Grobe Unbilligkeit des Trennungsunterhalts wegen Ausbrechens eines Partners aus der Ehe
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1. und der Beklagte sind Eheleute, der am 15. September 1968 geborene Kläger zu 2. und die am 8. April 1971
geborene Klägerin zu 3. ihre gemeinsamen Kinder. Am 9. September 1977 hat die Klägerin zu 1. mit den Kindern die eheliche
Wohnung verlassen und zusammen mit ihrem Freund, mit dem sie in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt, eine gemeinsam gemietete
Wohnung bezogen. Die Klägerin zu 1. ist nicht erwerbstätig. Die Miete trägt bislang ihr Freund. Der Beklagte hat ihr im September
1977 1.500 DM und für die Kinder 674,30 DM zur Verfügung gestellt. Seit dem 1. Oktober 1977 entrichtet er au seine Ehefrau
monatlich 1.000 DM; für den Sohn zahlt er 400 DM und die Tochter 330 DM. Außerdem trägt er die Krankenversicherungsprämien,
die für die Klägerin zu 1. 142,80 DM und für die Kinder 54,70 DM und 43,40 DM monatlich betragen. Seit 1. Februar 1978 erhält
die Klägerin zu 1. auch das Kindergeld.
Über diese Zahlungen hinaus haben die Kläger den Beklagten, dessen anrechenbares monatliches Nettoeinkommen nach ihren Behauptungen
1977 9.244,41 DM und 1978 8.793,43 DM betragen hat, während er selbst es mit durchschnittlich 4.224,33 DM beziffert, auf zusätzliche
Unterhaltsleistungen von monatlich 1.000 DM für die Klägerin zu 1. 350 DM für den Sohn und 420 DM für die Tochter in Anspruch
genommen. Gegen das Urteil des Familiengerichts, in dem der Ehefrau weitere 250 DM und der Tochter weitere 20 DM zugesprochen
worden sind, haben sämtliche Parteien Berufung eingelegt. Der Beklagte hat außerdem im Wege der Widerklage gegen die Klägerin
zu 1. die Feststellung begehrt, daß dieser kein Unterhaltsanspruch zustehe. Darauf hat die Klägerin zu 1. ihre Klage erweitert
und für die Zeit ab 1. Oktober 1978 die bis dahin freiwillig entrichteten Beträge in ihr Klagebegehren einbezogen. Das Berufungsgericht
hat der Klägerin zu 1. lediglich ab 1. Oktober 1978 eine Unterhaltsrente von 1.142,80 DM zuerkannt. Dem Kläger zu 2. hat es
über die freiwilligen Zahlungen von 400 DM hinaus vom 1. Oktober 1977 bis 31. Januar 1978 118 DM sowie ab 1. Februar 1978
85,50 DM und der Klägerin zu 3. über die freiwillig gezahlten 330 DM vom 1. Oktober 1977 bis 31. Januar 1978 188 DM sowie
ab 1. Februar 1978 155,50 DM monatlich zugesprochen. Die Widerklage hat es als unzulässig verworfen. Mit der (zugelassenen)
Revision verfolgt die Klägerin zu 1. ihr Begehren weiter, den Beklagten für die Zeit vom 15. September 1977 bis 30. September
1978 zur Zahlung einer zusätzlichen Unterhaltsrente von 1.000 DM und ab 1. Oktober 1978 zu einem Gesamtbetrag von 2.142,80
DM monatlich zu verurteilen. Die Kläger zu 2. und 3. beantragen, den Beklagten über das Erkenntnis des Berufungsgerichts hinaus
zu weiteren monatlichen Zahlungen von je 74 DM zu verurteilen. Der Beklagte verfolgt seine Anträge auf Abweisung der Klage
und Feststellung, daß der Klägerin zu 1. ein Unterhaltsanspruch nicht zustehe, weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Bei der Bemessung des Unterhalts der Klägerin zu 1. hat das Oberlandesgericht deren Anspruch auf das Maß gekürzt, das erforderlich
sei, um die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder sicherzustellen. Es ist davon ausgegangen, daß die Klägerin dadurch,
daß sie aus der Ehe ausgebrochen sei, um mit einem anderen Mann zusammenzuleben, den Tatbestand der Härteregelung des §
