Nichtzulassung der Berufung
Beschwerde
Unzutreffende Rechtsmittelbelehrung
Umdeutung eines unstatthaften Rechtsmittels
1. Den Beteiligten steht es bei einer irrtümlich ausgesprochenen Nichtzulassung der Berufung offen, gegen das Urteil entweder
sogleich oder aber nach Aufhebung dieser Entscheidung Berufung einzulegen, wobei ihnen gegebenenfalls bei Versäumung der Berufungsfrist
nach Maßgabe des §
67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre.
2. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen.
3. Die Umdeutung eines eindeutig eingelegten, aber unstatthaften Rechtsmittels in ein zulässiges Rechtsmittel scheidet aus.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2016
ist unzulässig.
Die Beschwerde ist unstatthaft. Die Berufung ist bereits kraft Gesetzes nach §
143 SGG zulässig. Nach §
144 Abs.
1 SGG bedarf die Berufung nur der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn
die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Dies ist vorliegend der Fall. Streitig
ist der Bescheid vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2014. Dieser Bescheid betrifft einen Überprüfungsantrag
gerichtet auf die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs
nach § 21 Abs. 7 SGB II für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.12.2013. Demnach ist eine laufende Leistung für die Dauer von zwei Jahre streitig.
Da die Berufung kraft Gesetzes zulässig ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senates über deren Zulassung, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde
des Beklagten erfolglos bleiben muss. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung
des Sozialgerichts. Denn eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist,
nicht eröffnen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. 2014, vor § 143 Rn. 14 b; BSG Urteil vom 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr. 1). Auch kann die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten nicht in eine Berufung umgedeutet werden.
Die Umdeutung eines eindeutig eingelegten, aber unstatthaften Rechtsmittels in ein zulässiges Rechtsmittel scheidet aus (LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.01.2014 - L 7 AL 92/12 NZB; LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2012 - L 6 AS 1356/11 NZB; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2011 - L 10 AS 1087/09 NZB m.w.N.; offengelassen LSG NRW, Beschluss vom 08.06.2015 - L 16 KR 746/14 NZB).
Mangels einer Entscheidung des Senats über die Zulassung der Berufung tritt - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten
- die Rechtsfolge des §
145 Abs.
5 S. 1
SGG nicht ein (so wohl auch BSG, Urteil vom 03.06.2004 - B 11 AL 75/03 R, SozR 4-1500 § 144 Nr. 1). Das Beschwerdeverfahren wird somit nicht kraft Gesetzes als Berufungsverfahren fortgesetzt; es
bedarf vielmehr der Einlegung einer Berufung, für die die wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht
maßgebliche Jahresfrist des §
66 Abs.
2 Satz 1
SGG gilt (vgl. LSG Thüringen, Urteil vom 09.05.2012 - L 7 As 7/10 NZB). Eine entsprechende Anwendung des §
145 Abs.
5 S. 1
SGG kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Es fehlt hierfür bereits an einer Regelungslücke, die durch eine Analogie
geschlossen werden könnte; denn den Beteiligten steht es bei einer irrtümlich ausgesprochenen Nichtzulassung der Berufung
offen, gegen das Urteil entweder sogleich oder aber nach Aufhebung dieser Entscheidung Berufung einzulegen (vgl. BVerwG, Urteil
vom 5.09.1991 - 3 C 26.89 -, DÖV 1992, 166), wobei ihnen gegebenenfalls bei Versäumung der Berufungsfrist nach Maßgabe des §
67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Dem Kläger war nach §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i. V. m. §§
114,
115 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Gemäß §
119 Abs.
1 S. 2
ZPO erfolgt eine Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Gegner das Rechtsmittel
eingelegt hat. Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch außerstande, die Kosten der
Prozessführung aufzubringen.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).