Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung bei Wohnsitz in Mitgliedstaat
Gründe:
I
Streitig ist, ob die in Spanien lebende Klägerin auf Grund des Bezuges einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung
in der sozialen Pflegeversicherung versichert ist, obgleich sie auch eine Rente eines spanischen Trägers der Rentenversicherung
bezieht.
Die im Januar 1926 geborene Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Sie bezieht seit Februar 1986 eine Rente von der Landesversicherungsanstalt
(LVA) Württemberg. Auf Grund des Rentenbezuges war die Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert.
Nachdem die Klägerin im Mai 1986 nach Spanien zurückgekehrt war, wurde mit Wirkung zum 1. Juli 1986 die Krankenversicherung
von der für Auslandsrentner zuständigen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bonn, deren Rechtsnachfolgerin die AOK Rheinland
ist, durchgeführt. Seit dem 1. September 1990 bezog die Klägerin auch eine Rente des spanischen Rentenversicherungsträgers;
hiervon erhielt die Krankenkasse erst 1998 durch Mitteilung des spanischen Rentenversicherungsträgers Kenntnis.
Im Juni 1998 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie "weiterhin nur" freiwillig pflegeversichert sein wolle. Die Beklagte
unter der Bezeichnung AOK Rheinland lehnte dies mit Bescheid vom 30. Juni 1998 ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit
Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1998 zurück. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung habe mit
Ablauf des 31. August 1990 geendet, weil die Klägerin ab 1. September 1990 eine Rente des spanischen Rentenversicherungsträgers
bezogen habe und auf Grund dieses Rentenbezuges in Spanien krankenversichert gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt hätten Ansprüche
auf Kranken- bzw Pflegeversicherungsleistungen nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 über die Anwendung der Systeme
der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- oder abwandern, (EWGV 1408/71) nur noch nach spanischem Recht bestanden. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
bestehe nicht. Auch ein Beitritt zur Pflegeversicherung sei für die Klägerin nicht möglich. Ein Antrag auf Weiterversicherung
nach §
26 Abs
2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI) hätte spätestens innerhalb eines Monats nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht gestellt werden müssen. Auch sei diese
Vorschrift erst am 1. Januar 1995 in Kraft getreten und finde keine Anwendung, wenn die Mitgliedschaft schon vor diesem Zeitpunkt
beendet gewesen sei.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie sei auf Grund ihrer vom spanischen Träger der Rentenversicherung gewährten Rente in Spanien
krankenversichert; diese Krankenversicherung sei der deutschen Krankenversicherung gleichzustellen. Die Pflegeversicherung
könne daher auch ohne Versicherungspflicht in der deutschen Krankenversicherung bestehen. Art 27 EWGV 1408/71 dürfe nicht so ausgelegt werden, dass die Versicherung in der deutschen Krankenversicherung entfalle, wenn auf Grund
des Bezuges einer spanischen Rente ein Sachleistungsanspruch gegen den spanischen Krankenversicherungsträger bestehe. Wegen
ihrer spanischen Krankenversicherung ruhe zwar die deutsche Krankenversicherung, aus der Pflegeversicherungspflicht sei sie
jedoch nicht ausgeschieden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 27. September 2000 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nur noch die Feststellung
der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung begehrt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil
vom 29. August 2002 zurückgewiesen. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit die Versicherungspflicht
in der sozialen Pflegeversicherung habe wegen des Wohnsitzes der Klägerin in Spanien und des Bezuges der spanischen Rente
gemäß §
30 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (
SGB I), §
3 Nr 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (
SGB IV) iVm Art 27 EWGV 1408/71 zum 31. August 1990 geendet. Der im Wohnland zuständige Träger sei allein für Leistungen der Krankenversicherung
zuständig und verpflichtet, die Kosten zu tragen. Zu den Leistungen bei Krankheit gehörten auch die Leistungen der deutschen
sozialen Pflegeversicherung.
Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie sei weiterhin in der deutschen Krankenversicherung und daher auch in der Pflegeversicherung
versichert. Art 27 EWGV 1408/71 regele nicht das Ende der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung des anderen Mitgliedstaates. Die dem widersprechende
Auslegung dieser Vorschrift durch das LSG verstoße gegen Art 48 und 51, nunmehr Art 39 und 42, des Vertrages zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft (EG).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 29. August 2002, das Urteil des SG vom 27. September 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.
