Höhe der Beschädigtengrundrente in der Gewaltopferentschädigung bei Gewalttaten vor In-Kraft-Treten des OEG im Beitrittsgebiet
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe der Beschädigtengrundrente der Klägerin nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten
(
OEG).
Die 1931 geborene Klägerin ist 1984 im Beitrittsgebiet Opfer einer Gewalttat iS des
OEG geworden. Wegen der Schädigungsfolgen sprach ihr das Sozialgericht Chemnitz (SG) durch rechtskräftiges Urteil vom 20. Oktober 1998 Beschädigtenversorgung ab 1. Januar 1991 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) um 100 vH zu. Der Beklagte führte dieses Urteil durch die Benachrichtigung vom 15. März 1999 aus und gewährte der Klägerin
unter Anrechnung der von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bezogenen Renten (Alters- und Hinterbliebenenrente)
ab dem 1. April 1999 laufend eine Beschädigtengrundrente in Höhe von 112,00 DM. Durch Bescheid vom 8. Oktober 1999 erhöhte
der Beklagte die Grundrente auf 135,00 DM monatlich. Der gegen die Höhe von Grundrente und Anrechnungsbetrag gerichtete Widerspruch
blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000).
Während des anschließenden Klageverfahrens hat der Beklagte die Höhe der Grundrente ab Juli 2000 mit 179,00 DM (Bescheid vom
1. August 2000) und ab Juli 2001 mit 178,00 DM (Bescheid vom 22. August 2001) neu festgestellt. Durch Bescheide vom 22. Juli
2002 und 25. September 2002 sind der Zahlbetrag der Grundrente ab Juli 2002 auf 6,00 _ monatlich reduziert und 68,22 _ überzahlte
Leistungen zurückgefordert worden. Nach Anhörung (Schreiben vom 26. September 2002) hat der Beklagte mit Bescheid vom 7. November
2002 verfügt, dass die Klägerin wegen einer rückwirkenden Erhöhung der Renten von der BfA (Bescheide vom 14. und 20. Dezember
2001) für die Zeit von Mai 1999 bis Juni 2000 nach §
10a OEG keinen Anspruch auf Grundrente mehr gehabt habe. Als monatliche Zahlbeträge ergäben sich im Weiteren für die Zeit vom 1.
Juli 2000 bis 30. Juni 2001 18,00 _, vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001 14,00 _ und ab 1. Januar 2002 nunmehr 8,00 _.
Damit betrage die von der Klägerin zu erstattende Überzahlung 2.931,75 _. Der dagegen eingelegte Widerspruch ist zurückgewiesen
worden (Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2003).
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 11. Juni 2003 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die nach der Klageerhebung ergangenen
Bescheide, allesamt Gegenstand des Klageverfahrens nach §
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), seien rechtmäßig. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, durch Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 31. Januar 2003 die vorhergehenden Bescheide nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben, da das von der Klägerin erzielte Renteneinkommen sich nachträglich erhöht und zum Wegfall bzw zur Minderung
des Beschädigtengrundrentenanspruchs nach §
10a OEG geführt habe. Ein atypischer Fall, der der Aufhebung der Bescheide entgegenstehen könnte, sei nicht gegeben. Daher sei auch
die Rückforderung von 2.931,75 _ überzahlter Grundrente nach § 50 SGB X rechtmäßig. Die Bescheide vom 1. August 2000 und 22. August 2001 seien zunächst rechtmäßig gewesen, ebenso der Bescheid vom
8. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000. Entgegen der Auffassung der Klägerin fielen die
auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht aus dem
anzurechnenden Einkommen heraus. Auch der Bescheid vom 25. September 2002 sei nicht zu beanstanden; mit ihm sei der zunächst
rechtswidrige, weil von einer falschen Berechung des Zahlbetrages ausgehende, Bescheid vom 22. Juli 2002 zu Recht aufgehoben
worden.
Die Anwendung der §§ 10a
OEG und 84a Bundesversorgungsgesetz (BVG) durch den Beklagten sei im vorliegenden Fall auch zutreffend und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ausführungen
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 84a BVG (betreffend die Absenkung von Beschädigtengrundrenten für Kriegsopfer aus dem Beitrittsgebiet) seien nicht auf Gewaltopfer
aus den neuen Bundesländern übertragbar, die Leistungen nach dem Einigungsvertrag (EinigVtr) iVm §
10a OEG erhielten. Anders als Kriegsopfer hätten Opfer von Gewalttaten nicht gruppenspezifisch mit Rücksicht auf ihr fortgeschrittenes
Lebensalter keine Aussicht auf eine zukünftige Gleichbehandlung mehr. Daher komme es nicht darauf an, dass die Klägerin bereits
in einem Alter sei, das dem typischer Kriegsopfer nahe komme. Wegen der nach wie vor unterschiedlichen Lebensverhältnisse
in den neuen und den alten Bundesländern sei der Gesetzgeber zudem weiterhin berechtigt, differenzierte sozialrechtliche Regelungen
zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Auch das Zusammentreffen der Sonderregelungen der §§ 84a BVG und 10a
OEG führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Beklagten. Zum Einen beruhe die Anwendung des §
10a OEG auf einem rechtskräftigen Urteil des SG und zum Zweiten habe der Gesetzgeber mit § 84a BVG nicht seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum überschritten. Die Bedürftigkeitsregelung sei vielmehr Ausfluss der Härteregelung
für Gewaltopfer, die vor der Wiedervereinigung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine Schädigung erlitten hätten.
Sie besser zu stellen als Gewaltopfer, die nach dem 2. Oktober 1990 geschädigt worden seien und der Regelung des § 84a BVG unterfielen, sei nicht zu rechtfertigen.
