Voraussetzungen der Mittellosigkeit i. S. von § 1835 Abs. 3 BGB a. F.
Gründe
I.
1. Für die Betroffene wurde unter dem 15.11.1990 Pflegschaft mit den Wirkungskreisen Aufenthaltsbestimmung, Zuführung zur
ärztlichen Behandlung und Vermögensverwaltung angeordnet. Am 28.11.1990 wurde die Beteiligte zur Pflegerin bestellt. Mit Beschluss
vom 16.5.1991 wurde die Pflegschaft auf Antrag der Betroffenen wieder aufgehoben.
2. Mit Schriftsatz vom 31.7.1991 beantragte die frühere Pflegerin, ihr eine Vergütung von 2066,25 DM zu bewilligen; sie habe
nämlich 29 Stunden für diese Pflegschaft aufwenden müssen. Nach der Schlussrechnung der früheren Pflegerin vom 31.7.1991 betrug
das Vermögen der Betroffenen 8299,31 DM. Das laufende Einkommen der Betroffenen betrug am 28.11.1990 einschließlich eines
Altersruhegeldes insgesamt 1184,18 DM und war mit Ausnahme eines Taschengeldes von 185,-- DM auf den Sozialhilfeträger übergeleitet.
Das Amtsgericht (Rechtspfleger) bewilligte mit Beschluss vom 10.12.1991 die beantragte Vergütung in voller Höhe. Das Landgericht
hat die als Beschwerde aufzufassende Erinnerung mit Beschluss vom 26.5.1992 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere
Beschwerde der Betroffenen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache
an dieses.
1. Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht davon aus, dass im vorliegenden Fall das bis zum 31.12.1991 geltende Recht anzuwenden
und dass, die frühere Pflegerin als Berufspflegerin anzusehen ist. Die Vergütung richtet sich deshalb nur dann nach §
1836
BGB a.F., wenn die Betroffene über ausreichendes Vermögen verfügte. War dies nicht der Fall, dann besteht unter Umständen ein
Anspruch auf Ersatz gegen die Staatskasse in entsprechender Anwendung von §
1835 Abs.
3
BGB a.F. (vgl. BVerfGE 54, 251). Hierüber kann der Senat aber schon deshalb nicht entscheiden, weil ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens ist. Eine Umdeutung des vorliegenden Antrags der früheren Pflegerin vom 31.7.1991 in einen solchen
Antrag auf Ersatz gegen die Staatskasse ist nicht möglich (vgl. OLG Zweibrücken Rpfleger 1983, 312/313) und würde zudem die
Zubilligung einer Vergütung aus dem Vermögen des Pfleglings nicht ausschließen, weil diese nicht von einem Antrag abhängig
ist (BayObLGZ 1990, 130/132). Allerdings beginnt die Frist von § 15 Abs. 2
ZSEG erst, wenn die Mittellosigkeit feststeht (vgl. Palandt/Diederichsen
BGB 50. Aufl. §
1835 Rn. 1 M.W.Nachw.).
2. Soweit das Landgericht unter der Voraussetzung, dass das Vermögen der Betroffenen ausreicht, die Höhe der angemessenen
Vergütung mit 2066,25 DM angenommen hat, steht es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (BayObLGZ 1991, 272/273
f.). Auf die rechtlich bedenkenfreien Ausführungen des Landgerichts kann insoweit Bezug genommen werden. Zutreffend hat das
Landgericht auch dargelegt, dass Mängel der Führung der Pflegschaft, wie sie hier von der Beschwerdeführerin gerügt werden,
im Verfahren auf Festsetzung der Vergütung nicht geprüft werden (BayObLGZ 1991, 272/276).
3, Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass das Vermögen der Beschwerdeführerin um mehr als das Dreifache über der sogenannten
Schongrenze nach § 88 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4
BSHG und der dazu ergangenen Verordnung gelegen habe und dass die Beschwerdeführerin deshalb nicht als mittellos anzusehen sei.
Dies wird durch die bisher getroffenen Feststellungen nicht hinreichend getragen.
a) Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob der Begriff der Mittellosigkeit in §
1835 Abs.
3 Satz 1 a.F.
BGB durch eine unmittelbare Anwendung vor allem von § 88
BSHG einzuschränken ist (so etwa Bobenhausen Rpfleger 1985, 426/427 und 1988, 175/177; Damrau in Festschrift für O. Mühl 1981
S. 123/136 f.; Soergel/Damrau
BGB 12. Aufl. § 1835 Rn. 10) oder mit Hilfe von §§
114 ff.
ZPO (in diesem Sinne z.B. LG Berlin Rpfleger 1985, 237; LG Bonn Rpfleger 1988, 104; LG Bremen Rpfleger 1984, 414; LG Mainz Rpfleger 1989, 327 und 1990, 70; ebenso wohl auch OLG Zweibrücken Rpfleger 1983, 312; in der Literatur: Gernhuber Familienrecht 3. Aufl. 1980 § 65 VII 4 in Fußnote.16; Haegele Rechtspfleger Jahrbuch 1973, 286/302;
Odersky Nichtehelichen-Gesetz 4. Aufl. 1978 § 1835 Anm. III 1), oder ob andere Grundsätze gelten (vgl. Palandt/Diederichsen
aaO unter Hinweis auf LG Frankfurt FamRZ 1990, 1036). Denn darüber, dass dieser Begriff nicht wörtlich aufgefasst werden kann, besteht Einigkeit. Im vorliegenden Fall hatte
die Betroffene auch ihre laufenden Einkünfte nicht zur Verfügung, weil diese auf den Sozialhilfeträger übergeleitet waren,
und ihr Taschengeld lag unter den Grenzen des BSHG und auch der Tabelle zu §
114
ZPO. Soweit es um die Frage geht, wo die Grenzen beim Vermögen anzusetzen sind, verweist §
115 Abs.
2
ZPO uneingeschränkt auf § 88
BSHG. Ob diese Frage auch für Fälle offen bleiben kann, für die das ab 1.1.1992 geltende Recht anzuwenden ist, braucht hier nicht
entschieden zu werden.
