Beteiligtenfähigkeit der ARGE "Job-Center in der Region Hannover" im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt vorbehaltlich einer Entscheidung in dem Hauptsacherechtstreit S 5 AL 1222/04 vor dem Sozialgericht Hannover die vorläufige Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme zum staatlich geprüften Atem-, Sprech-
und Stimmlehrer.
Der jetzt 38-jährige Antragsteller ist gelernter Offset-Drucker und war zuletzt in den Zeiträumen vom 1. September 2000 bis
30. Juni 2003 und vom 1. April 2004 bis zum 4. Juli 2004 in seinem Lehrberuf jeweils zeitlich befristet berufstätig. Aufgrund
fehlender Berufsperspektiven nahm der Antragsteller in der Zeit vom 7. Oktober 2003 bis 5. Januar 2004 an einem von der Bundesagentur
für Arbeit bewilligten Bewerbertraining teil. Abschließend wurde ihm dort eine Umschulungsmaßnahme empfohlen.
Am 7. Januar 2004 stellte der Antragsteller bei der Bundesagentur für Arbeit einen Umschulungsantrag. Die Bundesagentur für
Arbeit erstellte folgenden Vermerktext in ihrer EDV unter BewA: (...)(BewA nach Kundennummer):
"Kunde ist angesichts des desolaten Druck-Arb. m. von Fortb. abgekommen. Allerdings bleiben bis zum U-Beginn Vermittlg.-Aktivitäten
weiter vorrangig (Eigenbemühungen, VV-Akzeptanz etc.). Wenn Vermittlg. weiter scheitert, kann FbW für Umsch. greifen. Mit
diesem doppelgleis. Vorgehen ist Kunde einverstanden. Als Um.ziel hat er nur Aten-/Sprech-/Stimmlehrer oder Logopäde; <Träger;
BGS; Zulassg.; <KURS.FbW (+Bl.04). Musikalität (gute Singstimme, Klavier). §48-Prakt. erklärt. Art: V400/070104/0222/ (...)"
Am 14. Januar 2004 wurde folgender Vermerktext erstellt
"pers.. ist bereits mit Bad Nenndorf in Kontakt, besucht dort im Feb. einen Wochenendkurs zwecks Maßnahmevorstellung, der
Gutschein wird ausgeh., wenn's auch zur Teilnahme 1.8.04 kommt. Tg Art: V000/140104/221/ (..)"
Der Antragsteller hat hierin eine ihm mündlich erteilte Förderzusage gesehen und im Vorgriff auf die Teilnahme an der am 1.
August 2004 beginnenden dreijährigen Ausbildung bei der ...-Schule Aufwendungen in Höhe von mindestens 1.028,- Euro getätigt.
Es entstanden Kosten für die Teilnahme am Aufnahmekurs der Sprachschule am 27. März 2004, Kosten für die Erfüllung der Auflage
der ...-Schule vom 29. März 2004, 15 Stunden Klavierunterricht inklusive Unterweisung in Musiktheorie zu nehmen, der Vorlage
eines ärztlichen Attestes zum Hörbefund, für die Teilnahme an einem Informationskurs sowie Fahrgeld.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2004 lehnte die Bundesagentur für Arbeit den Antrag auf Bewilligung einer Umschulungsmaßnahme ab.
Gestützt auf §
77 Abs.
1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung sei der Antrag abzulehnen, weil der Antragsteller über eine abgeschlossene
Berufsausbildung verfüge. Die allgemein schlechte Arbeitsmarktlage rechtfertige nicht die Notwendigkeit einer Fördermaßnahme.
Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Die Beklagte des Hauptsacheverfahrens, die Bundesagentur für Arbeit, regte in
ihrer "Zuschrift zur Stattgabe" vom 25. Juni 2004 an, dem Widerspruch abzuhelfen. Wörtlich führte die Bundesagentur für Arbeit
aus:
"Es wird um Überprüfung der angefochtenen Entscheidung und evtl. Erteilung eines Abhilfebescheides an den Bevollmächtigten
gebeten. Aus den Beratungsvermerken Bl. 13 ff. ergibt sich eine eindeutige Zusicherung der Förderung. Erstmalig am 9. Juni
2004 wird dann Nichtvorliegen der Voraussetzungen angegeben."
