Beginn der Zehn-Jahres-Frist bei schenkweisem Erlaß des Anspruchs auf eine Rente; Bewertung des schenkweisen Erlasses einer
Geldforderung
Tatbestand:
Der beklagte Fabrikant ist der testamentarische Alleinerbe seiner am 2. Januar 1982 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Die
Klägerin ist das einzige Kind des verstorbenen Sohnes H. der Erblasserin; sie beansprucht ihren Pflichtteil.
Der Beklagte ist auch Alleinerbe seines 1969 vorverstorbenen Vaters. Auf diese Weise erlangte er das von seinem Vater gegründete
Unternehmen. Dieser hatte den Beklagten in seinem Testament mit einem Rentenvermächtnis zugunsten der Erblasserin in Höhe
von monatlich 4.000,-- DM beschwert; Rentenbeträge, die nicht bis zu drei Monaten abverlangt und ausgezahlt seien, sollten
nach dem Testament des Vaters verfallen. Die Erblasserin hat diese Rente nicht voll für sich in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erblasserin habe bis Ende 1973 vom Beklagten monatlich 4.000,-- DM erhalten; erst am
Heiligabend 1973/74 habe sie dem Beklagten die ihr vermachte Rente bis auf 1.000,-- DM monatlich für die Zukunft schenkweise
erlassen. Sie hat diesen Teilerlaß mit 233.028,-- DM bewertet und verlangt von dem Beklagten hiervon ein Viertel als Pflichtteil
oder Pflichtteilsergänzung. Der Beklagte hat eine solche Schenkung zu Heiligabend 1973/74 bestritten. Er hat behauptet, er
habe die für die Erblasserin ausgesetzte Rente von Anfang an nicht aufbringen können; die Erblasserin habe sich deshalb seit
1970 mit monatlich 1.000,-- DM zufrieden gegeben und den Mehrbetrag am Geburtstag seiner Ehefrau am 19. September 1970 für
alle Zukunft und bedingungslos schenkweise erlassen.
Das Landgericht hat eine Schenkung der Erblasserin an den Beklagten durch Teilerlaß der vermachten Rente nicht feststellen
können. Nichtausgezahlte Rentenbeträge seien aber infolge der Verfallklausel des Testaments im wesentlichen erloschen. Lediglich
für die letzten drei Monate vor dem Tode der Erblasserin habe noch ein Rentenanspruch von 9.000,-- DM bestanden. Aufgrund
dessen hat es der Klägerin als Pflichtteil lediglich 2.250,- DM nebst Zinsen zuerkannt. Das Berufungsgericht hat der Klägerin
weitere 56.007,-- DM nebst Zinsen zugesprochen, hat den Beklagten verurteilt, seine Auskunft über den Nachlaß an Eides Statt
zu versichern und hat die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen (vgl. FamRZ 1985, 967).
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten führt, soweit sie zur Entscheidung angenommen ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hält den eingeklagten Zahlungsanspruch gemäß §
2325
BGB für begründet. Dabei geht des davon aus, daß die Erblasserin dem Beklagten das Rentenvermächtnis bis auf monatliche Zahlungen
in Höhe von 1.000,- DM schenkweise erlassen hat.
Zu welchem Zeitpunkt der Erlaß zustandegekommen ist, läßt das Berufungsgericht offen. Darauf komme es nicht an. Zwar habe
der Bundesgerichtshof (Urteil vom 25.5.1970 - III ZR 141/68 - NJW 1970, 1638) die Frist des §
2325 Abs.
3
BGB schon von dem Augenblick an laufen lassen, in dem der Schenker alles getan habe, was von seiner Seite für den Erwerb des
Leistungsgegenstandes durch den Beschenkten erforderlich sei. Dem sei aber nicht zu folgen. Vielmehr müsse es für die Leistung
im Sinne von §
2325 Abs.
3
BGB auf die "wirtschaftliche Ausgliederung" des Geschenks aus dem Vermögen des Erblassers ankommen. Bei dem schenkweisen Erlaß
eines Anspruchs auf laufende Rentenbeträge trete die wirtschaftliche Folge aber nicht sogleich, sondern erst nach und nach
mit jeder Rate fortschreitend ein. Deshalb müßten die erlassenen Rentenbeträge, die innerhalb der Frist des §
2325 Abs.
3
BGB fällig geworden wären, in die Pflichtteilsergänzung auch dann einbezogen werden, wenn der Erlaß vorher stattgefunden habe.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht in vollem Umfang zu folgen.
