Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aufgrund eines Arbeitsunfalls gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Gewährung
von Rente sowie auf Heilbehandlung über den 15.01.2014 hinaus hat.
Der 1956 geborene Kläger erlitt am 12.09.2012 einen Arbeitsunfall, als er sich beim Umschieben eines Hubwagens den kleinen
Finger der linken Hand zwischen Hubwagen und Wand einklemmte.
Der Durchgangsarzt Dr. C diagnostizierte noch am Unfalltag eine Teilamputation des Endgliedes des 5. Fingers links. Der Kläger
wurde anschließend im N-hospital P von dem Handchirurgen H operativ versorgt. Dieser diagnostizierte am 15.10.2012 eine vollständige
Amputation der palmaren Weichteile Kuppe C V links, Nagelkranz partiell frakturiert, Knochenfragmente im Amputat, teilweise
Zerstörung des Nagelbettes, insbesondere radialseitig, Zustand nach Lappentrennung am 04.10.2012. Am 18.01.2013 stellte sich
der Kläger in der Klinik für Plastische, Wiederherstellungs- und Ästhetische Chirurgie - Handchirurgie im Klinikum C vor.
Der dortige Chefarzt Prof. Dr. G diagnostizierte in seinem Bericht vom 21.01.2013 einen Zustand nach Klein- fingerendglieddefekt
links mit Deckung durch Crossfingerlappen, aktuell: Kraftverlust an der linken Hand und im linken Arm, depressive Verstimmungen
seit dem Unfalltag. Es sei mit einer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit von weiteren zwei Wochen zu rechnen. Von einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigenden Ausmaß sei derzeit nicht auszugehen.
Am 31.01.2013 stellte sich der Kläger bei dem Durchgangsarzt X vor. Dort klagte er über psychische Probleme. Er sei noch nicht
arbeitsfähig, weil Kollegen beim Arbeitsversuch lachten etc. X beschrieb eine insgesamt deutlich agitierte und depressiv verstimmte
Stimmungslage.
Aufgrund der beklagten psychischen Probleme, erfolgte sodann zu Lasten der Beklagten ab dem 18.02.2013 eine psychologische
Behandlung bei dem psychologischen Psychotherapeuten B B. Dieser behandelte nach seinem Bericht vom 28.03.2013 wegen Anpassungsstörungen
mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten. Es bestehe eine Belastungsreaktion nach Arbeitsunfall, die depressive
Symptomatik drohe zu chronifizieren. Die wesentliche Symptomatik beschrieb er wie folgt: depressiv eingeengtes Erleben der
eigenen Lebenssituation nach dem Unfall, Fehlverarbeitung des Unfalls und der Folgen, fehlverarbeitete Kränkung durch als
nachlässig erlebte Akutbehandlung, ebenso Kränkungserfahrung durch die als geringschätzig erlebte ambulante Weiterbehandlung,
Existenz- und Zukunftsängste. Der Kläger habe berichtet, er sei traurig und wütend auf sich, auf die Ärzte, auf die Kollegen.
Immer wieder habe er Schmerzen in Hand und Arm und fürchte, niemand glaube ihm. Er fühle sich in seinem Stolz und seiner Ehre
verletzt. Er sei nie krank oder faul gewesen und nun stünde er da wie ein Versager und Schwächling, oder man sehe in ihm sogar
einen Simulanten, was ihn am meisten kränke.
Der Handchirurg Dr. T von der Gutachtenstelle der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie im Klinikum E
teilte in seinem Bericht vom 29.03.2013 mit, bei dem Kläger lägen folgende Unfallfolgen vor: "Bewegungseinschränkung der Finger
2 bis 5 der linken Hand, unvollständiger Faustschluss, Muskelminderung am linken Ober- und Unterarm, Bewegungseinschränkung
am linken Ellenbogengelenk, Narbenbildung, Empfindungsstörung in der Kleinfingerkuppe, radiologische Veränderungen mit Verlust
des Nagelkranzes am Kleinfingerendglied links." Dr. T vertrat die Auffassung, weitere Behandlungsmaßnahmen wegen der Unfallfolgen
seien nicht erforderlich. Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht mehr. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit als ungelernter Arbeiter
sei sofort möglich. Er empfehle aber im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragenen psychologischen Probleme eine ergänzende
psychologische Untersuchung.
Der Neurologe und Psychiater Dr. C1 vertrat anschließend in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.05.2013 die Auffassung,
eine Anpassungsstörung sei bei dem Kläger im Prinzip verstehbar. Es handele sich dabei allerdings um keine eigentliche Unfallfolge,
sondern vielmehr um kollegiale Probleme, die der Kläger jetzt dem Psychologen gegenüber geschildert habe (Mobbing) und die
ihn zurückhielten, sich erneut der alten Arbeitssituation zu stellen. Diese seien aber unfallunabhängig. Eine unfallbedingte
Arbeitsunfähigkeit sei zu verneinen. Die psychotherapeutische Behandlung müsse außerhalb des Unfallverfahrens erfolgen.
