Darstellung des Einsatzes eines aus sozialen Ausgleichsleistungen angesparten Vermögens für die Vergütung des Betreuers als
Härte für den Betreuten
Gründe
I.
Der Betroffene wendet sich dagegen, sein aus Entschädigungsleistungen nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz ' StrRehaG in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1999, BGBl. I S. 2664, zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung
anderer Gesetze vom 22. Juni 2011, BGBl. I S. 1202, 1212) angespartes Vermögen für die Vergütung seines Betreuers einsetzen zu müssen.
Für den Betroffenen wurde 1994 eine rechtliche Betreuung eingerichtet. Für die Vergütung des Berufsbetreuers erbrachte die
Staatskasse in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 12. Juli 2012 Zahlungen in Höhe von 18.648,85 €.
Der Betroffene erhielt von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge in der DDR eine Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG in Höhe von insgesamt 9.342,68 €. Seit Februar 2008 bezieht der Betroffene zusätzlich eine besondere Zuwendung für Haftopfer
nach § 17 a StrRehaG von monatlich 250 €. Anfang des Jahres 2013 verfügte der Betroffene über ein Vermögen von rund 20.762 €, das er aus den genannten
Entschädigungsleistungen angespart hat.
Das Amtsgericht hat vom Vermögen des Betroffenen die Kapitalentschädigung nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz
sowie einen Schonbetrag in Höhe von 2.600 € abgezogen und den Betroffenen verpflichtet, aus seinem restlichen Vermögen einen
einmaligen Betrag von 8.839,38 € an die Staatskasse zu zahlen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Verfahrenspflegerin
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt unter Abänderung der Beschwerdeentscheidung zur Aufhebung des amtsgerichtlichen
Beschlusses.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht gegenüber dem Betreuten eine Zahlung
in Höhe von 8.839,38 € an die Staatskasse festgesetzt. Vom Vermögen des Betroffenen seien neben dem allgemeinen Schonbetrag
nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII die erhaltene Kapitalentschädigung abzuziehen, weil der Einsatz dieses Vermögens für den Betroffenen eine unzumutbare Härte
darstellen würde. Die Erträge aus den Entschädigungszahlungen nach § 17 a StrRehaG seien dagegen beim Schonvermögen des Betroffenen nicht zu berücksichtigen. Denn der Rückgriff auf das so gebildete Vermögen
des Betreuten stelle für diesen keine besondere Härte dar. Dem Betroffenen sei es vielmehr grundsätzlich zuzumuten, das Ersparte
für die Kosten der Betreuung zu verwenden. Denn insoweit seien die Entschädigungsleistungen nicht konkret zum Ausgleich für
Nachteile, die dem Betroffenen durch die Freiheitsentziehung entstanden seien, benötigt worden.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse (§§
1908 i Abs.
1 Satz 1,
1836 Abs.
1 Satz 3
BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG) und bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute (§§
1908 i Abs.
1 Satz 1,
1836 Abs.
1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG). Soweit die Staatskasse Leistungen zur Vergütung eines Betreuers erbracht hat, geht gemäß §
1908 i Abs.
1 BGB i.V.m. §
1836 e Abs.
1 Satz 1
BGB der Anspruch des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über. Ob bzw. inwieweit die Staatskasse den Betreuten
aus der übergegangenen Forderung tatsächlich in Anspruch nehmen kann, bestimmt sich nach dessen Leistungsfähigkeit. Maßstab
hierfür ist das nach §
1836 c BGB einzusetzende Einkommen und Vermögen des Betreuten, auf das seine Inanspruchnahme begrenzt ist. Demzufolge muss auch ein
zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser Betreuter grundsätzlich später vorhandene Mittel im Rahmen des §
1836 c BGB für die Kosten der Betreuung einsetzen (Senatsbeschluss vom 9. Januar 2013 - XII ZB 478/11 - FamRZ 2013, 440 Rn. 11 ff.).
b) Das vom Betreuten einzusetzende Vermögen bestimmt sich gemäß §
1836 c Nr.
2 BGB nach § 90 SGB XII. Dabei geht § 90 Abs. 1 SGB XII von dem Grundsatz aus, dass das gesamte verwertbare Vermögen für die Betreuervergütung einzusetzen ist (Senatsbeschluss vom
9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 FamRZ 2010, 1643 Rn. 21), soweit es nicht zu dem in § 90 Abs. 2 SGB XII abschließend aufgezählten Schonvermögen gehört. Im Übrigen bleibt gemäß § 90 Abs. 3 SGB XII Vermögen unberücksichtigt, dessen Einsatz oder Verwertung für den Betroffenen eine Härte bedeuten würde.
aa) Danach haben Amts- und Landgericht zu Recht einen Betrag von 2.600 € als Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom Vermögen des Betroffenen in Abzug gebracht hat.
bb) Nicht frei von Rechtsirrtum ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, bei der Berechnung des einzusetzenden Vermögens
des Betroffenen blieben nur die Kapitalentschädigungsleistungen nach § 17 StrRehaG außer Betracht. Auch die Verwertung des Vermögens, das der Betroffene mit Zinszahlungen aus den Kapitalentschädigungsleistungen
und den monatlichen Zuwendungen für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG angespart hat, stellt für den Betroffenen eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII dar.