1361 Abs.
3 i.V.m. §
1579 Abs.
1 Nr.
4
BGB erfüllt habe. Wegen der Betreuung der Kinder führe dieser Umstand zwar nicht zum Ausschluß des Unterhaltsanspruchs; andererseits
könne der Klägerin aber auch kein Anspruch in voller Höhe zugebilligt werden" weil sich ihre unterhaltsrechtliche Gleichstellung
mit solchen Ehegatten, denen ein Fehlverhalten i.S. von §
1579 Abs.
1
BGB nicht vorzuwerfen sei, aus Gründen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe verbiete. Da die Klägerin zu 1. - bis zu einer
abweichenden, hier noch nicht getroffenen Sorgerechtsregelung - mit der Pflege und Erziehung der Kinder eine Aufgabe wahrnehme,
die dem Beklagten in gleichem Maße obliege, sei die aus §
1579 Abs.
1
BGB veranlaßte Kürzung des Unterhaltsanspruchs gemäß Abs.
2 der Vorschrift ("solange und soweit") auf das Maß zu beschränken, das zur Sicherstellung von Pflege und Erziehung der Kinder
notwendig sei.
2. Dieser Beurteilung ist insoweit zuzustimmen, als sie den Ausschluß des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1. nach §§
1361 Abs.
3,
1579 Abs.
1 Nr.
4
BGB betrifft; im übrigen kann ihr nicht gefolgt werden.
a) Wie der Bundesgerichtshof bereits mit Urteilen vom 7. März 1979 - IV ZR 36/78 - (FamRZ 1979, 569) und 9. Mai 1979 - IV ZR 88/78 - (FamRZ 1979, 571) entschieden hat, schließt die Beseitigung des Verschuldensprinzips in der Regelung des Ehegattenunterhalts im Falle des
Getrenntlebens und der Ehescheidung nicht aus, im Rahmen der Billigkeitsregelung des §
1579 Abs.
1 Nr.
4
BGB ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Unterhalts beanspruchenden Ehegatten zu berücksichtigen. Ein derartiges Fehlverhalten
hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht.
Die Klägerin zu 1. hat den Beklagten verlassen und sich in unmittelbarem Anschluß daran zu ihrem Freund begeben, mit dem sie
eine Wohnung bezogen hat und seitdem in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt. Wendet sich ein Ehegatte in solcher Weise
gegen den Willen seines Ehepartners einem anderen Partner zu, so kehrt er sich damit in einem Maße von seiner Ehe und dem
Ehepartner ab, daß er, der sich von seinen eigenen ehelichen Bindungen distanziert und die dem anderen Ehegatten geschuldete
Hilfe und Betreuung einem Dritten zuwendet, nicht seinerseits den Ehepartner aus dessen ehelicher Mitverantwortlichkeit für
sein wirtschaftliches Auskommen in Anspruch nehmen kann. Eine solche Inanspruchnahme liefe dem Grundsatz der Gegenseitigkeit
zuwider, der dem ehelichen Unterhaltsrecht zugrunde liegt und - im Zusammenhang mit der hier betroffenen Regelung des §
1579 Abs.
1
BGB - auch in Abs.
2 dieser Vorschrift verwirklicht ist (siehe hierzu unten b aa). Deshalb schafft diese Abkehr des Ehegatten von der Ehe in aller
Regel einen Grund, der den in §
1579 Abs.
1 Nr.
1 bis
3
BGB angeführten Tatbeständen gleichgestellt werden muß und dazu führt, daß die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten, dem die
Erfüllung eines derartigen Unterhaltsverlangens als (Mit-)Finanzierung des Zusammenlebens seines Ehepartners mit dem Dritten
erscheinen muß, grob unbillig wäre (vgl. Diederichsen, NJW 1977, 353, 358; Gernhuber, Familienrecht, 3. Aufl., S. 235, 405; Palandt/Diederichsen,
BGB, 39. Aufl., §
1361 Anm. 3 a, §
1579 Arm. 2 d; Schwab, Handbuch des Familienrechts, Rdn. 385 f.; ferner OLG Hamburg, FamRZ 1978, 118; OLG München, FamRZ 1979, 34; OLG Saarbrücken, FamRZ 1979, 1021; Ambrock, Ehe und Ehescheidung, § 1579 Anm. 11 4 b; derselbe JR 1978, 1, 3 Nr. 57; Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG, § 1579 Rdn. 15; Dieckmann, FamRZ 1977, 81, 105; Giesen/Gick, JR 1979, 45; Kalthoener/Haase-Becher/Büttner, Unterhaltsrechtsprechung, 3. Aufl., Rdn. 93; MünchKomm/Wacke, Ergänzung zu § 1361 Rdn.