Oktober 1998 aufzuheben und festzustellen, dass sie als Pflichtmitglied Mitglied der beklagten Pflegekasse ist,
hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens folgende Fragen vorzulegen:
1. Endet nach Art 27 EWGV 1408/71 die Mitgliedschaft bei der deutschen Krankenversicherung eines in Spanien lebenden Rentners, der eine deutsche und
eine spanische Rente bezieht, durch die Gewährung der Leistungen bei Krankheit durch den spanischen Versicherungsträger? Und
wenn ja,
2. bleibt nach Art 27 EWGV 1408/71 die Pflichtmitgliedschaft bei der deutschen sozialen Pflegeversicherung bestehen, wenn die spanischen Rechtsvorschriften
diese Leistungen nicht vorsehen? Und wenn nicht,
3. ist Art 27 EWGV 1408/71 so auszulegen, dass die spanische Krankenversicherung der deutschen Krankenversicherung im Sinne des §
20 Abs
1 SGB XI für die Erfüllung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung gleichgestellt wird? Und wenn
nicht,
4. verstößt Art 27 EWGV 1408/71 gegen Art 48, nunmehr Art 39 EG, wenn die in Spanien lebenden Rentner, die eine spanische und eine deutsche Rente beziehen, ihren Wohnsitz wieder nach
Deutschland verlegen müssten, um in der deutschen Krankenversicherung und somit in der Pflegeversicherung als Pflichtmitglied
versichert zu sein? Und wenn nicht,
5. verstößt §
20 SGB XI gegen Art 48, nunmehr Art 39 EG, wenn der Anspruch auf die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung eines spanischen oder deutschen Rentners, der
sowohl von Spanien als auch von Deutschland eine Rente bezieht und in Spanien wohnt, vom Aufenthaltsland des Rentners abhängt?
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Senat hat während des Revisionsverfahrens den für die Rentenzahlungen zuständigen deutschen Rentenversicherungsträger
mit dessen Zustimmung beigeladen. Dieser hat sich zur Sache nicht geäußert.
Auf Nachfrage hat die Klägerin ergänzende Angaben zu ihrem beruflichen Werdegang und den von ihr bezogenen Renten gemacht
sowie Kopien von Mitteilungen zur Anpassung der von ihr bezogenen Renten eingereicht.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Nachdem die Klägerin ihr Begehren im Berufungs- und Revisionsverfahren auf die Feststellung des Bestehens einer Pflichtmitgliedschaft
bei der Beklagten beschränkt hatte, war nur hierüber zu entscheiden. Zu Recht hat das SG insoweit die Klage abgewiesen und das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zutreffend hat es die beklagte Pflegekasse mit Bescheid
vom 30. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 1998 abgelehnt, die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin
festzustellen. Die Klägerin ist nicht versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. Einer Aussetzung des Revisionsverfahrens
zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedurfte es nicht.
1. Im Revisionsverfahren war nur noch über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu entscheiden, soweit die Beklagte
die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin verneint hat. Ihr im Verwaltungsverfahren sowie im erstinstanzlichen Verfahren ursprünglich
ebenfalls verfolgtes Begehren, in der sozialen Pflegeversicherung freiwillig versichert zu sein, hat die Klägerin im Berufungs-
und Revisionsverfahren nicht mehr aufrechterhalten.
2. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage, die mit einer Anfechtungsklage verbunden ist, ist gemäß §
55 Abs
1 Nr
1 Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässig. Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten unter Aufhebung des insoweit
entgegenstehenden feststellenden Bescheides. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung,
weil grundsätzlich das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft Voraussetzung für das Vorliegen von Versicherungsschutz sowie
die Verpflichtung zur Beitragszahlung ist (vgl Urteil des Senats vom 7. Dezember 1989 - 12 RK 19/87, BSGE 66, 124, 126 = SozR 2200 § 165 Nr 97 S 168 f).
3. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 1998 ist rechtmäßig.
a) Auch wenn in den Bescheiden die beklagte Pflegekasse als erlassende Körperschaft nicht vollständig bezeichnet ist, sind
die Bescheide aus diesem Grund nicht zu beanstanden. Die beklagte Pflegekasse war für die angefochtenen Bescheide sachlich
zuständig (vgl Urteil des Senats vom 6. November 1997 - 12 RP 1/96 -, BSGE 81, 168, 169 = SozR 3-3300 § 20 Nr 2 S 2). Zwischen der allein in den Bescheiden benannten Krankenkasse und der Pflegekasse besteht
Organidentität. Der Senat hat deshalb für eine Übergangszeit entschieden, dass derartige Bescheide als Bescheide der Pflegekasse
noch erkennbar sind (vgl ua Urteil des Senats vom 6. November 1997 - 12 RP 4/96 -, SozR 3-3300 § 55 Nr 1 S 2). Er hält an dieser Rechtsprechung für die hier zu beurteilenden 1998 erlassenen Bescheide fest,
da diese kurz nach den damaligen Entscheidungen ergangen sind. Er geht jedoch für die Zukunft davon aus, dass Bescheide grundsätzlich
nur dann der Pflegekasse zuzurechnen sind, wenn diese eindeutig als Urheber erkennbar ist.
b) Die Klägerin ist nicht Pflichtmitglied der Beklagten als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung gemäß §
49 Abs
1 SGB XI, denn sie unterliegt nicht der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Die Voraussetzungen für das Vorliegen
von Versicherungspflicht sind nach deutschem Recht nicht erfüllt. Auch aus den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts
folgt keine Versicherungspflicht.
aa) Die Klägerin gehört unbeschadet des ggf auch insoweit vorrangigen Gemeinschaftsrechts unter Beachtung allein der nationalen
Kollisionsvorschrift (§
3 SGB IV) nicht zum Kreis der gemäß §
20 SGB XI Versicherungspflichtigen. Zu diesen gehören im Wesentlichen die Versicherungspflichtigen der gesetzlichen Krankenversicherung
(§
20 Abs
1 Satz 1, Satz 2 Nr
1 bis 11
SGB XI) sowie die freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (§
20 Abs
3 SGB XI) und daneben die in §§
21,
25 SGB XI genannten Personengruppen. In Betracht kommt hier allein die Versicherungspflicht auf Grund des Rentenbezuges der Klägerin
gemäß §
20 Abs
1 Satz 2 Nr
11 SGB XI iVm §
5 Abs
1 Nr
11 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V). Auf Grund des Wohnsitzes der Klägerin in Spanien findet das deutsche Sozialversicherungsrecht gemäß der einseitigen Kollisionsnorm
in §
3 Nr 2
SGB IV keine Anwendung, sodass schon aus diesem Grund die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen
ist. Darüber hinaus besteht auch wegen der fehlenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Versicherungspflicht
in der sozialen Pflegeversicherung.
bb) Auch aus Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts folgt keine Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen
Pflegeversicherung.
Die hier anwendbare EWGV 1408/71 enthält keine gemäß §
6 SGB IV gegenüber §
3 SGB IV vorrangigen Regelungen zum Bestehen von Versicherungspflicht nach nationalem Recht sowie zum Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft
bei einem nationalen Sozialversicherungsträger (vgl BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 - B 1 KR 5/98 R -, BSGE 84, 98, 100 = SozR 3-2400 § 3 Nr 6 S 8). Die EWGV 1408/71 enthält insbesondere keine Vorschrift, die die Wohnortklausel in §
3 Nr 2
SGB IV verdrängt; vielmehr ergänzt sie diese durch eine positive Bestimmung des anzuwendenden Rechts. Nach Art 13 Abs 2 Buchstabe f EWGV 1408/71 unterliegt die Klägerin den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie wohnt, da keiner der anderen Fälle des Art
13 oder der Art 14 bis 17 auf sie zutrifft. Wohnland der Klägerin ist zurzeit Spanien.
Versicherungspflicht der Klägerin in der deutschen Pflegeversicherung ergibt sich auch nicht aus den besonderen Vorschriften
für die einzelnen Leistungsarten der EWGV 1408/71. Die Koordinierungs- und Kollisionsvorschriften in Titel III Kapitel 1 Abschnitt 5 EWGV 1408/71 (vgl dazu Schuler, SGb 2000, 523 ff) bestimmen für Leistungen bei Krankheit an Rentenberechtigte das anzuwendende Recht und regeln Leistungsansprüche und
Kostentragungspflichten. Sie gelten auch für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, da diese Leistungen bei Krankheit iS von
Art 4 Abs 1 Buchstabe a EWGV 1408/71 sind (vgl EuGH, Urteil vom 5. März 1998 - C-160/96 - >Molenaar<, EuGHE I 1998, 843, 887 f = SozR 3-3300 § 34 Nr 2 S 15, Urteil vom 8. Juli 2004 - C-502/01 und C-31/02 - >Gaumain-Cerri und Barth<, AmtlMitt
LVA Rheinprovinz 2004, S 445 ff; Urteil vom 8. März 2001 - C-215/99 -, >Jauch<, EuGHE I 2001, 1901, 1945 = SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 S 7, zum Pflegegeld nach österreichischem Recht; s nunmehr auch Art 3 Nr 1a, Art 34 EWGV 883/2004).
