Einsatz einer Abfindungszahlung zur Deckung der Prozesskosten
Gründe:
I.
Die Vertreterin der Staatskasse erstrebt mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss
vom 12. März 2004 dessen Abänderung dahin, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens den zehnten Teil der vereinbarten Abfindung
als Vermögenswert einzusetzen hat.
Mit der am 01. Dezember 2003 erhobenen Klage hat der durch einen Rechtsbeistand vertretene, am 10. August 1958 geborene, verheiratete
und den in den Jahren 1989 und 1991 geborenen Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Beschwerdegegner die Unwirksamkeit der
schriftlichen Kündigung vom 28. November zum 31. Dezember 2003 des im Mai 2001 begonnenen Arbeitsverhältnisses geltend gemacht
und um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Im Monat Oktober 2003 wurde gegenüber dem Kläger ein Bruttogehalt
in Höhe von 5.112,92 EUR abgerechnet, welches zu einem Auszahlungsbetrag in Höhe von 3.198,82 EUR führte. In der Sitzung vom
19. Januar 2002 ist der Rechtsstreit im Wege des Vergleichs beigelegt worden. Die Arbeitgeberin hat sich verpflichtet, eine
Sozialabfindung in Höhe von 12.500,00 EUR zu bezahlen. Bezüglich der in der Sitzung überreichten Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Beschwerdegegner durch Verfügung vom 29. Januar 2004 aufgegeben worden, darin enthaltene
Angaben glaubhaft zu machen.
Durch Beschluss vom 12. März 2004 ist dem Beschwerdegegner ab dem 13. Januar 2004 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt
worden. Dagegen hat sich die Vertreterin der Staatskasse unter mehreren Gesichtspunkten gewandt. Das Arbeitsgericht hat der
sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Im Beschwerdeverfahren geht die Vertreterin der Staatskasse davon aus, der Beschwerdeführer
verfüge unter Berücksichtigung des aus Arbeitslosengeld bestehenden Einkommens und der verschiedenen Abzüge über kein ratenfähiges
Einkommen. Sie macht jedoch weiterhin geltend, der Beschwerdegegner habe eine Einmalzahlung maximal in Höhe von einem Zehntel
des Bruttoabfindungsbetrages auf die Prozesskosten zu leisten.
Der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdegegners hat die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen in Höhe von 917,56 beantragt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In
der Sache hat sie auch Erfolg. Nach der überwiegend von einer Vielzahl von Beschwerdegerichten vertretenen Auffassung hat
der Beschwerdegegner einen Teil der vereinbarten Abfindung als Vermögen gemäß §
115 Abs.
2 ZPO einzusetzen. Dies gilt vorliegend schon deswegen, weil über den erst in der Sitzung vom 19. Januar 2004 vervollständigten
Antrag am 12. März 2004 entschieden worden ist. Weil der Kläger des Ausgangsverfahrens Belastungen aus Fremdmitteln in Höhe
von 2.016,91 EUR angegeben hatte, hat das Arbeitsgericht deren Glaubhaftmachung für erforderlich erachtet.
1. Nach §
127 Abs.
3 Satz 1
ZPO findet gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten
noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nach §
127 Abs.
3 Satz 2
ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten
hat. Die Frist für die sofortige Beschwerde beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses (§
127 Abs.
3 Satz 3
ZPO).
Die sofortige Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse ist rechtzeitig und formgerecht (§
569 ZPO i. V. m. §
127 Abs.
3 Satz 3
ZPO) eingelegt worden. Der Bewilligungsbeschluss datiert vom 12. März 2004. Die sofortige Beschwerde vom 22. März 2004 ist am
24. März 2004 beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Beschwerdefrist ist somit gewahrt.
2. Soweit die sofortige Beschwerde auf eine Vielzahl von Gesichtspunkten abgestellt hat, kommt es auf diese bis auf den, der
Abfindungsanspruch sei nicht berücksichtigt worden, nicht mehr an. Die Vertreterin der Staatskasse geht selbst davon aus,
der Arbeitslosengeld beziehende Beschwerdegegner verfüge über kein ratenfähiges Einkommen. Allerdings hat die Vertreterin
der Staatskasse das aus Arbeitslosengeld bestehende Einkommen des Beschwerdegegners zu dessen Ungunsten unzutreffend ermittelt.