19; MünchKomm/Richter, Ergänzung zu § 1579 Rdn. 13 bis 15 b).
Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht in dem Verhalten der Klägerin zu 1. zu Recht einen Grund zum Ausschluß ihres
Unterhaltsanspruchs nach §
1361 Abs.
3 i.V.m. §
1579 Abs.
1 Nr.
4
BGB erblickt, ohne noch nähere Feststellungen zur Frage der ehelichen Zerrüttung und ihrer Verursachung durch die Ehegatten treffen
zu müssen. Es brauchte daher auch nicht den Behauptungen der Klägerin zu 1. darüber nachzugehen, daß sie nicht aus einer intakten
Ehe ausgebrochen sei, sondern der Beklagte sich seinerseits vor der Trennung durch verständnisloses Verhalten gegenüber ihr
und den Kindern sowie Vorfälle anläßlich der Auseinandersetzung während des Sommerurlaubs 1977 ehefeindlich verhalten habe.
Auf diese Umstände, denen nur für die Frage Bedeutung zukam, ob die Klägerin zu 1. ihren Ehemann grundlos verlassen oder der
Beklagte seinerseits Veranlassung für die Trennung gegeben hat, kam es hier nicht mehr an.
b) Bedenken bestehen indessen gegen die Ausführungen zur Anwendung des §
1579 Abs.
2
BGB.
aa) Dabei ist dem Oberlandesgericht allerdings darin zuzustimmen, daß die in der Rechtsprechung erhobenen verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen diese Vorschrift (vgl. AG Pinneberg, FamRZ 1978, 119; AG Lörrach, FamRZ 1978, 412; AG Darmstadt, FamRZ 1979, 507) nicht durchgreifen (ebenso OLG Stuttgart, FamRZ 1979, 40; OLG Frankfurt/M., FamRZ 1979, 438; OLG Hamm, FamRZ 1979, 819; Giesen/Gick, aaO.; MünchKomm/Richter, aaO., Rdn. 19). Ziel dieser Regelung ist die Sicherung der Betreuung der gemeinsamen
Kinder, deren mit der Trennung der Eltern ohnehin verbundene Benachteiligung nicht noch dadurch gesteigert werden soll, daß
auch ihre weitere" nunmehr nur noch einem Elternteil obliegende Pflege und Erziehung weiter beeinträchtigt wird. Damit findet
die Vorschrift ihre Rechtfertigung in der Wertentscheidung des Art.
6 Abs.
2
GG, die der in Art.
6 Abs.
1
GG enthaltenen Grundsatznorm gleichrangig ist. Wenn der Gesetzgeber der ersten dieser Verfassungsentscheidungen auch für die
Fälle, in denen sich aus der Regelung des §
1579 Abs.
2
BGB Erleichterungen für das Ausbrechen eines Ehegatten aus der Ehe ergeben mögen, den Vorrang einräumt, so liegt das grundsätzlich
im Rahmen seines Ermessens.
Keine Bedenken gegen die Gesetzesregelung bestehen auch aus dem Verfassungsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Mit der Pflege
oder Erziehung eines gemeinsamen Kindes nimmt der bedürftige Ehegatte Aufgaben wahr, die ihm und seinem Ehepartner aus der
Ehe erwachsen sind und die auch nach der Trennung oder der Scheidung erfüllt werden müssen. Damit erbringt er Leistungen,
die auch im Interesse des anderen Ehegatten liegen und es sowohl aus dem Gesichtspunkt des unterhaltsrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips
als auch im Hinblick auf die ehebedingte Bedürftigkeit rechtfertigen, die Unterhaltsverpflichtung des anderen Ehegatten in
den Fällen des §
1579 Abs.
1
BGB wiederherzustellen. Dabei kann offen bleiben, ob es im Ausnahmefall eines - hier offensichtlich nicht vorliegenden - ganz
außergewöhnlichen Verstoßes nach §
1579 Abs.
1
BGB trotz Anwendbarkeit von Abs.