Die Beklagte geht ersichtlich davon aus, dass sie auch im Falle der Pflegebedürftigkeit der Klägerin nach diesen Vorschriften
nicht leistungsverpflichtet ist. Leistungen bei Krankheit erhält die Klägerin gemäß Art 27 EWGV 1408/71 vom spanischen Sozialleistungsträger, weil dieser auf Grund des Bezuges der spanischen Rente hierzu verpflichtet
ist. Anders als Art 28 EWGV 1408/71, der die Zuständigkeit für die Leistungserbringung bei Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, nach dessen Vorschriften
kein Anspruch auf Leistungen besteht, regelt, enthält Art 27 EWGV 1408/71 keine Regelungen, die eine Leistungspflicht des deutschen Sozialleistungsträgers für Sach- oder Geldleistungen oder
eine Erstattungspflicht (vgl Art 31 EWGV 1408/71) vorsehen. Gehen Leistungen nicht zu Lasten eines Mitgliedstaates, so darf dieser, auch wenn er eine Rente schuldet,
gemäß Art 33 Abs 1 EWGV 1408/71 keine Beiträge zur Deckung der Leistung bei Krankheit einbehalten (vgl dazu Schuler in Fuchs, Europäisches Sozialrecht,
3. Aufl, 2002, Art 33 Rz 2 ff). Dementsprechend erhebt die Beklagte auch Beiträge weder zur Kranken- noch zur Pflegeversicherung.
Keiner der Entscheidungen des EuGH zu Art 27 EWGV 1408/71 idF der EWGV Nr 2864/71 vom 19. Dezember 1971 (ABl L 1972, 3061) oder zur ursprünglichen Fassung des Art 27 oder zu der durch die EWGV 1408/71 aufgehobene Regelung des Art 22 EWGV Nr 3 (ABl vom 16. Dezember 1958, Nr 561/58) ist zu entnehmen, dass neben dem zuständigen Wohnsitzstaat auch der ebenfalls
eine Rente gewährende weitere Staat zur Erbringung von Leistungen bei Krankheit zuständig ist (vgl EuGH, Urteil vom 11. Oktober 1973 - 35/73 - >Kunz<, EuGHE 1973, 1025; Urteil vom 26. Mai 1976 - 103/75 - >Aulich<, EuGHE 1976, 697 = SozR 6050 Art 27 Nr 1; Urteil vom 6. Juli 2000, C-73/99 >Movrin<, EuGHE I 2000, 5625 = SozR 3-6050 Art 10 Nr 6). Ob Leistungsansprüche der Klägerin gegen den deutschen Träger der sozialen Pflegeversicherung
dennoch im Leistungsfalle bestehen, weil der spanische Sozialleistungsträger nicht zu entsprechenden Leistungen verpflichtet
ist, ob diese sich aus Art 27 oder 28 EWGV 1408/71 ergeben und ob insoweit Leistungen auch durch den spanischen Sozialversicherungsträger auf Kosten des deutschen Trägers
der sozialen Pflegeversicherung zu erbringen sind, wie die Klägerin meint, ist ggf im Rahmen eines konkreten Leistungsbegehrens
zu prüfen.
