Berücksichtigung des Vermögens im Rahmen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Tatbestand:
Die am 26. Mai 1976 geborene Klägerin ist die eheliche Tochter des Beklagten. Sie nimmt diesen auf Ausbildungsunterhalt in
Anspruch. Die Ehe ihrer Eltern wurde im Jahre 1982 geschieden und die elterliche Sorge für sie ihrer Mutter übertragen. Der
Beklagte zahlte für sie vom Zeitpunkt der Scheidung an bis Februar 1994 aufgrund einer außergerichtlichen Vereinbarung mit
der Mutter monatlich 450 DM. Einem Erhöhungsverlangen auf monatlich 800 DM im Februar 1994 kam er zunächst nach, stellte seine
Zahlungen aber ab Juni 1994 ganz ein, weil die Mutter der Klägerin seiner Aufforderung nicht nachkam, Auskunft über ihre wirtschaftlichen
Verhältnisse zu erteilen. Er ist von Beruf niedergelassener Augenarzt. Die Mutter der Klägerin ist wieder verheiratet und
übt - neben der Betreuung eines minderjährigen Kindes aus der neuen Ehe - eine Teilzeitbeschäftigung im Optikergeschäft ihres
jetzigen Ehemannes aus.
Der am 18. Februar 1985 verstorbene Großvater der Klägerin hat dieser ein Vermächtnis zugewandt. Ihr sollte ein Betrag von
50.000 DM mit Vollendung des 18. Lebensjahres ausgezahlt werden, der bis dahin von ihrer Mutter mündelsicher anzulegen war.
Die Zinsen sollten der Mutter zustehen. Als diese zusammen mit ihrer Schwester ein Haus in M. erbte, verwandte sie den Vermächtnisbetrag
dazu, den Anteil ihrer Schwester zu übernehmen. Die Klägerin beabsichtigt nicht, hierwegen einen Anspruch gegen ihre Mutter
zu erheben. Das Vermächtnis ihres Großvaters umfaßte weiter Pfandbriefe im Nennwert von 10.000 DM sowie drei Krügerrand-Münzen
im Werte von insgesamt ca. 1.650 DM.
Mit der im Juli 1994 erhobenen Klage verlangte die Klägerin vom Beklagten die Zahlung monatlichen Unterhalts von 940 DM nebst
rückständiger 1.740 DM zuzüglich Zinsen. Das Amtsgericht - Familiengericht - gab der Klage in Höhe einer monatlichen Unterhaltsrente
von 783 DM ab 1. August 1994 statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines rückständigen Betrages von 1.546 DM nebst
Zinsen. Im übrigen wies es die Klage ab.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Er machte insbesondere
geltend, daß die Bedürftigkeit der Klägerin im Hinblick auf die Vermögenswerte aus dem Vermächtnis des Großvaters zu verneinen
sei. Die von ihrer Mutter zweckwidrig verwandten 50.000 DM könne sie zurückverlangen.