2 der Vorschrift aufgrund der Generalklauseln der §§
242,
826
BGB zum Wegfall der Unterhaltsverpflichtung kommen kann (zur Frage der Anwendbarkeit von §
242
BGB neben §
1579
BGB vgl. Ambrock, aaO., §
1579 Anm. II 4 b; Köhler, Unterhaltsrecht, 4. Aufl. S. 72; Rolland, 1. EheRG, § 1579 Rdn. 2).
bb) §
1579 Abs.
2
BGB sieht die Suspendierung der Härteregelung des Abs.
1 vor, solange und soweit von dem Berechtigten wegen der Pflege oder Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit
nicht erwartet werden kann. Die Anknüpfung an diese Voraussetzungen, von denen das Gesetz auch den Unterhaltsanspruch des
§
1570
BGB abhängig macht, verleiht der elterlichen Sorge für die unterhaltsrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten eine Bedeutung, die
nicht ohne Einfluß auf das Verständnis der Gesetzesregelung, insbesondere hinsichtlich seiner einschränkenden Merkmale, sein
kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß §
1579 Abs.
2
BGB in seinem primären Anwendungsbereich - wie auch §
1570
BGB den nachehelichen Unterhalt betrifft. Dort wird es in aller Regel um Fälle gehen, in denen dem Unterhaltsberechtigten nach
§
1671 Abs.
1
BGB, §§
623 Abs.
1 und
3,
621 , 627Abs. 1 Nr.
1 im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe die elterliche Sorge über das zu betreuende Kind übertragen worden ist. Bei dieser
Sachlage beschränkt sich die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit auf die Prüfung der Frage, ob das in
der Obhut des Ehegatten befindliche gemeinschaftliche Kind der Betreuung bedarf und inwieweit dem Ehegatten bejahendenfalls
neben der Betreuung eine Erwerbstätigkeit zuzumuten ist. Daß er diese Betreuung selbst übernehmen kann und sich in seiner
Erziehungstätigkeit nicht durch andere Personen, auch nicht durch den früheren Ehepartner, vertreten zu lassen braucht, ist
dagegen von vornherein durch das ihm übertragene Sorgerecht gewährleistet. Deshalb braucht insoweit lediglich darauf abgestellt
zu werden, daß der bedürftige Ehegatte die (notwendige) Kindesbetreuung auch tatsächlich wahrnimmt. Das kann bei der Unterhaltsregelung
getrennt lebender Ehegatten anders sein. Hier wird es nicht selten vorkommen, daß eine Sorgerechtsregelung noch nicht erfolgt
ist, zumal das Gesetz in § 1672
BGB eine entsprechende, den Verfahrensantrag eines Elternteils voraussetzende Entscheidung erst vorsieht, wenn die - nicht nur
vorübergehende - Trennung der Ehegatten bereits erfolgt ist. In diesen Fällen erhebt sich die Frage, ob der unterhaltsbedürftige
Ehegatte sich auf die Kindesbetreuung und die dadurch verursachte Erwerbsbehinderung berufen kann, wenn der - gleichfalls
sorgeberechtigte - Ehepartner die Betreuung für sich beansprucht und zu ihrer Wahrnehmung ohne Gefährdung des Kindeswohles
in der Lage ist.
Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, der auf die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes gestützte Unterhaltsanspruch
setze voraus, daß dem betreffenden Ehegatten die elterliche Sorge für das Kind übertragen worden ist oder der Ehepartner ihm
die Betreuung aufgetragen hat (vgl. Palandt/Diederichsen, aaO., § 1569 Anm. 1, § 1570 Anm. 2 b bb; Köhler, aaO., S. 70). Ob
dem in dieser Allgemeinheit zugestimmt werden kann, mag zweifelhaft sein (gegen die Ansicht Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch,
aaO., § 1570 Rdn. 10; Rolland, aaO., § 1570 Rdn. 3). Immerhin erscheint es jedoch bedenklich, in den Fällen (noch) nicht erfolgter