Der Neurologe und Psychiater Dr. X, bei dem der Kläger sich zwischenzeitlich auch in Behandlung befand, diagnostizierte in
seinem Bericht vom 19.06.2013 Anpassungsstörungen mit depressiver Entwicklung.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers (AOK) bei und holte einen Befundbericht von dem
den Kläger behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. I vom 24.06.2013 ein, dem ein Auszug aus der Patientenkartei beigefügt
war. Aus diesen Unterlagen ergab sich, dass der Kläger bereits im Oktober 2010 wegen Unwohlsein und Ermüdung, Anpassungsstörungen
und Schlafstörungen in ärztlicher Behandlung gewesen war. Nach den Unterlagen des Dr. I hatte der Kläger damals ausgeführt,
er fühle sich schlapp und habe auf der Arbeit Stress.
Anschließend ließ die Beklagte den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. Dr. X1 sowie durch den Unfallchirurgen Dr.
U begutachten.
Dr. Dr. X1 kam in seinem Gutachten vom 10.07.2013 und seinen Ergänzungsgutachten vom 07.10.2013 und 04.12.2013 unter Berücksichtigung
eines psychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. S vom 10.08.2013 zu dem Ergebnis, die jetzt auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet geltend gemachten Unfallfolgen stünden nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Unfallfolge sei lediglich eine
Teilamputation der linken Kleinfingerbeere mit der Notwendigkeit einer Hauttransplantation. Aus dem Unfall habe sich eine
erhebliche Aggravation entwickelt, die sich mit dem Unfallhergang nicht erklären lasse, allerdings mit Mechanismen, die in
dem Diagnoseschlüssel ICD-10 definiert seien als Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Diese Entwicklung
werde vom Kläger zwar auf den Unfall projiziert, der Unfall sei hierfür aber nicht ursächlich. Eine psychotherapeutische Behandlungsbedürftigkeit
habe wegen der Unfallfolgen nicht bestanden. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht ergebe sich keine MdE. Die Ausführungen
des Dipl.-Psych. B B über die Zusammenhänge mit dem Unfall seien nicht nachvollziehbar. Die Schwierigkeiten mit dem Einsatz
des linken Armes seien auf eine Aggravation zurückzuführen.
Dr. U kam in seinem Gutachten vom 29.08.2013 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.09.2013 zu dem Ergebnis, die bei
dem Kläger bestehenden Unfallfolgen (Teilverlust des linken Kleinfingerendgliedes mit verbliebener Einschränkung im Endgelenk,
reizlose Narben im Bereich des linken Kleinfingers, des linken Ringfingers und des linken Unterarmes, röntgenologische Veränderungen,
das vom Kläger geklagte Taubheitsgefühl im Bereich des verbliebenen Anteils der linken Kleinfingerkuppe) seien sowohl für
die Zeit vor seiner Untersuchung, als auch für die Zeit nach seiner Untersuchung mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten.
Auf der Grundlage der eingeholten Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.01.2014 die Gewährung von Rente wegen
der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 ab.
Mit Bescheid vom 15.01.2014 lehnte es die Beklagte auch ab, die Kosten für die weitere medizinische Behandlung des Klägers
zu übernehmen. Zur Begründung führte sie aus, ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Krankheit bestehe
nicht mehr.
Gegen beide Bescheide legte der Kläger unter Vorlage eines Handbefunds der Ergotherapeutin O I vom 01.10.2013 Widerspruch
ein. In seinem Folgebericht für die Beklagte berichtete der Dipl.-Psych. B B am 15.01.2014 über die Weiterbehandlung des Klägers.
Inzwischen sei eine depressive Symptomatik im Sinne einer manifestierten mittelgradigen depressiven Episode zu diagnostizieren.
Die Behandlung habe sich zunächst positiv entwickelt bis zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte die psychotherapeutische Behandlung
beenden wollte. Ab diesem Zeitpunkt seien die Vorbehalte des Klägers gegenüber dem Heilverfahren wieder gestiegen. Der Kläger
erlebe sich seit dem Unfall als völlig verändert. Er sei niedergeschlagen, traurig, lustlos, auch schnell gereizt und unbeherrscht.
