Sozialhilferecht: Unterbrechung der Erstattungspflicht, Verzinsung von zu erstattenden Kosten
Gründe:
Die Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision liegen
nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Soweit die Beschwerde geklärt wissen möchte, ob ein ununterbrochener Aufenthalt eines Hilfeempfängers
im Bereich eines Erstattung begehrenden Sozialhilfeträgers im Sinne von § 103 Abs. 3 BSHG F. 1987 nicht mehr vorliegt, wenn der Hilfeempfänger des öfteren über das Wochenende oder im Urlaub den örtlichen Zuständigkeitsbereich
des erstattungsbegehrenden Sozialhilfeträgers verläßt, betrifft die angesprochene Rechtsfrage ausgelaufenes Recht. Denn §
103 Abs. 3 BSHG F. 1987 ist mit Wirkung zum 1. Januar 1994 durch § 103 Abs. 3 BSHG in der Fassung des Art. 7 Nr. 24 Buchstabe b des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944) ersetzt worden. Nach § 103 Abs. 3 Satz 3 BSHG n.F. wird die Erstattungspflicht u.a. nicht durch einen Aufenthalt außerhalb des Bereichs des örtlichen Trägers, in dem die
Einrichtung liegt, unterbrochen, wenn dieser zwei Monate nicht übersteigt. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage
stellt sich demnach nach neuem Recht nicht mehr. Rechtsfragen, die sich aus der Anwendung ausgelaufenen Rechts ergeben, kommt
jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO zu (vgl. Beschlüsse vom 31. Mai 1967 - BVerwG 2 B 3.67 -, vom 21. Dezember 1977 - BVerwG 7 B 109.77 - sowie vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - [Buchholz 310 §
132 VwGO Nr.
53 und Nr.
160, 310 §
132 Abs.
2 Ziff. 1
VwGO Nr. 4]). Denn das die Zulassung der Revision rechtfertigende Ziel, mit der Revisionsentscheidung der Erhaltung der Rechtseinheit
oder der Weiterentwicklung des Rechts zu dienen, kann grundsätzlich nicht mehr erreicht werden, wenn sich die zu klärende
Rechtsfrage im Zusammenhang mit früherem oder auslaufendem Recht oder Übergangsregelungen stellt und ihre Beantwortung deshalb
nicht für die Zukunft richtungsweisend sein kann. Gründe für eine Ausnahme von dieser Regelung liegen hier nicht vor. Daß
noch Fälle abzuwickeln sind, in denen das alte Recht von Bedeutung ist, reicht dazu nicht aus (vgl. Beschluß vom 10. Mai 1991
- BVerwG 2 B 50.91 - [Buchholz 310 §
132 VwGO Nr. 297]). Ob eine Ausnahme jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn noch eine erhebliche Anzahl von Fällen nach dem ausgelaufenen
Recht zu entscheiden wäre (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Dezember 1977 [a.a.O.] sowie vom 31. August 1993 - BVerwG 9 B 393.93 - [Buchholz 412.3 § 11 BVFG Nr. 5]) kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben. Denn jedenfalls wäre es Sache des Beklagten gewesen, dies genau und
im einzelnen darzulegen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Dezember 1977 [a.a.O.]). Der unsubstantiierte Hinweis, die Frage werde
in zahlreichen Erstattungsverfahren, für die noch die Vorschrift des § 103 Abs. 3 BSHG a.F. maßgeblich sei, eine Rolle spielen, reicht hierfür jedenfalls nicht.
Einen die Zulassung der Revision nach §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO rechtfertigenden Klärungsbedarf weist auch nicht die weiter angesprochene Frage auf, ob für Kostenerstattungsansprüche, die
unter der Geltung des § 103 Abs. 3 BSHG F. 1987 entstanden sind, eine Verzinsungspflicht auch unter Berücksichtigung der seit 1. Januar 1994 geltenden Neufassung
des § 111 Abs. 2 BSHG ausgeschlossen ist. Denn die Antwort hieraus ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Mit der Aufhebung der eine Verzinsung
ausschließenden Spezialnorm des § 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG F. 1987 mit Wirkung zum 1. Januar 1994 (Art. 43 Abs. 5 FKPG) sind in Ermangelung anderweitiger Aussagen des aufhebenden Gesetzes die allgemeinen Grundsätze über Verzinsung
öffentlich-rechtlicher Ansprüche insoweit wieder in Geltung gesetzt worden. Eine Rückwirkung ist mit dieser Regelung auch
für sogenannte Altfälle nicht verbunden, da die Verzinsungspflicht lediglich für die Zukunft eintritt. Darüber hinaus hatten
Erstattungsschuldner dadurch, daß diese Regelung erst ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen
Konsolidierungsprogramms in Geltung gesetzt worden ist, hinreichend Zeit, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen.