II. 1. Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, daß die Erblasserin ihren Anspruch auf die ihr vermachte Rente gegen den
Beklagten durch Erblaßvertrag mit diesem schenkweise erlassen hat, dann kann ein pflichtteilsberechtigter, aber enterbter
Abkömmling wie die Klägerin neben ihrem Anspruch auf den Pflichtteil (§
2303
BGB) im Hinblick auf die Minderung des Erblasservermögens um den verschenkten Gegenstand auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch
gemäß §
2325
BGB gegen den Erben haben. Gemäß §
2325 Abs.
3 Halbsatz 1
BGB bleibt die Schenkung jedoch unberücksichtigt, wenn beim Erbfall bereits zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes
verstrichen sind. Ob der Pflichtteilsberechtigte auf den Nachlaß oder gemäß §
2329
BGB auf den verschenkten Gegenstand Zugriff nehmen kann, hängt daher - auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des §
2325 Abs.
1
BGB - vielfach davon ab, was unter der "Leistung" im Sinne von §
2325 Abs.
3
BGB zu verstehen ist.
Wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes am 25. Mai 1970 unter Bezugnahme
auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu §
518
BGB entschieden, daß die Zehn-Jahres-Frist des §
2325 Abs.
3
BGB schon dann zu laufen beginne, wenn der Schenker alles getan hat, was von seiner Seite für den Erwerb durch den Beschenkten
erforderlich ist. Diese Entscheidung ist im wissenschaftlichen Schrifttum vielfach auf Ablehnung gestoßen; stattdessen wird
von vielen Seiten auf den Eintritt des "Leistungserfolges" oder aber jedenfalls auf den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Ausgliederung
des verschenkten Gegenstandes aus dem Vermögen des Erblassers abgehoben (vgl. z.B. Flume, Personengesellschaft S. 409 ff.;
Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen S. 253 ff.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil
an Personengesellschaften des Handelsrechts S. 464; Johannsen WM 1977, 302, 307; Reuter JuS 1971, 289 ff.; Peters FamRZ 1973, 169; Finger NJW 1975, 535 f.; Speckmann NJW 1978, 358 f.; Staudinger/Ferid/Cieslar,
BGB 12. Aufl. §
2325 Rdn. 27 f.; Soergel/Dieckmann,
BGB 11. Aufl. §
2325 Rdn. 15; MK-Frank
BGB §
2325 Rdn. 24; Paulus RPfleger 1986, 206). Der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes, auf den das Erbrecht vom III. Zivilsenat
damals übergangen war, hat sich von der genannten Entscheidung des III. Zivilsenats in seinem Urteil vom 16. Oktober 1974
(IV ZR 85/73 = NJW 1975, 535; vgl. auch BGHZ 65, 75, 76) deutlich abgesetzt ("selbst wenn man ihnen folgt"; siehe auch Johannsen aaO). Auch in der (veröffentlichten) Rechtsprechung
der Oberlandesgerichte (vgl. außer dem angefochtenen Urteil: OLG Schleswig NJW 1975, 315; OLG Hamm NJW 1969, 2148) wird die Rechtsauffassung des III. Zivilsenats abgelehnt.
2. Der erkennende Senat tritt der angeführten Rechtsauffassung des Urteils vom 25. Mai 1970 nicht bei; sie führt zu unbefriedigenden
Ergebnissen.