Er mache sich große Sorgen, dass er mit seiner Verfassung der Familie zur Last falle. Er fühle sich nicht in der Lage, am
angestammten Arbeitsplatz in schwierigen Situationen zu bestehen, er habe Angst jemandem zu schaden, Angst wegen mangelnder
Leistungen kritisiert oder verlacht zu werden. Die psychische Reaktion des Klägers beziehe sich seiner Einschätzung nach erstens
auf die als kränkend erfahrene und - zumindest aus Sicht des Klägers - unzureichende Behandlung der unstrittigen Unfallfolgen
an Finger, Hand und Arm, und zweitens auf die Insuffizienzerfahrung und die Scham, krank und nur noch ein halber Mann zu sein,
dem man in der Firma nichts mehr zutrauen könne. Auch wenn der Unfall selbst nach Schwere und Hergang nicht unmittelbar die
psychische Reaktion ausgelöst habe, müsse doch erkannt werden, dass es ohne den stattgehabten Unfall nicht zu einer psychischen
Belastungsempfindung gekommen wäre. Der Kläger habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht in einer schwierigen Lebenssituation befunden,
er sei auch bislang nicht nennenswert psychisch krank oder beeinträchtigt gewesen, sodass sich eine psychische Vulnerabilität
nicht an einer problematischen Vorgeschichte festmachen lasse. Die körperliche Symptomatik bzgl. der Funktionstüchtigkeit
des Armes sei psychisch überformt. Eine Aggravation sei aber nicht als bewusstseinsnah, sondern als Ausdruck der depressiven
Fehlverarbeitung der Unfallfolgen zu sehen.
Die Widersprüche des Klägers wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 04.07.2014 als unbegründet zurückgewiesen.
Gegen beide Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 31.07.2014 Klage vor dem Sozialgericht Detmold (SG) erhoben, die mit Beschluss vom 06.08.2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind. Der Kläger
hat weiterhin die Auffassung vertreten, aufgrund des Arbeitsunfalls stehe ihm eine Rente und auch eine weitere medizinische
Behandlung auf Kosten der Beklagten zu. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die unfallchirurgischen Feststellungen
des Dr. U zur Fingerverletzung der linken Hand seien unzureichend. Er habe nämlich seit dem Unfall mit der ganzen Hand und
mit dem ganzen Arm Beschwerden. Er könne sich nicht mehr auf die Hand verlassen, verliere plötzlich an Kraft. Im Übrigen leide
er auch an Taubheitsgefühlen an der Hand und am Unterarm sowie an Verspannungen in der Schulter. Er schäme sich, dass man
sich auf ihn nicht mehr verlassen könne. Die Feststellungen des Dr. U stünden im Widerspruch zu den Handbefunden der Ergotherapeutin
O I vom 01.10.2013. Aus diesen Handbefunden ergebe sich an der linken Hand eine erhebliche Kraftminderung. Auch die Feststellungen
zu den psychischen Beeinträchtigungen durch Dr. Dr. X1 seien nicht übernehmbar. Dieser sei in seinen drei Gutachten jeweils
zu geringfügig unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Der Dipl.-Psych. B B hingegen habe seine psychischen Störungen genauestens
beschrieben und beurteilt und diese zweifelsfrei auf den Arbeitsunfall zurückgeführt.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2014 zu verurteilen,
ihm wegen des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 eine Unfallrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2014 zu verurteilen,
die Kosten für seine medizinische Behandlung aufgrund des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 über den 15.01.2014 hinaus nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 18.06.2015 ergänzend mitgeteilt, der Bescheid vom 15.01.2014 hätte folgende Formulierung/Begründung
enthalten müssen, welche hiermit nachgeholt werde: "Die Kosten für die medizinische Behandlung werden von uns nicht mehr übernommen,
weil ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 12.09.2012 und den Schwierigkeiten mit dem Einsatz Ihres linken
Armes nicht mehr besteht. Die Schwäche im linken Arm weist ab 12.05.2013 kein organisches Korrelat mehr auf und ist ab diesem
Zeitpunkt auf eine unfallunabhängige psychogene Aggravation zurückzuführen. Zur weiteren Begründung wird auf das psychologische
Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. Frau S, vom 10.08.2013 und auf das nervenärztliche Fachgutachten von Herrn Dr. Dr. X1 vom
14.12.2013 verwiesen." Im Übrigen hat die Beklagte ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten und wegen der Begründung Bezug genommen
auf die Begründung in den Widerspruchsbescheiden.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung von Gutachten von dem Handchirurgen Dr. X2 sowie vom Neurologen und Psychiater Dr.
L.
