Wirksamkeit einer Verdachtskündigung
Zulässigkeit des Nachschiebens später bekannt gewordener Tatsachen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D
AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den "Bereich B"
- ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH
& Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V
K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö
betreibt.
Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter
des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein
Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.
Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen
einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein "Absprachesystem"
über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende
Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch
zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende
Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen
beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.
Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien,
die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen
mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte
er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung
waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte
etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.
Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte,
geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich
wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.
C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen,
die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch
die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.
Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang "C". Mit dem Kläger führte sie hierüber
am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten
außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags
wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis
der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende
Klage.
Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen
Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex "D Schiene" einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten -
Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen
Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.
Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts
"A/G", das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie -
nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das
Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen,
derzeit ausgesetzten Verfahren.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt.
Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht
verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung
erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten
langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung
sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen
teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von
Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente
gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats
erfolgt.
Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt
1. festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden
ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen
als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung
der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien
nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten
Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem
ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe
der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die
bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei
ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung
von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien.
Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden.
Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang "C" vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen
Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.
Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest
gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang
mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen
habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen,
dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen "Kompensationen" verrechnet worden.
Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März
2011 objektiv schon vorgelegen.
Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats
habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich
und inhaltlich umfassend unterrichtet.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit
noch rechtshängig - abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie
in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann
der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst
worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache
an das Landesarbeitsgericht (§
562 Abs.
1, §
563 Abs.
1 Satz 1
ZPO) (II.).
I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.
1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers "bedingt", wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft
- verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko
künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht
der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige
Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung
und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer
eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht
kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).
2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen
Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).
a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen,
die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber
alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss
ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen,
dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu
rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG
23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO.; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).
b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine
außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit
des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung.
Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung
des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar
eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung
schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens "bedingt" (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).
3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht
fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang
mit dem Geschäftsvorgang "C" rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.
a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen
komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist
auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und
untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht
war in den Grenzen des §
286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine
Überzeugungsbildung beimisst (vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich
- im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst
geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.
b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich
geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen
seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor
- grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich
gegen seine aus §
241 Abs.
2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden (zu dieser
Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§
266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten
kann einen wichtigen Grund iSv. §
626 Abs.
1 BGB bilden (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).
c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht
ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst,
obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht
die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf
an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast
nicht genügt.
aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht
vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang
der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den
Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven
Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund
vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.
bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten
ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu
ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen
kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die
Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. §
138 Abs.
3 ZPO als zugestanden (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO.). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen
gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen,
weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis
für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers,
den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).
cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat
es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum
Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser
nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter
nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE
eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei
C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten,
die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche
habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies
ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre,
den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon
das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers
bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung
dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke
H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen
werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich
angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.
dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten
Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach §
286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. §
564 Satz 1
ZPO abgesehen.
d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch
vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl
sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.
aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung
"an sich" begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige,
den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen
Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst
oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer
vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor
diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer
Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht
nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.
bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität
der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht,
die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).
(1) Art.
103 Abs.
1 GG sichert - iVm. Art.
2 Abs.
1 GG und dem in Art.
20 Abs.
3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang
stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem
Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen
Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit
streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem
Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).
(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden
Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige
Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen
dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.
(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe
ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte.
Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.
(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass
es die Zulassung gemäß "UIC-Kodex" besitze und die "D-Zulassung" als "Q1-Lieferant der D-AG", wenn es sie beantrage, sofort
erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.
(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig.
Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die
Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende "Zusicherung"
der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt
worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht
nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt
umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.
II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen,
ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen
als richtig dar (§
561 ZPO).
1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten
ein "Risikogeschäft" sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt
habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen,
dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des
rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener "Unschärfen" in seinem
Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende "Verblassung" seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten
hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen
des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur
Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar,
worin die "Unschärfen" bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der
Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht
bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen
aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden
Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen
geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu
berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter
Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.
2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen
ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat
- unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt
sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.
3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht
frei von Rechtsfehlern.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht,
dass der Kläger an einem "Kompensationsgeschäft" zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv
- beteiligt gewesen sei. "Bestätigt" habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an "illegalen Preisabsprachen". Hierauf
könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer,
der die Kündigung erklärt habe, die "Absprachen mit der V Gruppe" bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit
wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt
habe.
b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.
aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt
bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den
Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für
Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres
Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach §
626 Abs.
1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem
BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus §
626 Abs.
2 BGB (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit
den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).
bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt
waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon
laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens.
Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers
im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht
es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf "neue" Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss
womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich,
wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).
cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt
es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von §
626 Abs.
2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier
- wie bei §
626 Abs.
2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine
juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen
Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines
der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von §
626 Abs.
2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. §
626 BGB Rn. 349).
dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder
der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen
der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven
Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl.
§
626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier §
626 BGB Rn. 349, 361, 364).
ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit
des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift
des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf
die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt
und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht
der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung
des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation,
ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG (zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO.; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO.) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des "verstrickten",
sondern auf den eines "undolosen" Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden
dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem "Nachschieben" der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.
ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid
des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener
Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen
zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen "Absprachepraxis" geschlossen. Außerdem hat es
auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er "von Absprachen mit der V Gruppe ... gewusst habe".
Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das "Absprachesystem" aktiv oder
passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.
gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen -
Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als
leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen
ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.
c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme "bestätigte" Verdacht
einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon
deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen "Beteiligung" keine abschließenden Feststellungen
getroffen hat.
aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich
geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend
auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt.
Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen,
ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich
gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).
bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen
beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien
möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen
nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.
d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem
Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten "Kompensationsgeschäft" - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen,
bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat
lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:
aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen
Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr
2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer "monetären" Kompensation an die V K B
GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert
und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten
Personen, den Kreis der "Eingeweihten" möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage
des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein
soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der
Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die
(leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot
nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter
der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.
bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass
der Kläger an der in Rede stehenden "Kompensationsvereinbarung" - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich
mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die
in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen
Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber
ZPO 12. Aufl. §
384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. §
384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. §
286 ZPO grundsätzlich frei.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit
es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen
beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als "bestätigt" angesehen
hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern
der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin
liegt kein Verstoß gegen §
286 ZPO.
dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine
verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -,
der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden,
soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.
III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.