Der Widerspruch wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2004 zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 2. August 2004 gegen die Bundesagentur für Arbeit erhobenen Klage. Der
Antragsteller hat vorgetragen, dass er auf die Förderzusage vom 7. und 14. Januar 2004 vertraut habe. Deshalb habe er auch
soviel Geld aufgewendet. Die Ablehnung des Antrags auf Umschulungsförderung sei rechtsmissbräuchlich. Von Anfang an habe er
auf den Zeitablauf in Folge der halbjährlich zum 1. August bzw. 1. Februar beginnenden Umschulungsmaßnahme hingewiesen. An
seinem Antrag halte er nach wie vor fest. Der Umstand, dass er sich zuletzt von April bis Juli 2004 in einem befristeten Arbeitsverhältnis
befunden habe, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe seinen Umschulungsantrag stets ausdrücklich und unmissverständlich
gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geäußert. Nur um Arbeitslosigkeit und den Bezug von Lohnersatzleistungen zu vermeiden,
habe er sich von der Bundesagentur für Arbeit in das von vornherein befristete Beschäftigungsverhältnis vermitteln lassen.
Während des Klageverfahrens stellte der Antragsteller erneut einen Antrag auf Umschulung bei der Bundesagentur für Arbeit.
Dieser Antrag wurde nunmehr von der ARGE "Job-Center in der Region Hannover" mit Bescheid vom 6. Januar 2005 abgelehnt. Da
der Arbeitslosengeldanspruch des Antragstellers am 17. September 2004 erschöpft war, er in der Folgezeit bis zum 31. Dezember
2004 Arbeitslosenhilfe und sodann ab 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) bezieht, sei die ARGE "Job-Center in der
Region Hannover" für die Bescheidung des Anliegens zuständig. Gestützt auf §
16 SGB II i.V.m. §
77 Abs.
1 SGB III könne dem Antrag leider nicht entsprochen werden. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Antragsteller über
einen Berufsabschluss als Offset-Drucker verfüge. Diesen Beruf habe er in der Vergangenheit auch ausgeübt und besitze eine
entsprechende Berufserfahrung. Es liege auch keine mehrjährige Berufsentfremdung vor. Arbeitslosigkeit und/oder die Entwicklung
des Arbeitsmarktes im erlernten Beruf allein rechtfertigten nicht die Notwendigkeit der Umschulung. Gesamtheitlich lägen in
der Person des Antragstellers, seines Berufsfeldes sowie nach dem bisherigen Verlauf der Arbeitslosigkeit keine prägnanten
sonstigen Gegebenheiten vor, die eine Förderung rechtfertigten.
Die im Hauptsacheverfahren beklagte Bundesagentur für Arbeit reichte den vorgenannten Bescheid der Antragsgegnerin zur Prozessakte
und vertritt die Auffassung, dass sie seit dem 1. Januar 2005 für den Kläger nicht mehr zuständiger Leistungsträger sei. Der
Kläger könne seither lediglich Leistungen nach dem SGB II beanspruchen. Zuständiger Leistungsträger sei die ARGE "Job-Center
in der Region Hannover".
Mit seinem am 10. Januar 2005 bei dem Sozialgericht Hannover eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt der
Antragsteller, ihm vorläufig einen Bildungsgutschein für die am 1. Februar 2005 beginnende Ausbildung zu erteilen.
