Zurückforderung einer Schenkung nach Verbrauch des Geschenks und Verarmung des Beschenkten
Tatbestand:
Die 1923 geborene Klägerin, die seit 1990 Sozialhilfe bezieht, übergab der Beklagten, einer Verwandten in der Seitenlinie,
im Jahr 1992 einen aus dem Verkauf von Bildern ihres Vaters stammenden Betrag von 40.000 DM, auf den die Beklagte in der Folgezeit
Zinsen leistete; der Schenkungscharakter der Zuwendung ist in der Revisionsinstanz nicht mehr im Streit. Im Jahr 2000 forderte
die Klägerin den Betrag zurück, worauf die Beklagte erklärte, zur Rückzahlung nicht in der Lage zu sein, weil das Geld u.a.
für eine Haussanierung aufgebraucht worden sei. Das Landgericht hat der auf Rückzahlung des Betrags nebst Zinsen gerichteten
Klage gegenüber der Beklagten unter Klageabweisung gegenüber deren zunächst mitverklagtem Ehemann in der Hauptsache stattgegeben,
während das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten unter Zugrundelegung einer Schenkung die Klage auch insoweit wegen
Verarmung der Beklagten abgewiesen hat. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, die
Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht,
dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB, §§
812 ff.
BGB nicht zu. Der Anspruch sei zwar dem Grunde nach gegeben. Die Klägerin habe der Beklagten die 40.000 DM geschenkt. Auch sei
Notbedarf bei der Klägerin eingetreten. Die Rückforderung sei jedoch nach §
529 Abs.
2 BGB ausgeschlossen, weil der standesgemäße Unterhalt des Beschenkten bei Herausgabe des Geschenks gefährdet würde. Die Beklagte
verfüge lediglich über ein monatliches Einkommen von 130 EUR, während ihr ein Selbstbehalt von mindestens 1.250 EUR zustehe.
Ihr Einkommen müsse die Beklagte daher nicht einsetzen. Die Veräußerung des Familienheims könne nicht verlangt werden, da
diese nicht zumutbar sei. Zudem sei die Beklagte noch gemeinsam mit dem Ehemann verpflichtet, ein Ende 2002 mit ca. 175.000
DM valutierendes Darlehen zurückzuführen. Weiter sei das Hausgrundstück als Schonvermögen zu behandeln. Auch einen Realkredit
könne die Beklagte nicht aufnehmen.
II. Die Revision greift die Wertung der Geldleistung an die Beklagte als Schenkung nicht an. Sie macht jedoch geltend, §
529 Abs.
2 BGB gebe dem Beschenkten lediglich eine Einrede, die, soweit sie durchgreife, zur Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet
führe, wie dies für die Bestimmung des §
519 Abs.
2 BGB anerkannt sei. Zudem habe das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet, dass der Beschenkte für das Vorliegen der Voraussetzungen
des §
529 Abs.
2 BGB darlegungs- und beweispflichtig sei. Bei der Feststellung, die Beklagte sei nicht in der Lage, einen Realkredit aufzunehmen,
habe das Berufungsgericht nicht beachtet, dass hierzu Vortrag der Beklagten fehle. Zudem müsse die Beklagte ihre Arbeitskraft
in bestmöglicher Weise einsetzen. Dass die Beklagte zwei Kinder habe, habe sie nicht von weiteren Darlegungen befreit. Weiter
seien Erwägungen zu fiktiven Einkünften aus Haushaltsführungstätigkeit nicht angestellt worden.
III. Die Beklagte meint, eines Vorbehalts bei der Klageabweisung als "zur Zeit unbegründet" im Tenor habe es nicht bedurft.
Die Einrede wirke wie bei §
519 Abs.
1 BGB nur so lange, wie Bedürftigkeit bestehe. Die Klageabweisung bedeute deshalb nur, dass die Klage zur Zeit unbegründet sei.
Bei Entfallen der Bedürftigkeit könne erneut Klage erhoben werden. Das Gericht müsse nur in den Gründen sagen, dass es den
Anspruch als zur Zeit unbegründet abweise. Eine erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung der eigenen Arbeitskraft
bestehe nur gegenüber Kindern, nicht auch gegenüber der klagenden Verwandten.