Die Klägerin hat mit Zustimmung des Beklagten Sprungrevision eingelegt. Sie rügt Verfassungsverstöße: Es sei mit dem Gleichheitsgebot
(Art
3 Abs
1 Grundgesetz >GG<) nicht vereinbar, wenn Gewaltopfern aus den neuen Bundesländern über den 31. Dezember 1998 hinaus unter Anwendung des
§ 84a BVG eine niedrigere Beschädigtengrundrente als Berechtigten aus den alten Bundesländern gewährt werde. Gewaltopfer und Kriegsopfer
befänden sich in einer vergleichbaren Lage - beide hätten ein Sonderopfer erbracht -, sodass unterschiedlich hohe Leistungen
nicht gerechtfertigt seien. Die Grundüberlegungen aus der Entscheidung des BVerfG vom 14. März 2000 müssten daher auch im
vorliegenden Fall zum Tragen kommen. Der Zahlbetrag der Grundrente sei demnach ab dem 1. Januar 1999 - § 84a BVG sei ab diesem Zeitpunkt auch für Grundrenten von Gewaltopfern verfassungswidrig - auf Westniveau anzuheben, zumal sich über
10 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Differenzierung nicht mehr mit den wirtschaftlichen Unterschieden zwischen neuen
und alten Bundesländern begründen lasse. Unter Berücksichtigung der auch der Beschädigtengrundrente der Gewaltopfer innewohnenden
immateriellen Komponente, verstoße es darüber hinaus gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art
3 Abs
1 GG), das Sozialstaatsprinzip (Art
20 GG) und die Menschenwürde (Art
1 und
2 GG), wenn anders als bei der Sozialhilfe (§ 76 Bundessozialhilfegesetz >BSHG<), nach §
10a Abs
2 und
3 OEG die aus eigener Beitragsleistung erwirtschafteten Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Grundrente angerechnet
würden. Im Übrigen sei §
10a OEG durch Zeitablauf ebenfalls überholt; seine Anwendung in Fällen, in denen sich die Gewalttat - wie hier - nach dem In-Kraft-Treten
des
OEG ereignet habe, sei verfassungswidrig. Entschädigungsleistungen von 5,00 oder 6,00 _ seien in dieser Situation menschenunwürdig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Chemnitz vom 11. Juni 2003 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der eine Rücknahme bindender Verwaltungsakte
ablehnenden Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 sowie des Bescheides vom 7. November 2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2003 und unter Änderung des Bescheides vom 8. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6. Juni 2000, der Bescheide vom 1. August 2000, 22. August 2001 und 25. September 2002 zu verurteilen, ihr unter Änderung
der Benachrichtigung vom 15. März 1999 ab dem 1. Januar 1999 eine weder gemäß § 84a Bundesversorgungsgesetz herabgesetzte, noch gemäß § 10a Opferentschädigungsgesetz gekürzte Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 100 vH zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen in dem Urteil des SG für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem
OEG nur für Gewalttaten einstehe, die auf ihrem Territorium begangen worden seien. Entschädigungsleistungen seien nur insoweit
zu erbringen, als die Ursache der gesundheitlichen Schädigung auf ein Versagen des staatlichen Gewaltmonopols zurückzuführen
sei. Folgen von Gewalttaten, die sich außerhalb des bundesdeutschen Staatsgebietes - hier auf dem Gebiet der DDR - ereignet
hätten, seien daher grundsätzlich nicht zu entschädigen. §
10a OEG trage dieser Erkenntnis Rechnung, indem er für den Zeitraum vor dem In-Kraft-Treten des
OEG in Härtefällen einen Anspruch auf Leistungen nach dem
OEG begründe, obwohl das schädigende Ereignis eingetreten sei, bevor eine Anspruchsgrundlage für die Entschädigung geschaffen
worden sei. Diesem Grundgedanken folge auch der EinigVtr, soweit er die entsprechende Anwendung des §
10a OEG für Gewalttaten anordne, die sich vor der Wiedervereinigung auf dem Gebiet der DDR zugetragen hätten. Das staatliche Gewaltmonopol
der Bundesrepublik Deutschland habe dort nicht durchgesetzt werden können. Dadurch werde eine unterschiedliche Ausgestaltung
der Anspruchsgrundlagen für Entschädigungen von Gewalttaten, die vor dem 3. Oktober 1990 auf dem Territorium der DDR begangen
worden seien, und von solchen, die sich ab diesem Termin in den neuen Bundesländer ereignet hätten, gerechtfertigt. Deshalb
sei auch ein Vergleich mit den Kriegsopfern auszuschließen; alle Kriegsopfer - ob später in der DDR oder in der BRD lebend
- hätten ein Sonderopfer für den gleichen Staat erbracht - mit einer politischen Vergangenheit, für deren Folgen eine gemeinsame
Verantwortung übernommen werden müsse. Allein dieser Umstand verpflichte zur Gleichbehandlung. Soweit der EinigVtr einen Anspruch
auf Leistungen nach dem
OEG auch für gesundheitliche Folgen von Gewalttaten anordne, die auf dem Gebiet der DDR begangen worden seien, seien die Vertragsparteien
daher frei gewesen, die Leistungsmodalitäten im Einzelnen auch abweichend von den sonstigen Regelungen des
OEG zu bestimmen; die Einführung einer Bedürftigkeitsgrenze überschreite insoweit nicht den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum.
