VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.01.1984 - 7 S 1826/82
b. Förderungsfähigkeit der in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchführbaren Ausbildung an einer ausländischen (Theater-)Ausbildungsstätte
(Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 2).
Fundstellen: DRsp V(545)83b, ESVGH 34, 133, FamRZ 1984, 1159
Normenkette: BAföG §
5 Abs.2 Nr.2, Abs.4 S.2
»... Zwischen den Beteiligten ist lediglich die Forderungsfähigkeit der Ausbildung außerhalb des Geltungsbereichs des
BAföG streitig. ...
In der Bundesrepublik Deutschland wird keine einheitliche Ausbildung auf allen Gebieten des darstellerischen Ausdrucks in
einer Ausbildungsstätte angeboten. Die Schule in L. ist gerade keine typische Schauspielschule, die auch im Bundesgebiet absolviert
werden könnte. ... Ausgangspunkt [der] Ausbildung sind die Talente und die schöpferischen Kräfte des einzelnen Schülers, nicht
ein bestimmtes, von allen anderen abgegrenztes Berufsbild. Diese Konzeption ist im Bereich der Kunst und des Kulturschaffens
vertretbar, denn die Berufswelt akzeptiert hier (noch) eine solche individuell geprägte Ausbildung. ...
[Es] bestehen keine Zweifel, daß der Besuch dieser Ausbildungsstätte in der Schweiz zumindest einer höheren Fachschule i.
S. von §
5 Abs.
4 Satz 2
BAföG gleichwertig ist. Da §
5 Abs.
2 Nr.
2
BAföG Ausbildungen anspricht, die im Geltungsbereich des
BAföG nicht durchgeführt werden können, die also nach Art und Inhalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht angeboten werden,
kann hier keine Vergleichbarkeit gefordert werden, die Art und Inhalt der Ausbildung betrifft. Die hier angesprochene Förderungsvoraussetzung
fehlt also nicht deshalb, weil es keine vergleichbaren staatlichen höheren Fachschulen oder Akademien gibt, die nach Art und
Inhalt der dort vermittelten Ausbildungen der Schule für Totales Theater gleichen. Die geforderte gleiche Wertigkeit muß sich
daher auf die allgemeine Qualität der Ausbildung, auf das geistige oder kulturelle Niveau der Schule und auf die berufliche
Position beziehen, zu der die ausländische Ausbildung hinführt. Zu fragen ist also neben der Qualität des Ausbildungsangebots
danach, ob die ausländische Ausbildung den unmittelbaren Eintritt in Berufe gehobener Position ermöglicht (vgl. dazu die Definition
der höheren Fachschule in Tz 2. 1. 17 BAföGVwV 1982).
Ein Beruf, in dem man sich schöpferisch mit darstellender Kunst befaßt, ist ein Beruf gehobener Position. ... Zwischen der
Ausbildung nach Art und Inhalt und der Chance, später in den Bereichen der Arbeitswelt, für die die Schule nach ihrer Zielsetzung
ausbildet, eine Anstellung zu finden, muß [darüberhinaus] ein feststellbarer Zusammenhang bestehen; d. h., die Ausbildung
muß durch ihre Qualität die angestrebte Berufstätigkeit wesentlich fördern. Nur dann ist eine solche Ausbildung der Ausbildung
an einer deutschen staatlichen Ausbildungsstätte gleichwertig. ...
Die Natur der Sache macht hier jedoch Zurückhaltung notwendig. Der Umstand, daß Talent für jeden angehenden Künstler unabdingbar
vorhanden sein muß, macht es notwendig, die Auszubildenden wesentlich nach diesem Gesichtspunkt auszuwählen. Eine Ausbildungsstätte,
die hier unabhängig vom sachverständig geprüften Talent jedermann auszubilden versucht, der die verlangten Ausbildungskosten
zahlt, ist nicht förderungswürdig und förderungsfähig. Eine solche strenge Eignungsprüfung sieht die [Schule in] L. durch
Vorkurs und Probezeit jedoch in besonderer Weise vor. Es überzeugt, daß dann auf eine Abschlußprüfung im herkömmlichen Sinne
verzichtet werden kann. Ob der Auszubildende später im Bereich der Kunstschaffenden beruflichen Erfolg hat, beurteilt sich
ohnehin nicht nach den Noten einer Abschlußprüfung. Es entscheidet sich danach, was der junge Mensch tatsächlich gelernt hat
und nun aus sich heraus zu schaffen in der Lage ist. Nach den vorliegenden Informationen über die Aktivitäten der Schule für
Totales Theater kann nicht ernsthaft gezweifelt werden, daß dieses Institut künstlerischer Arbeit auf hohem Niveau verpflichtet
ist. ... Es muß nach alledem davon ausgegangen werden, daß die Ausbildung an der o. g. Schule dem talentierten jungen Künstler
und Kulturschaffenden hilfreich ist. Sie ist damit i. S. von §
5 Abs.
2 und Abs.
4
BAföG förderungsfähig.«