b) Nach der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des BSHG vom 11.2.1988 (BGBl. I S. 150 i.d.F. der Verordnung vom 23.10.1991 - BGBl. I S. 2037) bleiben bei der Hilfe zum Lebensunterhalt
für über 60 Jahre alte Personen 4500,-- DM als Schonvermögen außer Betracht, wenn die Sozialhilfe vom Vermögen des Hilfesuchenden
allein abhängt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a). Dabei ist die am 1.10.19911 in Kraft getretene Änderung der Verordnung
hier berücksichtigt, weil vom Schutzzweck her auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Vergütung abzustellen ist. § 1 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Buchst. b der genannten Verordnung sieht gleichfalls einen Schonbetrag von 4500,-- DM vor, wenn Hilfe in besonderen
Lebenslagen gewährt wird, und einen Betrag von 8000,-- DM u.a. im Fall des § 69 Abs. 4 Satz 2 BSHG. Letztere Norm verweist ihrerseits auf § 24 Abs. 2
BSHG. Daraus folgt, dass ein Schonbetrag von 8000,-- DM u.a. dann gilt, wenn eine Behinderung besteht, die so schwer ist, dass
ein Behinderter eine Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes erhält
(vgl. dazu die Verordnung zur Durchführung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BSHG vom 28.6.1974, BGBl. I S. 1365, v.a. deren § 1 Satz 1 Nr. 7). Darüber hinaus sieht § 2 der genannten Verordnung zu § 88
BSHG eine angemessene Erhöhung der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a oder b maßgebenden Beträge vor, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage besteht, und § 88 Abs. 3
BSHG ergibt weitere Einschränkungen der Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen. Jedenfalls diese Einschränkungen müssen auch im
Bereich von §
1835 Abs.
3 a.F.
BGB gelten.
c) Wie hoch im vorliegenden Fall das Schonvermögen konkret zu bemessen ist, kann der Senat mangels Feststellungen des Landgerichts
hierzu nicht entscheiden. Insbesondere kann ohne weitere Ermittlungen nicht festgelegt werden, ob das Schonvermögen nicht
etwa 6250,-- DM oder mehr betrug und deshalb die Festsetzung einer Vergütung von 2066,25 DM nicht erlaubte. Immerhin war die
Pflegschaft gegen den Willen der Betroffenen angeordnet worden, weil das Amtsgericht von deren Geschäftsunfähigkeit ausgegangen
war und ihr damaliger Gesundheitszustand eine Erhöhung des Schonbetrags rechtfertigen konnte. Zudem steht die Ausfüllung der
in den angeführten Bestimmungen eingeräumten Freiräume zuerst dem Tatrichter zu, der sich allerdings in aller Regel weitgehend
auf die Auffassung der Sozialbehörde über die Höhe des anzunehmenden Schonbetrags stützen kann.
Das Landgericht hat lediglich ausgeführt, die Beschwerdeführerin benötige das das Schonvermögen übersteigende Vermögen auch
nicht zum Lebensunterhalt, weil es die Sozialbehörde jedenfalls bis jetzt offensichtlich nicht in Anspruch genommen habe.
Dies begegnet in verschiedener Hinsicht Bedenken. Feststellungen zur Höhe des auf die Sozialbehörde übergeleiteten Einkommens
wurden nur zum 28.11.1990 getroffen; welche Beträge zur Zeit der Entscheidung des Landgerichts von der Sozialbehörde in Anspruch
genommen waren, wurde nicht festgestellt. Ferner wurde nicht ermittelt, warum das Sparvermögen von 8299,31 DM von der Sozialbehörde
ggf. nicht einmal teilweise beansprucht wurde, obwohl den Akten zu entnehmen ist, dass nach einem Schreiben des Sozialamts
der Landeshauptstadt vom 3.1.1991 die Heimkosten schon vor einer zum 1.1.1991 erwarteten Erhöhung täglich 49,70 DM (monatlich
etwa 1490,-- DM) betrugen, also weit mehr als aus dem übergeleiteten Einkommen zur Verfügung stand. Die Nichtinanspruchnahme
des Sparvermögens kann darauf beruhen, dass es die Sozialbehörde in voller Höhe als Schonvermögen ansieht, aber auch darauf,
dass es der Sozialbehörde nicht bekannt war. Das Landgericht hätte diese Fragen aufklären müssen (§ 12
FGG). Die Sache ist deshalb an das Landgericht zurückzuverweisen.
4. Bei der Entscheidung wird das Landgericht noch folgendes zu berücksichtigen haben: Weil jedenfalls das Schonvermögen unangetastet
bleiben muss, kann ein Vergütungsanspruch gegen die Betroffene nur insoweit zugesprochen werden, als das das Schonvermögen
übersteigende Vermögen ausreicht. Inwieweit wegen des Restbetrages etwa ein Anspruch gegen die Staatskasse (unter Anwendung
von §
1835 Abs.
3
BGB a.F) besteht, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
5. Eine Entscheidung des Senats zur Frage des § 13a
FGG ist wegen der Zurückverweisung nicht möglich; die Entscheidung der Frage der Erstattung außergerichtlicher Kosten im Rechtsbeschwerdeverfahren
muss deshalb dem Landgericht übertragen werden.