Die Klägerin verwies darauf, daß der Vermächtnisbetrag von 50.000 DM durch folgende Aufwendungen ihrer Mutter verbraucht worden
sei:
Taschengeld
1985 DM 120,00
1986 DM 180,00
1987 DM 240,00
1988 DM 300,00
1989 DM 360,00
1990 DM 660,00
1991 DM 780,00
1992 DM 1.200,00
1993 DM 1.440,00
Bett/Rost/Matratze DM 1.500,00
Schrank/Kommoden DM 2.000,00
Kassettenrecorder/Radio DM 400,00
Computer/Drucker DM 3.000,00
Stereoanlage DM 1.000,00
Zuzahlung zur Zahnspangenbehandlung über etwa 4 Jahre ca. DM 700,00
Zähne versiegeln DM 480,00
2 Fahrräder DM 360,00 und DM 150,00 DM 510,00
Mountain Bike DM 1.200,00
Einrad/Jonglierkurse DM 300,00/240,00 DM 540,00
Tanzkurse 6 x DM 180,00 DM 1.080,00
Tanzkleider (Ball) und Schuhe DM 1.200,00
Tenniskurse über etwa 5 Jahre DM 1.200,00
Tennisschläger und Schuhe DM 300,00/400,00 DM 700,00
Skiausrüstung/Skistunden DM 2.000,00
Flötenunterricht über 8 Jahre (ca. DM 500,00/Jahr) DM 4.000,00
Flöten DM 900,00
Schmuck und Uhren DM 1.000,00
Sonderwünsche an Kleidung ca. DM 700,00/Jahr x 9 Jahre DM 6.300,00
Steifftiere und Puppen DM 1.000,00
Fotoapparate DM 200,00 und DM 300,00 DM 500,00
Div. Drachen DM 500,00
Verschiedene Kleintiere/Käfige u. Unterhalt DM 800,00
Schreibtischstuhl DM 600,00
Karatekurse und Anzug DM 400,00
Führerschein DM 2.500,00
Auto DM 8.000,00
ADAC/Rechtsschutz/Steuer/Vers. (DM 41,00/83,00/158,00/583,00) DM 865,00
Winterreifen DM 480,00
Taschenlampe/Warndreieck DM 50,00
Benzingeld für die ersten Fahrten DM 500,00
Kfz.-Zulassung/Nr.-Schilder DM 80,00
Summe DM 51.265,00
Ihre Mutter habe ihr dies kurz nach ihrem 18. Geburtstag mitgeteilt; sie habe die Abrechnung als korrekt gebilligt.
Das Oberlandesgericht ermäßigte den vom Amtsgericht zuerkannten Unterhalt auf monatlich 745 DM für die Zeit vom 1. Juni 1994
bis 31. Dezember 1995 sowie auf monatlich 656 DM für die Zeit ab 1. Januar 1996. Im übrigen wies es das Rechtsmittel des Beklagten
zurück.
Mit der - vom Oberlandesgericht in der Urteilsformel uneingeschränkt zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren
auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Die Revision ist in vollem Umfang zulässig. Zwar kann sich eine Beschränkung der - nach der Urteilsformel uneingeschränkten
- Revisionszulassung aus den Entscheidungsgründen ergeben. In diesen hat das Oberlandesgericht hier ausgeführt, die Revision
sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen worden, inwieweit ein volljähriges Kind eigenes Vermögen einsetzen
müsse, und sich dabei ausdrücklich auf die der Klägerin vermachten Pfandbriefe im Nennwert von 10.000 DM bezogen. Darin kann
aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine eingeschränkte Zulassung der Revision gesehen werden. Es ist schon
zweifelhaft, ob die vom Oberlandesgericht angeführte Rechtsfrage, wie erforderlich, nur einen selbständigen und abtrennbaren
Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft (vgl. dazu BGHZ 111, 158, 166; Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 195/93 - BGHR
ZPO §
546 Abs.
1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 15). Jedenfalls wird nicht hinreichend deutlich, daß das Berufungsgericht nicht nur,
wie es häufig geschieht, mit seinen Ausführungen eine Begründung für die Zulassung der Revision geben wollte (vgl. BGH, Urteil
vom 24. März 1988 - IX ZR 114/87 - BGHR
ZPO §
546 Abs.
1 Satz 1 Revisionszulassung, beschränkte 5).
2. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß sich ein Unterhaltsanspruch der volljährigen, aber noch in Ausbildung befindlichen
Klägerin aus §§
1601,
1602 Abs.
1,
1610 Abs.
2
BGB ergeben kann. Streitig ist insbesondere, ob ihre Bedürftigkeit aufgrund vorhandenen Vermögens ganz oder teilweise zu verneinen
ist. Insoweit kommt vor allem das von ihrem Großvater zugewandte Vermächtnis eines Betrages von 50.000 DM in Betracht, das
ihr mit Vollendung des 18. Lebensjahres ausbezahlt werden sollte, das aber ihre Mutter für eigene Zwecke verbraucht hat. Insoweit
hat sich die Klägerin mit ihrer Mutter dahin geeinigt, im Hinblick auf bestimmte Aufwendungen, die die Mutter für sie seit
dem Erbfall gemacht hat, keine Ansprüche zu erheben.