Der Antragsteller trägt vor, dass er auf die Förderzusage der Bundesagentur für Arbeit vertraut habe. Er habe alle Voraussetzungen
für die Aufnahme an der Schule erfüllt. Für den am 1. Februar 2005 beginnenden Kurs erfülle er alle Voraussetzungen und habe
sich deshalb angemeldet. Die Schule sei auch bereit, ihn aufzunehmen. Weiteres Abwarten sei ihm im Hinblick auf den in Aussicht
genommenen Maßnahmebeginn und vor dem Hintergrund des Zeitablaufs bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens
nicht zumutbar. Weiteres Zuwarten führe zur Vereitelung seines Anspruchs. Die Bundesagentur für Arbeit habe gegen Treu und
Glauben verstoßen, weil sie die Förderung zunächst auch unter der Bedingung weiterer Arbeitslosigkeit und der Aufnahme befristeter
Beschäftigungsverhältnisse zugesagt und sich an diese Zusage nicht gehalten habe. Die Antragsgegnerin sei als nunmehr zuständiger
Leistungsträger verpflichtet, die Verantwortung für das Verhalten der Beklagten des Hauptsacheverfahrens zu übernehmen. Im
Hauptsacheverfahren müsse entweder die Antragsgegnerin als Beklagte zu 2. oder als Beigeladene beteiligt werden. Die Eilbedürftigkeit
seines einstweiligen Rechtsschutzbegehrens resultiere aus seinem Lebensalter. Die Berufschancen verschlechterten sich dramatisch,
wenn der rechtskräftige Abschluss des Hauptsacheverfahrens abgewartet werden muss.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin vorbehaltlich einer anders lautenden Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, ihm ab 1. Februar
2005 Leistungen zur beruflichen Eingliederung in Form der Förderung einer Umschulung zum staatlich geprüften Atem-, Sprech-
und Stimmlehrer bei der ...-Schule, ..., ..., zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass die Bundesagentur für Arbeit für die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen
zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im vorliegenden Fall nicht mehr zuständig sei. Zuständig sei die Antragsgegnerin.
Inhaltlich seien weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben. Der Antragsteller habe keinen Rechtsanspruch
auf die Erteilung eines Bildungsgutscheines. Zum einen gehöre der Antragsteller nicht zum begünstigten Personenkreis, zum
anderen könne der Antragsteller aus den Vermittlungsgesprächen vom 7. Januar 2004 und 14. Januar 2004 kein günstigeres Ergebnis
herleiten. Eine schriftliche Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X sei nicht erteilt worden. Darüber hinaus seien die Vermittlungsgespräche unter dem Vorbehalt geführt worden, dass die Eingliederung
des Antragstellers in Arbeit scheitern würde. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil der Antragsteller in dem Zeitraum vom 1.
April 2004 bis zum 4. Juli 2004 berufstätig gewesen sei. Schließlich sei das Anliegen des Antragstellers nicht dringlich.
Dem Antragsteller sei zuzumuten, den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte,
insbesondere auf die Sitzungsniederschrift, die hier beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, den Inhalt der
Prozessakte des Rechtsstreits S 5 AL 1222/04 vor dem Sozialgericht Hannover sowie die dort beigezogene Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit über den Antragsteller
zum Aktenzeichen 237 A 280226 verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.
Gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung von Leistungen zur
beruflichen Eingliederung. Derartige Leistungen sind sowohl nach der bis zum 31. Dezember 2004 als auch nach der ab 1. Januar
2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I, 2954 - so genannt:
Hartz IV) geltenden Rechtslage Ermessensleistungen. Der Antragsteller begehrt mithin die vorläufige Regelung seines Eingliederungsanspruchs
gegenüber der Antragsgegnerin.
a) Das Sozialgericht Hannover ist sachlich zuständiges Gericht der Hauptsache im Sinne des §
86 b Abs.
2 Satz 3
SGG. Die Kammer ist gemäß Ziffer 6 des Geschäftsverteilungsplans für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zuständig, das dem
Hauptsacheverfahren als Annex folgt.
b) Zutreffend richtet sich das vorläufige Rechtsschutzbedürfnis gegen die ARGE "Job-Center in der Region Hannover". Die Antragsgegnerin
ist beteiligtenfähig im Sinne des §
70 Nr. 1
SGG. Sie ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung eigener Art, die ab 1. Januar 2005 als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X gilt, die den mit dem prozessualen Begehren in dem Hauptsacheverfahren beantragten Verwaltungsakt erlassen muss.