Da sich nach dem Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes G. vom 26. Januar 2004 der wöchentliche Leistungsbetrag auf 485,45
EUR beläuft, nach §
139 Satz 2
SGB III auf jeden Kalendertag ein Siebtel des wöchentlichen Arbeitslosengeldes entfällt und nach §
339 Abs.
1 Satz 1
SGB III für die Berechnung von Leistungen ein Monat mit 30 Tagen berechnet wird, beläuft sich das in der Form von Arbeitslosengeld
einzusetzende Einkommen auf 2.080,50 EUR. Die Anwendung des Faktors 4,33 widerspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
3. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdegerichte wird überwiegend die Auffassung vertreten, eine im Wege des Vergleichs vereinbarte
Sozialabfindung - deren Höhe das sog. Schonvermögen i. S. von § 88 BSHG übersteigt - sei grundsätzlich - in den Grenzen der Zumutbarkeit - als einzusetzendes Vermögen i. S. des §
115 Abs.
2 Satz 2
ZPO zur Deckung der Prozesskosten mit heranzuziehen (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 24. Juni 1987 - 5 Ta 91/87, LAGE §
115 ZPO Nr. 25; LAG Frankfurt/M., Beschluss v. 07. April 1988 - 13 Ta 28/88, LAGE §
115 ZPO Nr. 28; LAG Köln, Beschluss v. 07. Juni 1988 - 10 Ta 75/88, LAGE §
115 ZPO Nr. 30; LAG Nürnberg, Beschluss v. 22. Juli 1988 - 7 Ta 16/88, LAGE §
114 ZPO Nr. 14; LAG Berlin, Beschluss v. 05. April 1989 - 9 Ta 6/89, LAGE §
115 ZPO Nr. 34; LAG Nürnberg, Beschluss v. 24. August 1989 - 4 Ta 39/89, LAGE §
115 ZPO Nr. 40; LAG Hamm, Beschluss v. 19. Februar 2003 - 18 Ta 40/03, NZA-RR 2003, 381; zustimmend auch GK-ArbGG/Bader, § 11 a Rn. 86 f.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 11 a Rn. 40 f.; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 11 a Rn. 2 c). Eine gegenteilige Auffassung vertreten nur das LAG Bremen (Beschluss v. 16. August 1982 - 4 Ta 38/82, EzA §
115 ZPO Nr. 5 = AP Nr. 1 zu §
115 ZPO; Beschluss v. 20 Juli 1988 - 1 Ta 38/88, LAGE §
115 ZPO Nr. 29) und eine Kammer des LAG Berlin (Beschluss v. 18. August 1981 - 12 Sa 63/81, DB 1981, 2388) sowie Hauck/Helml, ArbGG, 2. Aufl., § 11 a Rn. 11, allerdings ohne jede Begründung.
a) Die den Einsatz einer im Wege des Prozessvergleichs vereinbarte Abfindung verneinenden bzw. bejahenden Erkenntnisse der
angeführten Beschwerdegerichte unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass die Fragen bezüglich der Zumutbarkeit gemäß
§
115 Abs.
2 ZPO und des Vorliegens einer Härte i. S. des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG gegenteilig beantwortet werden. Soweit auf die Besonderheiten der Abfindung in den den Einsatz einer solchen verneinenden
Entscheidungen (vgl. LAG Bremen, Beschluss v. 20. Juli 1988, a. a. O.) abgestellt wird, wird unberücksichtigt gelassen, dass
nach dem geltenden Recht ein Anspruch auf eine Abfindung die Ausnahme darstellt. Selbst wenn objektiv ein Kündigungsgrund
gegeben ist, einigen sich die Parteien im Kündigungsschutzverfahren häufig auf die Zahlung einer Abfindung, um alsbald klare
Verhältnisse herzustellen. Vorliegend ist die Kündigung nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens ausgesprochen worden, weil
sich die Beklagte gezwungen gesehen hat, weitere Stellen abzubauen. Wenn sich die Beklagte entschlossen hat, zukünftig keinen
Vertriebsleiter mehr zu beschäftigen, könnte es sich dabei um eine Unternehmerentscheidung handeln, die nur in engen Grenzen
überprüfbar gewesen wäre.