IV. 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Revision schon deshalb zum Erfolg führen muss, weil die Klage bei Durchgreifen
der Einrede aus §
529 Abs.
2 BGB nur als derzeit unbegründet abgewiesen werden durfte. Allerdings gibt diese Bestimmung dem Beschenkten das Recht, die an
sich nach §
528 BGB bei Bedürftigkeit des Schenkers geschuldete Herausgabe des Geschenks zu verweigern, soweit er bei Berücksichtigung seiner
sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein "standesgemäßer", d.h. nach der Rechtsprechung
des Senats sein angemessener Unterhalt (Sen.Urt. v. 11.07.2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488) oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflicht gefährdet wird. Sie begründet nach allgemeiner Auffassung
wie §
519 BGB eine Einrede (vgl. Kollhosser in MünchKomm.
BGB, 3. Aufl., §
529 Rdn. 6 m.w.N.; beiläufig auch Sen.Urt. v. 19.12.2000 - X ZR 146/99, NJW 2001, 1207, 1208 f.). Wie nach §
519 BGB (vgl. Kollhosser, aaO., §
519 BGB Rdn. 4) besteht die Einrede aber nur, solange und soweit die Voraussetzungen des §
529 Abs.
2 BGB vorliegen. Damit handelt es sich nur um eine anspruchshemmende Einrede, die nicht dem Rückforderungsanspruch an sich, sondern
nur dessen gegenwärtiger Durchsetzung entgegensteht. Diese Rechtslage ist mit dem Fall vergleichbar, dass eine Forderung besteht,
aber nicht fällig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tenorierung bei nicht fälligen Forderungen darf
die Klage in diesem Fall nicht als endgültig unbegründet abgewiesen werden (BGHZ 127, 254, 259; BGHZ 140, 365); allerdings reicht es - worauf die Beklagte an sich zutreffend hinweist - aus, wenn sich diese Einschränkung aus den Gründen
ergibt (BGHZ 143, 79, 88 f.), die hierfür ausgelegt werden müssen (BGH, Urt. v. 28.09.2000 - VII ZR 57/00, NJW-RR 2001, 310 = BGHR
ZPO §
322 Abs.
1 Rechtskraftwirkung 13 m.w.N.). Für die Geltendmachung der Einreden aus §
519 BGB und §
529 Abs.
2 BGB gilt im Grundsatz nichts anderes. Ob das Berufungsurteil dem mit seinen Ausführungen, der Anspruch sei ausgeschlossen, denn
er bestehe nicht, wenn der Beschenkte außerstande sei, das Geschenk herauszugeben, ohne seinen standesgemäßen Unterhalt zu
gefährden (BU 9), noch gerecht wird, kann allerdings offen bleiben, weil das Berufungsurteil aus anderen Gründen keinen Bestand
haben kann.
2. Die Rüge, das Berufungsgericht habe mangels Vortrags der Beklagten nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, die Beklagte habe
einen zusätzlichen Kredit nicht bedienen können, ist allerdings nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat die Höhe der noch bestehenden
Belastung vorgetragen; das Berufungsgericht hat außerdem das Einkommen der Beklagten und ihres Ehemanns festgestellt. Daraus
konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei den Schluss ziehen, dass ein Realkredit nicht mehr aufgenommen werden konnte.
3. Das Berufungsgericht hat aber nicht geprüft, ob die Beklagte zu einer Erwerbstätigkeit über die erzielten 130 Euro (und
über den Selbstbehalt) hinaus in der Lage war. Zu einer solchen Erwerbstätigkeit war die Beklagte im Rahmen der unterhaltsrechtlichen
Bestimmungen, die auch im Schenkungsrecht und auch bei wie hier fehlender gesetzlicher Unterhaltspflicht anzuwenden sind (Sen.Urt.
v. 11.07.2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488), grundsätzlich, wenn auch jedenfalls nicht uferlos, im Sinn einer sie treffenden Obliegenheit verpflichtet (vgl. BGH, Urt.
v. 15.12.1993 - XII ZR 172/92, NJW 1994, 1002 = BGHR
BGB §
1603 Abs.
2 Satz 1 - Erwerbsobliegenheit 1). Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine Frage einer erheblich gesteigerten Unterhaltspflicht,
sondern betrifft lediglich die - den zur Herausgabe Verpflichteten treffenden - gesetzlichen Anforderungen. Das Berufungsgericht
hat sich hiermit nicht auseinandergesetzt. Damit hat es, wie die Revision jedenfalls im Ergebnis zutreffend rügt, die Frage
des Außerstandeseins zur Herausgabe (die Leistungsfähigkeit) der Beklagten nach §
529 Abs.
2 BGB nicht umfassend geprüft. Diese bisher unterlassene Prüfung nötigt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht,
das bei seiner erneuten Befassung zunächst zu bedenken haben wird, ob der Erhalt und die Verwendung der 40.000 DM bei der
Beklagten zu einer Änderung der Lebenssituation geführt hat, auf die sich zu berufen ihr verwehrt ist (vgl. Sen.Urt. v. 11.07.2000
- X ZR 126/98, NJW 2000, 3488). Soweit dies zu verneinen ist, wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob die Beklagte leistungsfähig ist. Wenn
es dies weiter verneint, wird es zu berücksichtigen haben, dass grundsätzlich lediglich eine Abweisung der Klage als derzeit
unbegründet in Betracht kommt.