Krankenversicherung
Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen
Bindung an den Wortlaut der EBM-Regelungen
Keine Analogie
Tatbestand
Streitig ist, ob eine therapeutische Behandlung von Blasenfunktionsstörungen durch transurethrale Injektion von Botox in die
Blase von Vertragsärzten nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abzurechnen ist oder ob die Beklagte die Kosten nach
der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu übernehmen hat.
Die am 00.00.1936 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet seit längerer Zeit an massiver Urininkontinenz
in Form einer idiopathisch überaktiven Blase. Zuletzt war sie in urologischer Behandlung bei der niedergelassenen Urologin
Frau Dr. P in I.
Am 06.03.2014 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme einer Therapie von Blasenfunktionsstörungen mit Botox. Nach einer
dem Antrag beigefügten Rechnung für "Mustermann" nach der GOÄ sollten die Kosten für die begehrte Behandlung insgesamt 245,50 EUR betragen. Aus der Musterrechnung ergab sich u.a. die
Abrechnungsposition nach Ziff. 1802 GOÄ, "Transurethrale Eingriffe i.d. Harnblase, besonders schwieriger Operationssitus, mehrfache Injektionen im Abstand von 1
cm in den Austreibermuskel der Harnblase". Dem Antrag war ein erläuterndes Begleitschreiben beigefügt. Unter anderem wird
zum Ablauf der Behandlung dort ausgeführt:
" Nach der Gabe eines Lokalanästhetikums ist die Blase zu entleeren und mit steriler Kochsalzlösung auszuspülen. Generell
wird die Blase mit ausreichend Kochsalzlösung gefüllt, um eine adäquate Visualisierung für die Injektionen zu gewährleisten.(
...) Die rekonstituierte Injektionslösung wird mithilfe eines flexiblen oder starren Zytoskops in den Musculus detrusor vesciae
(Austreibermuskel der Harnblase) injiziert. ( ...) Es erfolgen insgesamt 20 Injektionen im Abstand von ca. 1 cm. ( ...) Innerhalb
der von Urologen abrechenbaren EBM-Ziffern gibt es keine eigenständige Abrechnungsziffer für transutherale Injektionen der
Harnblasenmuskulatur. Stattdessen unterfallen die aufwändigen Injektionen als intramuskuläre Injektionen dem Anhang 1 zum
EBM. Dort sind all jene Leistungen aufgeführt, die nicht gesondert berechnungsfähig sind. ( ...)".
Mit Bescheid vom 17.03.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass
die begehrte Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung bei medizinischer Notwendigkeit über die Nutzung der Krankenversichertenkarte
zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werde. Einer gesonderten Antragsstellung bedürfe es nicht. Eine zusätzliche
Vergütung nach der GOÄ komme leistungsrechtlich nicht in Betracht. Gegen den Ablehnungsbescheid erhob die Klägerin am 10.04.2014 Widerspruch, den
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2014 zurückwies.
Am 24.11.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die gegenständliche intravesikale transurethrale
Injektion von Botox stelle bei ihr die einzige verbleibende Therapieoption dar. Eine Behandlung mit Anticholinergika habe
bei ihr nicht angesprochen. Sie habe einen Anspruch auf diejenige Krankenbehandlung, die dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse entspreche, zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Das Medikament Botox sei für die Art ihrer Erkrankung
zur Behandlung zugelassen. Grundsätzlich bestimme der EBM den Inhalt der von den Vertragsärzten abrechenbaren Leistungen.
