Festlegung einer angemessenen Wohnungsmiete
Ausstattungsmerkmale einer Wohnung
Gründe:
I
Streitig sind Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in der Zeit vom 1.3.2009 bis 31.8.2009. Die Kläger bewohnen
ein 90 qm großes Einfamilienhaus in Sch., für das sie ausweislich des Mietvertrags eine Nettokaltmiete iHv 460 Euro und Müllgebühren
iHv 10 Euro zahlten. An die Stadtwerke Sch. entrichteten sie einen monatlichen Abschlag iHv 120 Euro für Gas. Der Beklagte
bewilligte ihnen für den streitigen Zeitraum vom 1.3.2009 bis 31.8.2009 466 Euro für KdU und Heizkosten iHv 93,50 Euro (Bescheid
vom 19.2.2009). Aus den Abrechnungen der Stadtwerke Sch. für das Jahr 2008 ergaben sich Nachforderungen mit einer Zahlungsfrist
bis 26.1.2009, ein monatlicher Gasabschlag ab 1.2.2009 bis zum 1.12.2009 iHv 151 Euro und monatliche Forderungen iHv 43 Euro
für Wasser und Abwasser. Die Kläger vereinbarten für die Heizkosten eine Vorauszahlung iHv 125 Euro.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Kläger auf Überprüfung der Bewilligungen und höhere SGB II-Leistungen für KdU und Heizung für den Zeitraum vom 1.3.2009 bis 31.8.2009 ab (Bescheid vom 13.5.2009; Widerspruchsbescheid
vom 7.10.2009). Im Berufungsverfahren hat er den ersetzenden Bescheid vom 28.9.2011 erlassen, mit dem er den Klägern für den
Zeitraum vom 1.3.2009 bis 31.8.2009 KdU iHv 489 Euro und Heizkosten iHv 93,50 Euro bewilligte. Das LSG hat den Bescheid vom
13.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.10.2009 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Bescheid vom
28.9.2011 zu ändern und den Klägern weitere KdU und Heizung für den Zeitraum vom 1.3.2009 bis 30.6.2009 iHv 33,98 Euro monatlich
und für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.8.2009 iHv 33,50 Euro monatlich zu bewilligen. Zur Begründung seiner Entscheidung
hat das LSG ua ausgeführt, der Beklagte habe nicht dargelegt, wie hoch die örtlich abstrakt angemessene Wohnungsmiete sei.
Die Mietdatenerhebung sei kein schlüssiges Konzept, weil eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung
fehle, die Kappungsgrenze willkürlich gezogen worden und im Ergebnis nicht nachvollziehbar sei, dass die Kosten für Wohnraum
einfachen Standards zutreffend abgebildet worden seien. Die strukturellen Schwächen des Konzepts des Beklagten seien nicht
durch eine Nachbesserung zu beheben. Die Daten zu den Angebots- und Bestandsmieten ermöglichten keine Bestimmung eines Standards
und die Ermittlung eines Spannoberwertes für die Angemessenheit. Die von dem Beklagten anhand von Zeitungsanzeigen zusammengestellten
Daten seien im Hinblick auf die von dem Vermieter mitgeteilten Informationen zufällig. Dieser Erkenntnisausfall führe zu einer
Bemessung der angemessenen Bruttokaltmiete nach der rechten Spalte der Tabelle zu § 12 WoGG zzgl eines Sicherheitszuschlags iHv 10 %. Im Falle der Kläger liege der Höchstbetrag bei 575,30 Euro. Die Kläger hätten daher
einen Anspruch auf die Übernahme ihrer (niedrigeren) tatsächlichen Bruttokaltmiete iHv 513 Euro. Sie könnten auch die Tragung
ihrer tatsächlichen Heizkosten beanspruchen, weil sie sich innerhalb der Höchstbeträge des bundesweiten Heizkostenspiegels
bewegten. Das Programm "Heikos" sei zur Ermittlung der Höhe der angemessenen Heizkosten iS des § 22 Abs 1 SGB II nicht geeignet, weil keine an den Verhältnissen des Einzelfalls orientierte Prüfung der angemessenen Heizkosten erfolge.