Im vorliegenden Fall ist die Frage, ob die Klägerin nach Art 27 oder 28 EWGV 1408/71 gegenüber dem deutschen Versicherungsträger leistungsberechtigt und als Versicherte iS der leistungsrechtlichen Vorschriften
des
SGB V und insbesondere des
SGB XI anzusehen ist, jedoch nicht zu entscheiden, weil allein das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten streitig
ist. Die Entscheidung des 1. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Juni 1999, B 1 KR 5/98 R (BSGE 84, 98 = SozR 3-2400 § 3 Nr 6) steht dem nicht entgegen. Der 1. Senat hat dort ausgeführt, ein Versicherter, der lediglich eine
Rente des deutschen Rentenversicherungsträgers bezieht und deshalb in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig
ist, scheide nach Verlegung seines Wohnsitzes nach Spanien dennoch aus der Krankenversicherung nicht aus, weil die Leistungen
nach Art 28 EWGV 1408/71 zu Lasten des deutschen Krankenversicherungsträgers gingen und der durch das Gemeinschaftsrecht begründete Status
dieses Versicherten die wesentlichen Merkmale eines Versicherungsverhältnisses iS des deutschen Rechts erfülle. Er hat aus
diesen Gründen einen direkten Leistungsanspruch gegen den deutschen Krankenversicherungsträger während des Aufenthalts in
Deutschland bejaht. Ob dieser Anspruch durch das Gemeinschaftsrecht gefordert ist, mag zweifelhaft sein, da auf Grund der
Vorschriften der EWGV 1408/71 auch bei (vorübergehendem) Aufenthalt im Staat, der nach Art 28 EWGV 1408/71 die Kosten trägt, jedenfalls die Leistungszuständigkeit bei dem Krankenversicherungsträger des Wohnstaats bleibt
(vgl EuGH Urteil vom 3. Juli 2003, C-156/01 - >van der Duin<, EuGHE I 2003, 7045, 7083 ff = SozR 4-6050 Art 22 Nr 1 RdNr 39 ff). Dies kann jedoch offen bleiben. Im hier zu entscheidenden Fall geht es nicht
um einen Leistungsanspruch der Klägerin, sondern die Feststellung der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten. Darüber hinaus
bezieht die Klägerin neben der vom deutschen Sozialversicherungsträger gezahlten Rente eine weitere Rente vom spanischen Sozialleistungsträger.
4. Das Revisionsverfahren musste nicht nach Art 234 Abs 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung ausgesetzt werden. Zwar
ist der Senat als nationales Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen Entscheidung verpflichtet, den EuGH anzurufen, wenn er sich entscheidungserheblich auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützt, an dessen Auslegung Zweifel bestehen
(vgl BSG Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R - mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor.
Es ist nicht zweifelhaft, dass die Art 27 und 28 EWGV 1408/71 keine Regelung der Versicherungspflicht treffen. Die Klägerin meint, Art 27 EWGV 1408/71 sei dahin auszulegen, dass der Sozialleistungsträger des Staates, der eine Rente zahlt, Leistungen der Pflegeversicherung
zu erbringen hat, wenn das Recht des Wohnsitzstaates keine den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung identischen Leistungen
vorsieht. Ob Art 27 EWGV 1408/71 in diesem Sinne auszulegen ist und ob eine hiervon abweichende Regelung gegen Bestimmungen des EGVtr verstieße, ist
im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Für die von der Klägerin begehrte Feststellung der Pflichtmitgliedschaft
bei der Beklagten kommt es allein darauf an, ob nach nationalem Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Bei Eintritt
des Leistungsfalles ggf bestehende Ansprüche der Klägerin sowie Verpflichtungen der Beklagten nach Gemeinschaftsrecht beurteilen
sich unabhängig davon, ob eine Pflichtmitgliedschaft nach nationalem Recht besteht. So könnte die Beklagte trotz Nichtbestehens
von Versicherungspflicht nach nationalem Recht nach dem Gemeinschaftsrecht zur Erbringung von Leistungen verpflichtet sein.
Aber selbst bei Annahme des Bestehens von Versicherungspflicht auf Grund des europäischen Gemeinschaftsrechtes in Verbindung
mit dem nationalen Recht könnten Leistungsansprüche wie auch Zahlungspflichten der Klägerin ausscheiden.
Auch auf Grund des Urteils des EuGH in der Rechtssache Molenaar besteht keine Veranlassung, dem EuGH den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung vorzulegen. In dem jenem Urteil zu Grunde liegenden Rechtsstreit wandte sich die Klägerin
gegen die vom deutschen Versicherungsträger festgestellte Versicherungs- und Beitragspflicht. Hier will die Klägerin die von
der Beklagten bestrittene Versicherungspflicht festgestellt haben, ohne dass diese Feststellung rechtlich bindende Auswirkungen
auf die mögliche Leistungspflicht der Beklagten hätte. Ob der Senat in einem der Rechtssache Molenaar vergleichbaren Fall
wegen des Zusammenhangs von Versicherungspflicht und (zukünftigen) Leistungsansprüchen eine Vorlage in Erwägung gezogen hätte,
kann offen bleiben.
Ebenso kann offen bleiben, ob eine Vorlagepflicht auch deshalb entfällt, weil auf Grund der vorliegenden Entscheidungen des
EuGH die Auslegung der Art 27 ff EWGV 1408/71 und ihre Anwendung auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit geklärt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.