Ein Rückgriff auf § 76 BSHG gehe darüber hinaus insoweit fehl, als im Falle der Sozialhilfebedürftigkeit auch Bedürftigkeit nach §
10a Abs
1 Nr
2 OEG gegeben sei, sodass eine Anrechnung dieser Leistungen von vornherein nicht in Betracht komme. Anders stelle sich die Situation
jedoch dar, wenn Einkommen erzielt werde, das die Bedürftigkeitsgrenze überschreite, auch wenn es sich um Renteneinkommen
handele.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Ziel des Begehrens der Klägerin ist es, eine höhere Beschädigtengrundrente - ohne Anwendung der Bedürftigkeitsreglung des
§
10a OEG sowie ohne Absenkung auf das "Ostniveau" nach § 84a BVG - zu erhalten.
Dieses Ziel kann die Klägerin mit ihrer Klage gegen den Bescheid vom 8. Oktober 1999 nicht erreichen. Der Beklagte hat mit
diesem Bescheid nur die Beschädigtengrundrente erhöht - von 112,00 DM auf 135,00 DM ab Juli 1999. Im Hinblick auf das eigentliche
Klagebegehren trifft dieser Anpassungsbescheid mithin keine anfechtbare Regelung (vgl Bundessozialgericht >BSG< SozR 3-1300
§ 45 Nr 39, S 128; BSGE 63, 266, 267 f). Seine Grundlage findet er in der "Benachrichtigung" des Beklagten vom 15. März 1999, die in Ausführung des rechtskräftigen
Urteils des SG Chemnitz vom 20. Oktober 1998 ergangen ist. Dabei handelt es sich, soweit darin die Rentenhöhe im Einzelnen
berechnet wird, um einen bestandskräftigen Verwaltungsakt. In ihm hat der Beklagte ua festgestellt, dass der Leistungsberechnung
die von der Klägerin als verfassungswidrig angegriffenen Vorschriften der §§ 84a BVG und 10a
OEG der Bemessung der Grundrente der Klägerin zu Grunde zu legen seien.
Da sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Oktober 1999 zugleich sinngemäß gegen die Anwendung der
§§ 10a
OEG und 84a BVG gewendet hat, ist ihr Vorbringen auch als Antrag nach § 44 SGB X - erneute Überprüfung der Rechtslage (hier des Ausführungsbescheides vom 15. März 1999) - zu werten (vgl zur Anwendbarkeit
des § 40 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung >KOVVfG<, wenn die zur Überprüfung gestellte Verwaltungsentscheidung
durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist: BSGE 51, 139, 141; s auch BVerwGE 70, 110; BSGE 13, 181, 186 f). Der Beklagte hat das Begehren der Klägerin im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 - neben dem Einwand gegen die
Höhe der Leistung - selbständig behandelt und erstmals bescheidmäßig abgelehnt.
Die gegen diesen nach § 44 SGB X ergangenen Verwaltungsakt gerichtete Klage ist zulässig. Weder der Erlass des Bescheides durch das Landesversorgungsamt als
funktionell unzuständiger Stelle, noch das Fehlen eines förmlichen Vorverfahrens iS des §
78 Abs
1 Satz 1
SGG ist hier unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten schädlich.
Zwar hätte über den Antrag der Klägerin nach § 44 SGB X nicht das Landesversorgungsamt als Widerspruchsstelle entscheiden dürfen. Seine Entscheidungsbefugnis ist erst dann gegeben,
wenn das Versorgungsamt eine ablehnende Entscheidung getroffen und der Anspruchsteller hiergegen Widerspruch eingelegt hat.
Allerdings bewirkt die mangelnde funktionelle Zuständigkeit keine Nichtigkeit der Verwaltungsentscheidung. Da dem materiellen
Leistungsbegehren jedoch die Grundlage entzogen würde, wenn der verfahrensfehlerhafte Bescheid der Widerspruchsbehörde allein
wegen Verstoßes gegen das Verfahrensrecht aufgehoben würde, liegt ein derartiges Vorgehen im Allgemeinen nicht im schutzwürdigen
Interesse eines Klägers. Es muss dem Betroffenen vielmehr die Möglichkeit eingeräumt werden, in einem solchen Fall von der
Rüge der funktionellen Unzuständigkeit abzusehen, um damit die Aufhebung des Bescheides ausschließlich aus formalen Gründen
zu vermeiden. Auch hier hat die Klägerin keine diesbezügliche Rüge geltend gemacht, sodass der Bescheid der Widerspruchsstelle
des Beklagten nicht aus formellen Gründen aufzuheben ist (vgl hierzu auch BSG SozR 1500 § 54 Nr 45).
Das Vorverfahren kann in einem solchen Fall entbehrlich sein, wenn von vornherein oder auf Grund der Stellungnahmen im Prozess
ersichtlich ist, dass das grundsätzlich durch Aussetzung nachholbare Vorverfahren eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht
vermeiden wird. Es wäre dann nicht prozessökonomisch, auf der Durchführung des Vorverfahrens zu bestehen, insbesondere, wenn
der Rechtsstreit sich im Revisionsverfahren befindet und zur Nachholung des Vorverfahrens an das Vordergericht zurückverwiesen
werden müsste (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 30. September 1996 - 10 RKg 20/95, JURIS, unter Hinweis auf die Entscheidungen in SozR 4100 § 136 Nr 4, S 15 f; SozR 1500 § 78 Nr 16, S 26 f; SozR 1500 § 78
Nr 8). So liegt der Fall hier. Zum einen hat sich das zuständige Versorgungsamt im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung
vom 9. März 2000 mit dem gesamten Vorbringen der Klägerin befasst, zum anderen hat das Landesversorgungsamt als Widerspruchsstelle
im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 seine Rechtsauffassung dargelegt. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass
ein formgültiges Vorverfahren zu einer Abhilfe, also zu einer anderen Bewertung der Rechtslage führen wird.