Die Bedeutung des Wortes "Leistung" in dem genannten Zusammenhang kann anerkanntermaßen nicht allein nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch bestimmt werden; dieser ist zu vielgestaltig und zu wenig fest, als daß er für eine derartige Festlegung einen
ausreichenden Anhalt bieten könnte. Aber auch der spezifisch juristische Sinn, der dem Wort "Leistung" nach dem derzeitigen
Stand der Rechtsentwicklung etwa auf den Gebieten des Schuldrechts (z.B. §
812, §
518
BGB) oder des Erbrechts (vgl. §
2301
BGB) beigelegt wird, erscheint zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage wenig geeignet. Das zeigt sich schon daran, daß sich
der Begriff der Leistung in §
518 Abs.
2
BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht einmal mit demjenigen in §
2301
BGB (vgl. Senatsurteil vom 5.3.1986 - IVa ZR 141/84 - NJW 1986, 2107, 2108 unter II; Hermann, MDR 1980, 883; vgl. auch BGHZ 87, 19, 24) völlig deckt. Vielmehr kann die Bedeutung des Wortes "Leistung" im Bereich des bürgerlichen Rechts nur unter Beachtung
des jeweiligen Regelungszusammenhanges der betreffenden Vorschrift und des mit ihr verfolgten gesetzgeberischen Zweckes erschlossen
und entwickelt werden.
Mit Recht hat der III. Zivilsenat in der genannten Entscheidung daher auf den Zweck von §
2325 Abs.
3
BGB abgestellt. Er hat den Hauptgrund und den Hauptzweck von §
2325 Abs.
3 Halbsatz 1
BGB darin gesehen, daß nicht auf Vorgänge zurückgegriffen werde, die sich schon vor vielen Jahren zugetragen haben. Auch nehme
der Zusammenhang zwischen dem verschenkten Gut und dem eigentlichen Nachlaß im Laufe der Zeit immer mehr ab. Zudem solle zumindest
im Falle des §
2329
BGB die Rechtslage nicht zu lange in der Schwebe bleiben. Wenn die Protokolle zum bürgerlichen Gesetzbuch darauf abstellten,
in der Zwischenzeit würden sich Erblasser und Pflichtteilsberechtigte an den durch die Vermögensminderung geschaffenen Zustand
gewöhnen, dann spreche auch dies, richtig verstanden, für die Auffassung des III. Zivilsenats. Der erkennende Senat hält es
für mindestens zweifelhaft, daß die Gesetzesmaterialien zu §
2325
BGB in dieser Weise verstanden werden wollen. Eine zeitliche Grenze, durch die der außerordentliche Pflichtteil bei der Berücksichtigung
von Schenkungen des Erblassers beschränkt wird, wurde erst bei den Beratungen für den Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches
beschlossen. Der Erste Entwurf enthielt eine solche noch nicht, weil jede Zeitschranke willkürlich sein müsse, zumal der Pflichtteilsberechtigte
sein Recht bei Lebzeiten des Erblassers nicht wahren könne, und weil dolose Schenkungen ausgenommen werden müßten, was die
Gesamtregelung unpraktikabel gestalte (Motive V 453 f.). Zu den Gründen für die Einführung der Zeitschranke heißt es in den
Protokollen:
"Für die Aufnahme einer Frist über welche hinaus die weiter zurückliegenden Schenkungen dem Angriffe der Pflichtteilsberechtigten
entzogen sein sollten, spreche schon die billige Rücksicht auf den Beschenkten, dessen Recht nicht zu lange im Schwebezustand
gehalten werden dürfe. Es bestehe aber auch ein innerer Grund für die Fristbestimmung darin, daß während einer längeren Zwischenzeit
zwischen der Vornahme der Schenkung und dem Tod des Erblassers nicht nur der Letztere selbst, sondern auch seine pflichtteilsberechtigten
Angehörigen sich in den durch die eingetretenen Vermögensminderung geschaffenen Zustand eingewöhnt hätten. Die ganze Lebenshaltung
der Familie werde sich inzwischen den veränderten Verhältnisse angepaßt, die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge würden andere
Verhältnisse vielleicht gar nicht gekannt haben. Sie würden daher die auf eine weit zurückliegende Schenkung zurückzuführende
Verringerung ihres Pflichtteils nicht als Schädigung empfinden. Der Umstand, daß bei solchen Schenkungen der Erblasser selbst
noch längere Zeit hindurch deren Folgen zu tragen habe, biete zugleich eine Sicherheit dafür, daß der Erblasser bei der Vornahme
der Schenkung sich von guten Gründen und nicht von der Absicht habe leiten lassen, die Pflichtteilsberechtigten zu benachteiligen
... Hinsichtlich des Beginns der Frist erscheine die Bestimmung gerechtfertigt, daß bei Schenkungen an den Ehegatten des Erblassers
die Frist erst von der Auflösung der Ehe an laufen solle. Bei Schenkungen unter Ehegatten bleibe der verschenkte Gegenstand
tatsächlich gemeinschaftliches Vermögen, der Schenker habe also während der Ehe auch nach der Schenkung den Genuß desselben
nicht zu entbehren, ..." (Protokolle V 587, 588).