Klärungsbedürftig ist ebensowenig die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das Verlassen einer Einrichtung im Sinne von
§ 103 Abs. 3 BSHG alter wie neuer Fassung auch eine räumliche Veränderung des Hilfeempfängers voraussetze. Zu Recht ist das Berufungsgericht
davon ausgegangen, daß diese Frage durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 1994 (BVerwGE 95, 149 [152]) geklärt ist. Danach gehören die von einer (betreuten) Person bewohnten Räumlichkeiten dann zu einer Einrichtung im
Sinne des § 100 Abs. 1 BSHG, wenn die Unterkunft der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers so zugeordnet ist, daß sie als Teil des
Einrichtungsganzen anzusehen ist. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß von einer Räumlichkeit der Einrichtung nicht mehr gesprochen
werden kann, wenn die Unterkunft aus der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers ausgegliedert ist. Entscheidend
für die Frage, ob jemand eine Einrichtung verlassen hat, ist also nicht eine wahrnehmbare räumliche Veränderung, sondern sein
Heraustreten aus der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers.
Die Revision kann auch nicht nach §
132 Abs.
2 Nr.
3 VwGO wegen eines für die berufungsgerichtliche Entscheidung erheblichen Verfahrensfehlers zugelassen werden. Daß die Feststellung
des Verwaltungsgerichtshofs, die Hilfeempfängerin habe sich nach dem Verlassen der Einrichtung ununterbrochen im Bereich der
klagenden Stadt aufgehalten, eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme sei, kann nicht festgestellt werden. Denn die von der Beschwerde
zum Beweis in Bezug genommenen Akten des beklagten Landkreises und des beigeladenen Bezirks sind ausweislich der Verfahrensakten
weder vom Berufungsgericht noch vom Verwaltungsgericht beigezogen worden. Soweit die Beschwerde hierin einen Verstoß gegen
§
86 Abs.
1 VwGO sieht, scheitert ihre Verfahrensrüge an den Darlegungsanforderungen des §
133 Abs.
3 Satz 3
VwGO. "Bezeichnet" im Sinne dieser Vorschrift ist der Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung in den Fällen, in denen
der Beschwerdeführer in der Vorinstanz einen förmlichen Beweisantrag nicht gestellt hat, nur dann, wenn in der Beschwerdebegründung
u.a. angegeben wird, inwiefern sich der Vorinstanz - nach deren materiellrechtlicher Ansicht (BVerwG, Urteil vom 25. März
1987 - BVerwG 6 C 10.84 - [Buchholz 310 §
108 VwGO Nr. 183 S. 4]) - eine Sachaufklärung in der von der Beschwerde aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG,
Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 72.90 - [NVwZ 1993, 62/63]). Die Bezugnahme auf nicht beigezogene Akten reicht hierfür nicht aus.
Dem Beschwerdevorbringen ist schließlich auch nicht zu entnehmen, daß die Vorinstanz ihrer Entscheidung unter Verstoß gegen
den Überzeugungsgrundsatz des §
108 Abs.
1 Satz 1
VwGO (vgl. z.B. BVerwGE 68, 338 [339 f.] und Urteil vom 25. März 1987 [a.a.O. S. 1 f.]) einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt
hat. Denn die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beteiligten seien sich darüber einig, daß sich die Hilfeempfängerin
auch nach dem Verlassen der Einrichtung ununterbrochen im Bereich der klagenden Stadt aufgehalten habe, ist das Ergebnis einer
Würdigung des prozessualen Verhaltens der Beteiligten. Die Beschwerde nennt jedoch keinen Gesichtspunkt, unter dem das Bundesverwaltungsgericht
die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts ausnahmsweise überprüfen könnte (s. dazu BVerwGE 81, 74 [76] m.w.N.).