Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs wegen unbilliger Härte
Tatbestand:
Die Parteien, die um nachehelichen Unterhalt streiten, waren seit 5. Juni 1981 miteinander verheiratet, lebten seit 1. Juli
1984 getrennt und sind seit 4. Oktober 1985 geschieden. Aus ihrer Ehe ist die am 19. März 1982 geborene Tochter Susanne hervorgegangen,
die bei der Klägerin lebt. Diese hat außerdem für die im Jahre 1985 nichtehelich geborene Tochter Ulrike zu sorgen, deren
Vater der Zeuge L. ist.
Die im Jahre 1961 geborene Klägerin, die gelernte Arzthelferin ist, ist nicht erwerbstätig. Sie hat von dem im Jahre 1950
geborenen Beklagten, der von Beruf Elektriker ist, bis einschließlich August 1988 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 500
DM erhalten; danach hat der Beklagte seine Zahlungen eingestellt. Hierauf hat ihn die Klägerin ab Rechtshängigkeit ihrer Klage
(19. Oktober 1988) auf Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 500 DM in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der
Klage - unter Abweisung im übrigen - für die Zeit bis Ende 1988 in Höhe von 245 DM und ab Januar 1989 in Höhe von 320 DM monatlich
stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und den Beklagten
für die Zeit bis Februar 1989 in Höhe von monatlich 350 DM und ab 1. März 1989 in Höhe von monatlich 500 DM verurteilt; die
Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen. Dieser hat Revision eingelegt. In der Revisionsverhandlung hat die Klägerin
den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit es um den Unterhalt seit 1. Juni 1990 geht; im übrigen hat
sie die Zurückweisung der Revision beantragt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und sein Klageabweisungsbegehren
weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die erstmals im Revisionsverfahren erfolgte Erledigungserklärung der Klägerin für die Zeit ab 1. Juni 1990 ist zu berücksichtigen,
da das erledigende Ereignis zwischen den Parteien außer Streit steht (vgl. BGHZ 106, 359, 368). Da der Beklagte der Erledigungserklärung jedoch nicht zugestimmt hat, hängt der Ausspruch, daß der Rechtsstreit in
der Hauptsache für die Zeit ab 1. Juni 1990 erledigt ist, davon ab, ob die Unterhaltsklage zur Zeit des erledigenden Ereignisses
begründet gewesen ist. Das vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. Deshalb muß der Rechtsstreit insoweit an das
Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Soweit es die Zeit bis 31. Mai 1990 betrifft, führt die Revision teilweise zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
1. Das Berufungsgericht, das die Klägerin gemäß §
1570
BGB für unterhaltsberechtigt erachtet, hat angenommen, daß die für den Unterhalt maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse im
wesentlichen durch das Einkommen des Beklagten bestimmt würden, und festgestellt, daß dessen durchschnittlicher Nettoverdienst
2.126 DM monatlich beträgt. Das ist rechtlich bedenkenfrei und wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
2. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, dieses Einkommen sei zwar für die Leistungsfähigkeit des Beklagten und für
den Anspruch nach §
1581
BGB, nicht aber für den nach §
1578 Abs.
1
BGB zu bestimmenden Unterhaltsbedarf der Klägerin maßgeblich. Denn es sei nach der Steuerklasse I/0,5 berechnet und damit trennungsbedingt
vermindert. Das Gericht hat stattdessen die Steuerklasse III/1 zugrunde gelegt und ist so zu einem monatlichen Einkommen von
2.404 DM gelangt. Hiervon hat es 5% für berufsbedingte Aufwendungen sowie den Unterhaltsbedarf der Tochter Susanne abgezogen,
den es in Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle bis Ende 1988 mit 315 DM und ab Januar 1989 mit 325 DM monatlich angenommen
hat, und so als verbleibenden Betrag durchschnittlich 1.964 DM monatlich errechnet. Diesen Betrag hat es hälftig geteilt,
das Resultat von 982 DM um einen auf 220 DM geschätzten Betrag für trennungsbedingten Mehrbedarf erhöht. und ist so - auf
der Grundlage der durch das Erwerbseinkommen des Beklagten geprägten ehelichen Lebensverhältnisse - zu einem monatlichen Gesamtbedarf
der Klägerin von rund 1.200 DM gelangt.
Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.
Daß das Berufungsgericht bei der Bedarfsbemessung das Einkommen des Beklagten nicht um die Steuern vermindert hat, die er
als Geschiedener tatsächlich zu tragen hat, sondern um fiktive Beträge der Steuerklasse III/1, begegnet ebenso durchgreifenden
rechtlichen Bedenken wie seine Ansicht, dem Beklagten seien statt eines die Hälfte seines Einkommens maßvoll übersteigenden
Betrages, der dem erhöhten, mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwand Rechnung trägt und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit
darstellt, lediglich vorweg 5% wegen berufsbedingter Aufwendungen zu belassen. Insoweit wird - wegen der Berücksichtigung
der Steuer - auf die Senatsurteile vom 24. Januar 1990 (XII ZR 2/89 - BGHR
BGB §
1578 Abs.
1 Satz 1 Unterhaltsbemessung 17 = FamRZ 1990, 499), 31. Januar 1990 (XII ZR 35/89 - FamRZ 1990, 503) sowie zuletzt vom 26. September 1990 (XII ZR 84/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und - wegen des Erwerbstätigenbonus - auf die Senatsurteile vom 26. April 1989 (IVb ZR 59/88 - BGHR aaO. Unterhaltsbemessung 16 = FamRZ 1989, 842, 844), 31. Januar 1990 (aaO. S. 504) und 11. April 1990 (XII ZR 42/89 - FamRZ 1990, 989, 991) verwiesen, in denen sich der Senat mit den vom Berufungsgericht für seine abweichende Auffassung angeführten Gründen
bereits auseinandergesetzt hat.
Keinen Bestand hat ferner der Ansatz des trennungsbedingten Mehrbedarfs in Höhe von 220 DM monatlich. Dessen Schätzung ist
dem Tatrichter zwar nicht schlechthin versagt, er darf sie jedoch nur auf der Grundlage konkreter Darlegungen der Partei über
ihre Mehraufwendungen vornehmen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Senatsurteil vom 20. Juli 1990 - XII ZR 73/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen); denn ein Mehrbedarf ist mit der Trennung nicht ausnahmslos verbunden. Der Schätzung des
Berufungsgerichts liegen keine konkreten Darlegungen der Klägerin zugrunde. Das Gericht stützt sich lediglich auf die allgemeine
Erwägung, daß der Mehrbedarf bei doppelter Haushaltsführung für Miete, Grundgebühren für Strom und Wasser, Zeitung, Fernsehen,
Telefon, Versicherungen und ähnliches anfalle, und verweist auf die "Verhältnisse der Parteien", ohne daß diese insoweit konkretisiert
worden wären. Es berücksichtigt auch nicht, daß die Klägerin nach seinen Feststellungen jedenfalls bis Ende Februar 1989 eheähnlich
mit dem Zeugen L. zusammengelebt und möglicherweise deshalb keinen oder nur einen geringeren trennungsbedingten Mehraufwand
gehabt hat. Die Klägerin selbst hat in ihrer Berufungsbegründung - zur Abwehr einer Anspruchsreduzierung wegen des Zusammenlebens
mit L. - vorgetragen, das - einmal unterstellte - Zusammenleben könne allenfalls dazu führen, daß kein trennungsbedingter
Mehrbedarf hinzuzurechnen sei. Sonst hat sie zur Frage des trennungsbedingten Mehrbedarfs nicht Stellung genommen. Hiernach
kann dessen Ansatz nicht bestehen bleiben.
3. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin mindestens seit der Geburt der Tochter Ulrike im Jahre 1985 bis
jedenfalls Ende Februar 1989 mit dem Zeugen L. in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Es hat ausgeführt, die Klägerin
müsse sich deshalb bis 28. Februar 1989 als Entgelt für die Versorgungsleistungen, die sie dem Zeugen L. erbracht habe, auf
ihren Unterhaltsbedarf monatlich 500 DM anrechnen lassen. Den danach noch offenen Bedarf von 700 DM monatlich könne sie nicht
voll gedeckt verlangen, weil der Beklagte andernfalls weniger als für seinen eigenen angemessenen Bedarf notwendig behalte.