aa) Nach §
70 Nr. 1
SGG sind fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, juristische Personen. Nach dem Rechtsträgerprinzip ist Beteiligter die juristische
Person, deren Behörde zuständig ist. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine durch öffentlich-rechtlichen Vertrag
gebildete Arbeitsgemeinschaft der Agenturen für Arbeit Hannover, Celle, Nienburg und Hameln, soweit diese dem Bereich der
Region zugehörig sind, und der Region Hannover. Es handelt sich weder um eine Anstalt, Stiftung oder eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts, noch um eine Beliehene. Die Antragsgegnerin ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung eigener Art, für
die es bisher kein Vorbild gibt. Das ergibt sich aus Folgendem: Die Träger der Leistungen nach dem SGB II errichten zur einheitlichen
Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB II durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften
in den nach §
9 Abs.
1 a SGB III eingerichteten Job-Centern, vgl. § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach § 44 b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II führt ein Geschäftsführer die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft und
vertritt sie außergerichtlich und gerichtlich. Gemäß § 44 b Abs. 3 Satz 1 SGB II nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben
der Agentur für Arbeit als Leistungsträger nach dem SGB II wahr. Die kommunalen Träger sollen der Arbeitsgemeinschaft die
Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB II übertragen, vgl. § 44 b Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II. Die Arbeitsgemeinschaft
ist nach § 44 b Abs. 3 Satz 3 SGB II berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu
erlassen. Diese Aufgabenübertragung widerspricht nicht dem grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung gemäß Art
84 Abs.
1 GG. Denn der Arbeitsgemeinschaft wird keine Verwaltungskompetenz im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB II zur eigenen Aufgabenerledigung
übertragen. Die Trägerkompetenz der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunen bleibt unangetastet (Quaas, Die Arbeitsgemeinschaft
nach dem neuen SGB II: Ungelöste Rechtsfragen zur Rechtsnatur der Einrichtung, SGb 2004, S. 723, 725 f.).
bb) Zweifel an der Wirksamkeit der Gründungsvereinbarung bestehen nicht. Die Antragsgegnerin wurde durch einen öffentlich-rechtlichen
Vertrag gegründet. Der Gesetzgeber hat diese öffentlich-rechtliche Gestaltungsform in § 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II vorgesehen.
Anders als auf der Grundlage von §§ 53, 61 Satz 2 SGB X i.V.m. einer analogen Anwendung von §§
705 ff.
BGB - zu den Grundsätzen analoger Rechtsanwendung vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S.
202 ff. - kommt in Anlehnung an die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts keine öffentlich-rechtliche Gesellschaft in Frage.
Eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft ist keine juristische Person des öffentlichen Rechts. Eine Arbeitsgemeinschaft, die
Träger von Rechten und Pflichten sein kann, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlassen darf, zuständiger Leistungsträger
für den Vollzug von Sozialleistungsgesetzen ist, muss eine öffentlich-rechtliche Einrichtung eigener Art im Sinne des §
12 SGB I sein. Nur öffentlich-rechtliche Einrichtungen können zur Verwirklichung der in §
1 Abs.
1 Satz 1
SGB I genannten Ziele beitragen, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit zu verwirklichen. Die Sozialgerichtsbarkeit als eigenständige
Fachgerichtsbarkeit garantiert die gerichtliche Überprüfung dieser auf dem Sozialstaatsgebot gemäß Art.
20 Abs.
1 GG beruhenden Staatbestimmung. Dem Gesetzgeber obliegt bei der Formenwahl im Vollzug von Bundesgesetzen ein weiter Gestaltungsspielraum,
weil Art.
86 GG weder in Satz 1 noch in Satz 2 eine Vorschrift für die Bundesverwaltung aufweist. Inhaltlich ist nicht festgelegt, wie das
Verwaltungsverfahren oder der Behördenaufbau zu organisieren sind. Dazu ist auch Art.
87 GG nichts zu entnehmen (vgl. Broß, in: von Münch/Kunig,
Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art.
