Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Inhalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Kenntnisnahme von Beteiligtenvorbringen
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen
miteinbezogen werden.
2. Es ist allerdings nicht notwendig, ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden.
3. Vortrag der Beteiligten ist zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zuziehen.
4. Der Gehörsanspruch ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht
dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragsbemessung in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der als Rechtsanwalt selbstständig tätige Kläger ist seit 13.10.2015 freiwilliges
Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Beklagte setzte den Beitrag zur GKV auf 306,19 Euro monatlich fest und lehnte wegen
erzielter Einkünfte aus Kapitalvermögen den Antrag des Klägers auf Beitragsentlastung infolge eines Härtefalls ab (Bescheid
vom 1.8.2016, Widerspruchsbescheid vom 2.12.2016). Das SG Mannheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.4.2017). Nachdem
der Beitrag zur GKV für die Zeit ab 1.1.2017 auf 321,31 Euro monatlich festgesetzt worden war (Bescheid vom 29.3.2017, Widerspruchsbescheid
vom 26.6.2017), hat das LSG Baden-Württemberg die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei einem Empfänger von Gründungszuschuss
nach §
93 SGB III oder einer entsprechenden Leistung nach § 16b SGB II nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gleichzustellen. Die Voraussetzungen der Härtefallregelung des § 7 Abs 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) seien nicht erfüllt. Der Kläger habe steuerpflichtige positive
Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1290 Euro erzielt. Ob darüber hinaus sein Vermögen das Vierfache der monatlichen
Bezugsgröße übersteige, könne offenbleiben (Beschluss vom 8.2.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der
Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und des Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hat schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen
Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage
ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn aber Rechtsfragen nach der Vereinbarkeit des §
7 Abs
4 S 2 Nr
2 BeitrVerfGrsSz mit §
240 Abs
4 SGB V aF und nach einer Verletzung des Art
3 Abs
1 GG durch §
240 Abs 4 S 2
SGB V aF als aufgeworfen unterstellt würden, wäre jedenfalls deren Entscheidungserheblichkeit nicht dargelegt. Nachdem das LSG
angedeutet hat, dass der begehrten Beitragsentlastung auch ein das Vierfache der monatlichen Bezugsgröße übersteigendes Vermögen
entgegenstehen könnte, hätte aufgezeigt werden müssen, dass dieser Ausschlusstatbestand nicht erfüllt ist und es damit auf
die aufgeworfenen Fragen ankommt.
Ungeachtet dessen hat die auf einen Grundrechtsverstoß gestützte Beschwerde unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur
und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe
ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich
im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten
und die als verletzt angesehenen Normen des
Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN). Der Kläger macht jedoch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG geltend, ohne sich mit dem Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes und seiner Ausprägung durch das BVerfG auseinanderzusetzen.
2. Auch die Rüge des Klägers, das LSG habe sein Vorbringen in der Berufungserwiderung nicht berücksichtigt und damit den Anspruch
auf rechtliches Gehör (Art
103 GG, §§
62,
128 Abs 2
SGG) verletzt, ist nicht hinreichend aufgezeigt worden. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der
Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Prozessgericht hat jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen
der Beteiligten zu bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis
zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar
ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Unabhängig davon ist eine Gehörsverletzung nur dann hinreichend dargetan, wenn zudem ausgeführt wird, inwiefern die angefochtene
Entscheidung darauf beruhen kann (BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 323/16 B - Juris RdNr 15). Insoweit wäre darzulegen gewesen, dass das LSG bei Gewährung rechtlichen Gehörs zu einem für den Kläger
günstigeren Ergebnis gekommen wäre (BSG Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 253/13 B - Juris RdNr 12). Der Kläger hätte deshalb auch in diesem Zusammenhang aufzeigen müssen, dass der Ausschlusstatbestand
eines das Vierfache der monatlichen Bezugsgröße übersteigenden Vermögens nicht erfüllt ist.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.