Das Berufungsgericht hat den Unterhalt daher nach §
1581
BGB beurteilt und ihn mit 3/7 der Differenz zwischen dem um einen Abzug von 5% und den Kindesunterhalt von monatlich 240 DM verminderten
(tatsächlichen) Nettoeinkommen des Beklagten (2.126 abzüglich 5 = 2.019,70 - 240 = 1.779,70) und dem Einkommen von 500 DM
monatlich berechnet, das es der Klägerin als Entgelt für die Versorgung des Zeugen L. zugerechnet hat (1.779,70 - 500 = 1.279,70
x 3/7 = rund 550). Diesen Unterhaltsanspruch hat das Gericht darüber hinaus für die Zeit bis 28. Februar 1989 nach §
1579 Nr. 7
BGB auf 350 DM monatlich gekürzt, weil es grob unbillig sei, wenn der Beklagte für den Unterhalt voll aufkommen müsse, obwohl
die Klägerin seit mindestens 1985 mit dem Zeugen L. in einem auf Dauer angelegten, so verfestigten Verhältnis gelebt habe,
daß sich ihre Verbindung, vom Fehlen der Trauung abgesehen, für jedermann wie eine eheliche Gemeinschaft dargestellt habe.
Ein Ausschluß des Unterhaltsanspruchs in voller Höhe scheide mit Rücksicht auf die Belange der gemeinsamen Tochter aus, weil
die Klägerin dann gezwungen gewesen wäre, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, und das Kind nicht mehr ausreichend habe
betreuen können. Ab März 1989 sei der Unterhaltsanspruch in der eingeklagten Höhe von 500 DM monatlich gerechtfertigt, weil
die Klägerin zum 1. März 1989 eine andere Wohnung bezogen habe und sich nicht feststellen lasse, daß seither die Voraussetzungen
des §
1579 Nr. 7
BGB noch erfüllt gewesen seien. Zwar sei die Behauptung der Klägerin, sie lebe seit März 1989 nicht mehr mit L. zusammen, angesichts
der widersprüchlichen Aussagen des Zeugen nicht bewiesen. Sie sei aber auch nicht widerlegt. Vielmehr sei offen geblieben,
ob insoweit eine Änderung in den Gegebenheiten eingetreten sei, die zur Anwendung von §
1579 Nr. 7
BGB geführt hätten. Diese Unsicherheit gehe zu Lasten des Beklagten; denn dieser wende sich mit dem Einwand unbilliger Härte,
für den er die Darlegungs- und Beweislast trage, gegen den Unterhaltsanspruch der Klägerin. Könne er die Voraussetzungen der
Härteklausel nur für einen bestimmten Zeitraum beweisen, greife sein Einwand nur für diese Zeit durch. Demgemäß könne der
Unterhaltsanspruch für die Zeit ab März 1989 nicht mehr nach §
1579 Nr. 7
BGB gekürzt werden.
Das hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
a) Allerdings wendet sich die Revision ohne Erfolg gegen die vom Berufungsgericht angenommene Beweislastverteilung. Da §
1579
BGB eine rechtsvernichtende Einwendung gewährt, hat der Unterhaltspflichtige die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausschließungsgrundes
darzulegen und zu beweisen (vgl. zu §
1579 Abs.
1 Nr.
4
BGB a.F. Senatsurteil vom 3. Februar 1982 - IVb ZR 654/80 - FamRZ 1982, 463, 464 sowie zu §
1579 Abs.
1 Nr.
3
BGB a.F. Senatsurteil vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 38/82 - FamRZ 1984, 364, 368). Das gilt auch für den Härtegrund des §
1579 Nr. 7
BGB. In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung hat das Oberlandesgericht im Blick auf den vorliegenden Fall einen Härtegrund
im Sinne dieses Auffangtatbestandes angenommen, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner zusammenlebt und sich
diese Beziehung so verfestigt, daß gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle der Ehe tritt, die Beziehung also
nach ihrem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit bewußt als Lebensform auch für die weitere Zukunft gewählt wird (vgl. Senatsurteil
vom 21. Dezember 1988 - IVb ZR 18/88 - BGHR
BGB §
1579 Nr. 7 Härtegrund 3 = FamRZ 1989, 487, 491). Danach traf den Beklagten die Beweislast dafür, daß diese Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht erfüllt sind.