Sorgerechtsregelung bei der Anwendung des §
1579 Abs.
2
BGB allein auf die Tatsache der Kindesbetreuung durch den bedürftigen Ehegatten abzustellen und das Sorgerecht seines Ehepartners
sowie die Möglichkeit der Kindesbetreuung durch ihn bei der Prüfung der Erwerbsbehinderung und der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit
für den bedürftigen Ehegatten von vornherein außer Betracht zu lassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieser Ehegatte die
Betreuung des Kindes nicht nur eigenmächtig und gegen den Willen des Ehepartners übernommen, sondern das Kind dazu auch noch
aus seinem bisherigen Lebenskreis herausgenommen hat und mit ihm in eine andere Wohnung gezogen ist. In derartigen Fällen
muß die Betreuung des Kindes durch den in der ehelichen Wohnung verbliebenen Ehepartner in die dem Ehegatten zuzumutenden
Möglichkeiten einbezogen werden, falls jener die Betreuung beansprucht und zu ihrer Wahrnehmung ohne Gefährdung des Kindeswohls
in der Lage ist. Die Regelung des §
1597 Abs.
2
BGB ist letztlich dem Interesse des Kindes und nicht den eigenen Belangen des bedürftigen Ehegatten zu dienen bestimmt. Sie kann
dem Ehegatten, der sich die Betreuung des Kindes unter dessen Herausnahme aus dem bisherigen Lebensbereich sowie unter Verstoß
gegen das Elternrecht des verlassenen Ehepartners verschafft hat, nicht auch noch die Möglichkeit gewähren, aus diesem rechtswidrigen
Verhalten wirtschaftliche Vorteile zu ziehen.
Deshalb kann die von dem Ehegatten unter Berufung auf die Kindesbetreuung geltend gemachte Erwerbsbehinderung in derartigen
Fällen nicht anerkannt werden, solange der unterhaltsverpflichtete Ehegatte Anspruch auf die Betreuung erhebt und zu ihrer
Wahrnehmung ohne Gefährdung des Kindeswohls in der Lage ist. Etwas anderes gilt erst, wenn das Familiengericht über das Sorgerecht
abweichend entscheidet. Bei dieser Entscheidung wird das Gericht allerdings im Rahmen des Kindeswohls auch die Belange des
unterhaltspflichtigen Elternteils im Auge behalten dürfen. Denn mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf den unterhaltsbedürftigen
Ehegatten wird diesem das auch im Rahmen von §
1579 Abs.
2
BGB zu beachtende Recht zugestanden, das Kind zu sich zu nehmen und es selbst zu betreuen.
cc) Danach besteht auch im vorliegenden Fall die Möglichkeit, daß die Regelung des §
1579 Abs.
2
BGB nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, vom Anfang der Trennung der Ehegatten an, sondern erst zu einem späteren
Zeitpunkt zum Zuge gekommen ist und bis dahin einer Anwendung der Härteklausel des §
1361 Abs.
3 i.V.m. §
1579 Abs.
1 Nr.
4
BGB nichts im Wege stand. Hierzu sind indessen noch nähere Feststellungen des Berufungsgerichts darüber notwendig, ob die Klägerin
zu 1. bei ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung die Kinder entsprechend dem Vortrag des Beklagten gegen seinen Willen mitgenommen
hat und er verlangt hat, sie selbst zu betreuen, und dazu ohne Gefährdung des Kindeswohls auch in der Lage war. Bei der außerdem
zu berücksichtigenden Frage einer Sorgerechtsregelung wird das Oberlandesgericht zu beachten haben, daß eine derartige Entscheidung
nicht erst mit dem rechtskräftigen Abschluß des Sorgerechtsverfahrens, sondern nach § 16 Abs. 1
FGG i.V.m. §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 a Abs. 1.
ZPO bereits mit dem Beschluß des Familiengerichts wirksam wird, der hier nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien unter
dem 8. November 1977 erlassen worden ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 11. Aufl., Teil A §
16 Rdn. 48; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 38. Aufl., § 621 a Anm. 3 B b).
dd) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die im wesentlichen auf tatrichterlicher Beurteilung beruhende Entscheidung des
Oberlandesgerichts, daß der Klägerin zu 1. neben einer Betreuung der zur Zeit des Urteils sieben und zehn Jahre alten Kinder
keine Berufstätigkeit zugemutet werden könne, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Jedoch begegnen der Auffassung des Berufungsgerichts
Bedenken, daß §
1579 Abs.
1
BGB auch im Falle der Anwendung von Abs.