(1) Mit dieser Vorschrift können atypische Fallkonstellationen im Einzelfall aufgefangen werden, die nicht von den in § 90 Abs. 2 SGB XII genannten Fallgruppen erfasst sind, die aber den in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Leitvorstellungen des Gesetzes
für die Verschonung von Vermögen vergleichbar sind (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 - FamRZ 2010, 1643 Rn. 19). Dabei ist für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII die Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich. Allerdings kann in Einzelfällen die Herkunft des Vermögens dieses so
prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 FamRZ 2010, 1643 Rn. 18). Davon kann etwa ausgegangen werden, wenn der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung einer laufenden
Zahlung als Einkommen auch im Rahmen der Vermögensanrechnung durchgreift, weil das Vermögen den gleichen Zwecken zu dienen
bestimmt ist wie die laufende Zahlung selbst (vgl. BVerwGE 137, 85 = NVwZ-RR 2010, 771 Rn. 20). Deshalb hat die verwaltungs- und sozialgerichtliche Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits mehrfach den Einsatz
angesparter Beträge aus Sozialleistungen als eine Härte für den Begünstigten nach § 90 Abs. 3 SGB XII angesehen (vgl. BVerwGE 137, 85 = NVwZ-RR 2010, 771 "Beschädigtengrundrente nach dem
Opferentschädigungsgesetz"; BVerwG NJW 1998, 397 "Erziehungsgeld"; BVerwGE 45, 135 "Grundrentennachzahlung"; BSG FEVS 59, 441 "Blindengeld"). Ebenso ist in der verwaltungs- und sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein aus
Schmerzensgeldzahlungen gebildetes Vermögen nach § 90 Abs. 3 SGB XII einsatzfrei bleibt (BVerwGE 98, 256 = FamRZ 1995, 1348; BSG FEVS 60, 1).
(2) Angelehnt an diese Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts entspricht es mittlerweile
auch einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum zur Betreuervergütung, dass der Betroffene ein aus Schmerzensgeldzahlungen
angespartes Vermögen einschließlich der erwirtschafteten Zinsen nicht für die Betreuervergütung einsetzen muss, weil dies
für ihn eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde (OLG Köln BtPrax 2005, 237; OLG Jena BtPrax 2005, 125; OLG Hamm FGPrax 2007, 171; OLG Frankfurt FamRZ 2008, 2152; OLG Frankfurt BtPrax 2009, 305; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. §
1836 c Rn. 16; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 5. Aufl. §
1836 c BGB Rn. 13; Palandt/Götz
BGB 73. Aufl. §
1836 c Rn. 12; Jurgeleit/Maier Betreuungsrecht 2. Aufl. §
1836 c BGB Rn. 22; Bienwald/ Sonnenfeld/Hoffmann/Bienwald Betreuungsrecht 5. Aufl. §
1836 c BGB Rn. 30). Begründet wird dies im Wesentlichen mit dem Zweck einer Schmerzensgeldzahlung, dem Geschädigten einen angemessenen
Ausgleich des zugefügten immateriellen Schadens und Genugtuung für erlittenes Unrecht zu verschaffen. Zudem solle das Schmerzensgeld
den Geschädigten in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen
jedenfalls teilweise wieder ausgleichen (Palandt/Grüneberg
BGB 73. Aufl. §
253 Rn. 4). Daher müsse das Schmerzensgeld dem Geschädigten zur freien Verfügung verbleiben. Mit dieser Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes
sei es nicht zu vereinbaren, wenn ein Betreuter verpflichtet wäre, eine zugeflossene Schmerzensgeldzahlung für die Betreuervergütung
einzusetzen.
(3) Diese Erwägungen gelten auch für Vermögen, das ein Betreuter mit sozialen Ausgleichsleistungen nach den §§ 16 ff. StrRehaG angespart hat.
Denn diese Entschädigungsleistungen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die einem strafrechtlich rehabilitierten Betroffenen
durch eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren Freiheitsentziehung entstanden
sind (vgl. § 16 Abs. 1 StrRehaG). Durch die sozialen Ausgleichsleistungen sollen die Opfer politischer Verfolgung oder rechtswidriger Strafverfolgung nicht
nur für erlittene materielle und gesundheitliche Nachteile entschädigt werden. Mit den Entschädigungsleistungen sollen insbesondere
die durch die Freiheitsentziehung entstandenen immateriellen Nachteile ausgeglichen werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung
zum 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz BT-Drucks. 12/1608, S. 36; Peifer in Herzler/Ladner/Peifer/ Schwarze/Wende Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz [StrRehaG] 2. Aufl. § 16 Rn. 1). Die Leistungsgewährung ist daher sozialpolitisch motiviert und sie dient der besonderen Würdigung und Anerkennung
des Widerstands ehemaliger politischer Häftlinge gegen das SED-Unrechtsregime und der deswegen erlittenen Haft. Ihr liegt
der auch für das soziale Entschädigungsrecht charakteristische Gedanke zugrunde, dass der Betroffene ein von der Allgemeinheit
mit auszugleichendes Sonderopfer erbracht hat.