Neben dem im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 enthaltenen Verwaltungsakt über die Ablehnung einer Rücknahme des Bescheides
vom 15. März 1999 nach § 44 SGB X greift die Klägerin auch den Bescheid vom 8. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000 sowie
die nachfolgenden Bescheide des Beklagten an. Diese Verwaltungsakte betreffen die aktuelle Höhe der Grundrente der Klägerin
im Hinblick auf jährliche Anpassungen oder Änderungen der angerechneten BfA-Renten. Zu nennen sind die Bescheide vom 1. August
2000, 22. August 2001 und 25. September 2002, die nach §
96 SGG Gegenstand des den Bescheid vom 8. Oktober 1999 betreffenden Verfahrens geworden sind. Der Bescheid vom 1. August 2000 beinhaltet
ebenso wie der Bescheid vom 8. Oktober 1999 eine Anpassung der Höhe der Beschädigtenrente. Die Bescheide vom 22. August 2001
und 22. Juli 2002 in der Gestalt des Bescheides 25. September 2002 stellen die Höhe der Beschädigtenrente gegenüber den vorangegangenen
Bescheiden niedriger fest, wegen des geänderten Verhältnisses von Höhe der anrechenbaren Einkünfte zur Grundrentenhöhe auf
Grund der Rentenanpassungen durch die jeweiligen Kriegsopferversorgungs-Strukturgesetze. Durch Bescheid vom 25. September
2002 ist allerdings der Bescheid vom 22. Juli 2002 zu Gunsten der Klägerin geändert worden, sodass die Klägerin durch diesen
nicht mehr beschwert ist. Schließlich hat der Beklagte durch Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 31. Januar 2003 die Grundrente der Klägerin für die Zeit von Mai 1999 bis Juni 2002 in geringerer Höhe neu und eine entsprechende
Erstattungspflicht der Klägerin festgestellt. Auch insoweit greift §
96 SGG ein.
Es ist mithin im Revisionsverfahren zunächst zu prüfen, ob
(1) der Beklagte bei Erlass des Ausführungsbescheides vom 15. März 1999 das Recht iS von § 44 SGB X insoweit unrichtig angewandt hat, als er der Berechnung der Beschädigtengrundrente der Klägerin § 84a BVG und §
10a OEG zu Grunde legt hat,
(2) der Beklagte berechtigt war, den Ausführungsbescheid vom 15. März 1999 und den Bescheid vom 8. Oktober 1999 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000, sowie die Bescheide vom 1. August 2000 und 22. August 2001 durch den Bescheid
vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2003 für den Zeitraum von Mai 1999 bis Juni
2002 zu ändern und überzahlte Leistungen zurückzufordern (§§ 48, 50 SGB X),
(3) der Bescheid des Beklagten vom 25. September 2002 für den Zeitraum ab Juli 2002 gemäß § 48 SGB X rechtmäßig ist.
1. Die Klägerin hat auf der Grundlage des § 44 SGB X keinen Anspruch auf Rücknahme des Ausführungsbescheides vom 15. März 1999 und Berechnung der Beschädigtengrundrente unter
Außerachtlassung der Vorschriften der §§ 84a BVG und 10a
OEG.
Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass
eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese
Voraussetzungen sind nicht zu Gunsten der Klägerin erfüllt.
Der Beklagte ist bei Erlass des Ausgangsbescheides weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat er das Recht
unrichtig angewandt. Das SG hat zwar keine Feststellungen dazu getroffen, ob die angegriffene Entscheidung auf einem unrichtigen Sachverhalt beruhen
könnte. Es sind jedoch insoweit keinerlei Gesichtspunkte erkennbar und die Klägerin hat hierzu nichts geltend gemacht. Sie
rügt vielmehr lediglich die Verfassungswidrigkeit der §§ 84a BVG und 10a
OEG als Berechnungsgrundlage für die Höhe der durch den Ausführungsbescheid vom 15. März 1999 gewährten Beschädigtengrundrente.
Mit der Anwendung der §§ 84a BVG und 10a
OEG hat der Beklagte nicht rechtsfehlerhaft gehandelt.
Die Rechtsgrundlage für die Berechnung der Beschädigtenrente der Klägerin ist - was der Beklagte in allen streitgegenständlichen
Bescheiden nachvollzogen hat - Anl I Kap VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 18 Buchstabe c, d EinigVtr vom 31. August 1990
iVm §
10a OEG und § 84a BVG. Nach dem EinigVtr iVm §
10a OEG gelten die §§
1 bis
7 OEG für Ansprüche aus Taten, die im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis 2. Oktober 1990 begangen worden sind,
nach Maßgabe des §
10a OEG. Nach §
10a Abs
1 OEG erhalten demnach Personen, die in dieser Zeit im Beitrittsgebiet geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie
1. allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt sind und 2. bedürftig sind und 3. im Geltungsbereich dieses Gesetzes
ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des §
10a Abs
1 Nr
1 und
3 OEG zweifelsohne. Sie hatte nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG (§
163 SGG) ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes und war unter Zugrundelegung des rechtskräftigen Urteils des SG Chemnitz
vom 20. Oktober 1998 auch allein wegen der Schädigung schwerbeschädigt, nämlich mit einer MdE (nach § 30 Abs 1 BVG) um 90 vH. Unter Berücksichtigung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung war sie allerdings nur teilweise bedürftig
iS des §
10a Abs
1 Nr
2 OEG, dh, die Beschädigtengrundrente war wegen der Anrechnung des Renteneinkommens nach §
10a Abs
2 und
3 OEG nicht in voller Höhe auszuzahlen. Soweit das SG die ursprüngliche Rechtmäßigkeit des Ausführungsbescheides im Hinblick auf die aus der Anwendung der §§ 84a BVG und §
10a OEG resultierenden Rechenergebnisse des Beklagten der Höhe nach bestätigt hat, hat die Klägerin dem nicht widersprochen. Andere
Hinweise, dass dieses Zahlenwerk unzutreffend sein könnte, sind ebenfalls nicht vorhanden.
