 104/105; RGZ 62, 137, 138/139; 81, 86, 89/90; Staudinger/Dilcher,
BGB, 12. Aufl., §
138 Anm. 53/54; Krüger-Nieland/Zöllner in
BGB-RGRK, 12. Aufl., §
138 Nr. 183; Soergel/Hefermehl,
BGB, 11. Aufl., §
138 Rdnr. 155; Palandt/Heinrichs,
BGB, 46. Aufl., §
138 Anm. 5t). Die Vereinbarung vom 7. Juni 1984 erfüllt diese Voraussetzungen. Sowohl der Kaufmann Sch. als auch der Geschäftsführer
der Beklagten zu 1, der Beklagte zu 2, wußten, daß die Beklagte zu 1 nach dem mit den Gläubigerbanken geschlossenen Vertrag
vom 8. Juni 1984 zum Werte von 4 Mio. DM in die zu gründende Dachgesellschaft eingebracht werden sollte. Durch die von der
Beklagten zu 1 übernommene Verpflichtung, an den Kaufmann Sch. einen Betrag von 4 Mio. DM zu zahlen, wurde der von den Beteiligten
des Vertrages vom 8. Juni 1984 festgelegte Einbringungswert der Beklagten zu 1 auf den Betrag Null reduziert. Denn nach dem
Vortrag der Parteien kann aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen wegen, daß
die Beklagte zu 1 über weitergehende als die mit einem Wert von 4 Mio. DM angegebenen Vermögenswerte verfügte, mit denen diese
Summe hätte finanziert oder ihre Finanzierung sichergestellt werden können. Das war vielmehr nur unter Verwendung des mit
4 Mio. DM bewerteten Vermögens einschließlich der vermögenswerten Rechte der Beklagten zu 1 zu erreichen, auch wenn nur beabsichtigt
gewesen sein mag, den Betrag über einen Kredit zu finanzieren und das Vermögen der Beklagten dafür als Sicherheit zu Verfügung
zu stellen. Auch auf diese Weise war die Vermögenssubstanz der Beklagten zu 1 ausgehöhlt und eine Erfüllung der Verpflichtung,
eine Sacheinlage im Wert von 4 Mio. DM zu erbringen, unmöglich geworden. Sowohl der Kaufmann Sch. als auch der Alleingeschäftsführer
der Beklagten zu l, der Beklagte zu 2, kannten diese Sachlage genau. Mit ihrer vor den Gläubigerbanken geheimgehaltenen Vereinbarung
wollten sie somit die von der Beklagten zu 1 übernommene Verpflichtung im Verhältnis zu den Banken unterlaufen. Letztlich
beabsichtigten die Parteien der Vereinbarung vom 7. Juni 1984 mit diesem Verhalten, die am Vertrag vom 8. Juni 1984 beteiligten
Gläubigerbanken zu täuschen und damit zu bewirken, daß diese den Vertrag abschlossen und an den von ihnen eingegangenen Verpflichtungen
festhielten, wie das Berufungsgericht festgestellt hat.
Das Berufungsgericht führt zwar zutreffend aus, daß ein zweiseitiges Rechtsgeschäft dann nicht gemäß §
138 Abs.
1
BGB nichtig ist, wenn die Sittenwidrigkeit ausschließlich in der Täuschung des Vertragspartners besteht. Unter diesen Umständen
kann das Rechtsgeschäft von dem Getäuschten lediglich nach §
123 Abs.
1
BGB angefochten werden (vgl. BGHZ 60, 102, 104/105, BGH, Urt. v. 8. März 1966 - V ZR 62/64, WM 1966, 585, 589, Urt. v. 24. April 1972 - II ZR 81/70, WM 1972, 766, 767; Urt. v. 9. Februar 1977 - VIII ZR 258/75, DB 1977, 767; Staudinger/Dilcher, a.a.O., § 138 Rdnr. 120; Kramer in MK, 2. Aufl., § 123 Rdnr. 28). Eine solche Fallgestaltung ist jedoch
vorliegend nicht gegeben. Vielmehr liegt die Sittenwidrigkeit in einer zwischen den Parteien vertraglich begründeten Verpflichtung,
mit der von ihnen bewußt das Recht eines Dritten, das sich aus einem anderen von ihnen mit dem Dritten geschlossenen Vertrag
ergibt, vereitelt werden soll. Wenn auch der Dritte berechtigt sein mag, sein Vertragsverhältnis gegenüber der sittenwidrig
handelnden Vertragspartei anzufechten, so hat er grundsätzlich nicht die Möglichkeit, die seine vertraglichen Rechte beeinträchtigende
Vereinbarung durch Anfechtung zu beseitigen. Zwar trifft es zu, daß die Verpflichtung aus der Vereinbarung vom 7. Juni 1984
letztlich in ihrem Bestand von dem Vertrag vom 8. Juni 1984 abhängt, wie das Berufungsgericht ausführt. Das ist jedoch eine
Folge, die außerhalb des mit den Gläubigerbanken abgeschlossenen Vertrages eintritt. Die Sanktionswirkung der Vertragsanfechtung
des Getäuschten betrifft nur den von diesem abgeschlossenen Vertrag. Nur insoweit kann der Anfechtbarkeit eines Vertrages
wegen arglistiger Täuschung gegenüber der Nichtigkeit des Vertrages wegen Sittenwidrigkeit Vorrang eingeräumt werden. Die
Vereinbarung vom 7. Juni 1984 ist daher im Hinblick auf ihre sittenwidrige drittschädigende Zielrichtung als nichtig anzusehen
(vgl. BGHZ 60, 102, 104/105; BGH, Urt. v. 30. November 1966 - VIII ZR 174/66, DB 1967, 242; RGZ 79, 279, 280, 281; RGZ 164, 86, 90).
Auch die weiteren von dem Berufungsgericht erwogenen Gesichtspunkte können an der Nichtigkeit der Vereinbarung nichts ändern.
Es mag sein, wie das Berufungsgericht feststellt, daß die Gläubigerbanken die Beklagten veranlaßt haben, nach Kenntniserlangung
von der Vereinbarung vom 7. Juni 1984 zusätzliche Sicherheiten zu stellen. Mit dieser Maßnahme haben sie jedoch nur faktisch
dafür gesorgt, daß die durch die Vereinbarung vom 7. Juni 1984 beseitigte Ausgewogenheit der mit dem Sanierungsvertrag begründeten
Verpflichtungen aller Vertragsbeteiligten wiederhergestellt worden ist. Auf die rechtliche Bewertung der Vereinbarung vom
7. Juni 1984 bleibt das ohne Einfluß.
Dem Kläger steht somit ein Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht nicht zu. Das Landgericht hat daher seine gegen die Beklagte
zu 1 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die von ihm gegen dieses Urteil eingelegte Berufung war zurückzuweisen.
Bei der Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt, daß der Beklagte zu 2 in der Berufungsinstanz hilfsweise die Aufrechnung
mit Gegenforderungen erklärt und sich in der Revisionsinstanz auch gegen die Aberkennung einer Aufrechnungsforderung gewandt
hat.