Das Berufungsgericht hat den Beweis für die Zeit bis Ende Februar 1989 für geführt erachtet. Für die nachfolgende Zeit ist
offengeblieben, ob die Klägerin und L. weiterhin in der bisherigen Weise zusammenleben. Bei der Beurteilung der sich daraus
ergebenden Folgen geht es nicht um die Frage des Wiederauflebens eines früher bereits ausgeschlossenen oder herabgesetzten
Anspruchs, wie sie nach Fortfall oder Änderung der den Ausschluß begründenden Umstände im Rahmen einer Abänderungsklage nach
§
323
ZPO (vgl. Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 4. Aufl. Rdn. 1037) zu entscheiden ist. Vielmehr steht der
Unterhaltsanspruch insgesamt erstmals zur Entscheidung. Gegen ihn setzt sich der Beklagte mit der auf §
1579
BGB gestützten rechtsvernichtenden Einwendung der unbilligen Härte zur Wehr und erstrebt die Klageabweisung. Damit obliegt es
ihm, die tatsächlichen Voraussetzungen nicht nur für ein Eingreifen der Härteklausel überhaupt, sondern für einen dauerhaften
Ausschluß des Anspruchs darzulegen und zu beweisen. Das Gericht hat bei seiner erstmaligen Entscheidung zu beurteilen, ob
der Anspruch der Klägerin überhaupt und, bejahendenfalls, ob er auf Dauer oder nur auf Zeit auszuschließen oder herabzusetzen
ist. Wenn es dabei unter Berücksichtigung des Inhalts der Verhandlung und des Beweisergebnisses zu dem Schluß gelangt, daß
die tatsächlichen Voraussetzungen der Härteregel nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgewiesen, für die nachfolgende
Zeit dagegen zweifelhaft geblieben sind, so treffen die Folgen dieser Unsicherheit den Beklagten als Träger der Beweislast.
b) Die Revision meint ferner für das Fortbestehen des eheähnlichen Verhältnisses zwischen der Klägerin und dem Zeugen L. spreche
eine tatsächliche Vermutung; deshalb obliege der Klägerin der Beweis für die Beendigung des Verhältnisses. Ein Erfahrungssatz,
aus dem eine entsprechende tatsächliche Vermutung abgeleitet werden könnte (vgl. Baumbach/Lauterbach,
ZPO 48. Aufl. Anhang §
286 Anm. 3 A; §
292 Anm. 1 B), besteht indessen nicht. Daß unverheiratete Partner, die in einer auf Dauer angelegten verfestigten Gemeinschaft
zusammenleben, ihre Beziehungen beenden und sich trennen, ist weder selten noch ungewöhnlich.
c) Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß das Berufungsgericht den Beweisantrag des Beklagten auf Parteivernehmung der Klägerin
übergangen hat. Mit Schriftsatz vom 28. August 1989 hat der Beklagte für seine Behauptung, daß die Klägerin auch nach dem
Umzug unter ihrer neuen Anschrift mit L. eheähnlich zusammenlebe, Beweis angetreten durch Antrag auf Vernehmung des L. als
Zeugen und der Klägerin als Partei. Zwar konnte das Gericht diese Parteivernehmung wegen der Subsidiarität dieses Beweismittels
(§
445 Abs.
1
ZPO) nicht anordnen, bevor es alle anderen Beweisantritte ausgeschöpft, insbesondere den Zeugen L. vernommen hatte. Als es danach
jedoch den Beweis noch nicht für geführt erachtete, mußte es dem Antrag auf Parteivernehmung der Klägerin entsprechen. Dazu
war es unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht notwendig, daß der Beklagte den Antrag nach der Erhebung
der anderen Beweise wiederholte (zu diesem Erfordernis vgl. Thomas/Putzo,
ZPO 16. Aufl. Anm. 2; Zöller/Stephan,
ZPO 16. Aufl. Rdn. 5, jeweils zu §
445). Das Berufungsgericht hat der Klägerin mit Beschluß vom 28. August 1989 aufgegeben, für ihre Behauptung, sie lebe nicht
(mehr) mit L. zusammen und versorge ihn nicht im Haushalt, Beweis anzutreten. Das hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4.
