Befreiung eines Empfängers von Arbeitslosengeld II von der Rundfunkgebührenpflicht bei Erhalt von im Vergleich zu den Gebühren
geringeren monatlichen Zuschlägen nach § 24 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
Gründe
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
124 Abs.
2 Nr.
3 VwGO) liegt nicht vor.
Wie der Antragsbegründung zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach hinreichend deutlich zu entnehmen ist, hält der Kläger
die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob ein Empfänger von Arbeitslosengeld II mit einem Zuschlag nach § 24 Sozialgesetzbuch
Zweites Buch - SGB II - auch dann nicht von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden kann, wenn der Zuschlag geringer als
die monatliche Rundfunkgebühr ist. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich ohne Weiteres auf der Grundlage des
Wortlauts der strittigen Norm und der hierzu vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt, ohne dass es hierfür der Durchführung
eines Berufungsverfahrens bedarf. Eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht scheidet auch in einem solchen Fall aus.
Dies entspricht der einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 8. Januar
2010 - 1 D 224/09 -; VGH BW, Urteil vom 16. März 2009 - 2 S 1400/08 -; OVG Berlin-Bbg, Urteil vom 20. Mai 2008 - 11 B 2/08 -; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2008 - 7 BV 06.2844 -; OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2007 - 16 E 1358/06 -; NdsOVG, Beschluss vom 23. April 2007 - 4 PA 101/07 -; OVG SH, Beschluss vom 23. Juli 2007 - 2 O 8/07 -; alle in [...]).
1.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags - RGebStV - werden auf Antrag natürliche Personen und deren
Ehegatten im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht befreit, die Sozialgeld oder Arbeitslosengeld
II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 SGB II empfangen. Da die Vorschrift nicht auf die Höhe
des Zuschlags nach § 24 SGB II abstellt, schließt sie eine Befreiung auch dann aus, wenn der Zuschlag - wie hier - die Höhe
der monatlichen Rundfunkgebühr unterschreitet.
Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV auf die Rundfunkgebühren überschreitende
Zuschläge kommt ebenso wenig in Betracht wie eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Fälle der vorliegenden Art. Beides
scheitert daran, dass keine planwidrige, dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers entgegenstehende Lücke feststellbar ist
(vgl. dazu im Einzelnen VGH BW, a.a.O., m.w.N.).
2.
Eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht kann in Fällen der vorliegenden Art auch nicht auf § 6 Abs. 3 RGebStV gestützt
werden. Nach dieser Bestimmung kann die Rundfunkanstalt unbeschadet der Gebührenbefreiung nach Abs. 1 in besonderen Härtefällen
auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien.
Härtefallregelungen wie § 6 Abs. 3 RGebStV sollen gewährleisten, dass auch Ausnahmefällen, die wegen ihrer atypischen Gestaltung
nicht im Einzelnen vorhersehbar sind, Rechnung getragen werden kann. Da nichts dafür ersichtlich ist, dass der Ausschluss
der Rundfunkgebührenbefreiung auch beim Bezug geringer Zuschläge einen bei der Formulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV
übersehenen oder wegen seiner Atypizität nicht normierbaren Ausnahmefall darstellt, liefe die Anerkennung eines besonderen
Härtefalles i.S.v. § 6 Abs. 3 RGebStV für die Fallgruppe der Bezieher von niedrigen - unter der monatlichen Rundfunkgebühr
liegenden - Zuschlägen nach § 24 SGB II auf eine unzulässige Korrektur einer bewusst getroffenen Entscheidung des Normgebers hinaus (vgl. VGH BW, a.a.O.; OVG Berlin-Bbg, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Die Annahme eines Härtefalls ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Der Ausschluss der Rundfunkgebührenbefreiung
auch in Fällen, in denen der Zuschlag nach § 24 SGB II geringer als die monatliche Rundfunkgebühr ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken.