2 eine Herabsetzung des Unterhalts ermögliche und es rechtfertige, den Anspruch der Klägerin zu 1. auf das zur Sicherung der
Kindesbetreuung notwendige Maß zu kürzen. In diesem Sinne kann die in §
1579 Abs.
2
BGB durch die Worte "solange und soweit" zum Ausdruck gebrachte Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge nicht verstanden werden.
Vielmehr besagt diese Wendung, soweit sie nicht die zeitliche Beschränkung der Regelung ("solange") betrifft" daß die Vorschrift
nur in dem Umfang zur Suspendierung des Abs. 1 führt, als es um den auf die Kindesbetreuung gestützten Unterhaltsanspruch
geht. Soweit der berechtigte Ehegatte nicht durch das Betreuungsbedürfnis des Kindes von der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen
wird, sondern andere Hinderungsgründe, wie etwa ein Mangel an Gelegenheit zu einer an sich mit der Kindesbetreuung zu vereinbarenden
Teilzeitbeschäftigung, bestehen, führen diese nicht zum Ausschluß des §
1579 Abs.
1
BGB, so daß der Unterhaltsanspruch in dem Umfang, in dem er etwa auf §
1573
BGB oder einem anderen nicht privilegierten Rechtsgrund beruht, nach §
1579 Abs.
1
BGB entfallen kann (vgl. Derleder/Derleder, FamRZ 1977, 587, 591 f.; Dieckmann, FamRZ 1977, 81, 93 f.; Rolland, aaO., § 1570 Rdn. 17, 19). Wird der unterhaltsbedürftige Ehegatten dagegen allein durch das Betreuungsbedürfnis
des Kindes an jeglicher Erwerbstätigkeit, auch etwa einer Teilzeitbeschäftigung, gehindert, entfällt §
1579 Abs.
1
BGB in vollem Umfang. Das hat auch für die entsprechende Anwendung der Vorschrift nach §
1361 Abs.
3
BGB zu gelten, so daß der Klägerin zu 1. gegebenenfalls der volle Unterhaltsanspruch des §
1361 Abs.
1
BGB zusteht.
3. Was dessen Bemessung betrifft, so rügt die Revision des Beklagten mit Recht, daß die Auswirkungen des Zusammenlebens der
Klägerin zu 1. mit dem anderen Partner auf ihre unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit bislang nicht ausreichend gewürdigt worden
sind.
a) Allerdings kann ihr nicht dahin gefolgt werden, daß die Bedürftigkeit der Klägerin zu 1. im Hinblick auf dieses Verhältnis
von vornherein entfiele. Die hierzu von der Revision verfochtene Heranziehung des § 122
BSHG sowie der aus dieser Vorschrift i.V.m. § 16
BSHG abzuleitenden Rechtsvermutung erweist sich, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26. September 1979 (FamRZ 1980, 40) bereits entschieden hat, als nicht geeignet, das Problem der eheähnlichen Verbindungen im Rahmen des ehelichen Unterhaltsrechts
zu lösen. Wie in dieser Entscheidung gleichfalls ausgeführt ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß durch eine
eheähnliche Gemeinschaft als solche Rechtsbeziehungen und gegenseitige Rechtsansprüche, insbesondere unterhaltsrechtlicher
Art, zwischen den Partnern begründet werden. Übernimmt es der Ehegatte jedoch, seinem neuen Partner den Haushalt zu führen
und ihn zu versorgen, und erbringt der Partner seinerseits finanzielle Beiträge zur gemeinsamen Lebensführung oder gewährt
er ihm sonstige Zuwendungen, so ist darin grundsätzlich ein Entgelt für die Haushaltsführung und sonstige Versorgung zu erblicken,
ohne daß es darauf ankommt, ob die beiden Partner insoweit entsprechende Absprachen getroffen haben (aaO., S. 41, 42).
b) Danach ist es unbedenklich, daß das Berufungsgericht den Wohnbedarf der Klägerin zu 1. bei der Bemessung ihres Unterhalts
außer Ansatz gelassen hat, weil die Wohnungsmiete bisher von ihrem Partner getragen wird. Daran ändert auch der Umstand nichts,
daß die Klägerin zu 1. Mitmieterin der Wohnung ist und deshalb ebenso wie ihr Partner auf Zahlung des Mietzinses haftet.