Die in die Berechnung eingepflegten Parameter seien nicht das Ergebnis einer konkreten Heizdatenermittlung vor Ort, sondern
pauschaler Vorgaben.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
geltend.
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden ist (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage
sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit)
ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage unter
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und
den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Mit seiner Beschwerde formuliert der Beklagte folgende Rechtsfragen:
1. Genügt es im ländlichen Raum für ein "schlüssiges Konzept", den "Gegenstand der Beobachtung" allein auf die Ermittlung
der Quadratmeterpreise zu beschränken?
2. Ist es für den ländlichen Raum zulässig, bei der Ermittlung der Kappungsgrenze davon auszugehen, dass sich die erhobenen
Mietpreise in vertretbarem Ausmaß auf die drei Wohnungssegmente (einfach, mittel, gehoben) verteilen, sodass die Referenzmiete
mit einem Quantil von 33 % angenommen werden kann?
3. Sind die Parameter, die der Beklagte aus dem Berechnungsprogramm Heikos 2.0 entnommen hat, ausreichend individuell, um
die "angemessenen Aufwendungen für Heizung" zu ermitteln?
4. Stellt sich (erst) im Klageverfahren nachträglich heraus, dass die Leistungsberechtigten statt abgesenkter Leistungen für
Unterkunft und Heizung Leistungen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen beanspruchen können, sind dann Betriebskostenerstattungen
aus dem streitigen Zeitraum in voller Höhe auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen und bereits im Klageverfahren
wegen der Leistungen für den streitigen Zeitraum zu berücksichtigen?
Die Ausführungen des Beklagten zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen zu 1. und 2. genügen nicht den Anforderungen des
§
160a Abs
2 S 3
SGG. Er trägt insofern vor, bei der Definition des Gegenstandes der Erhebung sei die Verwaltung nach der Rechtsprechung des BSG "nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt". Er habe einen Gesamtwohnungsbestand zugrunde gelegt und damit notwendigerweise
die Standards aller drei Segmente (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) miterfasst. Es bleibe klärungsbedürftig, ob eine
mittelbare Einbeziehung von Standard, Größe und Ausstattung der Wohnung über den Mietpreis erfolgen könne, wenn der "Mietpreis
nach Lage der Dinge ein ausreichendes Indiz für den Wohnungsstandard" sei. Zu dieser Fragestellung liege keine Rechtsprechung
des BSG vor, weil die bisherigen Urteile andere Fallgestaltungen, etwa die Verhältnisse in Großstädten, beträfen. Ob eine Ermittlung
des unteren Marktsegments über den Quadratmeterpreis im ländlichen Raum erfolgen könne, betreffe tatsächliche Gegebenheiten,
zu denen sich das BSG bisher nicht geäußert habe.
Mit diesem Vorbringen hat der Beklagte eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit schon deshalb nicht dargetan, weil es sich
- nach seinen eigenen Schilderungen - um die besondere Fallgestaltung eines Konzepts zur Festlegung einer angemessenen Wohnungsmiete
im ländlichen Bereich handelt. Bei den vorgenommenen Ermittlungen, daraus gezogenen Rückschlüssen und Feststellungen zur Aktualität
der Werte handelt es sich jedoch regelmäßig um Feststellungen und Beweiswürdigungen der Tatsacheninstanzen, die der revisionsgerichtlichen
Prüfung weitgehend entzogen sind (vgl BSG Beschluss vom 23.8.2012 - B 4 AS 262/11 B; BSG Beschluss vom 5.6.2014 - B 4 AS 349/13 B). Unabhängig hiervon hat sich der Beklagte auch nicht damit befasst, dass die beiden für die Grundsicherung zuständigen
Senate des BSG in ihrer ständigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Festlegung einer angemessenen Wohnungsmiete betont haben, dass
ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen ist. Die Ausstattungsmerkmale einer Wohnung hinsichtlich
ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz müssen stets einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen (vgl bereits zu
Delmenhorst: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 RdNr 24). Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil zutreffend darauf hingewiesen, dass die von dem
Beklagten gewählte Höchstgrenze - der nach Gegenüberstellung des 33 %-Quantils bei den Angebotsmieten und des Median bei den
Bestandsmieten jeweils höhere Wert - nicht die Gewähr für die Abbildung des einfachen Standards nach den genannten Kriterien
liefere.