Der Beklagte hat im Prozeß die Auffassung vertreten, ungeachtet dieser Einigung bestünden Ansprüche gegen die Mutter, die
von der Klägerin zu realisieren seien, bevor sie Unterhalt fordern könne. Die Revision vertritt den Standpunkt, mit dem Verzicht
auf ein Vorgehen gegen die Mutter habe die Klägerin dieser ein entsprechendes Geschenk gemacht, das Ansprüche aus §
528
BGB begründe, die vorrangig geltend gemacht werden müßten. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang lediglich am Maßstab
des §
1611 Abs.
1
BGB die Frage geprüft (und verneint), ob die Klägerin sich durch die genannte Einigung ohne hinreichenden Grund bedürftig gemacht
habe. Die Frage stellt sich aber erst, wenn davon auszugehen ist, daß sich die Klägerin mit der Einigung tatsächlich jeden
Anspruchs gegen die Mutter begeben hat (vgl. Senatsurteil vom 4. November 1987 - IVb ZR 75/86 - FamRZ 1988, 159, 160). Diese Prämisse trifft aber nicht zu.
a) Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß der Klägerin nach ihrem 18. Geburtstag von der Mutter im einzelnen mitgeteilt
wurde, wofür das von ihrem Großvater vermachte Geld verbraucht wurde. Die Mitteilung habe einen ähnlichen Inhalt gehabt wie
die im Prozeß vorgetragene Einzelaufstellung von Aufwendungen. Die Klägerin habe sich mit dieser Art der Verrechnung einverstanden
erklärt.
Daraus ergibt sich zunächst, daß die zustandegekommene Einigung keinen Erlaßcharakter hatte, daß vielmehr beide Seiten davon
ausgingen, der Vermächtnisanspruch werde durch Aufwendungen der Mutter für die Klägerin in der Vergangenheit ausgeglichen.
Für einen schenkweisen Erlaß fehlt es am subjektiven Tatbestand, so daß die von der Revision ins Feld geführte Bestimmung
des §
528
BGB ausscheidet. Was die Beteiligten wollten, ist rechtlich als Aufrechnungsvertrag einzuordnen: Die Mutter hat erklärt, daß
ihr Aufwendungsersatzansprüche in einer mindestens 50.000 DM erreichenden Höhe zustünden, die sie dem Vermächtnisanspruch
entgegensetzen wolle. Dem hat die Klägerin zugestimmt, ohne daß Anhaltspunkte dafür bestünden, sie sei nur zum Schein darauf
eingegangen.
Die Revisionserwiderung vertritt in diesem Zusammenhang eine andere rechtliche Konstruktion: Der Vermächtnisanspruch sei durch
die fraglichen Aufwendungen der Mutter bereits in der Vergangenheit nach und nach erfüllt worden, was die Klägerin nach Erlangung
der Volljährigkeit genehmigt habe. Schriftsätzliches Vorbringen der Klägerin, das dahin gehe, habe das Oberlandesgericht unter
Verstoß gegen §
286
ZPO unberücksichtigt gelassen. Dem kann schon aus formellem Grunde nicht gefolgt werden. Die Feststellungen des Oberlandesgerichts
über eine mit der volljährig gewordenen Klägerin getroffene Verrechnungsabrede, die Teil des unstreitigen Tatbestands des
Berufungsurteils sind, wären im Falle einer stufenweisen Vorauserfüllung des Vermächtnisses unrichtig. Die Klägerin hat ein
Verfahren auf Tatbestandsberichtigung gemäß §
320
BGB nicht durchgeführt. Eine Verfahrensrüge aus §
286
ZPO, die auf allgemein im Tatbestand in Bezug genommenes schriftsätzliches Vorbringen gestützt wird, kann aber eine erforderliche
Tatbestandsberichtigung nicht ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1993 - IX ZR 215/92 - NJW 1993, 1851, 1852). Abgesehen davon würde die geltend gemachte Vorauserfüllung nicht dem Zweck des Vermächtnisses entsprechen, die Klägerin
gerade für die Zeit nach ihrer Volljährigkeit mit Mitteln auszustatten (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 123, 49, 53 f.). Nicht dargetan ist auch, daß die Mutter jeweils auf den noch nicht fälligen Vermächtnisanspruch geleistet hat, so
daß sich die Frage einer Genehmigung nicht stellt (vgl. dazu BGHZ 51, 157, 161; BGH, Urteil vom 3. Dezember 1990 - II ZR 251/89 - NJW 1991, 1294, 1295).
