Gründe:
Am 20.4.1979 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin, im Rahmen der Sozialhilfe ab 1.5.1979 bis zu seiner Entlassung
aus der Strafhaft u.a. die Miete von monatlich 130 DM zu übernehmen. Zur Begründung trug er vor, daß er während seiner Haftzeit
über keinerlei Einkommen verfüge. Nach seiner Haftentlassung werde er kein so günstiges Zimmer mehr bekommen; man könne ihm
nicht zumuten, innerhalb der kurzen Zeit bis zum Strafantritt sein Mobiliar zu Schleuderpreisen zu veräußern.
Mit Bescheid vom 29.5.1979 lehnte die Antragsgegnerin zu 1. den Antrag ab mit der Begründung, daß der Antragsteller seinen
gewöhnlichen Aufenthalt auch während der Strafhaft in R. beibehalte. In der Zeit der Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt
in B. sei der gesamte notwendige Lebensunterhalt einschließlich der Unterkunft durch den Justizfiskus sichergestellt, so daß
in B. kein sozialhilferechtlicher Bedarf entstehe, den sie, die Antragsgegnerin zu 1., sicherzustellen hätte.
Bereits mit Schreiben vom 22.5.1979 hatte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht B. sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin
im Wege einer einstweiligen Anordnung ab 1.5.1979 zur Übernahme der Mietkosten von monatlich 130 DM zu verpflichten.
Mit Beschluß vom 1.8.1979 entschied das Verwaltungsgericht B., daß die Antragsgegnerin zu 1. die Mietzinsen bis zur Entscheidung
über den vom Antragsteller eingelegten Widerspruch, mindestens jedoch bis einschließlich September 1979 zu zahlen habe. Das
Verwaltungsgericht legte näher dar, daß sich die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu 1. aus § 97 Abs. 1
BSHG ergebe und der Anordnungsanspruch in bezug auf die Mietzinsen in § 15a
BSHG eine Stütze finde.
Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluß unterm 28. 8.1979 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, daß sie weder nach §
15a noch nach § 72
BSHG zur Übernahme der Mietkosten verpflichtet sei; auf das Urteil des OVG Berlin vom 14.8.1978 in FEVS Bd. 27, 142 [145] werde
verwiesen.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet
Die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 97 Abs. 1
BSHG. Der Antragsteller hatte in der Zeit vom 20.4.1979 bis zum 28.11.1979 in B. seinen tatsächlichen Aufenthalt. Auch ein Ort,
an dem der Hilfesuchende nur vorübergehend, ungewollt oder fremdbestimmt anwesend ist, ist sein tatsächlicher Aufenthalt im
Sinne des § 97
BSHG (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS Bd. 18S.426; Knopp/Fichtner, BHSG, 4. Auflage 1979, § 97 Rdn. 3).
In bezug auf die Monate Mai bis September 1979 steht dem Anordnungsanspruch der Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe (§
2 BHSG) entgegen. Denn dadurch, daß der Verein "Kontakt Regensburg" die Miete für die Monate Mai bis Juli 1979 zahlte, erhielt
der Antragsteller die erforderliche Hilfe von anderen, und daraus, daß der Antragsteller die Monatsmieten für August und September
aus der Justizvollzugsanstalt an die Vermieterin überwies, ergibt sich, daß er sich selbst helfen konnte.