Die Behandlung mittels transurethraler Injektion von Botox in die Harnblase sei aber nicht im EBM abgebildet. Insbesondere
komme eine Abrechnung über die urologischen Grundpauschalen (Ziffern 26210 - 26212 EBM) nicht in Betracht. Zwar sei eine intramuskuläre
Injektion in Anhang 1 des EBM verzeichnet, der die Leistungen aufliste, die nicht neben einer Grundpauschale abgerechnet werden
könnten. Bei den streitgegenständlichen Injektionen handele es sich aber um besondere, die ein ganz bestimmtes örtliches Ziel
im Sinne einer Körperregion betreffen würden. Sei eine gezielte Injektion erforderlich, impliziere dies, dass ein Leistungsansatz
für die gezielte Injektion vorhanden seien müsse. Der OPS-Katalog kenne auch die transurethrale Injektion. Allerdings sei
genau diese Leistung (OPS 5-579.62) nicht in den Katalog für ambulante Operationen (AOP-Katalog), die Bestandteil des EBM
seien, übernommen worden. Daraus sei zu folgern, dass diese Art der Injektion nicht im EBM verzeichnet sei. Es handele sich
auch nicht um eine Zystoskopie (Blasenspiegelung). Die Leistung könne also auch nicht mit den Ziffern 26310 oder 26311 EBM
abgerechnet werden. Denn bei der Zytoskopie werde eine endoskopische Untersuchung der mit Flüssigkeit gefüllten Harnblase
mit einem starren oder flexiblen Endoskop (Zytoskop) vorgenommen, gegebenenfalls in Verbindung mit der Entfernung kleinster
Fremdkörper in der Blase. Schwierige operative Eingriffe wie die streitgegenständliche Leistung und die mit ihr einhergehenden
Injektionen seien allerdings nicht hiervon umfasst. Ferner komme auch eine Abrechnung nicht über einen urologischen Eingriff
mittels Endoskopie nach den Ziffern 31282 oder 31283 EBM in Betracht. Denn diese Ziffern würden chirurgische Eingriffe betreffen.
Ein solcher läge bei der hier gewählten Behandlungsform nicht vor. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Leistungen aufgrund
ihrer Komplexität und Schwierigkeit nicht in der Grundpauschale enthalten sein könne. Es sei das Gebot der angemessenen Vergütung
vertragsärztlicher Leistungen zu berücksichtigen. Da die Leistung nicht im EBM gelistet, die Krankenkasse aber verpflichtet
sei, die Leistung zu erbringen, habe sie einen Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse in entsprechender Anwendung
des §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V). Die Liquidation werde dann nach den privatärztlichen Regelungen der GOÄ vorgenommen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2014 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der Therapie von Blasenfunktionsstörungen mittels transurethraler Injektion von Botox
in die Blase in Höhe von 245,50 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat weiterhin die Ansicht vertreten, die begehrte Leistung sei Gegenstand des EBM. Daher komme ein gesonderter Leistungsanspruch
nach §
13 Abs.
3 SGB V außerhalb des Sachleistungssystems nicht in Betracht. Bei medizinischer Notwendigkeit sei die transurethrale Injektion im
Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung über die Krankenversichertenkarte zu Lasten der GKV abzurechnen. Sie hat auf ein
Rundschreiben des GKV-Spitzenverbands vom 15.12.2014 verwiesen, dem zufolge die streitgegenständliche Leistung über die EBM-Ziffern
für eine Zytoskopie und über die urologische Grundpauschale vollständig abgerechnet werden könne.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat einen Befundbericht der behandelnden Urologin Frau Dr. P eingeholt. Diese hat angegeben, bei der Klägerin
sei durch die Therapie mit Anticholinerga keine Besserung eingetreten, so dass eine intravesikale Injektion von Botox die
einzige Therapieoption sei. Zu der Frage, warum die Abrechnung nicht über die Krankenkassenkarte erfolgt sei, hat sie mitgeteilt,
die ambulante Injektion von Botox werde aufgrund der problematischen Abrechnungssituation nicht in vielen Praxen erbracht.
Die Patienten würden unnötigerweise häufig stationär behandelt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung würde auf Bundesebene
mit dem gemeinsamen Bundesausschuss über eine Zuordnung der Leistung über einen OPS-Kode verhandeln. Auf Landesebene würde
die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe über eine Übergangslösung verhandeln. Dies sei aber bisher noch nicht zielführend
gewesen.