b) Ist somit eine Aufrechnungsvereinbarung zugrunde zu legen, so ist eine solche zwar gegenüber der einseitigen Aufrechnung
mit gewissen Erleichterungen verbunden (vgl. dazu BGHZ 94, 132, 135), aber unverzichtbar ist auch hier, daß die von den Vertragsschließenden angenommenen Forderungen tatsächlich bestehen;
soweit das nicht der Fall ist, ist der Vertrag unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1991 - I ZR 134/89 - NJW-RR 1991 744; Palandt/Heinrichs,
BGB, 56. Aufl., §
387 Rdn. 20; MünchKomm/v. Feldmann, 3. Aufl., § 387 Rdn. 31 f.). Es bedarf daher der Prüfung, ob Forderungen der Mutter, wie
sie aus der im Prozeß vorgetragenen Aufstellung im einzelnen hervorgehen sollen, im Zeitpunkt der Einigung tatsächlich bestanden.
Damit hat sich das Oberlandesgericht zu Unrecht nicht befaßt. Soweit es der Frage nachgegangen ist, ob der Beklagte in der
Vergangenheit für die Klägerin zu wenig Unterhalt bezahlt hat und insoweit zu einem Fehlbetrag von rund 22.000 DM gelangt
ist, ist dies für die Entscheidung ohne Bedeutung. Hierwegen wäre allenfalls der Mutter der Klägerin ein familienrechtlicher
Ausgleichsanspruch erwachsen, der sich aber gegen den Beklagten richtet und daher dem Vermächtnisanspruch der Klägerin nicht
entgegengesetzt werden kann. Außerdem weist die Revision mit Recht darauf hin, daß ein solcher Anspruch den Beschränkungen
des §
1613 Abs.
1
BGB unterliegt, soweit er sich auf Zeiträume der Vergangenheit bezieht (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 84/82 - FamRZ 1984, 775, 776).
c) Die fraglichen Aufwendungen der Mutter der Klägerin sind nach Grund und Höhe bestritten (hinsichtlich des Pkw vgl. unten
d). Sie können unterstellt werden, soweit es sich dabei darum gehandelt hat, Unterhaltsleistungen für die Klägerin zu erbringen
oder ihr Gelegenheitsgeschenke zu machen. Denn insoweit besteht kein Ersatzanspruch der Mutter.
Nach §
1648 letzter Halbsatz
BGB kann ein sorgeberechtigter Elternteil keinen Ersatz für geschuldete Unterhaltsleistungen verlangen. Soweit er über das geschuldete
Maß hinausgehende Unterhaltsleistungen erbracht hat, greift die Vermutung des §
685 Abs.
2
BGB ein, wonach ihm regelmäßig die Absicht fehlt, vom Empfänger Ersatz zu verlangen (vgl. dazu Staudinger/Engler,
BGB, 10./11. Aufl., §
1648 Rdn. 2; Palandt/Thomas,
BGB, 56. Aufl., §
685 Rdn. 3). Anhaltspunkte, die die auf der Lebenserfahrung beruhende Vermutung des §
685 Abs.
2
BGB (vgl. BGHZ 38, 302, 305) hier entkräften könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Danach scheiden diejenigen Aufwendungen in
der Aufstellung als Grundlage für einen Ersatzanspruch der Mutter aus, die ihrer Art nach Unterhaltsgewährung darstellen.