Eine Festsetzung der Rentenhöhe auf der Grundlage des §
10a OEG iVm dem EinigVtr ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verfassungswidrig. Der Senat hat bereits entschieden, dass
§
10a OEG iVm Anlage I Kap VIII K Abschnitt III Nr 18 EinigVtr mit dem
GG im Einklang steht (Senatsurteile BSGE 78, 274 ff = SozR 3-8110 Kap VIII K III Nr 18 Nr 1 und vom 24. Juli 2002 - B 9 VG 5/01 R, JURIS). Er hat insbesondere in der Beschränkung der rückwirkenden Geltung des Gewaltopferrechts auf Härtefälle und in der
Weiterführung der in der ehemaligen DDR gültig gewesenen Regelung im Übrigen (vgl insoweit Buchstabe f der zitierten Regelung
der Anlage I zum EinigVtr) keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von ehemaligen Bürgern der DDR gesehen. Auf diese Urteile
nimmt der Senat Bezug.
Der Beklagte hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen: Grundlage des
OEG ist die Erkenntnis, dass der Staat ein Monopol für die Verbrechensbekämpfung hat und deswegen für den Schutz seiner Bürger
vor Schädigungen durch Gewalttaten im Bereich seines Hoheitsgebietes und damit seiner Herrschaftsgewalt verantwortlich ist.
Versagt der Staat insoweit, übernimmt die staatliche Gemeinschaft die Entschädigung des Opfers (vgl BT-Drucks 7/2506, S 7
f; BSG, Urteil vom 7. November 1979, 9 RVg 2/78, BSGE 49, 104, 105 = SozR 3800 § 2 Nr 1, mwN; Kunz/Zellner, Opferentschädigungsgesetz, 4. Aufl 1999, Einführung). Aus diesem Grunde werden
Entschädigungsleistungen auch nur solchen Gewaltopfern gewährt, die im Geltungsbereich des Gesetzes einer Gewalttat ausgesetzt
gewesen sind, und nicht etwa auch dann, wenn sie im Ausland zum Gewaltopfer geworden sind. Es gilt das Territorialitätsprinzip
(vgl BSGE 90, 190, 193, 194 = SozR 3-3800 § 1 Nr 23).
Die Klägerin ist auf dem Hoheitsgebiet der DDR Opfer einer Gewalttat geworden, einem Territorium, in dem der bundesdeutsche
Staat 1984 sein Gewaltmonopol nicht durchsetzen konnte. Sie ist daher für die Folgen dieser Gewalttat nicht durch die Bundesrepublik
Deutschland zu entschädigen. Anspruch auf Entschädigungsleistungen hat sie erst durch den EinigVtr im Rahmen der Wiedervereinigung
erhalten, weil Opfer von Gewalttaten in den neuen Bundesländern, die bereits zu DDR-Zeiten die Schädigung erlitten hatten,
zumindest dann, wenn sie durch die Gewalttat schwerbeschädigt sind, aus sozialpolitischen Gründen in den Opferschutz einbezogen
werden sollten. In dieser weder mit der Situation der Gewaltopfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs nach der Wiedervereinigung
in den neuen Bundesländern, noch mit der von Gewaltopfern vor der Wiedervereinigung in den alten Bundesländern vergleichbaren
Lage, war der Gesetzgeber frei in der Gestaltung der besonderen Entschädigungsregelung. Es ist daher nicht zu beanstanden,
wenn er sich einer Härteregelung zugewandt hat, um durch die vorgefundene Situation entstandene besondere Härten auszugleichen.
Das Vorliegen eines Härtefalls durch den Grad der Beschädigung (Schwerbeschädigung) und die Bedürftigkeit zu bestimmen, überschreitet
den verfassungsrechtlichen Rahmen nicht. Dies gilt (auch), soweit der Regelung keine zeitliche Befristung beigemessen worden
ist. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit hierzu besteht nicht.
Die Klägerin entlehnt den Gedanken einer zeitlichen Befristung der für sie ungünstigen Regelung aus der Rechtsprechung des
BVerfG zur Absenkung der Beschädigtengrundrenten der Kriegsopfer in den neuen Bundesländern nach § 84a BVG (vgl BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). Die dortigen Erwägungen des BVerfG sind jedoch nicht auf die Bestimmung des §
10a OEG zu übertragen. Dabei handelt es sich - auch in Bezug auf Beschädigte, die vor dem In-Kraft-Treten des
OEG in den alten Bundesländern Gewaltopfer geworden sind - um eine dauerhafte Härteregelung. Sie betrifft mithin - anders als
§ 84a BVG - nicht die kontinuierliche Angleichung der Leistungen in den neuen Bundesländern an das Westniveau.
