»... Das OLG hat .. sich in der umstrittenen Frage, von welchem Zeitpunkt aus zu beurteilen ist, ob es dem Bedürftigen gelungen
war, durch seine Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt nachhaltig zu sichern (vgl. die Übersicht im Senatsurteil FamRZ 1985, 79 l, sowie auch die Senatsentscheidung FamRZ 1985, 53 [hier: I (166) 139 a-c]) der Auffassung angeschlossen, wonach diese Frage aus nachträglicher Sicht im Rahmen einer Gesamtschau
unter Einbeziehung der tatsächlichen Dauer der Erwerbstätigkeit zu beantworten ist. ... Die Revision macht sich demgegenüber
den Standpunkt der Gegenmeinung zu eigen, wonach auf eine vorausschauende Betrachtung im Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit
abzustellen ist. ...
Nach Auffassung des Senats wird die allein rückschauende Betrachtung dem kasuistischen Unterhaltssystem des 1. EheRG und den
Interessen des Unterhaltsverpflichteten nicht gerecht. In
der Regierungsbegründung zum 1. EheRG ist u. a. dargelegt, daß es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsplatz nachhaltig
gesichert ist, nicht entscheidend auf die tatsächliche Dauer der Tätigkeit ankommt, sondern darauf, ob zu erwarten war, die
Tätigkeit werde auf Dauer ausgeübt werden können (BT-Drucks, 7/650, S. 127). Das Gesetz grenzt in §
1573 Abs.
4
BGB das Risiko des unvorhergesehenen Verlustes eines Arbeitsplatzes danach ab, ob dieser zuvor als nachhaltig gesichert angesehen
werden konnte oder nicht. War das der Fall, war also der geschiedene Ehegatte wieder voll in das Erwerbsleben eingegliedert,
soll er auch die Gefahr unvorhersehbarer Ereignisse und Entwicklungen tragen, ohne sich noch an seinen früheren Ehepartner
halten zu können. Auch bei einer kurzen tatsächlichen Beschäftigungszeit kann die Frage, ob der Arbeitsplatz nachhaltig gesichert
war, nicht immer verneint werden, wie etwa das Beispiel zeigt, daß der Bedürftige nach Abschluß eines langfristigen Anstellungsvertrages
nur deswegen die Stelle verloren hat, weil der Arbeitgeber völlig unerwartet in Konkurs gefallen ist. Insbesondere wenn der
tatsächliche Verlust einer Erwerbstätigkeit ersichtlich auf unvorhergesehenen Umständen beruht, ist daher zu prüfen, ob aus
früherer Sicht mit deren Erhaltung gerechnet werden konnte. Sonst hätte der Einsatzzeitpunkt des §
1573 Abs.
1
BGB (Scheidung) kaum praktische Bedeutung und würde es dem Unterhaltsverpflichteten über Gebühr erschwert, im Hinblick auf die
Erwerbstätigkeit des geschiedenen Ehegatten Dispositionen zu treffen. Wie schon im Gesetzgebungsverfahren empfohlen (vgl.
BT-Drucks., a.a.O.), kann bei der Anwendung des §
1573 Abs.
4
BGB auf die Rechtspr. zu §
75 Bundesentschädigungsgesetz zurückgegriffen werden, der das Wort »nachhaltig« gleichfalls verwendet. Danach ist grundsätzlich
maßgebend, ob die Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt ihrer Aufnahme nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit
einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden konnte oder ob befürchtet werden mußte, daß der Bedürftige sie durch
außerhalb seiner Entschließungsfreiheit liegende Umstände in absehbarer Zeit wieder verlieren würde [folgen Rechtspr.-Hinw.].
Dabei sind, wie der Senat bereits in FamRZ 1985, 791 dargelegt hat, vom Standpunkt eines optimalen Betrachters aus, auch Umstände in die Beurteilung einzubeziehen, die zwar schon
zu diesem Zeitpunkt bestanden, aber erst später zutage getreten sind, wie etwa eine latent bestehende Krankheit, wegen der
die angetretene Stellung in absehbarer Zeit wieder aufgegeben werden mußte. Nicht selten wird diese objektivierte vorausschauende
Betrachtung zum selben Ergebnis führen wie eine Beurteilung aus nachträglicher Sicht. ...
Eine nachfolgende unvorhergesehene Entwicklung, die tatsächlich zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt hat, [muß] zu Lasten
des Unterhalt begehrenden Ehegatten gehen. Dieser hat nach der Fassung des Gesetzes darzulegen und notfalls zu beweisen, daß
eine nachhaltige Sicherung seines Unterhalts nicht zu erreichen war (vgl. Baumgärtel/Laumen, Beweislast, §
1573
BGB Rz. 5). ...«