Darunter fallen insbesondere das in den Jahren 1985 bis 1993 gezahlte Taschengeld und die Aufwendungen für Bekleidung, ärztliche
Behandlung sowie sportliche und musikalische Ausbildung (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl., § 57 IV
4 S. 865). Soweit es sich um Gelegenheitsgeschenke handelt (vgl. etwa die Posten "Steifftiere und Puppen", "Schmuck und Uhren")
gilt das gleiche nach dem Rechtsgedanken des §
534
BGB. Auf der Grundlage der Wertansätze der Aufstellung ergeben sich danach erhebliche Beträge, die dem Vermächtnisanspruch aus
Rechtsgründen nicht entgegengesetzt werden können.
d) Außerhalb des erörterten Bereichs kann §
1648
BGB Ersatzansprüche des sorgeberechtigten Elternteils begründen, allerdings in engen Grenzen. Das Gesetz spricht von Aufwendungen,
die der Elternteil "den Umständen nach für erforderlich halten durfte". Dabei ist nach herrschender Ansicht, die der Senat
teilt, nicht auf die objektive Notwendigkeit abzustellen, sondern darauf, was nach dem Sorgfaltsmaßstab des §
1664
BGB subjektiv für erforderlich gehalten werden durfte, auch und gerade im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Kindes (vgl.
etwa Staudinger/Engler, aaO., Rdn. 4;
BGB-RGRK/Adelmann, 12. Aufl., §
1648 Rdn. 4). Ein Ersatzanspruch entfällt, wenn im Zeitpunkt der Aufwendung keine Absicht bestand, dafür Ersatz zu verlangen,
wofür allerdings im Gegensatz zum Anwendungsbereich des §
685 Abs.
2
BGB keine tatsächliche Vermutung spricht (vgl. etwa MünchKomm/Hinz, 3. Aufl., §
1648 Rdn. 6).
Ob der Mutter der Klägerin für einen Teil der in der Aufstellung angeführten Aufwendungen Ersatzansprüche zustanden, kann
mangels hierzu getroffener Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Eine Ausnahme gilt für den Betrag von 8.000
DM, den die Mutter nach der vorgelegten Rechnung vom 24. März 1994 für die Anschaffung eines gebrauchten Pkw "Citroen AX"
verwendet hat. Das Fahrzeug hat sie der Klägerin zu ihrem 18. Geburtstag (26. Mai 1994) überlassen. Insoweit können die Voraussetzungen
eines Ersatzanspruchs aus §
1648
BGB aufgrund des bereits feststehenden Sachverhalts bejaht werden. Es handelte sich um eine Aufwendung in beträchtlicher Höhe,
die die Mutter im Hinblick auf die bevorstehende Erlangung der Volljährigkeit der Klägerin und deren an sich bestehenden Vermächtnisanspruch
jedenfalls subjektiv für erforderlich halten durfte. Die Umstände ergeben nicht, daß keine Absicht bestand, für die hohe Summe
keinen Ersatz zu verlangen.
e) Nach gegenwärtiger Sachlage ist somit davon auszugehen, daß der Klägerin aus dem Vermächtnis ihres Großvaters noch eine
Forderung in beträchtlicher Höhe zusteht.
Ein Unterhaltsgläubiger ist aber nicht bedürftig, wenn er es unterläßt, eine Forderung einzuziehen, die er in zumutbarer Weise
einziehen könnte (vgl. etwa Senatsurteil vom 21. Januar 1989 - IVb ZR 31/88 - FamRZ 1989, 499, 500). Es bestehen keine Bedenken, die Klägerin darauf zu verweisen, einen restlichen Vermächtnisanspruch gegen ihre Mutter
zu realisieren, zumal diese die Mittel des Vermächtnisses zum Erwerb unbelasteten Grundbesitzes verwandt hat und letzterer
zur Befriedigung eines Anspruchs der Klägerin eingesetzt werden könnte (vgl. zum Pflichtteilsanspruch Senatsurteil vom 21.
April 1993 - XII ZR 248/91 - FamRZ 1993, 1065, 1067).