Es ist auch nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Klägerin die Schädigung nach dem In-Kraft-Treten des
OEG (1976) erlitten hat. Die Schädigung ist in einem Gebiet erfolgt, in dem das
OEG seinerzeit keine Geltung entfalten konnte. Aus dem In-Kraft-Treten des
OEG in den alten Bundesländern kann sie daher keine Ansprüche herleiten. Ihre Lage ist vielmehr derjenigen solcher Opfer vergleichbar,
die vor dem In-Kraft-Treten des
OEG (zwischen dem 23. Mai 1949 und dem 15. Mai 1976) eine Schädigung erlitten haben, also dem eigentlichen Personenkreis, den
§
10a Abs
1 OEG im Blick hat. Auch diese Opfer konnten keinen Anspruch aus dem späteren In-Kraft-Treten des
OEG herleiten, sollten aber dennoch in Fällen besonderer Härte eine Entschädigung erhalten. Insoweit ist es rechtssystematisch
konsequent, wenn der Gesetzgeber die Gewaltopfer der ehemaligen DDR und die der alten Bundesländer aus der Zeit vor dem In-Kraft-Treten
des
OEG nach den gleichen Maßgaben behandelt, also die Leistungsgewährung von dem Grad der Beschädigung und der Bedürftigkeit abhängig
macht.
Soweit die Klägerin rügt, die Beschädigtengrundrente nach dem
OEG werde nicht auf die Leistungen nach BSHG angerechnet (§ 76 BSHG), sind hieraus ebenfalls keine Gesichtspunkte zu gewinnen, die die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in Frage stellen könnten.
§ 76 BSHG und §
10a Abs
2 und
3 OEG stehen nicht in einem Spannungsverhältnis zueinander, sondern befinden sich im Gleichklang. Auch eine Sozialhilfeleistung
wäre nicht auf die Beschädigtengrundrente anzurechnen, führte mithin nicht zu einer Minderung des Zahlbetrags der Beschädigtengrundrente.
Sie zählt nicht zu dem anrechenbaren Einkommen iS des § 33 Abs 5 BVG iVm § 1 Ausgleichsrentenverordnung (AusglV), sondern nach § 2 Abs 1 Nr 1 AusglV ausdrücklich zu dem nicht zu berücksichtigenden Einkommen, im Gegensatz zu Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung
(§ 1 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AusglV). Einen Verstoß gegen die Menschenwürde oder das Sozialstaatsprinzip in Fällen, in denen sich
aus der Anrechnungsregelung kleinste Zahlbeträge ergeben, vermag der Senat nicht zu erkennen. Diese Kleinstbeträge sind Folge
der Anrechnungsmodalitäten unter Berücksichtigung der individuellen Bedürftigkeit. Sie erlauben keinen Rückschluss auf die
Wertigkeit des Entschädigungsanspruchs als solchen. Vielmehr kommt darin lediglich zum Ausdruck, dass die gesundheitliche
Schädigung sich zumindest finanziell nicht so ausgewirkt hat, dass sie neben anderem Einkommen durch den Staat ausgeglichen
werden müsste.
Auch die Anwendung des § 84a BVG als Grundlage für die Berechnung der Höhe des Leistungsanspruchs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 84a Satz 1 BVG erhalten Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Art 3 EinigVtr genannten
Gebiet hatten, vom Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, frühestens vom 1. Januar 1991 an,
Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem EinigVtr geltenden Maßgaben, auch wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
in das Gebiet verlegen, in dem dieses Gesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat. Gemäß der vorgenannten Maßgabe des EinigVtr
sind ua die in § 31 Abs 1 BVG (für die Grundrente) genannten Deutsche Mark-Beträge (jetzt _-Beträge) mit einem Vomhundertsatz zu multiplizieren, der sich
aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrenten (vgl § 68 Abs 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch >SGB VI<) im Beitrittsgebiet
und in den alten Bundesländern ergibt. In Anwendung dieser Bestimmungen hat der Beklagte, was zwischen den Beteiligten unstreitig
ist, die Grundrente der Klägerin richtig berechnet.
Allerdings ist dem § 84a BVG - im Nachgang zu der Entscheidung des BVerfG vom 14. März 2000 (BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) - durch Gesetz vom 6. Dezember 2000 (BGBl I 1676) ein Satz 3 angefügt worden, wonach Satz 1 dieser
Vorschrift ab 1. Januar 1999 nicht mehr für Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG von Berechtigten nach § 1 BVG (Kriegsopfer) gilt. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist diese Vorschrift jedoch nicht im Wege einer verfassungskonformen
Auslegung auch auf Beschädigtengrundrenten nach dem
OEG anzuwenden.
Der Senat hat bereits im Hinblick auf Hinterblieben- (SozR 4-3100 § 84a Nr 2) und Ausgleichsrente (BSGE 91, 114 = SozR 4-3100 § 84a Nr 1) sowie das BVerfG selbst zur Kleiderverschleißpauschale (BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3) entschieden, dass der niedrigere Zahlbetrag dieser Leistungen für Beschädigte, die am 18. Mai 1990
ihren Wohnsitz in den neuen Bundesländern hatten, nicht verfassungswidrig ist. Für die Beschädigtengrundrente nach dem
OEG gelten keine anderen Überlegungen.
Ihr Berechnungsmaßstab ist zwar zunächst einmal der gleiche wie der der Beschädigtengrundrenten der Kriegsopfer nach dem BVG. Ihre Höhe richtet sich allein nach dem Ausmaß der schädigungsbedingten MdE. Die Rente wird unabhängig vom Einkommen und
Vermögen des Geschädigten gewährt. Gleichwohl unterscheidet sie sich grundlegend von der Rente für Kriegsopfer.