Die Rundfunkgebührenpflicht für Empfänger von Arbeitslosengeld II mit einem unterhalb der Rundfunkgebühr liegenden Zuschlag
nach § 24 SGB II führt zwar dazu, dass die Rundfunkgebühren teilweise aus den Regelsätzen des Arbeitslosengeldes II gezahlt
werden müssen. Dadurch wird das gemäß Art.
1 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG zu gewährleistende Existenzminimum jedoch nicht unterschritten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die für Bezieher von
Arbeitslosengeld II vorgesehenen Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II zugleich die verfassungsrechtlich gebotenen Mindestleistungen
markieren und daher keinesfalls - auch nicht um wenige Euro - unterschritten werden dürfen. So liegen etwa die Grundleistungen
nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz deutlich unter den Leistungen der Sozialhilfe und den Sozialleistungen des SGB II, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht
darin einen Verfassungsverstoß gesehen hat (vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 699; VGH BW, a.a.O.).
Die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV und die damit verbundene Rundfunkgebührenpflicht für Empfänger von Arbeitslosengeld
II mit einem unterhalb der Rundfunkgebühr liegenden Zuschlag ist ferner mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG und dem Recht auf gleichen Zugang zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen (Art.
3 Abs.
1 i.V.m. Art.
5 Abs.
1 Satz 1
GG) vereinbar.
Zwar führt die Rundfunkgebührenpflicht für Empfänger von Arbeitslosengeld II mit einem die Höhe der Rundfunkgebühr unterschreitenden
Zuschlag nach § 24 SGB II dazu, dass sie schlechter gestellt werden, als die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV von den
Rundfunkgebühren befreiten Empfänger von Arbeitslosengeld II ohne Zuschlag. Diese Ungleichbehandlung wird aber durch die Befugnis
des Gesetzgebers gerechtfertigt, bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende Regelungen zu treffen.
Der Gesetzgeber darf gerade in Bereichen der Massenverwaltung wie der Erhebung von Rundfunkgebühren zu generalisierenden,
typisierenden und pauschalierenden Regelungen greifen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die damit verbundenen Härten nur unter
Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und diese nicht sehr intensiv
belasten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 6 B 1/08 - m.w.N.).
Der Gesetzgeber konnte ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Zuschlag nach § 24 SGB II, der bei Alleinstehenden bis 160,00
EUR monatlich betragen kann (vgl. § 24 Abs. 3 SGB II), typischerweise deutlich oberhalb der Rundfunkgebühr liegt, den Beziehern
von Arbeitslosengeld II mit Zuschlag also auch nach Zahlung der Rundfunkgebühr höhere Leistungen zur Verfügung stehen als
den Empfängern von Arbeitslosengeld II ohne Zuschlag. Die Belastung des Personenkreises, der einen unterhalb der Rundfunkgebühr
- von 17,03 EUR bzw. ab 1. Januar 2009 von 17,98 EUR - liegenden Zuschlag erhält, kann angesichts der maximalen Höhe der Belastung
nicht als sehr intensiv angesehen werden, zumal der Bezug eines Zuschlags nach § 24 SGB II und damit auch die genannte Benachteiligung
für diesen Personenkreis auf zwei Jahre begrenzt ist (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Typisierung ist nicht allein die Abgrenzungsregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV,
sondern die Gesamtsystematik der Befreiungsregelungen aus finanziellen und sozialen Gründen zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen
für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht haben mit dem am 1. April 2005 in Kraft getretenen Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag
eine grundlegende Neuregelung erfahren, deren erklärtes Ziel es ist, das Verfahren zu vereinfachen und zu erleichtern. Die
ehemaligen Tatbestände der Befreiung wegen geringen Einkommens sind aus dem Katalog der Befreiungstatbestände ersatzlos herausgenommen
worden (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV). Stattdessen sollte für den einkommensschwachen Personenkreis eine bescheidgebundene
Befreiungsmöglichkeit eröffnet werden (vgl. Begründung der Landesregierung, LT-Drs. 14/3721, S. 28 f.). Gemeinsames Kennzeichen
der auf die einkommensschwachen Personenkreise zugeschnittenen Befreiungstatbestände nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 RGebStV
ist nun, dass nicht mehr an das geringe Einkommen eines Antragstellers angeknüpft wird, sondern an das Vorliegen eines Leistungsbescheides
einer staatlichen Behörde, die vorher konkret die Bedürftigkeit geprüft und durch entsprechenden Bewilligungsbescheid bestätigt
hat. Dieses Konzept der Verfahrenserleichterung führt aber notwendigerweise dazu, dass für die verschiedenen in § 6 Abs. 1
Nrn. 1 bis 5 RGebStV aufgeführten einkommensschwachen Personengruppen unterschiedliche Einkommensgrenzen gelten, von denen
an eine Rundfunkgebührenbefreiung zu gewähren ist. Für die dort genannten verschiedenen Sozialleistungsempfänger gelten nach
den jeweiligen gesetzlichen Regelungen unterschiedliche Voraussetzungen und damit zusammenhängend auch unterschiedliche Einkommensgrenzen.