86 Rdn. 5). Die Annahme eines sonstigen Rechtskonstrukts "sui generis" erscheint vor diesem Hintergrund nicht geboten (vgl.
hierzu auch Quaas, aaO., S. 729).
cc) Sonstige prozessuale Hinderungsgründe für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen entgegen der Auffassung
der Antragsgegnerin nicht vor. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht entfallen. Das prozessuale Begehren des Antragstellers
im Hauptsacheverfahren ist nicht erledigt.
Zulässiger Klagegegenstand des Hauptsacherechtsstreits ist nicht nur der Bescheid der geklagten Bundesagentur für Arbeit vom
11. Juni 2004, sondern auch der Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Januar 2006. Der vorgenannte Bescheid ist gemäß §
96 Abs.
1 SGG zum Gegenstand des noch nicht abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens geworden. Die Beklagte des Hauptsacheverfahrens
hat eine Abschrift des neuen Bescheides vor dem Hintergrund von §
96 Abs.
2 SGG mitgeteilt. In entsprechender Anwendung von §
96 Abs.
1 SGG ist im Hauptsacheverfahren eine Prozesshandlung des Klägers nicht erforderlich, um einen Beklagtenwechsel vorzunehmen. Im
Hauptsacheverfahren ist vielmehr ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten. Eine derartige Klageänderung verlangt
keine Prozesshandlung des Klägers. Ein Funktionswechsel der vorliegenden Art führt zwar zu einem Parteienwechsel, dieser ist
aber nicht als Klageänderung im Sinne des §
99 SGG anzusehen und erfordert nicht deren Voraussetzungen (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zum
SGG, Bd. 2, 4. Aufl., 33. Nachtrag, §
99, S. II/61-28 m.w.N.). Aufgrund einer Zuständigkeitsverlagerung zum 1. Januar 2005 ist der Beteiligtenwechsel von Amts wegen
herbeizuführen. Die Antragsgegnerin hat die Funktionen der Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Leistungen zur beruflichen
Eingliederung von Alg-II-Empfängern übernommen. Aus §
16 Abs.
1 Satz 1 SGB II ergibt sich, auf der Grundlage welcher Vorschrift des
SGB III Eingliederungsleistungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige ohne Anspruch auf Versicherungsleistungen erbracht werden können.
Es handelt sich um eine Rechtsgrundverweisung auf das einschlägige Leistungsrecht, so dass auch die Voraussetzungen die Leistungsgewährung
unmittelbar den einschlägigen Vorschriften des
SGB III zu entnehmen sind (vgl. Voelzke, in: Hauck/Noflz, SGB II, §
16 Rdn. 7). Vor diesem Hintergrund ist die allgemeine Übergangsvorschrift gemäß §
422 Abs.
1 SGB III unanwendbar. Basierend auf dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung "haftet" die Antragsgegnerin für das von dem
Antragsteller behauptete Verhalten der Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen der Bewilligung von Eingliederungsleistungen, für
deren abschließende Entscheidung nunmehr die Antragsgegnerin zuständig ist.
2. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist begründet.
a) Das Bestehen eines Anordnungsanspruches lässt sich insoweit bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen
Überprüfung zugunsten des Antragstellers bejahen.
Nach §
77 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB III sowohl in der bis zum 31. Dezember 2004 als auch in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung können Arbeitnehmer bei beruflicher
Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei
Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden
Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist Zwischen den Beteiligten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
als auch den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens ist im Rahmen der beruflichen Weiterbildung des Antragstellers nur streitig,
ob er zum förderungswürdigen Personenkreis gehört. Die gewählte Ausbildungsstätte ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule,
die einer öffentlichen Schule rechtlich gleichgestellt ist und der Schulaufsicht unterliegt. Sie ist bundesweit anerkannt
und zugelassen. Absolventen können im Anschluss an die Ausbildung von sprachtherapeutischen, pädagogischen und künstlerischen
Einrichtungen angestellt werden oder sich als Therapeuten niederlassen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Angabe der ...-Schule
liegt die Wieder-Eingliederungsquote der erfolgreichen Absolventen bei 100 vom Hundert
aa) Der Antragsteller gehört zum förderungswürdigen Personenkreis. Er verfügt zwar über eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung
als Offset-Drucker, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist. Deshalb konnte der Antragsteller in der Vergangenheit
auch immer wieder in befristete Arbeitsverhältnisse vermittelt werden. Der Beruf eines Offset-Druckers ist aber überholt.