Das BVerfG hat den Verfassungsverstoß wegen der Absenkung der Grundrenten nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG ab dem 1. Januar 1999 ausdrücklich mit den besonderen Umständen begründet, unter denen diese Renten beansprucht werden. Kriegsopfer
in den neuen Ländern müssten nämlich auf Grund ihres Lebensalters damit rechnen, dass sie wegen des verzögerten Anpassungsprozesses
gleichhohe Renten wie im Westen nicht mehr erleben würden. Dieses sei jedoch vor dem Hintergrund der der Beschädigtengrundrente
für Kriegsopfer innewohnenden immateriellen Komponente nicht zu rechtfertigen. Anknüpfungspunkt hierfür sei die Vorstellung
des ideellen Ausgleichs eines vom Einzelnen im Militärdienst für die staatliche Gemeinschaft erbrachten gesundheitlichen Sonderopfers.
So verstoße es gegen das grundgesetzliche Gleichheitsgebot (Art
3 Abs
1 GG), die Grundrente einem Kriegsbeschädigten aus den neuen Ländern auf Dauer in geringerem Umfang zugute kommen zu lassen, obgleich
- und dieses ist der entscheidende Gesichtspunkt - sein Opfer im gleichen Krieg für den gleichen Staat erbracht worden sei.
Diese besonderen Gründe gelten nicht für die Beschädigtengrundrente nach dem
OEG. Vordergründig ergibt sich schon insofern eine grundlegende Unterscheidung in der Situation von Kriegsopfern und Opfern von
Gewalttaten, als ein in der DDR geschädigtes Gewaltopfer kein Opfer auf Grund des Versagens des Gewaltmonopols der alten Bundesrepublik
Deutschland, also des gleichen Staates geworden ist. Darüber hinaus ist die Gruppe der Gewaltopfer bezogen auf das Lebensalter
- anders als die der Kriegsopfer - nicht homogen. Das Argument, bei weiterer Verlangsamung des wirtschaftlichen Anpassungsprozesses
zwischen alten und neuen Bundesländern würden die Kriegsopfer ein Gleichziehen der Leistungshöhe wegen des fortgeschrittenen
Lebensalters uU nicht mehr erleben, verfängt hier nicht.
Entscheidend ist jedoch letztendlich, dass das BVG im
OEG lediglich den Leistungsmaßstab für die Entschädigung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen angibt; es lässt im
Übrigen die Rechtsqualität der nach dem
OEG begründeten Ansprüche unberührt (BSGE 59, 40, 43; Kunz/Zellner, aaO, §
1 RdNr 45; Schoreit/Düsseldorf,
OEG, 1977, §
1 RdNr 116). Unabhängig vom immateriellen Anteil der Beschädigtengrundrente nach dem
OEG unterscheidet sie sich im Hinblick auf Ursache und Anknüpfungspunkt grundlegend von der der Kriegsopfer. Die Leistungen nach
dem
OEG dienen nicht dem Ausgleich eines Sonderopfers für den Staat, wie dieses bei Kriegsopfern angenommen wird, sondern der materiellen
und immateriellen Folgen auf Grund staatlichen Versagens. Die durch eine Gewalttat bewirkte Schädigung wird durch den Generalverweis
auf die Vorschriften des BVG (§
1 Abs
1 OEG) nicht der durch eine Kriegseinwirkung verursachten gleichgestellt (vgl BSGE 59, 40, 44). Die Verweisung beschränkt sich auf die Regelung von Art und Umfang der zu gewährenden Leistungen, um einen Ausgleich
der wirtschaftlichen Folgen zu gewährleisten.
Aus diesem Grunde kann die Rechtsprechung des BVerfG zu den Kriegsbeschädigtengrundrenten auch nicht auf die Grundrenten der
Gewaltopfer übertragen werden, soweit es die zeitlich befristete Anwendung des § 84a BVG betrifft. Das BVerfG hat gewichtige Gründe für die durch § 84a BVG bewirkte Ungleichbehandlung vor dem Hintergrund der Unterschiede in den Lebensverhältnissen in Ost und West angenommen; es
hat dem Gesetzgeber bei der Bemessung der Geldleistungen einen weiten Spielraum zugebilligt. Allerdings hat es darauf hingewiesen,
dass die durch § 84a BVG bewirkte Ungleichbehandlung der Kriegsopfer nicht auf Dauer angelegt sein und trotz der Unterschiede in den Lebensverhältnissen
noch mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung vereinbar bleiben müsse. Vor diesem Hintergrund mag die
Minderung der Sozialleistungen im Beitrittsgebiet mit zunehmenden Zeitablauf zwar immer bedenklicher werden. Gegenwärtig ist
diese Regelung jedoch im Hinblick auf die Transferleistungen von West nach Ost (Solidarpakt), verbunden mit den fortgesetzten
Bemühungen, das dortige Lohnniveau an die Verhältnisse in den alten Bundesländern anzunähern, von Verfassungs wegen nicht
zu beanstanden.
Auch ein Zusammentreffen von § 84a BVG mit der Vorschrift des §
10a OEG führt nicht zur Verfassungswidrigkeit. Unter Beachtung des Gesetzeszwecks, eine Entschädigung für Folgen von Gewalttaten
auf Grund des Versagens des staatlichen Gewaltmonopols zu gewähren, unterlag der Gesetzgeber nach der Wiedervereinigung keiner
Selbstbindung, die in den alten Bundesländern geltenden Regelungen auf die neuen zu übertragen. Gleichwohl hat er dieses unter
bestimmten Voraussetzungen als sozialpolitisch sachgerecht erachtet, nämlich in "Härtefällen", wie sie in §
10a OEG definiert sind. Derartige Gewaltopfer jedoch durch Zahlung einer Grundrente auf Westniveau anderen gegenüber besser zu stellen,
denjenigen etwa, die mit Wohnsitz in den neuen Bundesländern nach 1991 eine Schädigung erlitten haben, bestand keine Verpflichtung.
