BVerwG, Urteil vom 27.11.1986 - 5 C 2.85, FEVS 36, 184
Keine Heranziehung der für die Bemessung von Wohngeld bestimmten Höchstgrenzen bei der Beurteilung der Angemessenheit der Kosten einer Unterkunft.
Fundstellen: BVerwGE 75, 168, DRsp V(545)99e, FEVS 36, 184, NVwZ 1987, 791
Normenkette:
BSHG § 3 Abs.1, § 12, § 76, § 77
,
RegelsatzVO § 3 Abs.1
,
WoGG § 4 Abs.3
»... Bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt sind zur Beurteilung dessen, welche Kosten der Unterkunft als angemessen anzuerkennen sind, die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten Höchstbeträge nicht heranzuziehen. ...
Der Umstand, daß nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RegelsatzVO die laufenden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Kosten zu gewähren sind, besagt nicht, daß der Träger der Sozialhilfe die Miete für jede Unterkunft, die der Hilfesuchende/Hilfeempfänger gemietet hatte oder mietet, übernehmen muß; denn aus dem Satz 2 des § 3 Abs. 1 RegelsatzVO ergibt sich, da die Aufwendungen für die Unterkunft nur in einem die Besonderheit des Einzelfalles berücksichtigenden angemessenen Umfang anzuerkennen sind. Mit Sozialhilfe ist der notwendige Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen sicherzustellen. Unter diesem Aspekt ist die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach dem Bedarf des (der) Hilfesuchenden zu bestimmen. Hierfür kommt es auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, wie sie beispielhaft in § 3 Abs. 1 BSHG beschrieben sind. Geht es um den Bedarf von mehreren Personen (Bedarfsgemeinschaft), so kommt es auch auf deren Zahl und Alter an (s. BVerwGE 72, 88). Bereits in dieser Entscheidung hat das BVerwG ausgeführt, daß der Unterkunftsbedarf im Sinne des Sozialhilferechts allein nach dessen Vorschriften, nicht nach denen des Wohngeldrechts zu beurteilen ist, da der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte Zweck weiter geht als derjenige der Sozialhilfegewährung. Das Wohngeld ist keine Leistung der Sozialhilfe im Sinne des BSHG (§ 1 Satz 2 des WoGG i. d. F. der Bekanntmachung v. 29. 8. 1977, BGBl. I S. 1685 Ä WoGG Ä). Grundsätze, die die im BSHG getroffenen Regelungen prägen, besonders derjenige, daß sich u. a. das Maß der Hilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles richtet, und derjenige der Bedarfsdeckung Ä all dies unter dem Aspekt, daß mit öffentl. Mitteln nur der notwendige Lebensunterhalt sichergestellt werden soll Ä, gelten für das Wohngeldrecht nicht. Es hat pauschalierenden Charakter. Was die Bestimmung der in diesem Gesetz vorgesehenen Höchstbeträge angeht, so kommt es zunächst Ä über die Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialhilferechts hinausgehend Ä auf die Zahl der Familienangehörigen an, die i. S. des § 4 Abs. 3 WoGG zum Haushalt rechnen, sodann auf den Standort der Wohnung (Gemeindegröße), ferner auf das Jahr ihrer Bezugsfertigkeit und schließlich auf die Art ihrer Ausstattung. Bei alledem wird von der Wohnung ausgegangen, die der Wohngeldberechtigte gemietet hat, ohne danach zu fragen, ob diese Unterkunft nach der Anzahl der Räume und ihrer Wohnfläche sowie nach ihrer Ausstattung i. S. des sozialhilferechtlich Notwendigen angemessen ist. ... Bei der Beurteilung, ob Ä geht es um die Gewährung von Sozialhilfe Ä der Aufwand für die Unterkunft einen der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang hat (siehe § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO), ist von der tatsächlich entrichteten Miete auszugehen... Dabei ist nicht zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich dieser Aufwand am Ende um bewilligtes Wohngeld mindert. Das Wohngeld ist vielmehr erst bei der Ermittlung des Einkommens des Hilfesuchenden zu berücksichtigen, das nach den §§ 76, 77 BSHG einzusetzen ist. Aus der Gegenüberstellung von abstraktem Bedarf und anrechenbarem Einkommen ergibt sich Ä ist dieses niedriger Ä der konkrete, mittels Sozialhilfe zu befriedigende Bedarf (BVerwGE 45, 157). ...«