Aufgrund der Digitalisierung im Druckgewerbe ist das Berufsbild überkommen, wie der Antragsteller im Erörterungstermin vor
der Kammer anschaulich, ausführlich und widerspruchsfrei ausgeführt hat. Druckmaschinen wie zum Beispiel der alte "Heidelberger
Tiegel" oder Werkzeuge wie Winkelhaken, früher das wichtigste Arbeitsinstrument der Drucker, gehören zur verblichenen Technik
und sind nahezu museumsreif. Das Gleiche gilt für das Flachdruckverfahren im Massengeschäft. Wenn überhaupt, sind Produkte
der echten Schwarzen Kunst etwas für Kenner und Liebhaber jahrhundertealten Handwerks. Zutreffend weist der Antragsteller
darauf hin, dass man sich angesichts dessen Gedanken darüber machen muss, auch den Personen die Möglichkeit von beruflichen
Weiterbildungsmaßnahmen zu eröffnen, die über eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und aufgrund der überkommenen
Berufsbilder allgemein schlechte Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt haben und keine unbefristeten Arbeitsverhältnisse
erlangen können. Dies könnte vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Regelungen über die Förderung der beruflichen Weiterbildung
angenommen werden. Es liegt jedenfalls nicht auf der Hand, dass eine derartige Rechtsauslegung und Rechtsanwendung von der
Hand zu weisen ist. Die berufliche Erstausbildung reicht längst nicht mehr für ein ganzes Berufsleben. Die bisher durch Bildung
und Beruf vermittelte Statussicherheit ist heute nicht mehr garantiert. In diesem Zusammenhang kann der zukunftsweisende Lösungsvorschlag
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aufgegriffen werden, das eine Art staatliche und private Bildungsförderung
in der Lebensmitte vorschlägt (abruffähig veröffentlich im Internet unter http://iab.de/iab/service/proArbeit1.htm; vgl. auch
Gagel, in Gagel:
SGB III, Bd. 1, Stand: Juli 1999, Vor §
1 Rdn. 30 ff.). Die aufgeworfene Rechtsfrage kann hier dahingestellt bleiben, weil die Voraussetzungen nach §
77 Abs.
1 Nr.
1 bis 4
SGB III a.F. bzw. §
77 Abs.
1 Nr.
1 bis
3 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung vorliegen und das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist (vgl. zur Ermessensreduzierung
auf Null: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 1999, § 25 Rdn. 2 ff.).
bb) Darüber hinaus kann sich der Antragsteller auf die mündlich erteilten Förderzusagen vom 7. und 14. Januar 2004 berufen.
Vor dem Hintergrund des Inhalts der Gesprächsvermerke ist der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (vgl. hierzu
im Einzelnen: Wolff/Bachof/Stober, aaO., § 25 Rdn. 2 ff) anzuwenden. Die Verwaltung hat den Rechtsschein gesetzt, der Antragsteller
werde die beantragte Fördermaßnahme erhalten. Er ist mithin so zu stellen, als ob ihm eine schriftliche Zusicherung im Sinne
des § 34 SGB X erteilt worden ist. Im Vertrauen auf die Förderzusage hat er zeitnah beträchtliche Aufwendungen getätigt. Die Erfolgsaussichten
im Hauptsacheverfahren sind so hoch, dass keine weitere Beweiserhebung (Zeugenbeweis der zuständigen Vermittler) durchgeführt
werden muss.
b) Der Antragsteller kann sich auch auf einen Anordnungsgrund berufen. Sein Anliegen ist eilbedürftig.
aa) Die Dringlichkeit der Angelegenheit, das heißt dass im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verfolgte Begehren, die Umschulung
zum 1. Februar 2005 beginnen zu dürfen, lässt unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz ein Zuwarten
auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zu. Hierbei sind zunächst Umstände zu berücksichtigen, die außerhalb des
Einflussbereichs des Antragstellers liegen. Aufgrund der gegenwärtigen Geschäftslage der Kammer und angesichts anhaltend hoher
Eingänge könnte eine Entscheidung frühestens in 18 Monaten ergehen. Ferner ergibt sich die Dringlichkeit aus dem Umstand,
dass die streitbefangene berufliche Weiterbildungsmaßnahme Chancen für den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
eröffnen soll. Aufgrund der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation ist die Erlangung eines Arbeitsplatzes Lebensjahr abhängig.