Diese Wertung unterlag damit dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Solange § 84a BVG in der jetzigen Fassung verfassungsgemäß ist, muss die Klägerin demnach auch seine Anwendung als Grundlage der Berechnung
im Rahmen des §
10a OEG gegen sich gelten lassen.
2. Soweit sie den Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2003 betrifft, ist
die Entscheidung des SG ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für das Handeln des Beklagten ist hier § 48 SGB X.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen,
die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt
soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung aufgehoben werden, soweit ... nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes
Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führt (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Durch die Erhöhung der von der BfA bezogenen Alters- und Hinterbliebenenrenten mit
Bescheiden vom 14. und 20. Dezember 2001 ab Mai 1999, in Verbindung mit der daraus folgenden Nachzahlung von Rentenleistungen,
ist eine wesentliche Änderung in den nach §
10a Abs
2 OEG maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, hat die Klägerin nachträglich anrechenbares Einkommen erzielt. Dieses
hat in dem von dem Beklagten festgestellten Umfang zur Minderung der durch Ausführungsbescheid vom 15. März 1999 rechtmäßig
festgestellten Beschädigtenrente und damit zu einer nachträglichen Rechtswidrigkeit dieser Bescheide für den Zeitraum von
Mai 1999 bis Juni 2002 geführt. Die Klägerin ist so zu stellen, als habe sie die höheren Rentenleistungen rechtzeitig erhalten;
sie wäre dann entweder gar nicht oder nur in geringerem Umfang iS des §
10a OEG bedürftig gewesen (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X; s hierzu auch BSG, Urteil vom 5. Juni 2003 - B 11 AL 70/02 R -, JURIS).
Die Aufhebung hat auch mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse zu erfolgen. Es liegt insoweit ein Fall der
echten Doppelleistung vor. Die Leistungen, die zum Wegfall bzw zur Minderung des Anspruchs auf Versorgungsleistungen geführt
haben, decken sich mit dem weggefallenen bzw geminderten Anspruch; die Klägerin hat durch den Bezug der höheren Renten aus
der gesetzlichen Rentenversicherung, bei gleichzeitiger Anrechnung nur des niedrigeren Rentenzahlbetrags auf die Leistung
nach dem
OEG einen wirtschaftlichen Vorteil gehabt. Die Erhöhung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung korrespondiert mit
der Reduzierung der Bedürftigkeit im Rahmen des §
10a OEG, anders als in den Fällen, in denen beispielsweise eine Leistung auf Grund des Überschreitens einer starren "Hinzuverdienstgrenze"
vollständig wegfällt (vgl hierzu BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 37, S 80; SozR 3-1300 § 48 Nr 42, S 92).
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles sind nicht gegeben. Das SG hat festgestellt, ein solcher liege nicht vor. Aus den für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des SG (§
163 SGG) ergeben sich insoweit auch keine Hinweise auf eine fehlerhafte Subsumtion des SG. Eine Atypik ist insbesondere nicht schon dann anzunehmen, wenn die Rückzahlung selbst eine besondere Härte darstellt. Dieser
Aspekt ist erst im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn eine "Atypik" bereits festgestellt worden ist (vgl
BSG SozR 1300 § 48 Nr 53). Die Behauptung der Klägerin, allein die Auszahlung eines Kleinstbetrages sei menschenunwürdig,
führt daher nicht weiter. Ein atypischer Fall wird von der Rechtsprechung in Fällen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X etwa dann angenommen, wenn die zu erstattende Leistung gutgläubig verbraucht worden ist und zur Rückzahlung nur die laufenden
Bezüge zur Verfügung stehen oder der Betroffene ohne die entfallene Sozialleistung im Nachhinein vermehrt sozialhilfebedürftig
würde (vgl Steinwedel in Kassler Kommentar, Stand März 2004, § 48 SGB X RdNr 52, mwN). Abgesehen davon, dass es hier an Feststellungen zum Verbrauch der
OEG-Leistungen fehlt - die Klägerin hat dieses auch nicht geltend gemacht -, war die Klägerin insoweit nicht gutgläubig. Sie
musste damit rechnen, dass die Renten der BfA zur Minderung der
OEG-Leistungen führen - dieses war zum Zeitpunkt der Nachzahlung bereits Gegenstand des Klageverfahrens. Die Klägerin hat zudem
neben dem anzurechnenden Renteneinkommen allein im Jahre 2001 eine Rentennachzahlung in Höhe von insgesamt 2.670,29 _ erhalten.
Dem steht eine Rückforderung des Beklagten von 2.931,75 _ gegenüber. Es verbleibt mithin für die Vergangenheit ein Differenzbetrag
von 261,46 _, der nicht allein aus der Nachzahlung zu decken ist. Angesichts eines monatlichen Renteneinkommens von 1.672,63
_ ist nicht ersichtlich, dass hierdurch Sozialhilfebedürftigkeit eintreten könnte.
Da der Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2003 rechtlich zutreffend alle
zuvor ergangenen Bescheide geändert hat, bedurfte es keiner weiteren Überprüfung jener Verwaltungsakte unter dem Gesichtspunkt
des § 48 SGB X. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte zudem zutreffend die Erstattung bereits erbrachter Leistungen in Höhe von 2.932,00
_ nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X gefordert.
3. Der Bescheid vom 25. September 2002 ist für den Zeitraum ab Juli 2002 rechtmäßig. Sowohl hinsichtlich der Rechengrößen
als auch der Rechtsgrundlage wird auf die vorhergehenden Ausführungen Bezug genommen. Entsprechendes gilt, soweit ab Juli
2002 überzahlte Rentenleistungen in Höhe von 68,22 _ von der Klägerin zurückgefordert worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.