3. Soweit das Oberlandesgericht geprüft hat, ob die Klägerin Vermögen für ihren Unterhalt einzusetzen hat (Pfandbriefe, Krügerrand-Münzen,
Pkw), hat es im wesentlichen ausgeführt: Ähnlich wie nach den Regelungen in § 88
BSHG oder § 6 AlHiVO erscheine es gerechtfertigt, einem volljährigen Unterhaltsberechtigten einen gewissen Freibetrag zu belassen, der
jeweils nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten zu bemessen sei. Die auf
Billigkeit abstellende Bestimmung des §
1577 Abs.
3
BGB dürfte entsprechend anwendbar sein. Unter Berücksichtigung dessen sei die Klägerin nicht gehalten, die drei Krügerrand-Münzen
zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs einzusetzen. Sie dürfe diese als Erinnerung an ihren Großvater behalten. Bei der Frage,
ob sie die Pfandbriefe verkaufen müsse, sei zu berücksichtigen, daß ihre Eltern in recht guten finanziellen Verhältnissen
lebten und nicht unvermögend seien. Das gemeinsame monatliche Nettoeinkommen betrage knapp 8.000 DM. Sie hätten beide auch
unbelasteten Grundbesitz. Für den Barunterhalt des Kindes der Mutter der Klägerin aus deren jetziger Ehe komme ihr Ehemann
auf. Der Beklagte habe zwar vorgetragen, er müsse seine alte Mutter unterstützen. Dieser Gesichtspunkt habe jedoch schon deshalb
außer Betracht zu bleiben, weil die Mutter des Beklagten der Klägerin im Range nachgehe (§
1609 Abs.
1
BGB) und der Beklagte durch die relativ geringe Unterhaltszahlung an die Klägerin nicht sonderlich belastet werde. Unter Würdigung
aller Umstände sei es billig und angemessen, daß die Klägerin die Pfandbriefe im Nennwert von 10.000 DM nicht veräußern müsse,
sondern sie gegebenenfalls für die Befriedigung von Bedürfnissen, die sie aus der normalen Unterhaltszahlung nicht bestreiten
könne (Urlaubsreisen und ähnlichen) einsetzen dürfe. Das gelte nur nicht hinsichtlich der Zinserträge, die mit monatlich 50
DM anzurechnen seien. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet, den Pkw, für den sie nach den Vorstellungen des Beklagten
6.000 DM erlösen könne, zu veräußern und den Erlös für ihren Unterhalt einzusetzen. Angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
ihrer Eltern müsse ein derartiges Ansinnen als unbillig angesehen werden.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.
a) Bei der Frage, inwieweit ein volljähriges Kind für seinen Unterhalt den Stamm seines Vermögens angreifen muß (Umkehrschluß
aus §
1602 Abs.
2
BGB), scheint das Oberlandesgericht einer entsprechenden Anwendung des §
1577 Abs.
3
BGB zuzuneigen, einer Vorschrift aus dem Bereich des nachehelichen Unterhalts. Vor der Schaffung der Norm durch das 1. EheRG
hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß das Vorhandensein von Vermögen eines volljährigen Kindes zwar dem Grundsatz nach
die Bedürftigkeit ausschließt, daß aber die Vermögensverwertung im Einzelfall unzumutbar sein kann, insbesondere im Falle
der Unwirtschaftlichkeit, auf die nunmehr auch §
1577 Abs.
3
BGB abstellt (vgl. Urteile vom 5. Dezember 1956 - IV ZR 215/56 - FamRZ 1957, 120 und vom 9. November 1965 - VI ZR 260/63 - FamRZ 1966, 28, 29). In bezug auf den Obliegenheitsmaßstab des Unterhaltsverpflichteten hat der Senat bereits ausgesprochen, daß das Gesetz
im Bereich des Verwandtenunterhalts eine allgemeine Billigkeitsgrenze wie beim nachehelichen Unterhalt nicht vorsehe (Urteil
vom 23. Oktober 1985 - IVb ZR 52/84 - FamRZ 1986, 48, 50). Die Grenze der Unzumutbarkeit wird daher etwas enger als bei §
1577 Abs.
3
BGB zu ziehen sein, angenähert etwa dem Begriff der groben Unbilligkeit. Der Tatrichter hat darüber im Einzelfall im Rahmen einer
umfassenden Zumutbarkeitsabwägung zu entscheiden, die alle bedeutsamen Umstände und insbesondere auch die Lage des Unterhaltsverpflichteten
berücksichtigt (vgl. dazu etwa OLG Hamburg, FamRZ 1980, 912, 913; OLG Hamm, FamRZ 1982, 1099, 1100; OLG Frankfurt/M., FamRZ 1987, 1179, 1180; s.a. MünchKomm/Köhler, 3. Aufl., §