Diese Begründung läßt deutlich erkennen, daß die Einführung der Zeitschranke darauf angelegt ist, bei der Bemessung des außerordentlichen
Pflichtteils nur solche Schenkungen des Erblassers auszunehmen, deren Folgen er selbst längere Zeit hindurch zu tragen, in
die er und seine Familie sich daher einzugewöhnen hatten und die deshalb und dadurch eine (gewisse) Sicherheit von solchen
Benachteiligungen der Pflichtteilsberechtigten bieten, die nicht von guten Gründen getragen sind. Darüberhinaus spricht die
Begründung zu §
2325 Abs.
3 Halbsatz 2
BGB dafür, daß solche Schenkungen, bei denen der Schenker den Genuß des verschenkten Gegenstandes auch nach der Schenkung tatsächlich
nicht entbehren muß, wie es bei Schenkungen unter Ehegatten die Regel sein dürfte, und die den Erblasser deshalb nicht schon
wegen ihrer Folgen von "böslichen" Schenkungen abhalten mögen, auch im Sinne von §
2325 Abs.
3 Halbsatz 1
BGB noch nicht als "geleistet" gelten sollen.
3. Hinzu kommt, daß sich die Rechtsauffassung, die dieser Entscheidung zugrunde liegt, aus der Sicht zahlreicher gewichtiger
Äußerungen aus der Rechtswissenschaft und der Praxis und auch nach der Beurteilung durch den Senat nicht selten zu unbefriedigenden
Ergebnissen führt. Dieser Gesichtspunkt gibt den Ausschlag.
Im Schrifttum ist bereits frühzeitig erkannt worden, daß die Entscheidung des III. Zivilsenats vom 25. Mai 1970 dem Erblasser
die Möglichkeit eröffnet, sein Vermögen unter Benachteiligung aller, einiger oder auch nur eines einzigen Pflichtteilsberechtigten
durch Rechtsgeschäft unter Lebenden planmäßig z.B. durch Schenkung von Todes wegen in erheblichem Umfang "am Nachlaß vorbei"
ohne für ihn fühlbares eigenes Vermögensopfer weiterzuleiten (z.B. Wieser, MittBay Not 1970, 135 - für nichteheliche Kinder-),
sofern er nur rechtzeitig vor seinem Tode tätig wird. Dieser Weg wird von den Erläuterungsbüchern offen gewiesen und auch
nicht selten genutzt. Auf diesem Wege wird das Recht der Pflichtteilsberechtigten auf eine angemessene Beteiligung an dem
Vermögen des Erblassers in einem Ausmaß gefährdet, das schwerwiegende Fehlentwicklungen befürchten läßt. Der Senat hat das
Interesse der Pflichtteilsberechtigten stets besonders beachtet (z.B. BGHZ 88, 102, 106; 88, 269, 272; Senatsurteil vom 7.3.1984 - IVa ZR 152/82 = NJW 1984, 2939, 2940); es steht in einem gewissen Umfang auch unter dem Schutz des Art.