Dr. X2 ist in seinem Gutachten vom 27.10.2015 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 15.10.2015, dem Studium
der vorgelegten Akten und der am Untersuchungstag angefertigten und vergleichenden Röntgenaufnahmen zu dem Ergebnis gelangt,
dass es sich bei dem Teilverlust der linken Kleinfingerkuppe, den reizlosen Narben im Bereich des linken Kleinfingers, des
linken Ringfingers und des linken Unterarmes, den Veränderungen im Röntgenbefund und dem Taubheitsgefühl im rekonstruierten
Anteil der linken Kleinfingerkuppe um Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 handele. Nachvollziehbar als Auswirkung der Unfallfolgen
sei eine gestörte Feinmotorik des Kleinfingers durch die Sensibilitätsstörung. Bei nahezu ungestörtem Faustschluss sei eine
wesentliche Einschränkung des Grobgriffs nicht nachzuvollziehen. Die inkonstant gezeigten Störungen der Beweglichkeit des
linken Ellengelenkes und auch des Ring- und Kleinfingers könnten handchirurgisch nicht als Unfallfolgen erklärt werden. Basierend
auf den vorliegenden Dokumenten sei auf handchirurgischem Gebiet ab dem 19.11.2012 Arbeitsfähigkeit zu bestätigen. Auch die
unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit ende auf handchirurgischem Gebiet spätestens mit dem 19.11.2012. Eine rentenberechtigende
MdE sei auf seinem Fachgebiet nicht festzustellen. Mit den von Dr. U festgestellten Befunden und dessen Einschätzung der MdE
bestehe weitreichende Übereinstimmung. Eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. Dr. X1 müsse durch das neurologisch-psychiatrische
Zusatzgutachten erfolgen. Auf handchirurgischem Gebiet könne er allerdings die Verdeutlichungstendenz, die auch Dr. Dr. X1
festgestellt habe, bestätigen.
Dr. L ist in seinem Gutachten vom 03.01.2016 aufgrund einer Explorationsuntersuchung des Klägers vom 30.12.2015 und unter
Berücksichtigung der Verwaltungs- und Gerichtsakten zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei dem Unfall durch eine Quetschung
des kleinen Fingers zu einer Teilamputation der Fingerkuppe des linken Kleinfingers gekommen sei. Es herrsche hier eine Sensibilitätsstörung,
diskret im Narbenbereich. Weitere neurogene Ausfälle und Nervenschädigungen durch den Unfall seien nicht zu diagnostizieren,
der weitere neurologische Untersuchungsbefund sei normal. Psychiatrisch sei durch den Unfall eine Anpassungsstörung hervorgerufen
worden dahingehend, dass sowohl das Unfallereignis, aber auch insbesondere die durch den Kläger kritikhaft gesehene Primärversorgung
mit gewisser Zeitverzögerung nicht ausreichend gut verwunden und verarbeitet worden seien. Es sei hier zu einer Kränkungsreaktion
mit Insuffizienzerleben gekommen, welche sich negativ auf die Reintegration an den Arbeitsplatz niedergeschlagen habe, da
der Kläger mutmaße, kritisch durch seine Kollegen beäugt zu werden. Es sei somit zu einer Aktivierung seiner Selbstwertproblematik
gekommen. Diese sei unter psychotherapeutischer Behandlung abgeflaut. Mittlerweile sei der Kläger in den Beruf wieder integriert.
Es persistiere allerdings eine Symptomatik eines depressiven Syndroms mit gewisser Lust- und Schwunglosigkeit und auch Reizbarkeit.
Diese lassen sich kausal nicht mehr auf das Trauma zurückführen und auch nicht auf die durchgemachte Anpassungsstörung. Hierfür
seien unfallunabhängige lebensreaktive oder endogene Faktoren kausal verantwortlich. Die jetzt noch bestehenden psychischen
Beschwerden erfüllten die diagnostischen Kriterien einer länger gezogenen Depressivität mit Reizbarkeit im Sinne einer Dysthymia.
Diese jetzt lange nach dem Trauma noch bestehende Symptomatik könne weder auf die Unverwindung des Unfalls noch auf das körperliche
Trauma per se bezogen werden. Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfalls habe lediglich auf chirurgischem Fachgebiet bestanden.
Auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet sei Arbeitsunfähigkeit nicht zu attestieren gewesen. Es habe allerdings
ambulante Behandlungsbedürftigkeit im Sinne der begleitenden Psychotherapie und Therapie der Anpassungsstörung für längstens
ein Jahr nach dem Trauma bestanden. Die unfallbedingte MdE betrage auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet unter
10 v.H. Er stimme grundsätzlich den Ausführungen des Dr. Dr. X1, des Dr. U und der Dipl.-Psych. S zu. Abweichend von der Untersuchung
von Dr. Dr. X1 sei die damals sehr deutliche Aggravation nur in geringerer Form zu Tage getreten.
Der Kläger hat schließlich einen ärztlichen Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Q, Klinik X, vom 12.04.2016 über eine
Behandlung vom 22.03.2016 bis 12.04.2016 vorgelegt. In diesem Bericht wurde neben verschiedenen orthopädischen Diagnosen auch
eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Es wurde ausgeführt, dass die letzte berufliche Tätigkeit aus orthopädischer
Sicht aufgrund der degenerativen Veränderungen im Halswirbel- und Lendenwirbelsäulenbereich sowie im rechten Hüftgelenk mit
mittelgradiger Funktionseinschränkung sowie Kraftminderung und Bewegungseinschränkung im linken Arm nicht leidensgerecht sei.
