Sozialhilferecht - Mietzinsverpflichtungen bei infolge vormundschaftsgerichtlichem Genehmigungsverfahren verzögerter Wohnungsaufgabe
und anschließender Heimunterbringung
1. Mietzinsverpflichtungen, die durch die Verzögerung der Wohnungsaufgabe durch das nach §
1907 BGB erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsverfahren entstehen, sind besondere Belastungen des in stationäre Pflege
genommenen Hilfebedürftigen, da sie gleichsam aus Anlaß des Hilfefalles entstehen, ohne daß der Hilfebedürftige sich ihnen
entziehen könnte. Denn §
1907 BGB schaltet im Interesse des Schutzes des Betreuten vor dem Verlust seiner Wohnung als dem räumlichen Mittelpunkt seines bisherigen
Lebens der Wohnungsaufgabe durch den Betreuer zwingend ein vormundschaftliches Genehmigungsverfahren vor.
2. Werden Einkommensteile desjenigen, dem stationäre Hilfe zur Pflege gewährt wird, freigelassen, um diese Verpflichtungen
erfüllen zu können, erwächst dem Hilfeempfänger hieraus auch kein wirtschaftlicher Vorteil. Denn er muß die freizulassenden
Geldmittel an den Vermieter abführen, um seine mietvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
Gründe:
Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, ob bei der Inanspruchnahme des Einkommens des Hilfebedürftigen im Rahmen
einer stationären Hilfe zur Pflege darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß der Hilfebedürftige noch für eine kurze Übergangszeit
Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis für seine bisherige Wohnung zu erfüllen hat. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um
Mietzinsverpflichtungen für zwei Monate, die dadurch entstanden sind, daß die Kündigung der bisherigen Wohnung der vormundschaftsgerichtlichen
Genehmigung bedurfte und das Genehmigungsverfahren nicht früher abgeschlossen werden konnte.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des
§
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO nicht zu.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren
dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (BVerwGE
13, 90, 91). Daran fehlt es, wenn sich die Rechtsfrage auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung
und anhand des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation ohne weiteres beantworten läßt.
So liegt es hier.
Wie der Senat bereits entschieden hat, sind bei der Auslegung und Anwendung der §§ 84, 85 Nr. 3 des Bundessozialhilfegesetzes,
das hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl I S. 646, ber. S. 2975) anzuwenden ist, die in § 84 Abs. 1 Satz 2 BSHG beispielhaft genannten Angemessenheitskriterien zugrunde zu legen (Urteil vom 6. April 1995 - BVerwG 5 C 5.93 -, Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 14 S. 6): Bei der Prüfung, in welchem Umfang die Aufbringung der Mittel angemessen ist, sind vor allem die Art des Bedarfs,
die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen des Hilfesuchenden zu berücksichtigen. Daß
zu den besonderen Belastungen auch Schulden gehören können, ist nicht bestreitbar (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22. Dezember
1992 - BVerwG 5 B 22.92 -, Beschlußabdruck S. 2). Weiterhin ist geklärt, daß § 85 Nr. 3 BSHG insgesamt das Anliegen verfolgt, zu vermeiden, dem Hilfesuchenden (Hilfeempfänger) daraus einen wirtschaftlichen Vorteil
erwachsen zu lassen, daß er auf Kosten der Allgemeinheit in einer seinen Lebensunterhalt und seine umfassende Betreuung sicherstellenden
Weise untergebracht ist (vgl. Urteile vom 25. November 1982 - BVerwG 5 C 13.82 -, Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 7 S. 4 f. und vom 6. April 1995, a.a.O. S. 7).
Auf der Grundlage dessen erscheint es ohne weiteren Klärungsbedarf unmittelbar einleuchtend, daß Mietzinsverpflichtungen,
die durch die Verzögerung der Wohnungsaufgabe durch das nach §
1907 BGB erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsverfahren entstehen, besondere Belastungen des in stationäre Pflege
genommenen Hilfebedürftigen sind. Sie entstehen gleichsam aus Anlaß des Hilfefalles, ohne daß der Hilfebedürftige sich ihnen
entziehen könnte. Denn §
1907 BGB schaltet im Interesse des Schutzes des Betreuten vor dem Verlust seiner Wohnung als dem räumlichen Mittelpunkt seines bisherigen
Lebens der Wohnungsaufgabe durch den Betreuer zwingend ein vormundschaftliches Genehmigungsverfahren vor (vgl. die Begründung
des Regierungsentwurfs eines Betreuungsgesetzes, BTDrucks 11/4528 S. 149 zu § 1907). Dem Sozialhilferecht ist kein Strukturprinzip
zu entnehmen, das es rechtfertigen könnte, das wirtschaftliche Risiko für die aus dieser staatlichen Inschutznahme resultierenden
Mietbelastungen auf den Vermieter abzuwälzen. Werden Einkommensteile desjenigen, dem stationäre Hilfe zur Pflege gewährt wird,
freigelassen, um diese Verpflichtungen erfüllen zu können, erwächst dem Hilfeempfänger hieraus auch kein wirtschaftlicher
Vorteil. Denn er muß die freizulassenden Geldmittel an den Vermieter abführen, um seine mietvertraglichen Verpflichtungen
zu erfüllen.