Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz wegen einer zwangsweisen Unterbringung
Entscheidungsmaßstab im Zusammenhang mit der Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts
Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt zum wiederholten Mal Leistungen nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) wegen einer zwangsweisen Unterbringung im Jahr 2007.
Die Klägerin wurde am 1.6.2007 notfallmäßig stationär ins Zentrum für Psychiatrie (ZfP) E. eingewiesen wegen des Verdachts
einer akuten Psychose bei formaler Denkstörung und paranoiden Denkinhalten. Sie verblieb dort bis zum 6.7.2007 in stationärer
Behandlung. Zu Beginn ihres Aufenthalts sahen es die behandelnden Ärzte als erforderlich an, die Klägerin wegen selbstgefährdendem
und bedrohlichem Verhalten für rund 16 Stunden zu isolieren und zu fixieren. Die zwangsweise Unterbringung wurde vom Amtsgericht
E. nach § 1 des Gesetzes für die Unterbringung psychisch Kranker genehmigt (Beschluss vom 6.6.2007). Der Entlassungsbericht
des ZfP vermerkte als Diagnosen eine akute schizophreniforme psychotische Störung, differenzialdiagnostisch eine paranoide
Schizophrenie.
Die Klägerin beantragte im Jahr 2013 die Gewährung von Leistungen nach dem
OEG, weil sie ua Attentaten des Personals des ZfP ausgesetzt gewesen sei. Antrag, Klage und Berufung sind ebenso erfolglos geblieben
wie der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine Notanwalt beizuordnen (Senatsbeschluss
vom 29.10.2015 - B 9 V 11/15 BH).
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin erneut Ansprüche nach dem
OEG wegen der Unterbringung im Jahr 2007 geltend gemacht. Antrag, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat den
Anspruch der Klägerin verneint, weil es schon an einem Angriff iS von §
1 Abs
1 S 1
OEG fehle. Der Transport der Klägerin im Krankenwagen mit Handfesseln, ihre Isolierung bzw Fixierung sowie die Verabreichung
von Medikamenten in der Einrichtung für die Unterbringung psychisch Kranker ohne ihr Einverständnis stellten keine rechtswidrigen
Angriffe dar. Die darüber hinaus von der Klägerin erhobenen Vorwürfe über Stromstöße und sexuelle Misshandlungen hätten sich
nicht objektivieren lassen (Urteil vom 19.4.2018).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin mit von ihr persönlich unterzeichnetem Schreiben vom
26.4.2018 Beschwerde eingelegt und Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Notanwalts gestellt.
II
1. Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil des LSG einen Notanwalt
beizuordnen, ist abzulehnen.
Nach §
202 S 1
SGG iVm §
78b Abs
1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss
für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten
Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Daran
fehlt es.
Der Senat lässt dahingestellt, ob im Fall der Klägerin die von der Rechtsprechung zum Merkmal des "Nicht-Findens" entwickelten
Voraussetzungen erfüllt sind (BSG Beschluss vom 18.3.2008 - B 11a AL 30/07 BH - Juris RdNr 7 mwN). Eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil
des LSG vom 19.4.2018 erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung ähnlich dem Verfahren der PKH (vgl §
73a Abs
1 S 1
SGG, §
114 Abs
1 S 1
ZPO) jedenfalls aussichtslos. Im Unterschied zur PKH ist der Entscheidungsmaßstab allerdings nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht,
sondern "Aussichtslosigkeit" als solche. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung
ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Diese Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt,
der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung
in von vornherein aussichtslosen Sachen bewahren. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil
des LSG liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen der in §
160 Abs
2 SGG enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz),
Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der
Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten
begründen (BSG Beschluss vom 29.3.2012 - B 14 AS 251/11 B - SozR 4-1750 § 78b Nr 1 RdNr 5 f mwN).
Das Vorliegen eines der in §
160 Abs
2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Revision ist auch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs offenbar nicht gegeben.
Die Klägerin wendet sich weiterhin gegen ihre Fixierung während einer richterlich genehmigten zwangsweisen Unterbringung im
ZfP im Jahr 2007. Unter welchen engen Voraussetzungen ärztliche Maßnahmen ganz ausnahmsweise einen Angriff im Sinne von §
1 OEG darstellen können, hat die Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl Senatsurteil vom 29.4.2010 - B 9 V 1/09 R- BSGE 106, 91 = SozR 4-3800 § 1 Nr 17, RdNr 39 ff), die das LSG seinem Urteil zutreffend zugrunde gelegt hat. Auch sonst ist nicht ersichtlich,
welche grundsätzlichen, fallübergreifenden Rechtsfragen der Fall der Klägerin aufwerfen könnte oder warum das LSG von der
Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein sollte.
Auch ein Verfahrensfehler des LSG ist bei summarischer Prüfung nicht entfernt erkennbar. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist nichts ersichtlich. Vielmehr hat das LSG wie vor ihm das SG und der Beklagte auf der Grundlage der umfangreichen Sachaufklärung im Vorprozess den Anspruch der Klägerin erneut umfassend
und sorgfältig geprüft und ihre nach wie vor unrealistischen Tatsachenbehauptungen über die Umstände ihrer psychiatrischen
Behandlung nachvollziehbar weder als glaubhaft gemacht und noch weniger als erwiesen angesehen.
Das LSG durfte im Termin zur mündlichen Verhandlung auch ohne die Klägerin verhandeln und entscheiden, weil es die Klägerin
mit seiner ordnungsgemäßen Ladung vorab auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte (§
110 Abs
1 SGG).
2. Aus den genannten Gründen kann die Klägerin ebenso wenig die von ihr ebenfalls beantragte PKH verlangen, weil PKH nur zu
bewilligen ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 Abs
1 S 1
ZPO). Diese Voraussetzung ist hier aus den oben aufgezeigten Gründen erst recht nicht erfüllt, da schon die Beiordnung eines
Notanwalts abzulehnen ist (vgl zum Verhältnis von §
114 und §
78b ZPO nur BGH Beschluss vom 6.7.1988 - IVb ZB 147/87 - FamRZ 1988, 1152).
3. Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften.
Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift
muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung
des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
4. Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.