b) Für den Einsatz einer im Wege des Prozessvergleichs vereinbarten Abfindung zur Deckung der Prozesskosten spricht der Sinn
und Zweck des Instituts der Prozesskostenhilfe. Dabei handelt es sich um eine Leistung staatlicher Daseinsfürsorge, vergleichbar
der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen (vgl. BGH, Beschluss v. 12. September 2002 - III ZB 43/02, NJW 2002, 3554). Daher hat eine Partei nur dann einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn sie, abgesehen von den objektiven
Bewilligungsvoraussetzungen, die Kosten der Prozessführung überhaupt nicht oder nur zum Teil tragen kann. Sie hat nach §
115 Abs.
1 Satz 1
ZPO ihr Einkommen und nach §
115 Abs.
2 ZPO ihr Vermögen einzusetzen. Hinsichtlich des Vermögenseinsatzes muss dieser zumutbar sein.
Ebenso wie zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens nach §
115 Abs.
1 ZPO nimmt § 115 Abs. 2 auf das Bundessozialhilfegesetz Bezug und erklärt dessen § 88 für entsprechend anwendbar. Somit ist der Vermögensbegriff des § 88 Abs. 1 BSHG maßgebend, wonach zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen gehört. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge und sonstiger Geldwerte,
wobei die besondere Notlage des Hilfesuchenden zu berücksichtigen ist. Zur Bestimmung der kleineren Barbeträge und sonstiger
Geldwerte legt die auf der Grundlage des § 88 Abs. 4 BSHG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes vom 11. Februar 1988 (BGBl. I S. 150) in der Fassung des Art. 17 des 4. Euro-Einführungsgesetzes
vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) Freibeträge fest. Diese belaufen sich vorliegend in der Summe auf 3.427,00 EUR (Kläger:
2.301,00 EUR; Ehefrau des Klägers: 614,00 EUR; je Kind: 256,00 EUR).
Selbst wenn dieser Betrag gemäß § 2 der Verordnung vom 11. Februar 1988 verdoppelt wird, verbleibt noch von der Gesamtabfindung
in Höhe von 12.500,00 EUR ein Betrag in Höhe von 5.646,00 EUR. Anhaltspunkte dafür, dass es für den Beschwerdegegner und seine
unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte i. S. des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG bedeuten würde, wenn 10 % der Gesamtabfindung zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen sind, sind nicht ersichtlich
und nicht dargetan worden. Dem Beschwerdegegner und seinen Familienangehörigen stehen zwar nur noch monatlich 2.958,50 EUR
zur Bestreitung der Lebenskosten zur Verfügung, während es vormals 4.076,82 EUR waren. Die monatliche Differenz in Höhe von
1.118,32 EUR zehrt die erhaltene Abfindung zwar schon in ca. 11 Monaten auf, gleichwohl stellt die Heranziehung der vereinbarten
Abfindung in dem Umfang von einem Zehntel im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe keine Härte dar, zumal
das gekündigte Arbeitsverhältnis nur 32 Monate bestanden hat und sich die vereinbarte Abfindung auf nahezu das Zweieinhalbfache
eines Bruttomonatsverdienstes beläuft.
Dementsprechend war der von der Vertreterin der Staatskasse angefochtene Bewilligungsbeschluss in seiner Ziffer 2) dahin abzuändern,
dass von dem Beschwerdegegner weiterhin keine monatlichen Raten aufzubringen sind, er jedoch einen Betrag in Höhe von bis
zu 1.250,00 EUR zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen hat.
III.
1. Für eine Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, denn die Vertreterin der Staatskasse war mit ihrer sofortigen Beschwerde
erfolgreich.
2. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Begründete Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht
nicht.