Weiter hat das SG Beweis erhoben durch Einholen eines schriftlichen Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin
durch den Sachverständigen Prof. Dr. L, Direktor der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie an den
Kliniken F. Dieser hat ausgeführt, dass die Therapie mit Botox bei der Klägerin als ultima-ratio-Maßnahme medizinisch zulässig
sei, da andere Maßnahmen aufgrund bereits versuchter erfolgloser Therapien nicht mehr geeignet seien. Bei der streitigen Therapie
handele es sich um eine Injektion, bei der das dazu benötigte Instrument über die Harnröhre in die Blase eingebracht werde.
Dann werde mit einer Kanüle das Medikament fraktioniert in den Muskel gespritzt. Grundsätzlich finde auch eine Zystoskopie
bei der Behandlung statt. Botox könne nicht appliziert (also aufgetragen) werden. Es handle sich um Injektionen. Das Präparat
müsse in ein Gewebe gespritzt werden. Das sei bei der Blase der Fall, da es in der tiefen Muskelschicht der Blasenwand wirken
müsse.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 14.12.2016 mit der Begründung abgewiesen, dass sich ein Anspruch der Klägerin insbesondere
nicht aus §
13 Abs.
3 SGB V ergebe. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Versorgung mit der streitgegenständlichen Behandlung. Insbesondere sei das Medikament
Botox bei einer idiopathisch überaktiven Blase ein zugelassenes Arzneimittel. Sofern ein Arzneimittel nur ärztlich verabreicht
werden könne, erfülle die Krankenkasse den Sachleistungsanspruch grundsätzlich durch die vertragsärztliche Behandlung. Eine
Abrechnung komme jedoch nicht gem. §
13 Abs.
3 SGB V sondern nur nach EBM in Betracht. Sie könne über die Gebührenziffern der urologischen Grundpauschalen (Ziffern 26210 - 26212
EBM in Verbindung mit Anhang 1 EBM) und die Ziffern 26310 bzw. 26311 (Urethro(-zysto)skopiedes Mannes oder der Frau) abgerechnet
werden. Gemäß Anhang 1 des EBM gehörten intramuskuläre Injektionen zu solchen Leistungen, die neben der Grundpauschale nicht
gesondert abgerechnet werden können, sondern in dieser enthalten seien. Die Injektion von Botox in den Austreibermuskel der
Harnblase sei eine intramuskuläre Injektion. Der Sachverständige Prof. Dr. L habe erklärt, dass das Medikament fraktioniert
in den Muskel gespritzt werde. Gleiches ergebe sich auch aus der von der Klägerin vorgelegten Muster-Abrechnung, wenn in dieser
ebenfalls eine "Injektion in den Austreibermuskel" aufgeführt werde. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei der Harnblase
auch um ein eigenständiges Organ handele. Denn dieses Organ sei in verschiedene Muskelgruppen eingeteilt. Ein bestimmter Muskel,
nämlich der Austreibermuskel, sei Ziel der Injektionen. Die spezielle Art des Zugangs, nämlich transurethral, werde von der
EBM-Ziffer 26310 bzw. 26311 hinreichend erfasst. Alle Bestandteile der ärztlichen Behandlung, die die transurethrale Injektion
mit sich bringe, seien in der Urethrozystoskopie hinreichend abgebildet - bis auf die Injektionen, die bereits über die Grundpauschale
abgebildet seien.