September 1989 getan und sich auf das Zeugnis des L. berufen, worauf der Vorsitzende mit Verfügung vom 26. September 1989
die Ladung dieses Zeugen zum Termin angeordnet hat. Dadurch hat das Gericht in diesem Stadium des Verfahrens zu erkennen gegeben,
daß es die Darlegungs- und Beweislast für das weitere eheähnliche Zusammenleben der Klägerin mit L. nicht beim Beklagten,
sondern bei der Klägerin gesehen und auf deren Antrag den Zeugen L. vernommen hat. Unter diesen Umständen bestand für den
Beklagten keine Veranlassung, den Antrag auf Vernehmung der Klägerin nach der Erhebung des Zeugenbeweises zu wiederholen.
Denn falls das Gericht die Behauptung der Klägerin aufgrund der Aussage des Zeugen L. für erwiesen erachtet hätte, wäre der
Antrag des Beklagten nach §
445 Abs.
2
ZPO ohnehin nicht zu berücksichtigen gewesen. Hielt es den Beweis dagegen, wie tatsächlich geschehen, nicht für erbracht, so
konnte der Beklagte aufgrund des bisherigen gerichtlichen Vorgehens erwarten, daß es zu einer Beweislastentscheidung zu seinen
Gunsten kommen werde. Deshalb durfte das Gericht nach Änderung seiner Ansicht zur Beweislastfrage den im Schriftsatz vom 28.
August 1989 gestellten Antrag des Beklagten auf Parteivernehmung der Klägerin nicht übergehen, sondern mußte ihm stattgeben.
Hiernach kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das Gericht für die Zeit von März 1989 bis Ende Mai 1990
eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nach §
1579 Nr. 7
BGB abgelehnt hat.
d) Die Revision beanstandet ferner den Umfang der Kürzung des Anspruchs und rügt, das Berufungsgericht habe den Streitstoff
nicht nach §
1579 Nr. 6
BGB beurteilt, sondern das Vorbringen der Parteien nur unter dem Gesichtspunkt des §
1579 Nr. 7
BGB gesehen. Der Beklagte habe vorgetragen und unter Beweis gestellt (§
286
ZPO), daß die Klägerin im Jahre 1984 aus der durchschnittlich verlaufenden Ehe wegen des damals bereits bestehenden ehebrecherischen
Verhältnisses zu Günter L. ausgebrochen sei, mit dem sie seitdem eheähnlich zusammenlebe und die im Jahre 1985 geborene Tochter
habe. Das Gegenvorbringen der Klägerin habe der Beklagte unter Beweisantritt widerlegt.
Die Rüge ist begründet.
Der Beklagte hat das von der Revision im einzelnen bezeichnete Vorbringen mit den von ihr angegebenen Schriftsätzen vom 31.
Mai und 28. August 1989 angekündigt und, wenn nicht nach dem Tatbestand des Berufungsurteils, so jedenfalls nach dem Sitzungsprotokoll
der Berufungsverhandlung vom 30. Oktober 1989, vorgetragen. Die Klägerin hat sich in dem Termin persönlich zu dem Vorbringen
erklärt, und der nach §
273
ZPO geladene Günter L. hat als Zeuge dazu ausgesagt. In dem Verhalten, das der Beklagte der Klägerin in diesem Vorbringen angelastet
hat, konnte nach der Rechtsprechung des Senats ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei der Klägerin liegendes Fehlverhalten
(vgl. zuletzt Senatsurteil vom 27. September 1989 - IVb ZR 78/88 - FamRZ 1989, 1279, 1280 m.w.N.) und damit ein Härtegrund nach §
1579 Nr. 6
BGB gesehen werden, der nicht nur einen Anspruch auf Trennungsunterhalt (§
1361 Abs.
3
BGB), sondern auch eine Inanspruchnahme auf nachehelichen Unterhalt unzumutbar machen und insoweit den Härtegrund des §
1579 Nr. 7
BGB mit der Rechtsfolge eines dauerhaften Unterhaltsausschlusses erfüllen konnte (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1988 aaO.