Auch eine Klärungsbedürftigkeit der Frage zu 3. hat der Beklagte nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Er trägt hierzu
vor, das BSG habe sich bisher nicht zu dem Heizkosten-Berechnungsprogramm "Heikos 2.0" geäußert. Es sei klärungsbedürftig, ob Daten zu
angemessenen Heizkosten durch das von ihm zugrunde gelegte Berechnungsprogramm zu ermitteln seien. Die gefundenen Durchschnittswerte
entsprächen wissenschaftlich fundierten Kenntnissen und bildeten regelmäßig realistische Daten ab. Eine Befassung mit sämtlichen
Bedingungen, die Heizkosten beeinflussen könnten, sei praktisch nicht möglich. Die Entscheidung des BSG vom 12.6.2013 (B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 69), wonach die Angemessenheitsprüfung "nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu erfolgen" habe, aber
zugleich ausgeführt werde, dass eine "differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum" erforderlich sei, werfe
die Frage auf, wie im Vergleichsraum, der schließlich einen größeren Umfang habe, der "Einzelfall" berücksichtigungsfähig
sein solle. Mit diesem Vorbringen setzt sich der Beklagte nicht in dem erforderlichen Umfang mit den Inhalten dieser bereits
vorliegenden grundsätzlichen Entscheidung des 14. Senats auseinander, in der im Einzelnen ausgeführt wird, welche Faktoren
(ua noch als angemessen anzusehendes Heizverhalten, klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, "typische" Energieträger,
"typischer" Gebäudestandard, technischer Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage) bedarfs- und vergleichsraumbezogen
einzubeziehen wären (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 69, RdNr 21). Zudem hat das Berufungsgericht das von dem Beklagten herangezogene Programm "Heikos 2.0"
ua deshalb als nicht geeignet zur Bestimmung eines individuell angemessenen Heizverhaltens in einer bestimmten Wohnung angesehen,
weil bei der Festsetzung der Gradtagszahlen eine durchschnittliche Raumtemperatur von 20 Grad Celsius und eine Nachtabsenkung
von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr zugrunde gelegt worden seien. Hier handelt es sich erneut um im Revisionsverfahren nicht überprüfbare
Tatsachenwürdigungen.
Schließlich hat der Beklagte die Entscheidungserheblichkeit der Frage zu 4. nicht hinreichend dargetan. Insofern macht er
geltend, die Behandlung der Betriebskostenerstattung sei entscheidungserheblich, weil die Höhe der zugesprochenen Leistungen
betroffen sei. Bei nur abgesenkten Leistungen im Jahre 2010 habe er die Heizkostenerstattung nicht auf die KdU-Aufwendungen
anrechnen können. Es sei nicht geklärt, wie zu verfahren sei, wenn nachträglich Leistungen für die Unterkunft und Heizung
in tatsächlicher Höhe der Aufwendungen zugesprochen würden. Dieses Vorbringen des Beklagten ist nicht ausreichend, weil schon
nicht erkennbar ist, dass die aufgeworfene Rechtsfrage in dem hier - nach dem Teilvergleich im Berufungsverfahren - nur noch
streitigen Zeitraum vom März bis August 2009 wegen des tatsächlichen Vorhandenseins von Einkommen aus einer Betriebskostenerstattung
(vgl hierzu grundlegend: BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - BSGE 110, 294 = SozR 4-4200 § 22 Nr 55) von Bedeutung ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.