Anspruch auf Prozesskostenhilfe im Anhörungsrügeverfahren des sozialgerichtlichen Verfahrens
Gründe:
I
Der Senat hat mit Beschluss vom 27.10.2010 die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15.4.2010 als unzulässig verworfen. Der Beschluss wurde dem früheren Prozessbevollmächtigten
des Klägers am 15.11.2010 zugestellt. Am 9.12.2010 teilte der Kläger mit, dass er das Mandat seines bisher beigeordneten Rechtsanwalts
kündige und die "Neubeiordnung" eines Rechtsanwalts und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantrage. Der bisher beigeordnete
Prozessbevollmächtigte habe ausdrücklich auf die Einlegungsmöglichkeit der Anhörungsrüge hingewiesen und einen separaten Auftrag
dafür haben wollen, den er fristgerecht erhalten habe. Mit Schreiben vom 29.11.2010 habe er dann aber mitgeteilt, dass er
mangels offensichtlicher Aussichtslosigkeit die Anhörungsrüge nicht erhoben habe.
II
Der Senat hat den Antrag auf "Neubeiordnung eines Rechtsanwalts" als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für
die Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens ausgelegt, weil nur dieser Antrag sachgerecht ist; es gibt nämlich keine Veranlassung,
für das durch Beschluss vom 27.10.2010 abgeschlossene Beschwerdeverfahren einen anderen Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist jedoch abzulehnen. Voraussetzung der PKH und der damit verbundenen Beiordnung eines
Rechtsanwalts ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision gegen ein Urteil eines Landessozialgerichts, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf Bewilligung
von PKH als auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich
vorgeschriebenen Form (§
73a Abs
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG], §
117 Abs
2 und
4 Zivilprozessordnung [ZPO]) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden (BSG SozR 1750 §
117 Nr 1 und 3; BGH VersR 1981, 884; BFH/NV 1989, 802; BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6). Nichts anderes kann für den Antrag auf Bewilligung von PKH für die Durchführung eines
Anhörungsrügeverfahrens gelten.
Der Kläger hat den Antrag auf Bewilligung von PKH nicht innerhalb der Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge gestellt. Nach
§
178a Abs
2 Satz 1
SGG ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Dabei markiert
die Zustellung oder sonstige Bekanntgabe der angegriffenen gerichtlichen Entscheidung den frühestmöglichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung.
Denn erst die Kenntnis der Entscheidung ermöglicht die Kenntnis der den Gehörverstoß begründenden Tatsachen (vgl BSG SozR
4-1500 § 178a Nr 5; BVerfG, Beschluss vom 4.4.2007, 1 BvR 66/07, NJW 2007, 2242). Auch wenn somit der Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des BSG vom 27.10.2010 an den Prozessbevollmächtigten des
Klägers am 15.11.2010 nicht automatisch mit dessen subjektiver Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs gleichzusetzen
ist, muss hier davon ausgegangen werden, dass der Kläger bzw sein Prozessbevollmächtigter, dessen Kenntnis er sich zurechnen
lassen muss (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 mwN), bereits mit der Zustellung des Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis am
15.11.2010 Kenntnis von der (angeblichen) Gehörverletzung erlangt hat. Dies gilt umso mehr, als der Prozessbevollmächtigte
des Klägers selbst mit Schreiben vom 17.11.2010 dem Kläger den Beschluss des BSG mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt
und hier darauf hingewiesen hat, dass die Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge am 29.11.2010 ablaufe (vgl auch BSG, Beschluss
vom 9.9.2010 - B 11 AL 4/10 C).
Im Übrigen hätte die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch bei einem rechtzeitigen PKH-Antrag keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO). Nach §
178a Abs
1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein
Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr 1) und das Gericht den Anspruch dieses
Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr 2). Anhaltspunkte für eine solche Verletzung
des rechtlichen Gehörs sind indes nicht erkennbar.
Mit Ablehnung der begehrten PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Anhörungsrüge
ist nicht statthaft. Der Antrag entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich - außer im
PKH-Verfahren - vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen,
folglich auch nicht selbst einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung
einer Anhörungsrüge einlegen (BSG, Beschluss vom 2.4.2009 - B 11 AL 2/09 C; BVerwG Buchholz 310, §
152a VwGO Nr 3), es sei denn, sie richtet sich gegen einen die PKH ablehnenden Beschluss (BSG, Beschluss vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/06 C). Im Übrigen müsste sich der Kläger ein etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§
202 SGG iVm §
85 Abs
2 ZPO).