Gegen das ihr am 06.01.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.02.2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie
aus, das SG sei zutreffend davon ausgegangen, dass sie einen Anspruch auf die streitgegenständliche Behandlung mittels Botoxinjektion
habe. Das Medikament sei für die vorliegende Indikation zugelassen. Es existiere jedoch keine Möglichkeit der Abrechnung nach
EBM. Eine Abrechnung über die Grundpauschale für urologische Leistungen oder der Gebührenziffern 26310 bzw. 26311 sei nicht
möglich. Denn bei dem Injektionsgebiet handele es sich nicht lediglich um einen Muskel sondern gleichzeitig um den wesentlichen
Bestandteil des Organs Harnblase. Es gehe damit nicht um eine einfache intramuskuläre Injektion sondern um einen Eingriff
in ein Organ, der mit entsprechenden Komplikationen und Risiken verbunden sei. Ein solcher Eingriff sei mit dem im EBM verwendeten
Begriff "intramuskuläre Injektion" nicht abgebildet. Bevor die Injektion erfolgen könne, müsse bei Frauen eine drei bis vier
Zentimeter, bei Männern eine 25 bis 30 cm lange Harnröhre überwunden werden. Ziel einer Injektion in einen von außen erreichbaren
Muskel sei, das flüssige Arzneimittel unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts in den Körper einzubringen, wo die Wirkung dann,
je nach Medikament, in einer völlig anderen Region entfaltet werde. Bei der streitgegenständlichen Injektion solle das Medikament
hingegen seine Wirkung auf den Muskel und das betroffene Organ Harnblase direkt ausüben. Mangels abrechenbarer EBM-Ziffer
habe die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten nach GOÄ gemäß §
13 Abs.
3 SGB V. Die sich in der Verwaltungsakte befindliche Rechnung sei versehentlich auf "Mustermann" ausgestellt und der Klägerin direkt
nach der Behandlung gegen Barzahlung mitgegeben worden. Die behandelnde Ärztin könne die Rechnung nachträglich nicht mehr
ändern. Es sei daher eine neue Rechnung mit dem aktuellen Datum erstellt worden. Die dort nunmehr aufgeführten Zusatzkosten
von 49,59 EUR seien der Klägerin aber nicht in Rechnung gestellt worden. Von ihr seien 245,50 EUR gezahlt worden. Außerdem
sei zwischenzeitlich eine weitere Behandlung erfolgt. Ein Behandlungsvertrag sei nur mündlich geschlossen worden. Die Rechnungen
habe die Klägerin in bar beglichen, einen Zahlungsbeleg habe sie nicht.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.12.2016 abzuändern, den Bescheid vom 17.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 23.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 245,50 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin habe keine individuelle mit Quittungsvermerk versehene Arztrechnung
vorgelegt. Es dränge sich die Vermutung auf, dass vorliegend weniger das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin im Vordergrund
stehe als vielmehr die Interessen des Vereins UROWL, der die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trage. Die intramuskuläre
Injektion sei nach der EBM-Systematik bereits mit der Grundpauschale abgegolten. Daneben sei die Zytoskopie abrechenbar, mit
der der Weg bis zur Injektionsstelle überwunden werde. Die streitbefangene Leistung sei im Leistungsumfang der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) zu erbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§
153 Abs.
4 Satz 1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 17.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
23.10.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 SGG).
Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des SG Gelsenkirchen, die er sich
nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§
153 Abs.
2 SGG).
1. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es schon im Begleitschreiben zum Antrag der Klägerin heißt: "Stattdessen unterfallen
die aufwändigen Injektionen als intramuskuläre Injektionen dem Anhang 1 zum EBM. Dort sind all jene Leistungen aufgeführt,
die nicht gesondert berechnungsfähig sind." Dr. P räumt damit ein, dass die Injektion von den Regelungen des EBM erfasst wird.