Für die verbleibenden Monate Oktober und November 1979 muß die Antragsgegnerin nach dem Ergebnis der im Verfahren nach §
123
VwGO gebotenen und allein möglichen Prüfung die Mietkosten im Rahmen der Sozialhilfe übernehmen. Rechtsgrundlage des Anspruchs
des Antragstellers ist § 15a
BSHG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann in Fällen, in denen nach den §§ 11 bis 15
BSHG die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, Hilfe zum Lebensunterhalt u. a. dann gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der
Unterkunft gerechtfertigt ist. Nach Satz 2 der Vorschrift können Geldleistungen als Beihilfe oder bei vorübergehender Notlage
als Darlehen gewährt werden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a Satz 1 BSHG sind erfüllt. Der Antragsteller war in der Justizvollzugsanstalt B. untergebracht, wo die Kosten seiner Unterkunft vom Justizfiskus
bestritten wurden. Mithin gehörten die Mietkosten für seine Wohnung in R. nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des
§ 12
BSHG; ihre Übernahme im Rahmen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 11
BSHG) war nicht möglich. Die Übernahme der Mietkosten für die Wohnung in R. im Rahmen der Hilfe nach § 15a
BSHG war gerechtfertigt, um die Unterkunft des Antragstellers nach der Haftentlassung zu sichern. Gesichert war die Wohnung in
R. nur solange, als der Antragsteller dafür pünktlich die Mietzinsen zahlte. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, daß
er während seines Aufenthaltes in der JVA zur Zahlung der Mietzinsen außerstande war und daß ihm im Falle des Zahlungsverzuges
die Kündigung drohte. Es wäre für ihn eine unbillige Härte gewesen, wenn er wegen seines Unvermögens zur Zahlung der Mietzinsen
für nur wenige Monate seine sehr preisgünstige Wohnung in R. verloren hätte. Auch das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher
Mittel läßt die Übernahme der Mietkosten zur Sicherung der Wohnung in R. gerechtfertigt erscheinen; wenn nämlich der Antragsteller
seine billige Wohnung in R. verloren hätte und bei seiner Haftentlassung obdachlos gewesen wäre, hätte aus Sozialhilfemitteln
möglicherweise ein erheblich höherer Betrag eingesetzt werden müssen, um dem Antragsteller eine neue Wohnung zu beschaffen
und zu erhalten.
Die Auffassung des Senats, daß im Rahmen der Hilfe nach § 15a
BSHG auch Kosten für die Beibehaltung von Mietwohnungen für Insassen von Justizvollzugsanstalten getragen werden können, wird
auch in Nr. 15a 05 der Sozialhilferichtlinien (SH-Richtl.) des Bayerischen Städteverbandes und des Landkreisverbandes Bayern
vom 1.5.1978 vertreten. Demgegenüber hält das OVG Berlin in dem von der Antragsgegnerin zu 1. angeführten Urteil vom 14.9.
1978 in FEVS Bd. 27, 142 [145] den § 15a
BSHG in Fällen der vorliegenden Art für unanwendbar. Es meint, daß diese Vorschrift als Hilfe zum - notwendigen - Lebensunterhalt
(§ 12
BSHG) die Kosten der tatsächlichen Unterkunft im jeweiligen Zeitpunkt betreffe, nicht jedoch die Miete einer leerstehenden Wohnung
für Zeiträume, während welcher der Hilfesuchende anderweitig untergebracht ist. Eine solche einschränkende Auslegung des §
15a
BSHG ist weder nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch nach ihrem Sinn und Zweck geboten. In § 15a Satz 1 BSHG ist nur von der "Sicherung der Unterkunft" des Hilfesuchenden die Rede; daß es die tatsächliche Unterkunft des Hilfesuchenden
im Zeitpunkt der Hilfegewährung sein müsse, wird nicht gefordert. § 15a
BSHG wurde durch das 2. ÄndG BSHG vorn 14.8.1969 (BGBl I 1153) in das BSHG eingefügt. In der Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 12.11.1968
(Bundestagsdrucksache V/3495) heißt es zu § 15a: "Bei der Anwendung der Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt hat
es sich als notwendig erwiesen, die Träger der Sozialhilfe ausdrücklich zu ermächtigen, in Fällen einer besonderen Notlage
auch dann Hilfe zu gewähren, wenn dies nach den geltenden Bestimmungen des Abschnitts 2 nicht möglich ist. Dabei spielen vor
allem diejenigen Fälle eine Rolle, in denen die Träger Leistungen zur Sicherung der Unterkunft entweder durch Übernahme von
Mietschulden oder durch Hilfe zur Wohnraumbeschaffung gewähren wollen."