Zu Hand- und Fingergelenken führten die behandelnden Ärzte aus, der Faustschluss sei kräftig und komplett, Spitzgriffe möglich,
allerdings liege eine Kraftschwäche der linken Hand im Vergleich zu rechts vor. Der Kläger sei auch aus psychischer Sicht
arbeitsunfähig. Dieser habe über eine depressive Symptomatik mit Antriebslosigkeit, Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen
und sozialem Rückzug berichtet. Er fühle sich unverstanden, habe am Arbeitsplatz Stress und Konflikte, da er dem Arbeitspensum
nicht mehr gerecht werde. Er befürchte eine Kündigung.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Gutachten der
Sachverständigen Dr. X2 und Dr. L gestützt.
Gegen den ihm am 27.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 15.07.2016. Er meint,
die Feststellungen in den Gutachten der Dres. X2 und L begegneten Bedenken. Die Feststellungen im handchirurgischen Gutachten
zur Einschränkung der Funktionsfähigkeit der linken Hand seien unzureichend. Die Überprüfung der groben Kraft habe ergeben,
dass das Kraftvermögen der linken Hand nur noch ca. 25 % im Vergleich zur gesunden rechten Hand betrage. Dieser Punkt habe
bei der Bewertung der MdE keine Berücksichtigung gefunden. Auch die erheblich eingeschränkte Beugungsfähigkeit des linken
Handgelenks mit 20 Grad im Vergleich zur gesunden rechten Hand mit 55 Grad sei unberücksichtigt geblieben. Der durch Dr. X2
nicht objektivierbaren Bewegungsstörung des linken Ellengelenkes hätte dieser weiter nachgehen müssen. Aus dem vorgelegten
Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Q, Klinik X, vom 12.04.2016 ergebe sich, dass bei ihm eine mittelgradige depressive
Episode vorliege, die mit einer MdE von mindestens 20 v.H. zu bewerten sei. Die Feststellungen des Dr. L zur Anpassungsstörung
stünden hierzu im Widerspruch.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 22.06.2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 09.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2014 zu verurteilen, ihm wegen des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012
Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.01.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2014 zu verurteilen, die Kosten für die medizinische Behandlung aufgrund
des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 über den 15.01.2014 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu übernehmen,
hilfsweise,
Gutachten nach §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes einzuholen durch Dr. Q (neurologisch-psychiatrisch) und Dr. H (handchirurgisch).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass das primäre Heilverfahren ohne Komplikationen
abgelaufen sei und mit dem 19.11.2012 wieder Arbeitsfähigkeit vorgelegen habe. Erst ab Januar 2013 habe der Kläger dann wieder
Beschwerden vorgetragen, u.a. ab dem 31.01.2013 auch psychische Probleme. Im Rahmen der Kausalitätsabklärung hätten jedoch
relevante Unfallfolgen gutachterlich nicht mehr festgestellt werden können. Sowohl auf handchirurgischem als auch auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet seien deutliche Aggravationsanzeichen beschrieben worden. Im Übrigen habe der Kläger ausweislich des Leistungsverzeichnisses
der AOK auch schon 2010 eine Anpassungsstörung gehabt. Die Ermittlungen im Verwaltungsverfahren seien durch die im sozialgerichtlichen
Verfahren eingeholten Gutachten bestätigt worden.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. X2 eingeholt. Dieser ist in seiner Stellungnahme vom 27.12.2016 bei seiner
bisherigen Einschätzung geblieben. Die von dem Kläger bei der Untersuchung gezeigte Kraftminderung der linken Hand im Vergleich
zur Gegenseite sei nicht plausibel. Eine derartige Kraftminderung würde zu von der Mitarbeit unabhängigen (objektiven) körperlich
fassbaren Veränderungen führen, die im Falle des Klägers nicht festgestellt werden konnten. Die Unterarmmuskulatur sei mit
einer Seitendifferenz von einem Zentimeter auf der linken Seite im physiologisch zu erwartenden Maß, der Kalksalzgehalt sei
seitengleich und widerspreche einer wesentlichen Mindernutzung, die Greifseiten beider Hände zeigten eine seitengleiche und
normale Beschwielung, auch dies spreche gegen eine Mindernutzung. Die vom Kläger gezeigte Kraftminderung füge sich in das
Bild der Verdeutlichungstendenz. Auch in den Röntgenaufnahmen habe sich ein seitengleicher Kalksalzgehalt gezeigt und keine
Hinweise oder Erklärungen für die unterschiedliche Beweglichkeit in verschiedenen Situationen gefunden. Die vom Kläger gezeigte
Störung der Berührung zwischen Daumen und kleinem Finger sei aufgrund körperlicher Störungen schlicht nicht erklärbar. Dies
gelte auch für die gezeigte Beweglichkeit des Ellengelenkes.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 29.12.2016 darauf hingewiesen worden war, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht
beabsichtigt seien, hat er am 27.03.2017 die Einholung eines handchirurgischen und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens
nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beantragt, ohne konkrete Gutachter zu benennen. Mit gerichtlichem Schreiben vom 10.04.2017 ist ihm Gelegenheit gegeben worden,
bis zum 05.05.2017 entsprechende Gutachter zu benennen. Dabei hat der Senat ihm unter Hinweis auf §
