BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - 10 C 10.12
Richten der Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.v. § 2 Abs. 3 AufenthG notwendigen Bedarfs und erforderlichen Einkommens bei nicht mehr erwerbsfähigen Ausländern nach den Bestimmungen des SGB XII; Voraussetzung der Erteilung eines Visums zum Familiennachzug wegen Pflegebedürftigkeit gem. § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG
1. Die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG notwendigen Bedarfs und erforderlichen Einkommens richtet sich bei nicht (mehr) erwerbsfähigen Ausländern grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zwölftes Buch - SGB XII - über die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
2. Der Sicherung des Lebensunterhalts steht nicht entgegen, wenn ein Ausländer nur unter Inanspruchnahme der Absenkungsmöglichkeit des § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG die Kosten für eine private Krankenversicherung im Basistarif selbst tragen kann.
3. Es obliegt tatrichterlicher Würdigung im Einzelfall, ob und in welchem Umfang eine Verpflichtungserklärung mit Blick auf den absehbaren Bedarf des Ausländers und seine Mittel sowie das Vorliegen ausreichender und stabiler finanzieller Verhältnisse des Garantiegebers genügt, um von einem gesicherten Lebensunterhalt des Ausländers ausgehen zu können.
4. Die in der Verwaltungsvollstreckung gemäß § 850c Abs. 4 ZPO vorgesehene Möglichkeit, das pfändbare Einkommen des Schuldners durch eine Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde zu erweitern, ist bei der Bonitätsprüfung eines Garantiegebers, der eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, prognostisch mit zu berücksichtigen.
5. Die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug wegen Pflegebedürftigkeit gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG setzt die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe voraus, bei der auch geleistete Nachbarschaftshilfe oder im Herkunftsland angebotener professioneller pflegerischer Beistand den Bedürfnissen des Nachzugswilligen nicht gerecht erden können.
Fundstellen: BVerwGE 146, 198, NVwZ 2013, 10, NVwZ 2013, 1339, ZAR 2013, 435
Normenkette:
AufenthG § 5 Abs. 1 S. 1
,
AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1
,
AufenthG § 28 Abs. 4
,
AufenthG § 36 Abs. 2 S. 1
,
VAG § 12 Abs. 1c S. 4
,
ZPO § 850c Abs. 4
,
GG Art. 6 Abs. 1
Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg 25.01.2012 OVG 2 B 10.11 , VG Berlin 16.11.2009 VG 10 V 7.08
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

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