14
GG (vgl. BVerfGE 25, 167, 188, 174; 44, 1, 18, 30 f.; 58, 377, 389 für nichteheliche Kinder, aber auch sonst: BVerfGE 67, 329 = NJW 1985, 1455, 1456). Dementsprechend erscheint es geboten, von der früheren Auffassung nunmehr ausdrücklich abzuweichen: Für den Beginn
der Frist des §
2325 Abs.
3
BGB reicht es demgemäß nicht schon aus, wenn der Erblasser alles getan hat, was von seiner Seite für den Erwerb durch den Beschenkten
erforderlich ist. Nötig ist vielmehr, daß der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre
lang zu tragen hat und der schon im Hinblick auf diese Folgen von einer "böslichen" Schenkung abhalten kann. Dazu bedarf es,
wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, jedenfalls einer "wirtschaftlichen Ausgliederung" des Geschenks aus dem Vermögen
des Erblassers.
Im Hinblick auf diese Änderung der Rechtsprechung, die der Senat ohne Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen vornehmen
kann (BGHZ 28, 16, 29), ist das angefochtene Urteil nicht schon deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht (bewußt) von der Rechtsprechung
des III. Zivilsenats abgewichen ist.
III. Dennoch kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
1. Der Senat kann sich der Auffassung des Berufungsgerichts, die erlassenen Rentenbeträge, die innerhalb der Frist des §
2325 Abs.
3
BGB fällig geworden wären, müßten in die Pflichtteilsergänzung auch dann einbezogen werden, wenn der Erlaß vorher zustande gekommen
sei, auch auf der Grundlage der geänderten Rechtsprechung nicht anschließen.
Da Berufungsgericht nimmt an, daß der Anspruch der Erblasserin gemäß §
2174
BGB auf Zahlung einer Rente in Höhe von monatlich 4.000,- DM durch vertraglichen Teilerlaß (§
397
BGB) dauerhaft auf monatlich 1.000,- DM gekürzt worden ist. Auch wenn man davon ausgeht, war der verschenkte Gegenstand entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts mit dem schenkweisen Erlaß bereits im Sinne von §
2325 Abs.
3
BGB "geleistet". Wer einen Anspruch auf eine ihm zustehende fortlaufende Rente erläßt, hat - jedenfalls wenn der Erlaß auch für
die Zukunft uneingeschränkt erfolgt - sein Rentenrecht damit im Umfang des Erlasses vollständig aufgegeben. Dem Erlaß kommt
dementsprechend dingliche und nicht bloß, wie das Berufungsgericht erwogen hat, verpflichtende Wirkung zu. Eine derartige
Rentenkürzung, wie sie das Berufungsgericht als schon 1970 geschehen unterstellt hat, ist auch ein durchaus fühlbares Opfer,
an das im Sinne der Protokolle "Gewöhnung" eintreten kann, deren Folgen die Erblasserin über zehn Jahre lang selbst zu tragen
hatte und das schon aus diesem Grunde von der Schenkung hätte abhalten können. Daß der "Umfang des Schenkungsvolumens", nämlich
der Vorteil, den der Beklagte von der Schenkung hatte, erst mit dem Erbfall feststand, steht dem nicht entgegen. Entscheidend
ist vielmehr, ob sich die Erblasserin in ihrer Lebensführung vom Zeitpunkt des Erlasses an volle zehn Jahre lang auf die gekürzte
Rente einzustellen hatte.
Demgemäß kann es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durchaus darauf ankommen, wann ein etwaiger schenkweiser Erlaß
vereinbart worden ist.
2. Ebensowenig ist es rechtsfehlerfrei, wenn das Berufungsgericht ohne weiteres davon ausgeht, daß es überhaupt zu einem schenkweisen
Rentenerlaß der Erblasserin gekommen sei. Zwar behaupten beide Parteien eine derartige Schenkung. Dabei handelt es sich aber
um zwei verschiedene Vorgänge. Während der Beklagte eine Schenkung am 19. September 1970 behauptet, stützt die Klägerin sich
auf eine solche zu Heiligabend 1973, wobei beide Seiten wechselseitig jeweils die andere Darstellung in Abrede stellen. Beide
Vorgänge müssen für die Beurteilung auseinandergehalten werden und bedürfen, soweit es auf sie ankommt, jeder für sich gesonderter
Feststellung. Das hat das Berufungsgericht verkannt. Stattdessen hat es eine "Schenkung als solche" anscheinend als unstreitig
und nicht beweisbedürftig und "nur" deren Zeitpunkt als offen angesehen. Das ist nicht richtig, weil nicht ein "Rechtsverhältnis
als solches", sondern grundsätzlich nur die Tatsachen, aus denen sich dieses Rechtsverhältnis ergeben soll, bestritten oder
zugestanden werden können (§§
138 Abs.
3,
288
ZPO).