Von dieser Zuwendung abgesehen, die sich aus der Begleichung des auf sie entfallenden Teiles des Mietzinses ergibt, hat die
Klägerin zu 1. jedoch in Abrede gestellt, von ihrem Partner irgendwelche Bar- oder Sachleistungen zu erhalten. Hiernach liegt
die Annahme nahe., daß der ihr von seiten des Partners zukommende Beitrag hinter dem tatsächlichen Wert der Versorgungsleistungen
zurückbleibt, welche die Klägerin zu 1. ihrem Partner gewährt. In einem solchen Fall muß der wirkliche Wert der erbrachten
Leistungen als maßgebend angesehen werden. Das Vollstreckungsrecht kennt in §
850 h Abs.
2
ZPO die dem Gläubigerschutz dienende Regelung, daß in Fällen, in denen ein Schuldner einem Dritten ständig Dienste leistet, die
üblicherweise vergütet werden, im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Dienstleistungen eine angemessene Vergütung
als geschuldet gilt. Dabei ist ohne Belang, ob im Verhältnis des Empfängers zum Schuldner tatsächlich eine Vergütung vereinbart
worden ist oder nicht. Eine Minderung oder gar ein Wegfall der Vergütungspflicht des Dienstleistungsempfängers gegenüber dem
Gläubiger aus Gründen besonderer Beziehungen zwischen dem Dienstleistenden und dem Leistungsempfänger kommt grundsätzlich
nicht in Betracht. Selbst eine Arbeitsleistung, die im Rahmen der familienrechtlichen Mitarbeitspflichten erbracht wird, wirkt
sich nicht mindernd auf die Vergütungspflicht im Verhältnis zum Gläubiger aus (vgl. BAG, FamRZ 1977, 707, 708; Stein/Jonas/Münzberg,
ZPO, 19. Aufl., §
850 h Anm. II C b). Der dieser Regelung zugrunde liegende Rechtsgedanke ist auch heranzuziehen, wenn ein unterhaltsbedürftiger
Ehegatte einem Dritten ständig und ganz oder teilweise unentgeltlich Dienste leistet, die normalerweise vergütet werden. Eine
solche kostenlose oder unverhältnismäßig gering vergütete Hilfeleistung für den Dritten kann hier ebensowenig zu Lasten des
unterhaltspflichtigen Ehegatten gehen wie im Bereich des §
850 h Abs.
2
ZPO zum Nachteil des Gläubigers. Aus diesem Grunde muß sich der bedürftige Ehegatte in derartigen Fällen grundsätzlich eine angemessene
Vergütung für seine Dienste anrechnen lassen (im Ergebnis ebenso OLG München, FamRZ 1979, 34; Palandt/Diederichsen, aaO., § 1570 Anm. 2 c).
c) Hiernach ergibt sich auch für die Beurteilung der Bedürftigkeit der Klägerin zu 1. die Notwendigkeit, die Höhe des anzurechnenden
Betrages zu ermitteln, wobei dem Berufungsgericht Richtsätze, die auf die gegebenen Verhältnisse abgestellt sind und der Lebenserfahrung
entsprechen, als Anhalt dienen können, soweit sich nicht besondere Umstände ergeben, die eine Abweichung bedingen (vgl. BGH,
FamRZ 1980, 40, 42).
Was die Höhe des bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Einkommens des Beklagten betrifft, wird das Berufungsgericht
Gelegenheit haben, sich mit den einzelnen Angriffen auseinanderzusetzen, welche die Revision des Beklagten im Rahmen der Erörterungen
über den Unterhalt der Kläger zu 2. und 3. gegen das Urteil richtet. Dabei kann es die Grundsätze heranziehen, die der Bundesgerichtshof
in den zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen vom 16. Januar 1980 - IV ZR 115/80 - und 23. Januar 1980 - IV ZR 2/78 - zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit dargelegt hat. Ferner wird zu beachten sein, daß das sich ergebende Einkommen des
Beklagten möglicherweise nicht mit dem zu verteilenden Einkommen gleichgesetzt werden kann, weil es bei vernünftiger Lebensführung
nicht in vollem Umfang der Deckung des laufenden Lebensaufwandes, sondern teilweise der Vermögensbildung dient und deshalb
nicht in voller Höhe der Bemessung des ehelichen Lebensstandards zugrunde gelegt werden kann.
II.
Keinen Bestand kann das angefochtene Urteil auch insoweit haben, als es die Unterhaltsansprüche der Kläger zu 2. und 3. betrifft.