1602 Rdn. 8;
BGB-RGRK/Mutschler, aaO., §
1602 Rdn. 21). Soweit im Schrifttum auf die Frage einer entsprechenden Anwendung des §
1577 Abs.
3
BGB eingegangen wird, wird dies überwiegend verneint (vgl. Soergel/Häberle,
BGB, 12. Aufl., §
1602 Rdn. 4; Staudinger/Kappe,
BGB - 1993, §
1602 Rdn. 118; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 3. Aufl., § 2 Rdn. 107; Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts,
6. Aufl., Rdn. 506); a.A. Griesche in FamGb § 1602 Rdn. 50; Schwab/Barth, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., Teil V
Rdn. 124).
Ob dem Unterhaltsberechtigten insbesondere ein sog. Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zu belassen
ist, wird ebenfalls nicht beurteilt (dagegen etwa Staudinger/Kappe, aaO., Rdn. 122; Göppinger/Strohal, aaO., Rdn. 310). Der
Senat schließt sich insoweit der bejahenden Auffassung an, die wohl als herrschend zu bezeichnen ist (vgl. OLG Düsseldorf,
FamRZ 1990, 1137; MünchKomm/Köhler, aaO.; Erman/Holzhauer,
BGB, 9. Aufl., §
1602 Rdn. 26; Wendl/Scholz, aaO.; Gernhuber/Coester-Waltjen, aaO., § 45 II 2 S. 667; s.a. für den Trennungsunterhalt Senatsurteil
vom 16. Januar 1985 - IVb ZR 60/83 - FamRZ 1985, 360, 361).
b) Das Oberlandesgericht hat der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des "Notgroschens" Pfandbriefe im Nennwert von 10.000 DM
belassen, und daneben unter dem Gesichtspunkt des sogenannten Affektionsinteresses die drei Krügerrand-Münzen. Wenn es in
ersterer Hinsicht auch Urlaubsreisen berücksichtigt, kann aber schwerlich von einem Notbedarf ausgegangen werden. Die Orientierung
an Vorschriften des Sozialrechts bei der Bemessung eines solchen Freibetrages (§ 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG mit der DurchführungsVO vom 11. Februar 1988 - BGBl. I 150; § 6 AlHiVO) ist an sich nicht zu beanstanden (ausführlich dazu Müller in FPR 1995, 190). Die in diesen Vorschriften genannten Beträge (2.500 bzw. 4.500 DM nach der DurchführungsVO, 8.000 DM gemäß § 6 AlHiVO)
hat das Oberlandesgericht aber überschritten (Müller, aaO., S. 191 hält i.d.R. einen Betrag von 5.000 DM für angemessen).
Bedenken begegnet auch, daß es das Oberlandesgericht abgelehnt hat, beim Beklagten, dessen monatliches Nettoeinkommen es mit
5.840 DM festgestellt hat, die notwendige Unterstützung seiner pflegebedürftigen, in einem Heim untergebrachten Mutter zu
berücksichtigen (die Heimkosten betragen monatlich ca. 4.300 DM bei Renteneinkünften der Mutter von rund 1.900 DM). Da die
wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen stets ins Gewicht fallen, kommt es nicht entscheidend darauf an, daß
der Unterhaltsanspruch der Klägerin demjenigen der Mutter des Beklagten im Range vorgeht. Was das hinsichtlich der Goldmünzen
berücksichtigte Affektionsinteresse angeht, so hat ein solches um so weniger Gewicht, je höher der Verkehrswert eines Vermögensgegenstandes
zu veranschlagen ist (vgl.