Die Prognose für die Erlangung eines Arbeitsplatzes ist um so ungünstiger, je älter der Arbeitnehmer ist. So haben schon Arbeitnehmer
in den Vierzigern kaum noch Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, egal wie hoch qualifiziert sie sind. In der Arbeitswelt
herrscht keine "demographiesensible Unternehmenskultur" (Gerhard Naegele, Zitat aus dem Vortrag "Lebensarbeitszeit und ältere
Arbeitnehmerinnen - Thesen zur Revitalisierung sozialpolitischer Argumente in der Altersgrenzendiskussion und -politik und
zur Begründung und sozialpolitischen Flankierung neuen Organisation von Arbeitszeit im Lebenslauf", gehalten im Rahmen der
Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema "Sozialpolitische Flankierung einer verlängerten Erwerbstätigenphase"
im März 2004, Berlin). Der hier geltend gemachte Nachteil, der Antragsteller könnte auch bei einem Obsiegen im Hauptsacheverfahren
wegen seines Lebensalters nachträglich nicht mehr vermittelbar sein, ist anerkennenswert, unzumutbar und muss nicht hingenommen
werden. Ist zudem ein Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich, sind Verzögerungen für den Antritt der Umschulungsmaßnahme
nicht geboten.
bb) Durch den Erlass der Regelungsanordnung wird der Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache
(vgl. hierzu LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. Juli 1978 - L 1 Sb 32/78 = Breith. 1979, S. 89 f.; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 9. Juli 1997 - L 1 Ran 43/97 eR = SGb 1999, S. 134) nicht verletzt. Vorliegend ist im Hinblick Art. 19 Abs. 4
SGG ausnahmsweise von dem Grundsatz abzuweichen. Das ist zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes
schlechterdings notwendig ist, das heißt, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im
Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der
Hauptsache spricht (Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Aufl. 2002, § 86 b Rdn. 31 m.w.N.; Kopp/Schenke,
VwGO, 13. Aufl. 2003, §
123 Rdn. 14 m.w.N.).
Die Entscheidung hängt danach von einer Abwägung der eintretenden Folgen ab. Dabei sind die Auswirkungen zugrunde zu legen,
die mit einem Verweis auf die Entscheidung in der Hauptsache verbunden wären. Ergeht die einstweilige Anordnung und erweist
sich die Entscheidung in der Hauptsache jedoch später als rechtmäßig, wird dem Antragsteller zwischenzeitlich die Weiterbildungsmaßnahme
durch die Antragsgegnerin finanziert. Der Antragsteller wird mit erheblichen finanziellen Belastungen durch eventuelle Rückforderungen
der Antragsgegnerin rechnen müssen, falls sein Begehren in der Hauptsache rechtskräftig erfolglos bleiben sollte. Ergeht die
einstweilige Anordnung nicht, erweist sich die Hauptsache aber als begründet, so wären die Vermittlungschancen des Antragstellers
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund seines dann fortgeschrittenen Lebensalters und der sich dann anschließenden dreijährigen
Umschulungsmaßnahme mit Wahrscheinlichkeit ungünstig. Die Nachteile, welche durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes
entstehen könnten, wiegen deutlich schwerer als die Nachteile, die die Antragsgegnerin infolge der Vorfinanzierung der Weiterbildungsmaßnahme
hinnehmen müsste. Dem Begehren des Antragstellers ist nach alledem stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angefochten werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die umseitige
Rechtsmittelbelehrung verwiesen, die Bestandteil des Beschlusses ist.