109 Abs.
2 SGG aufgegeben, vorab zu klären, ob diese Gutachter auch bereit seien, die Gutachten zu erstatten. Am 05.05.2017 und am 19.05.2017
hat der Kläger dann um Fristverlängerung gebeten. Am 09.06.2017 hat er Dr. G1 als Gutachter auf handchirurgischem Fachgebiet
benannt, hinsichtlich der Benennung eines Gutachters auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet aber erklärt, die Ermittlungen
dauerten weiterhin an. Eine Sachstandsanfrage vom 28.06.2017 sowie eine Erinnerung vom 19.07.2017 sind unbeantwortet geblieben.
Der Senat hat sodann mit gerichtlichem Schreiben vom 14.08.2017 dem Kläger eine letzte Frist bis zum 08.09.2017 für die Benennung
des Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesetzt und ihm hierbei erneut aufgegeben, vorab zu klären,
ob der evtl. zu benennende Sachverständige bereit sei, das Gutachten in angemessener Zeit (drei bis vier Monate) zu erstatten.
Wiederum ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass der Antrag nach §
109 Abs.
2 SGG abgelehnt werde, wenn die Benennung nicht fristgerecht erfolgen sollte. Mit Schreiben vom 09.08.2017 hat der vom Kläger für
das handchirurgische Fachgebiet benannte Sachverständige Dr. G1 mitgeteilt, er halte es aufgrund einer möglichen Befangenheit
nicht für sinnvoll, als Gutachter tätig zu sein. Eine adäquate Bearbeitung sei auch im gewünschten Zeitraum nicht möglich.
Der Kläger hat daraufhin erklärt, er habe vor der Benennung des Gutachters von diesem telefonisch die Zusage erhalten, dass
das Gutachten erstattet werde. Er halte auch die angeführte mögliche Befangenheit nicht für nachvollziehbar, da er zwar im
Klinikum C behandelt worden sei, aber nicht von Dr. G1, sondern von dem Chefarzt Prof. Dr. G. Am 08.09.2017 hat er dann Dr.
Q als Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet benannt. Dieser hat mit Schreiben vom 26.09.2017 mitgeteilt,
dass er wegen Arbeitsüberlastung nicht in der Lage sei, ein Gutachten in absehbarer Zeit durchzuführen. Zu dem Schreiben des
Dr. Q hat der Kläger mitgeteilt, dieser hätte im Januar 2018 wieder freie Kapazitäten zur Gutachtenerstellung. Am 06.10.2017
hat der Kläger dann schließlich Dr. H als Sachverständigen auf handchirurgischem Gebiet benannt. Mit Schreiben vom 02.11.2017
haben sich dann sowohl Dr. H als auch Dr. Q bereit erklärt, die beantragten Gutachten zu erstatten. Dr. H hat zum zeitlichen
Rahmen der Begutachtung überhaupt keine Angaben gemacht, Dr. Q hat nun erklärt, das Gutachten im Zeitraum Januar/Februar 2018
erstatten zu können. Daraufhin ist der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 09.11.2017 - eine Durchschrift ging an den Klägerbevollmächtigten
- aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von vier Wochen einen Kostenvorschuss in Höhe von 4.500,00 EUR einzuzahlen. Dieses
Schreiben enthielt den Hinweis, dass das Gutachten nicht eingeholt werde, wenn der Vorschuss nicht in der gesetzten Frist
eingegangen sein sollte. Nachdem der Kostenvorschuss auch nach einer Erinnerung vom 08.01.2018 nicht eingegangen war, hat
der Senat dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben am 05.02.2018 unter Hinweis auf §