BGB-RGRK/Mutschler, aaO., Rdn. 22). Es liegt daher nahe, der Klägerin die drei Krügerrand-Münzen nicht zusätzlich zu belassen,
sondern deren Wert mit in den der Klägerin insgesamt zu belassenden Freibetrag einzubeziehen. Diese Frage bedarf nach allem
erneuter Prüfung unter Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte.
c) Daß es der Klägerin nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht obliegt, den ihr von der Mutter gekauften Pkw zu veräußern
und den Erlös für ihren Unterhalt einzusetzen, wird von der Revision nicht angegriffen. Es mag zwar zweifelhaft sein, ob allein
der Hinweis des Oberlandesgericht auf die günstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern und die daraus abzuleitende
Lebensstellung der Klägerin bis zur Erlangung eigener wirtschaftlicher Selbständigkeit diese Beurteilung rechtfertigt. Im
Hinblick auf den starken Wertverfall gebrauchter Pkw ist die Entscheidung zu diesem Punkt jedenfalls unter dem Blickwinkel
der Unwirtschaftlichkeit nicht zu beanstanden. Gebrauchte Gegenstände, deren Nutzen für den Bedürftigen wesentlich höher zu
veranschlagen ist als der zu erwartende Erlös, müssen in der Regel nicht verwertet werden (vgl.
BGB-RGRK Mutschler, aaO.).
4. Da es vor allem weiterer Aufklärung bedarf, in welcher Höhe der Klägerin noch ein Vermächtnisanspruch gegen ihre Mutter
zusteht, kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Im weiteren Verfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben,
ihren bisher nur pauschalen Vortrag zu den gegengerechneten Aufwendungen ihrer Mutter zu präzisieren, zumal sie die Darlegungs-
und Beweislast für ihre Bedürftigkeit trägt. Auch die Frage eines ihr zu belassenden Freibetrages bedarf, wie ausgeführt,
erneuter tatrichterlicher Würdigung.
Nach gegenwärtigem Sachstand sind folgende Hinweise veranlaßt:
a) Ein in Ausbildung befindliches volljähriges Kind ist nicht unter allen Umständen gehalten, zumutbar verwertbares Vermögen
vollständig zu verbrauchen, ehe es von einem Elternteil Unterhalt in Anspruch nehmen kann. Im vorliegenden Fall liegt nahe,
daß es Zweck des Vermächtnisses des Großvaters war, die Ausbildung der Klägerin zu sichern. Es ist daher unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten
etwa nicht ausgeschlossen, die für den eigenen Unterhalt einzusetzende Mittel der Klägerin auf ihre voraussichtliche Ausbildungsdauer
umzulegen (vgl. dazu Griesche in FamGB, aaO., Rdn. 50; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 1281).
b) Nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 11. Februar 1987 (IVb ZR 81/85 - FamRZ 1987, 472 ff.) erscheint die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß es der Mutter der Klägerin unterhaltsrechtlich nicht obliegt,
sich um eine höher vergütete Teilzeitbeschäftigung zu bemühen, als rechtsbedenkenfrei.
c) Das gleiche gilt für die Beurteilung des Oberlandesgerichts, der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht wegen der Verweigerung
von persönlichen Kontakten herabzusetzen oder auszuschließen (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240, 93
- FamRZ 1995, 475 ff.).
§
1611 Abs.
1
BGB setzt eine schwere Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen voraus. Ein etwaiges Fehlverhalten des unterhaltsberechtigten
Kindes aus der Zeit seiner Minderjährigkeit kann dem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt für die Zeit nach Erlangung der Volljährigkeit,
der hier zur Entscheidung steht, allgemein nicht entgegengehalten werden (vgl. Senatsurteil vom 4. November 1987 - IVb ZR 75/86 - FamRZ 1988, 159, 163). Die vorliegende Unterhaltsklage ist im Juli 1994 eingereicht worden, nachdem die Klägerin am 26. Mai 1994 volljährig
geworden ist. Ihr wird vom Beklagten vorgeworfen, daß sie auf seinen brieflichen Kontaktwunsch vom 16. Juni 1994 nicht reagiert
und im erstinstanzlichen Termin vom 22. August 1994 jegliche Kontaktaufnahme abgelehnt habe. Nachdem über einen Zeitraum von
10 Jahren überhaupt keine persönlichen Begegnungen stattgefunden hatten, konnte der Beklagte aber schwerlich erwarten, daß
solche gerade in der besonderen Spannungssituation eines Rechtsstreits mit der soeben volljährig gewordenen Klägerin anzubahnen
seien.