Im vorliegenden Fall stützt die Klägerin ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß §
2325
BGB auf eine Schenkung, die zu Heiligabend 1973 stattgefunden haben soll. Nur wenn diese Schenkung festgestellt wird, kann die
Klage Erfolg haben. Das Berufungsgericht wird daher in erster Linie zu prüfen haben, ob die von der Klägerin behauptete Schenkung
zustandegekommen ist. Die Beweislast liegt insoweit bei der Klägerin.
Der Annahme einer derartigen Schenkung steht entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen, daß es sich um den Erlaß
einer Rente mit Versorgungs- (Unterhalts-) charakter handelt, deren einzelne Rentenbeträge nach der rechtlichen Ausgestaltung
der Rente bei nichtrechtzeitigem Abruf ohnehin verfallen wären. Eine derartige Rente steht selbständig neben einem etwaigen
Unterhaltsanspruch. Sie kann, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, für die Zukunft - auch schenkweise - mit der
Folge erlassen werden, daß Ansprüche auf die künftigen Rentenbeträge erst gar nicht entstehen.
Sollte sich ergeben, daß der behauptete Erlaßvertrag im Jahre 1973 zustandegekommen ist, dann wird auch zu prüfen sein, ob
die Erblasserin im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des von dem Beklagten ererbten Unternehmens nicht ohnehin aus Rechtsgründen,
etwa nach den Grundsätzen der ergänzenden Testamentsauslegung, eine Kürzung der ihr vermachten Rente hätte hinnehmen müssen.
Auch wenn die Erblasserin erkennbar nur geglaubt haben sollte, sie könne die ihr vermachte Rente im Hinblick auf die schlechte
Lage des Unternehmens nicht in voller Höhe beanspruchen, stünde das der Annahme einer Einigung über die Unentgeltlichkeit
der Zuwendung, wie sie für eine Schenkung vorausgesetzt wird, entgegen.
Falls die Rente im Jahre 1973 in der behaupteten Weise schenkweise erlassen worden ist, wird weiter zu prüfen sein, ob eine
entsprechender Erlaßvertrag, wie der Beklagte behauptet, nicht bereits im Jahre 1970 zustandegekommen war. Alsdann wäre für
einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß §
2325
BGB kein Raum. In diesem Zusammenhang käme es auch darauf an, wie die behaupteten Erklärungen der Erblasserin aus dem Jahre 1970
auszulegen sind, insbesondere ob die Erblasserin auf den größten Teil ihrer Rente nur im Hinblick auf die damals ungünstige
wirtschaftliche Lage des Unternehmens und nur "vorläufig" verzichten wollte, oder ob ihr Verzicht und unabhängig von einer
späteren Besserung der Verhältnisse für die Zukunft uneingeschränkt fortbestehen sollte.
Vorsorglich ist weiter darauf hinzuweisen, daß der Erlaß einer Geldforderung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (RGZ
80, 135 ff.; vgl. z.B. Staudinger/Ferid/Cieslar,
BGB 12. Aufl. §
2325 Rdn. 65) wie die Schenkung einer verbrauchbaren Sache zu behandeln ist (§
2325 Abs.
2 Satz 1
BGB), so daß es gegebenenfalls einer Bewertung des erlassenen Rententeils auf den Stichtag der Schenkung bedarf.
Für die Annahme fortlaufender monatlicher Schenkungen in Höhe von jeweils 3.000,- DM durch Nichtabruf gibt der Klägervortrag
keinen ausreichenden Anhalt.