1. Diese Ansprüche sind nach §
1610
BGB zu bemessen. Danach können die Kläger von dem Beklagten einen ihrer Lebensstellung entsprechenden, ihren gesamten Lebensbedarf
umfassenden Unterhalt verlangen, wobei sich ihre Lebensstellung im Hinblick auf ihre Unselbständigkeit nach derjenigen ihrer
Eltern richtet. Bei der Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß es auch für
den Kindesunterhalt grundsätzlich keine obere Grenze gibt, die unter keinen Umständen überschritten werden dürfte. Auf der
anderen Seite kann die Ableitung des Kindesunterhalts von der Lebensstellung der Eltern nicht bedeuten, daß den Kindern eine
der Lebensführung und überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern entsprechende Lebensgestaltung
ermöglicht werden müßte (vgl. BGH, FamRZ 1969, 205, 207). Aus diesem Grunde begegnet es Bedenken, daß das Berufungsgericht - insoweit von einem Nettoeinkommen des Beklagten
in Höhe von 7.000 DM ausgehend - den Unterhalt der Kläger (ohne Kosten für Wohnbedarf und zuzüglich der Kosten für Krankenversicherung)
in der Weise ermittelt hat, daß es den in der sogenannten Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen, auf ein Nettoeinkommen bis zu
5.000 DM bezogenen Betrag proportional erhöht hat. Hinzu kommt, daß dieser vom Berufungsgericht ausdrücklich als maßgebend
bezeichneten Tabelle, wie der Beklagte in seiner Revision zutreffend dargelegt hat, eine degressive Steigerungsrate zugrunde
liegt, so daß der prozentuale Anteil des Unterhaltsbetrages am jeweils zugehörigen Nettoeinkommen mit steigendem Einkommen
abnimmt. Unter diesen Umständen ergibt sich ein Widerspruch zwischen der Hochrechnung des Unterhalts auf den Einkommensbetrag
von 7.000 DM und den als maßgebend bezeichneten Bemessungsgrundlagen.
2. Andererseits erweist sich auch die Rüge der Kläger zu 2. und 3. als begründet, daß bei der Bemessung ihres Unterhalts ihr
Wohnbedarf nicht habe unberücksichtigt gelassen werden dürfen. Die kostenlose Wohnungsgewährung von seiten des Partners der
Mutter stellt eine vorgelegte freiwillige Leistung an die Kläger zu 2. und 3. dar, deren Anrechenbarkeit auf den Unterhaltsanspruch
gegen den Beklagten von dem Willen des Dritten abhängt (vgl. BGH, FamRZ 1980, 409 42). Daß dessen Wille hier auf eine entsprechende Entlastung des Beklagten von seiner Unterhaltspflicht gerichtet wäre, ist
nicht festgestellt und kann auch nach der Lebenserfahrung nicht angenommen werden.
III.
Schließlich ist das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben, als es die Verwerfung der vom Beklagten im Berufungsrechtszug
erhobenen Widerklage als unzulässig betrifft. Der Feststellungsantrag ist dahin auszulegen, daß er nicht die mit der Leistungsklage
geforderten Beträge erfaßt. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich um eine Feststellungsklage nach §
256 Abs.
1
ZPO handelt oder, wie die Revision meint, eine Zwischenfeststellungsklage nach §
256 Abs.
2
ZPO. Auch das im erstgenannten Fall erforderliche Feststellungsinteresse läge hier vor; denn die Klägerin zu 1. hat im Rechtsstreit
zum Ausdruck gebracht, daß ihr angesichts der Einkünfte des Beklagten in Wirklichkeit ein noch höherer als der eingeklagte
Unterhalt zustehe. Überdies ist nicht auszuschließen, daß über den Umfang der vorliegenden Leistungsklage hinaus weitere Ansprüche
erwachsen können. Das gilt außer den vom Beklagten angeführten Ansprüchen auf Prozeßkostenvorschuß (§§
1361 Abs.
4 Satz 4 i.V.m. 1360 a Abs.
4
BGB) auch für mögliche Ansprüche wegen Sonderbedarfs (§
1613 Abs.
2
BGB) und - im Hinblick auf das anhängige Scheidungsverfahren - auf Gewährung der Kosten einer angemessenen Versicherung für den
Fall des Alters sowie der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§
1361 Abs.
1 Satz 2
BGB).