109 Abs.
2 SGG mitgeteilt, dass die Streitsache nun als entscheidungsreif angesehen werde, da der Kostenvorschuss trotz Erinnerung immer
noch nicht eingegangen sei. Gleichzeitig hat der Senat die Streitsache zur Terminierung und Ladung vorgesehen. Am 12.02.2018
hat der Kläger dann erklärt, den Kostenvorschuss in Höhe von 4.500,00 EUR am 12.02.2018 überwiesen zu haben. Nach Zustellung
der Ladung am 20.02.2018 für den Verhandlungstermin am 11.04.2018 hat der Kläger erklärt, er halte es nicht für rechtens,
dass der Senat die nach §
109 SGG beantragten Gutachten nicht eingeholt hat, da eine Verzögerung des Rechtsstreits nicht eingetreten wäre. Die Vorschussrechnung
vom 09.11.2017 sei ihm mit einfacher Post übermittelt worden. Im Übrigen sei keine den Erfordernissen des §
63 SGG entsprechende wirksame Fristsetzung erfolgt. Zu den gesetzlichen Fristen gehörten auch richterliche Fristen, wenn deren Nichtbefolgung
zu nicht unerheblichen Nachteilen führen könne. Hierzu gehöre auch die Frist zur Zahlung des Vorschusses nach §
109 SGG. Auch die Zahlungserinnerung vom 08.01.2018 habe keine Fristsetzung enthalten. Da keine wirksame Zustellung im Hinblick auf
den angeforderten Kostenvorschuss erfolgt sei, sei auch der Lauf einer Zahlungsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Im Übrigen
würde die Anhörung der Gutachter die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern. Dies sei nur der Fall, wenn der Rechtsstreit
im Zeitpunkt der Ablehnung einer Beweisaufnahme nach §
109 SGG bereits terminiert gewesen sei. Eine Terminierung habe aber am 05.02.2018 noch nicht vorgelegen. Im Übrigen sei nicht auszuschließen
gewesen, dass das Gutachten von Dr. Q noch vor dem Verhandlungstermin vorgelegen hätte. Dr. Q habe ihm gegenüber am 22.02.2018
erklärt, dass er eine Vorlaufzeit von acht bis zehn Wochen für die Erstellung des Gutachtens benötige. Dr. H habe ihm am 26.02.2018
auf Anfrage mitgeteilt, das Gutachten könne bei umgehender Beauftragung bis Ende der 14. Kalenderwoche (08.04.2018) fertiggestellt
werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der
Beklagten Bezug genommen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Der Senat sieht auch keine Veranlassung, dem Hilfsantrag des Klägers auf Einholung von Gutachten von Dres. Q und H nach §
109 SGG zu entsprechen. Diesen Antrag lehnt der Senat, wie es bei verständiger Würdigung auch schon aus dem Richterbrief vom 05.02.2018
sinngemäß hervorgeht, nach §
109 Abs.
2 SGG ab. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Antrag u.a. dann ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des
Rechtsstreits verzögert würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher
vorgebracht worden ist. §
109 Abs.2
SGG ist entsprechend anzuwenden, wenn der Vorschuss erst verspätet gezahlt wird (Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, §
109 Rn. 14b und 11a). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Verfügung vom 09.11.2017, mit der der Vorschuss angefordert wurde,
enthält den Hinweis, dass der Vorschuss binnen vier Wochen einzuzahlen ist. Trotz einer - eigentlich nicht erforderlichen
- Erinnerung ist der Überweisungsauftrag aber erst rund drei Monate später am 12.02.2018 erteilt worden, und damit lange nach
Ablauf von vier Wochen. Entgegen der Auffassung des Klägers war nach Auffassung des Senats für die Fristsetzung keine Zustellung
erforderlich. Denn bei der gesetzten Frist handelt es sich nicht um eine Frist i.S.d. §
63 Abs.
1 SGG, da im Rahmen von §
109 Abs.
2 SGG unabhängig vom Fristablauf zu prüfen ist, ob dem Antragsteller grobe Nachlässigkeit vorzuwerfen ist, sodass der Antrag einerseits
nicht ohne Weiteres nur unter Berufung auf den Fristablauf abgelehnt werden kann (Kühl in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl. 2014, §
109, Rn. 13, anders: Keller, a.a.O., § 109, Rn. 11; vgl. aber ders., a.a.O., Rn. 11a, wonach nicht die Versäumung der Frist,
sondern das Vorliegen der Voraussetzungen des §
109 Abs.
2 SGG maßgeblich ist), andererseits dann aber auch ohne Fristsetzung eine Verzögerung aus grober Nachlässigkeit beachtlich sein
