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LAG Niedersachsen, Beschluss vom 04.06.2004 - 10 Ta 241/04
Versagung der Prozesskostenhilfe bei fehlenden Vollstreckungsaussichten - Mutwilligkeit bei Übergehen des Mahnverfahrens - Beiordnung eines Rechtsanwaltes vor Arbeitsgericht bei unübersichtlichem Verfahrensverlauf - kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der günstigen Kassenlage oder Finanzierbarkeit staatlicher Leistungen
»1. Prozesskostenhilfe ist wegen fehlender Vollstreckungsaussichten nur dann zu versagen, wenn die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung endgültig beziehungsweise dauernd oder zumindest auf unabsehbare Zeit feststeht und dem Gläubiger kein Rechtsnachteil zum Beispiel durch Verjährung oder durch Zeitablauf bedingte Beweisschwierigkeiten droht.
2. Prozesskostenhilfe ist wegen Mutwilligkeit zu verweigern, wenn die unbemittelte Partei von verschiedenen gleichwertigen prozessualen Wegen den kostspieligeren beschreitet. Die Einleitung des Mahn- statt des Klagverfahrens ist dabei von ihr nur dann zu verlangen, wenn mit dem Widerspruch des Schuldners nicht zu rechnen ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber seine Schuld förmlich anerkannt oder den Arbeitnehmer auf dessen Zahlungsaufforderung vertröstet und baldige Zahlung angekündigt hat. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vorprozessual die Ansprüche des Arbeitnehmers nicht bestritten hat und nicht erkennbar ist, weitern Zahlungsaufschub zu erreichen und deshalb davon auszugehen ist, dass er gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegen wird.
3. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die unbemittelte Partei ist gemäß § 121 Abs. 2 ZPO vor dem Arbeitsgericht erforderlich, wenn im Zeitpunkt der Entscheidungsreife der weitere Verfahrensablauf nicht absehbar ist, insbesondere ungewiss ist, ob, wie und wann sich der Arbeitgeber gegen die Klage verteidigen wird. Arbeitgerichtliche Verfahren sind auch in einfachen gelagerten Fällen zwischenzeitlich so kompliziert geworden, dass bei einer derartigen Ungewissheit im Regelfall auch eine vermögende Partei die Unterstützung durch die Rechtsantragstelle als nicht ausreichend ansehen und sich daher nicht selbst vertreten, sondern vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit de Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen wird.
4. Ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der günstigen Kassenlage der öffentlichen Haushalte und der Finanzierbarkeit der Folgen der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen erhalten die §§ 114 ff. ZPO nicht. Es kann von den Arbeitsgerichten auch nicht in diese Normen hinein interpretiert werden. Sie dürfen daher die allgemein bekannte schlechte Finanzlage der öffentlichen Haushalte und insbesondere deren in den letzen Jahren stark gestiegene Belastung durch die Ausgaben für Prozesskostenhilfe nicht als Anlass dafür nehmen, um die Staatskasse zu entlasten. Es ist vielmehr einzig und allein dem Gesetzgeber vorbehalten, im Rahmen des verfassungsrechtlichen Möglichen«
Normenkette:
ZPO § 121 Abs. 2 § 121 Abs. 2 Alt. 1 § 127 Abs. 3 § 203 Abs. 1 § 317 Abs. 1 § 571 Abs. 2 Satz 1 § 571 Abs. 3 Satz 1
,
BGB § 307 § 309 Nr. 13
,
SGB X § 115
,
BSHG § 2 Abs. Satz 1
,
ArbGG § 46 Abs. 2 Satz 1 § 47 Abs. 2
Vorinstanzen: ArbG Celle 27.02.2004 2 Ca 107/04

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