Sie kann daher keine gesonderte Vergütung nach GOÄ verlangen. Diese Auffassung ist auch zutreffend. Nach der Anlage 1 zum EBM ist die "Injektion, intrakutan, subkutan, submukös,
subkonjunktival oder intramuskulär" in der Grundpauschale enthalten. Von diesem Wortlaut ist die Injektion in den Austreibermuskel
der Harnblase umfasst, denn es handelt sich um eine intramuskuläre Injektion. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen
ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk
dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers
des EBM ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM
als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse
bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt (BSG, Urteil vom 18.08.2010 - B 6 KA 23/09 R -; Senat, Urteil vom 29.06.2011 - L 11 KA 66/08 - m.w.N.). Ob die streitbefangene Injektion aufwändig ist oder nicht, spielt daher keine Rolle. Ebenso wenig entscheidungserheblich
ist, dass für die Injektion zunächst der Harnleiter überwunden werden muss oder zu welchem Zweck die Injektion erfolgt. Die
in der Anlage 1 des EBM erfassten intramuskulären Injektionen sind weder nach dem mit der Injektion verfolgten Zweck noch
danach eingegrenzt, wo sich der Muskel im Körper befindet.
Finanzielle Aspekte wie die behauptete unzureichende Honorierung der Einzelleistung über die Grundpauschale und die EBM-Ziffer
26310 bzw. 26311 sind kein Grund, den Versicherten gesetzlich vorgesehene Leistungen nur außerhalb des Systems der vertragsärztlichen
Versorgung zukommen zu lassen. Auf die von Vertragsärzten vorgetragene Behauptung der nicht kostendeckenden Honorierung bestimmter
Leistungen kann es schon deshalb nicht ankommen, weil die Kostendeckung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, von denen
einige von ihnen selbst zu beeinflussen sind (z.B. die Kostenstruktur und der Standort der Praxis, die Qualität des Dienstleistungsangebotes
u.a.). Wie das BSG wiederholt betont hat, liegt dem Zuschnitt der vertragsärztlichen Vergütung insgesamt eine "Mischkalkulation" zugrunde. Dies
bedeutet, dass es durchaus Leistungen geben kann, bei denen selbst für eine kostengünstig organisierte Praxis kein Gewinn
zu erzielen ist. Entscheidend ist nämlich, dass der Vertragsarzt insgesamt Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an
der Gesamtvergütung hat, der in aller Regel dazu führt, dass das aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen
Ärzten hinreichenden Anreiz bietet, an der vertragsärztlichen Versorgung mitzuwirken (BSG, Urteil vom 14.03.2001 - B 6 KA 54/00 R -). Dass der Vertragsarzt die Erfüllung seiner Behandlungspflichten von Erwägungen zur Höhe der Vergütung abhängig macht,
soll mit dem Verbot des Verlangens von durch die Versicherten zu leistenden Zahlungen gerade unterbunden werden. Ärzte, die
die Vergütung im vertragsärztlichen Bereich teilweise oder generell für unzureichend halten, mögen auf ihre Zulassung verzichten
und ihre Dienstleistungen allein privatärztlich anbieten. Solange sie aber an der Vertragsarztzulassung festhalten, kann es
keinem Zweifel unterliegen, dass sie auch die mit den Vorteilen der Einbindung in das Sondersystem korrespondierenden Verpflichtungen,
vor allem die ihnen obliegende Behandlungspflicht, in systemkonformer Weise zu erfüllen haben (BSG, Urteil vom 14.03.2001 - B 6 KA 54/00 R -).
2. Unabhängig von der Frage, ob die transurethrale Injektion im EBM abgebildet ist, scheitert der Anspruch der Klägerin auf
Kostenerstattung auch daran, dass ihr keine Kosten entstanden sind. Nach §
13 Abs.
3 SGB V sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung bei Vorliegen der Voraussetzungen nur in der entstandenen Höhe
zu erstatten. Einen Beleg darüber, dass sie überhaupt Kosten getragen hat, konnte die Klägerin nicht vorlegen. Die Voraussetzungen
für einen Kostenerstattungsanspruch sind darüber hinaus schon deshalb nicht erfüllt, weil der Klägerin keine Kosten in dem
vorgenannten Sinne entstanden sind. Die Klägerin trifft gegenüber ihrer behandelnden Ärztin keine Zahlungsverpflichtung. Nach
§ 18 Abs. 8 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) darf der Vertragsarzt von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern, "( ...) 2. wenn und soweit der Versicherte vor
Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich
bestätigt, 3. wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung
des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde."