S. 489 m.w.N.). Das Berufungsurteil läßt jedoch eine Berücksichtigung dieses gesamten Prozeßstoffes vermissen und enthält
insoweit eine Würdigung weder des Sachvortrages noch der in beiden Vorinstanzen durchgeführten Beweisaufnahme. Es beschränkt
sich insoweit lediglich auf die Feststellung, daß die Klägerin und der Zeuge L. mindestens seit der Geburt der Tochter Ulrike
im Jahre 1985 eheähnlich zusammengelebt hätten, ohne sich mit der davorliegenden, in die Ehe reichenden Zeit zu befassen.
Hierdurch wird die Verurteilung des Beklagten nicht nur für die genannte Zeit ab März 1989, sondern auch für die übrige Zeit
in Frage gestellt, soweit sie das Maß dessen übersteigt, was die Klägerin im Hinblick auf die Betreuung des gemeinsamen Kindes
und nach Abzug der Mittel, die sie von dem Zeugen L. erhalten kann, zur Deckung ihres Mindestbedarfs benötigt. Eine weitergehende
Herabsetzung des Unterhalts scheidet hingegen aus, weil die Belange des im Jahre 1982 geborenen ehelichen Kindes eine solche
Kürzung nicht zulassen (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1989 - IVb ZR 78/88 - BGHR
BGB 1579 Kindesbelange 1 = FamRZ 1989, 1279, 1280). Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts sind der Klägerin für die Zeit bis Februar 1989 außer der zuerkannten
Unterhaltsrente von 350 DM weitere 500 DM monatlich als Entgelt für die Versorgung des Zeugen L. zuzurechnen. Daß der sich
daraus ergebende monatliche Gesamtbetrag von 850 DM nach der Einschätzung des Berufungsgerichts zur Deckung des Mindestbedarfs
der Klägerin unabweisbar notwendig wäre, läßt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen. Er übersteigt auch die Beträge, die
etwa in der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1. Januar 1989) genannt werden. Dort wird der Mindestbedarf des in einem gemeinsamen
Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden, nicht erwerbstätigen Bedürftigen mit monatlich 730 DM beziffert (FamRZ 1988,
911, 913). Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt freilich bei dem Zusammenleben des Unterhaltsgläubigers mit einem neuen Partner
nicht vor, da dieser außerhalb des Unterhaltsverhältnisses der geschiedenen Ehegatten steht und rechtlich nicht verpflichtet
ist, sich zugunsten des Unterhaltsschuldners einzuschränken. Gleichwohl mag der notwendige Eigenbedarf der Klägerin infolge
gemeinsamer Haushaltsführung mit L. aus tatsächlichen gründen niedriger angesetzt werden können als nach den sonst in der
Praxis entwickelten Richtsätzen. Letztlich kann das jedoch nur aufgrund einer individuellen Prüfung ihrer Lebensverhältnisse
beurteilt werden. Danach erachtet der Senat den angeführten Betrag von monatlich 730 DM als die unterste in Betracht kommende
Grenze der Mittel, die der Klägerin monatlich zur Verfügung stehen müssen, um das gemeinsame Kind ausreichend betreuen zu
können. Deshalb ist das angefochtene Urteil für die Zeit bis 31. Mai 1990 insoweit aufzuheben, als der Beklagte zu höheren
Unterhaltsleistungen als (730 - 500 =) 230 DM monatlich verurteilt worden ist, und die Sache in diesem Umfang an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Bis zur Höhe dieses Monatsbetrages erweist sich die Revision für den genannten Zeitraum der Verurteilung
als unbegründet.
4. In der neuen Verhandlung hat der Beklagte Gelegenheit, auch die weiteren Angriffe, welche die Revision gegen das Urteil
erhoben hat, zur Geltung zu bringen. Sollte in der Verhandlung erneut offenbleiben, ob die eheähnlichen Beziehungen der Klägerin
zu dem Zeugen L. über den Februar 1989 hinaus angedauert haben, so wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß die Klägerin,
unbeschadet der oben unter 3. a) erörterten Beweislast des Beklagten für die Fortdauer der Beziehungen, im Rahmen des Nachweises
ihrer Bedürftigkeit die Beweislast dafür trägt, daß ihr für die Haushalts- und Versorgungsleistungen gegenüber L. in der Folgezeit
kein Entgelt mehr zugestanden hat (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1982 - IVb ZR 331/81 - FamRZ 1983, 150, 152).