Dies gilt auch für die durch das "Dritte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen
Verfolgung in der ehemaligen DDR" vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118) eingeführte besondere Zuwendung nach § 17 a StrRehaG. Diese monatliche Dauerleistung für Haftopfer zielt ebenfalls auf den Ausgleich eines erlittenen Sonderopfers ab (vgl. BSG Urteil vom 3. Juli 2013 - B 12 KR 27/12 - [...] Rn. 19 ff.) und soll nicht nur zur Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts
dienen.
(4) Diese besondere Zweckbestimmung der sozialen Ausgleichsleistungen nach den §§ 16 ff. StrRehaG hat zur Folge, dass der Einsatz eines aus diesen Zahlungen angesparten Vermögens für die Betreuervergütung eine Härte i.S.v.
§ 90 Abs. 3 SGB XII für den Betreuten darstellen würde.
Einen angemessenen Ausgleich für "Nachteile, die dem Betroffenen durch eine Freiheitsentziehung entstanden sind" (vgl. § 16 Abs. 1 StrRehaG) bieten die sozialen Ausgleichsleistungen nur dann, wenn sie dem Betreuten uneingeschränkt zur Verfügung stehen und er frei
darüber entscheiden kann, wie er die erhaltenen Mittel nutzt.
Dafür spricht auch die Privilegierung, die die sozialen Ausgleichsleistungen durch § 16 Abs. 4 StrRehaG erfahren. Danach bleiben die Leistungen nach den §§ 17 bis 19 StrRehaG als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt. Die Regelung zeigt,
dass die Ausgleichsleistungen nicht die einem Haftopfer möglicherweise entstandenen Einkommensnachteile ausgleichen sollen,
sondern mit ihnen eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht bezweckt wird (Peifer in Herzler/Ladner/Peifer/Schwarze/Wende
Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz [StrRehaG] 2. Aufl. § 16 Rn. 31). Zwar kann aus der Einsatzfreiheit einer Sozialleistung als Einkommen regelmäßig noch nicht auf einen die Einsatzfreiheit
des daraus gebildeten Vermögens begründenden Härtefall geschlossen werden. Der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung
einer laufenden Zahlung als Einkommen kann jedoch auch im Rahmen der Vermögensanrechnung durchgreifen, weil das Vermögen den
gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist wie die laufende Zahlung selbst (BVerwGE 137, 85 = NVwZ-RR 2010, 771 Rn. 20 mwN).
Das ist hier der Fall. Die Regelung des § 16 Abs. 4 StrRehaG zeigt, dass dem Haftopfer sowohl eine erhaltene Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG als auch die monatlich ausbezahlten besonderen Zuwendungen nach § 17 a StrRehaG unabhängig von seinem sonstigen Einkommen zur Verfügung stehen und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betreuten
nicht mitprägen. Durch die Entschädigungsleistungen soll der Leistungsempfänger in die Lage versetzt werden, sich über die
Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus Annehmlichkeiten verschaffen zu können. Dabei obliegt es allein seiner freien
Entscheidung, ob er die erhaltenen Geldmittel zeitnah ausgibt oder sie anspart, um zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zurückgreifen
zu können. Diese Entscheidungsfreiheit wäre dem Betreuten genommen, wenn er befürchten müsste, dass er das aus den sozialen
Ausgleichsleistungen angesparte Vermögen für die Betreuervergütung einsetzen muss. Dies gilt auch für die Erträge, die der
Betreute mit den Entschädigungsleistungen erwirtschaftet. Entscheidet er sich, die erhaltenen Zahlungen anzusparen und gewinnbringend
anzulegen, wird der mit den sozialen Ausgleichsleistungen verfolgte Zweck nur dann gewährleistet, wenn ihm auch die Erträge
uneingeschränkt zur Verfügung stehen, zumal dadurch auch einem Kaufkraftverlust des angesparten Vermögens entgegengewirkt
wird.
c) Danach kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese
zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts stammt das Vermögen des Betroffenen allein aus der Kapitalentschädigung
nach § 17 StrRehaG und den damit erwirtschafteten Zinsen sowie aus angesparten Beträgen aus der besonderen Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a StrRehaG, die der Betroffene seit 2008 erhält. Der Einsatz dieses Vermögens stellt für den Betroffenen eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Da er über kein darüberhinausgehendes Einkommen oder Vermögen verfügt, ist er mittellos (§
1836 d BGB), so dass er keine Zahlungen an die Staatskasse leisten muss.