Die Klägerin hat vor Behandlungsbeginn weder eine schriftliche Bestätigung noch eine schriftliche Zustimmung ihrer behandelnden
Urologin gegenüber abgegeben. Ihre Inanspruchnahme von Seiten der Ärztin ist rechtlich ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 28. 03.2000 - B 1 KR 21/99 R -).
Ein Vergütungsanspruch gegen die Klägerin ist für Dr. P auch deshalb nicht entstanden, weil es an einer ordnungsgemäßen Abrechnung
fehlt. Geht es - wie hier - um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, so besteht ein Vergütungsanspruch des Arztes nur, wenn
dem Patienten darüber eine Abrechnung nach den Vorschriften der GOÄ erteilt worden ist. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht.
Vorbehaltlich eines anders lautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig
(§ 12 Abs.1 GOÄ). Vorher trifft den Patienten keine Zahlungsverpflichtung (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R - m.w.N.). Die Klägerin hat vorgetragen, die Kosten direkt nach der Behandlung in bar beglichen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt
ist ihr keine auf ihren Namen lautende Rechnung ausgehändigt worden. Mit Schriftsatz vom 04.05.2017 hat sie vorgetragen, die
in der Verwaltungsakte befindliche Rechnung sei versehentlich auf "Mustermann" ausgestellt und ihr nach der Behandlung mitgegeben
worden. Allerdings datiert die im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindliche Rechnung vom 15.11.2013, also einem Zeitpunkt,
zu dem die streitgegenständliche Leistung weder beantragt noch durchgeführt war. Mit Schriftsatz vom 18.08.2017 hat die Klägerin
demgegenüber mitgeteilt, weder sie noch Dr. P verfügten noch über die Rechnung zur Behandlung vom 27.10.2014. Die Ärztin habe
nur eine neue Rechnung mit aktuellem Datum ausdrucken können. Das widerspricht dem vorherigen Vortrag. Außerdem umfasst auch
letzteres Vorbringen nicht die Behauptung, dass nach der Behandlung und vor der Bezahlung überhaupt eine Rechnung auf die
Klägerin ausgestellt worden sei. Das schließt einen Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V auch dann aus, wenn die Klägerin den geforderten Betrag wie von ihr behauptet bezahlt haben sollte. Denn die Krankenkasse
hat für die Kosten einer selbstbeschafften Leistung nur insoweit aufzukommen, als diese durch die Verweigerung der Sachleistung
verursacht sind. Der erforderliche Kausalzusammenhang fehlt, soweit der Versicherte, sei es freiwillig oder aufgrund einer
vermeintlichen Rechtspflicht, mehr aufwendet als dem Leistungserbringer in Wirklichkeit von Rechts wegen zusteht; denn dann
ist nicht mehr die Ablehnung durch die Krankenkasse, sondern das Verhalten des Patienten die wesentliche Ursache für das Entstehen
der Kosten. Dadurch kann grundsätzlich kein Erstattungsanspruch ausgelöst werden, weil die Leistungspflicht der Krankenkasse
nicht weiter gehen kann als die Zahlungsverpflichtung des Versicherten. Ob dieser die ohne Rechtsgrund gezahlte Vergütung
vom Arzt zurückfordern kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2006 - III ZR 223/05 -), ist für den krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch ohne Belang (BSG, Urteil vom 23.07.1998 - B 1 KR 3/97 R -).
Ob und in welchem Umfang die Klägerin von der behandelnden Urologin vor Durchführung der transurethralen Injektionen aufgeklärt
worden ist, kann vorliegend dahinstehen. Allerdings könnte auch eine Verletzung der Aufklärungspflichten zum Ausschluss eines
Vergütungsanspruchs des behandelnden Arztes und damit dazu führen, dass in der Person des Versicherten ein Kostenerstattungsanspruch
nach §
13 Abs.
3 SGB V von vornherein nicht entsteht (BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).