Die in der Begründung ausdrücklich erwähnte Hilfe zur Wohnraumbeschaffung dient der Sicherung einer künftigen Unterkunft des
Hilfesuchenden; der Gesetzgeber wollte also mit § 15a
BSHG nicht nur die Fälle erfassen, in denen es um die "Kosten der tatsächlichen Unterkunft im jeweiligen Zeitpunkt" geht. Seine
Auffassung, daß § 15a
BSHG unanwendbar sei, begründet das OVG Berlin letztlich damit, daß die Kosten, die der Strafgefangene für die Miete seiner leerstehenden
Wohnung aufwenden muß, nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12
BSHG gehören. Eine solche Argumentation übersieht, daß § 15a
BSHG sowohl nach seinem ausdrücklichen Wortlaut als auch nach der Begründung zum Regierungsentwurf gerade für die Fälle geschaffen
wurde, in denen die Voraussetzungen der §§ 11 bis 15
BSHG nicht erfüllt sind, also auch für Fälle, in denen die Kosten nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 12
BSHG gehören. Die Lücke, die mit § 15a
BSHG geschlossen werden sollte, wäre, wenn man der Auffassung des OVG Berlin folgte, wieder vorhanden.
Daß die Verbüßung einer Freiheitsstrafe für sich allein kein der Leistung von Sozialhilfe entgegenstehender Grund ist, hat
das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden (vgl. FEVS Bd. 16, 145; Bd. 18, 161). In seinem Urteil vom 13.1.1971 (FEVS
Bd. 18, 161) hat es betont, daß die Sozialhilfe ihrem Wesen nach bestimmt sei, Lücken in der Betreuung Hilfsbedürftiger zu
schließen. Es sei in jedem Fall auch zu prüfen, ob neben dem Vollzug der strafgerichtlichen Entscheidung Maßnahmen der Sozialhilfe
möglich und angezeigt bleiben. Mit diesen Grundsätzen steht die Auffassung des Senats zur Auslegung des § 15a
BSHG im Einklang. Würde man, dem OVG Berlin folgend, den Hilfesuchenden auf § 72
BSHG verweisen, so wäre, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, eine durch Sinn und Zweck der Sozialhilfe gebotene Betreuung Hilfsbedürftiger
nicht möglich, denn bei der Verbüßung kurzer Freiheitsstrafen werden die Voraussetzungen des § 72
BSHG regelmäßig nicht gegeben sein.
Sind, wie hier, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a Satz 1 BSHG erfüllt, so steht die Gewährung der Hilfe im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Abgesehen davon, daß die Antragsgegnerin von
dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat, war jede andere Entscheidung als die Gewährung der Hilfe ermessensfehlerhaft.
Nach Auffassung des Senats gibt die Nr.15a 05 der Sozialhilferichtlinien einen brauchbaren Fingerzeig für die pflichtgemäße
Ausübung des Ermessens, bei dessen Beachtung die Antragsgegnerin zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung gekommen
wäre. Danach kann bei kurzfristigem Freiheitsentzug eine Mietwohnung beibehalten werden; die Sozialhilfeträger werden ausdrücklich
auf die Möglichkeit hingewiesen, in einem solchen Fall die kosten für die Mietwohnung zu übernehmen.
Nach § 15a Satz 2 BSHG steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, ob sie die Mietkosten durch die Gewährung einer Beihilfe oder eines
Darlehens übernehmen will. Dem Senat ist es verwehrt, in diesen Ermessensbereich einzugreifen; ohne eingehende Prüfung der
tatsächlichen Umstände, die erst im Hauptsacheverfahren stattfinden wird, kann nicht gesagt werden, daß nur die eine oder
die andere Form der Hilfegewährung pflichtgemäßem Ermessen entspricht...