muss. Abgesehen davon wäre ein evtl. Zustellungsmangel nach §§
63 Abs.
2 SGG,
189 Zivilprozessordnung (
ZPO) vorliegend durch tatsächlichen Zugang geheilt (Keller, a.a.O., Rn. 11). Der Kläger hat die Anforderung des Kostenvorschusses
vom 09.11.2017 erhalten, was er nicht bestreitet und was durch seinen Vortrag und die tatsächliche Zahlung des angeforderten
Betrages belegt ist. Vier Wochen Zahlungsziel waren unter Berücksichtigung der Zeitdauer von dem ersten gerichtlichen Hinweis
mit Schreiben vom 29.12.2016, dass keine Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt sind, bis zu den Schreiben der vom Kläger
zuletzt benannten Sachverständigen vom 02.11.2017, mit denen von Sachverständigenseite erstmals die Bereitschaft erklärt wurde,
die Gutachten zu erstatten, ausreichend. Der Kläger hat nicht signalisiert, dass vier Wochen nicht ausreichen und nicht einmal
auf die Erinnerung vom 08.01.2018 reagiert, obwohl die Erinnerung erst knapp zwei Monate nach dem Anforderungsschreiben verfügt
worden war. Da der Kläger schon mit Schreiben vom 10.04.2017, 28.06.2017 und auch bei der Anforderung des Kostenvorschusses
mit Schreiben vom 09.11.2018 auf die Möglichkeit, dass der Antrag nach § 109 Abs.2 abgelehnt werden könnte, hingewiesen worden
ist, kann die verspätete Einzahlung des Kostenvorschusses erst nach rund drei Monaten am 12.02.2018, die erst nach dem Hinweis
vom 05.02.2018, dass der Rechtsstreit nun als entscheidungsreif angesehen wird, veranlasst worden ist, nur als grob nachlässig
angesehen werden. Durch die Zulassung des Antrags nach Einzahlung des Kostenvorschusses am 12.02.2018 hätte sich die Erledigung
des Rechtsstreits auch verzögert. Die Berufung war ausweislich der Gerichtsakten am 05.02.2018 als entscheidungsreif angesehen
und zur Sitzung geschrieben worden. Beabsichtigt war, wie auch geschehen, die Streitsache für den nächsten freien Termin des
Senats am 11.04.2018 zu laden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht erforderlich, dass bei Eingang des Kostenvorschusses
schon terminiert ist. Eine Verzögerung tritt nämlich auch dann ein, wenn sich wegen der Beweisaufnahme nach §
109 Abs.
1 SGG der durch die bereits erfolgte oder erkennbar bevorstehende Terminierung bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung
verschieben würde (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.06.2016 - L 6 VG 5048/15 - in sozialgerichtsbarkeit.de; Keller, a.a.O., § 109 Rn. 11; wohl auch Kühl, a.a.O., Rn 13; zu eng - nur bei schon erfolgter
Terminierung - LSG NRW, Urteile vom 30.04.2009 und 28.01.2010 - L 2 KN 253/08, L 2 KN 212/09 U - sozialgerichtsbarkeit.de). Dies wäre vorliegend der Fall gewesen. Nach der Erfahrung des Senats wäre es bei Stattgabe
des Antrags unmöglich gewesen, den für den 11.04.2018 vorgesehenen Verhandlungstermin durchzuführen. Nach Eingang des Kostenvorschusses
hätte zunächst eine Beweisanordnung erlassen und den Sachverständigen mit den Verwaltungs- und Gerichtsakten zugestellt werden
müssen. Dr. Q hatte am 02.11.2017 erklärt, er könne im Zeitraum Januar/Februar 2018 ein Gutachten erstatten. Hieraus war keinesfalls
ersichtlich, dass diese Aussage auch dann noch gelten sollte, wenn das Gutachten erst nach Eingang des Kostenvorschusses Mitte
Februar in Auftrag gegeben würde. Dr. H hatte in seinem Schreiben vom 02.11.2017 die Frage des Senats, ob er das Gutachten
binnen drei Monaten erstellen könne, nicht beantwortet. Eine Ladung - mit einer Ladungsfrist von zwei Wochen (§
110 Abs.
1 Satz 1
SGG) - hätte dann nach Eingang der Gutachten auch erst erfolgen können, wenn die Beteiligten wegen des Anspruchs auf rechtliches
Gehör eine angemessene Zeit Gelegenheit zur Prüfung der Gutachten und Stellungnahme gehabt hätten. Für die Begutachtungen
hätten somit unter Berücksichtigung einer angemessenen Stellungnahmefrist von vier Wochen noch nicht einmal vier Wochen zur
Verfügung gestanden. Dr. Q hätte aber auch nach Angaben des Klägers eine Vorlaufzeit von acht bis 10 Wochen gebraucht, Dr.
H hätte das Gutachten nach Angaben des Klägers bis Ende der 14. Kalenderwoche 2018, also bis zum 08.04.2018, erstatten können.
Da für die Bemessung einer Gesamt-MdE einer der beiden Sachverständigen zum Gesamtergebnis hätte Stellung nehmen müssen, hätte
sich dieser Hauptgutachter nach Fertigstellung des letzten Gutachtens noch zum Gesamtergebnis äußern müssen. Selbst bei Zugrundelegung
der äußerst optimistischen Zeitvorstellungen des Klägerbevollmächtigten hätte demnach unter diesen Umständen der ins Auge
gefasste Sitzungstermin schon allein unter Berücksichtigung der Dauer der Begutachtung keinesfalls gehalten werden können.