Die hiermit verbundene Ungleichbehandlung und Benachteiligung gewisser Gruppen von Sozialleistungsempfängern ist auf der Grundlage
der durch Gründe der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigten Typisierung unvermeidbar und damit hinzunehmen.
Darüber hinaus werden auch alle diejenigen ungleich behandelt und gegenüber den Empfängern von Leistungen nach § 6 Abs. 1
Satz 1 Nrn. 1 bis 5 RGebStV benachteiligt, die zwar zum potentiellen Empfängerkreis dieser Leistungen gehören, deren Einkommen
aber über die in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV festgelegten unterschiedlich hohen Einkommensgrenzen geringfügig - unterhalb des
Betrags der Rundfunkgebühr - überschreitet. Nach Abzug der monatlichen Rundfunkgebühr verbleibt den Beziehern solcher niedriger
Einkünfte in vielen Fällen ein geringeres Einkommen, als ihnen im Fall des Bezugs einer im Katalog des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV
genannten Sozialleistungen mit der Folge einer Rundfunkgebührenbefreiung zustünde. Die mit dem dargestellten Grenzziehungseffekt
verbundenen Benachteiligungen ließen sich nur mit großem Verwaltungsaufwand verhindern. Die von dem Grenzziehungseffekt bewirkten
Ungleichheiten sind folglich ebenfalls auf der Grundlage der durch Gründe der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigten
Typisierung unvermeidbar und damit hinzunehmen.
Dies gilt auch für die hier zu beurteilende Typisierung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV. Selbst wenn sich die Benachteiligung
für Bezieher von Arbeitslosengeld II mit einem die Höhe der Rundfunkgebühr unterschreitenden Zuschlag nach § 24 SGB II ohne
größeren Aufwand vermeiden ließe, rechtfertigte dies keine abweichende Beurteilung. Da sich die dargestellten Ungleichbehandlungen
und Belastungen im System der bescheidgebundenen Befreiungsregelung insgesamt nicht vermeiden lassen, ist auch eine punktuelle
Korrektur der gesetzlichen Systematik nicht angezeigt, wenn sich die Ungleichbehandlung und die damit verbundene Härte im
Einzelfall im Rahmen dessen bewegt, was die Typisierung im Gesamtrahmen rechtlich zulässig mit sich bringt (vgl. nochmals
VGH BW, a.a.O.).
3.
Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die Schwerbehinderung des Klägers, der mit einem Grad der Behinderung von
50 v.H. nach der gesetzgeberischen Wertung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RGebStV keine befreiungsbegründende Bedeutung zukommt.
Dies ist auch im Rahmen der Härtefallregelung des § 6 Abs. 3 RGebStV zu beachten, die keinen allgemeinen Auffangstatbestand
für diejenigen Rundfunkteilnehmer darstellt, die die Befreiungsvoraussetzungen nach Abs. 1 der Bestimmung - knapp - verfehlen
(vgl. SächsOVG, a.a.O., m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§
188 Satz 2
VwGO).
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung
aus den unter I. dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. §
166 VwGO i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO).